Dem Fahrzeugführer werden durch § 19 StVO vielseitige Pflichten für das Fahr- und Warteverhalten an Bahnübergängen auferlegt, um den Vorrang von Schienenfahrzeugen zu sichern.
Insbesondere darf ein unbeschrankter oder freigegebener Bahnübergang nur dann befahren werden, wenn sicher vorausgesehen werden kann, dass auch ein zügiges Räumen desselben möglich ist, ansonsten ist vor dem Andreaskreuz zu warten.
Kreuzen sich Feld-, Wald- und Wiesenwege mit Bahngleisen, so gelten für Fahrzeugführer die selben Pflichten wie sie an sonstigen Bahnübergängen mit Andreaskreuz gelten.
OLG München v. 08.10.1998:
Kommt ein Pkw auf einem Bahnübergang von der Fahrbahn ab und bleibt im Gleisbereich stecken, so spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass dies auf einer vermeidbaren Unaufmerksamkeit des Fahrers beruht. Dass starker Nebel mit einer Sichtweite von ca. 30 m herrschte und die Fahrbahn keine Markierungen aufwies, sind keine Besonderheiten, die gegen ein typisches Verschulden sprechen.
OLG Oldenburg v. 23.04.1999:
An viel befahrenen Bahnübergängen mit industriellem Umfeld, an denen es in der Vergangenheit bereits zu mehreren tödlichen Unfällen gekommen ist, muss die Bahn in Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflichten über die in EBO vorgesehenen Sicherungen hinaus geeignete weitere Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um den Bahnübergang ausreichend zu sichern, wenn dieser unbeschrankt und lediglich mit Blinklicht und akustischem Signal ausgestattet ist.
OLG Hamm v. 16.08.2000:
Die Sorgfaltsanforderung des § 19 StVO gehören zu den höchsten Anforderungen, die die StVO überhaupt einem Verkehrsteilnehmer abverlangt. Ein Kraftfahrer, der sich einem unbeschrankten Bahnübergang nähert, hat ganz besondere Aufmerksamkeit aufzubringen und muss seine Fahrweise und insbesondere seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er in der Lage ist, vor einem herannahenden Zug anzuhalten und diesem Vorrang zu gewähren. Ist die Strecke unübersichtlich, dann muss er ggf. mit Schrittgeschwindigkeit an den Übergang heranfahren und notfalls sogar halten, bis er beurteilen kann, dass die Strecke frei ist. Hiergegen hat der Zeuge Z verstoßen. Ein Verstoß gegen die besondere Sorgfaltspflicht des § 19 StVO wiegt besonders schwer und ist objektiv grob fahrlässig.
OLG München v. 17.11.2000:
Kommt es bei Schneesturm und dadurch teilweise verdecktem Andreaskreuz und verdeckter Signalanlage, jedoch geschlossener Halbschranke zu einem Verkehrsunfall, haftet das Eisenbahnunternehmen zu 30%, wenn sich der Kfz-Führer mit einer den Witterungsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit den Bahngleisen genähert hat.
OLG Oldenburg v. 31.10.2001:
§ 19 StVO regelt das Verhältnis zwischen Schienen- und Straßenverkehr an unbeschrankten Bahnübergängen dahin, dass die schienengebundenen Fahrzeuge bei Beschilderung mit Andreaskreuzen den absoluten Vorrang haben und die Straßenverkehrsteilnehmer vor diesen Verkehrszeichen warten müssen, wenn sich ein Schienenfahrzeug nähert. Da ein Fahrzeugführer stets mit Bahnverkehr rechnen muss, ist er vor unbeschrankten Bahnübergängen zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Er muss deshalb seine Fahrweise so einstellen, dass er auf kürzester Entfernung anhalten kann, notfalls muss er mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder vor dem Übergang anhalten und sich vergewissern, dass sich kein Schienenfahrzeug nähert, solange er nicht die Bahnstrecke nach beiden Seiten als frei erkannt hat. In den Gleisbereich darf er nur dann einfahren, wenn er mit Gewissheit - notfalls unter Einschaltung von Hilfspersonen - diesen bei Annäherung eines Zuges mit Sicherheit vollständig und rechtzeitig verlassen kann.
OLG München v. 25.09.2003:
Ein Lokführer muss nicht schon dann eine Vollbremsung einleiten, wenn er einen PKW auf den Übergang zufahren sieht. Dies würde dazu führen, dass der Lokführer regelmäßig an einem unbeschrankten Übergang eine Vollbremsung mit der Folge einleiten müsste, dass das Vorfahrtsrecht der Eisenbahn faktisch ad absurdum geführt werden würde. Vielmehr darf sich der Lokführer darauf verlassen, dass ein auf den Bahnübergang zufahrender PKW das Vorfahrtsrecht der Eisenbahn beachten wird.
LG Limburg v. 14.10.2005:
Bleiben zwei Fahrzeuge hintereinander infolge eines Defekts des ersten auf einem beschrankten Bahnübergang stehen und hilft der Führer des zweiten Fahrzeugs beim Verbringen des ersten, so haftet der Halter des ersten Fahrzeugs aus der Betriebsgefahr zu 100 %, wenn durch die sich inzwischen schließende Schranke das zweite Fahrzeug beschädigt wird.
OLG Koblenz v. 26.03.2007:
Vor einem Bahnübergang muss angehalten werden, wenn der Bahnübergang nicht zügig und ohne Aufenthalt überquert werden kann. Nur derjenige Verkehrsteilnehmer, der mit Gewissheit jenseits des Gleisbereichs genügend Platz zum Anhalten oder Weiterfahren hat, darf in den Gleisbereich einfahren.
OLG Jena v. 25.03.2010:
Wer einen Bahnübergang bei rotem Blinklicht überquert, handelt in der Regel grob fahrlässig.
LG Magdeburg v. 05.07.2010:
Ein Verkehrsteilnehmer darf bei einem beschrankten Bahnübergang auf die Funktionstüchtigkeit der Halbschranken und des Blinklichts vertrauen, sofern sich dem Verkehrsteilnehmer etwaige Zweifel an der Funktionstüchtigkeit nicht erkennbar aufdrängen.
OLG Jena v. 02.08.2010:
Eine Verurteilung wegen eines Verstoßes nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO macht grundsätzlich Feststellungen dazu erforderlich, wie lange rotes Blinklicht gegeben wurde. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn an einem beschrankten Bahnübergang vor Schließen der Schranken das Blinklicht angezeigt wird und sich der Verkehrsverstoß vor dem Beginn des Schließens der Schranke ereignet. Ein absolutes Gebot zum Anhalten besteht mit dem Aufleuchten des roten Blinklichts an einem Bahnübergang nur dann, wenn der Fahrer bei mäßiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung von 4 Metern pro Sekunde noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann.
OLG Jena v. 13.08.2010:
Zwar darf ein Kraftfahrer bei Überfahren eines beschrankten Bahnübergangs grundsätzlich darauf vertrauen, dass kein Zug kommt, wenn die Schranken geöffnet sind. Dies gilt aber nur dann, wenn keine Gegenanzeichen vorliegen, dass ein Zug sich nähert und eine Schließung des Übergangs bevorsteht. Solche Gegenanzeichen sind z.B. Blinklichter oder sonstige Lichtzeichen, die sowohl bei unbeschrankten als auch bei beschrankten Bahnübergängen signalisieren, dass sich ein Zug nähert.
LG Magdeburg v. 06.10.2011:
Nach § 9 Abs. 5 StVO muss sich der Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Damit trägt der Abbieger in ein Grundstück die Verantwortung praktisch allein, insbesondere, wenn er dabei sogar noch eine durchgezogene Linie im Bereich eines Bahnübergangs überfahren muss.
OLG Naumburg v. 27.02.2014:
Kann der Gleisbereich eines Bahnübergangs auf Grund von Hindernissen jenseits der Gleise nicht zügig überquert werden, muss der Fahrzeugführer vor dem Andreaskreuz anhalten. Außer der Polizei ist keine Person berechtigt, die an Bahnübergängen angebrachten Lichtsignalanlagen außer Kraft zu setzen. Ein nicht von der Polizei stammendes, zur Weiterfahrt aufforderndes Handzeichen darf der Kraftfahrer nicht beachten, ohne sich zuvor selbst von Möglichkeit des vollständigen Überquerens des Bahnübergangs überzeugt zu haben.
OLG Hamm v. 11.06.2015:
Stößt ein Pkw auf einem unzureichend gesicherten Bahnübergang mit dem Zug einer Privatbahn zusammen, kann eine für den Unfall ursächliche Nachlässigkeit des Schrankenwärters sowohl der Privatbahn als auch dem für die Bahnstrecke verantwortlichen Unternehmen der Deutschen Bahn zuzurechnen sein, so dass alle Beteiligten in vollem Umfang für den Fahrzeugschaden haften.
OLG Nürnberg v. 09.05.2012:
Die Verkehrssicherungspflicht für Bahnsteige erfordert, bei winterlichen Verhältnissen (auch) einen hinreichend großen Bereich hinter der auf Bahnsteigen angebrachten, längs der Bahnsteigkante verlaufenden weißen Markierung („Sicherheitslinie“) zu räumen und zu streuen, damit Fahrgäste in diesem Bereich den Bahnsteig gefahrlos betreten und verlassen können.
OLG Hamm v. 14.05.2012:
Wird ein Fahrgast, der den vorhandenen Sicherheitsgurt nicht angelegt hat, beim Überfahren eines Bahnübergangs durch einen Linienbus hochgeschleudert und erleidet dadurch einen Lendenwirbelbruch, so ist eine Haftungsverteilung von 70 zu 30 zu Gunsten des Fahrgastes gerechtfertigt, wenn der Busfahrer beim Überqueren der Bahngleise angesichts der Unebenheit des Bahnübergangs zu schnell gefahren ist.
OLG Schleswig v. 04.07.2008:
Der Beweis des ersten Anscheins für grobe Fahrlässigkeit des bei einem auf Bahngleisen Getöteten gilt nur bei gesunden Menschen. Die Gesundheit muss derjenige beweisen, zu dessen Gunsten der Anschein gelten soll, also in der Regel das Bahnunternehmen.
BGH v. 11.01.2005:
Beschädigt ein LKW die elektrische Oberleitung der Bahn, so kann das Eisenbahnunternehmen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ersatz für die Kosten des Einsatzes von Dieselloks eines anderen Verkehrsunternehmens an Stelle der sonst eingesetzten eigenen Zugmaschinen verlangen, mit denen sie den Ersatzverkehr ausgeführt hat.
AG Sonthofen v. 31.03.2010:
Wird durch einen Zusammenstoß mit einem Pkw eine Lok des Eisenbahnunternehmens beschädigt, so dass sich durch die eingeschränkte Nutzbarkeit des betroffenen Bahnabschnitts nachfolgende Züge verspäten oder sogar ganz ausfallen, steht dem Eisenbahnunternehmen kein Schadenersatzanspruch aus dieser Betriebserschwernis zu.
OLG Köln v. 11.01.2001:
Auf dem Fußgängerüberweg, der außer über die Fahrbahn auch über eine Straßenbahn-Gleisanlage führt, muss eine auf Zugkontakt reagierende ("zugbediente") Blinklichtanlage vor einem sich nähernden Straßenbahnzug warnen. Ein Blinklicht, das unabhängig vom Herannahen einer Bahn ständig aufleuchtet, reicht zur Verkehrsregelung nicht aus. Das Unterlassen einer derartigen Warnung für die Fußgänger stellt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar. Den unaufmerksamen Fußgänger, der eine sich nähernde Straßenbahn übersieht, trifft ein Mithaftungsanteil von 2/3.
OLG Celle v. 31.01.2019:
Ein Verstoß gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei gelben oder roten Lichtzeichen liegt nur vor, wenn der Fahrer bei mittelstarker Bremsung (Bremsverzögerung 4 m/s²) noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann. - Dazu sind in der Regel Feststellungen zur Entfernung des Fahrzeugs vom Andreaskreuz zu Beginn der Gelbphase, zur Dauer der Gelbphase und zu der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit erforderlich.
BayObLG v. 26.03.2001:
Eine tateinheitliche Verwirklichung der Missachtung des Rotlichts an Bahnübergängen und an Straßenkreuzungen liegt vor, wenn das Rotlicht sowohl den Schienenverkehr als auch den nach der Wechsellichtzeichenanlage noch vor dem Bahnübergang einbiegenden Straßenverkehr schützt.