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BGH Urteil vom 21.08.2002 - 1 StR 115/02 - Anwendung des Bruttoprinzips bei der Verfallsanordnung auch gegenüber Drittbegünstigten
BGH v. 21.08.2002: Zur Anwendung des Bruttoprinzips bei der Verfallsanordnung auch gegenüber Drittbegünstigten
Der BGH (Urteil vom 21.08.2002 - 1 StR 115/02) hat entschieden:
Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt primär einen Präventionszweck. Dies gilt auch für die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB.
Siehe auch Die Verfallsanordnung im Bußgeldverfahren und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren
Gründe:
Das Landgericht hat zwei Angestellte der Papierfabrik S. GmbH wegen mehrfacher Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 Buchst. h Abs. 1 Nr. 2 AWV) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Gegen die Verfallsbeteiligte, die nach dem Tatzeitraum in eine Kommanditgesellschaft umgewandelte Papierfabrik S. GmbH & Co. KG, hat es nach § 73 Abs. 3 StGB den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.916.855,06 DM angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge die Anordnung eines höheren Verfallsbetrages erstrebt, ist hingegen begründet.
I.
Gegenstand der Verurteilung und der Verfallsanordnung sind Embargoverstöße in der Zeit von Juli 1992 bis November 1995. Die Papierfabrik S. GmbH (im folgenden S. GmbH), die technische Spezialpapiere herstellte, hatte Tabakpapier an eine Firma in Serbien geliefert. Der Angeklagte I. war Leiter des Betriebsbereichs "Tabakpapiere"; der Mitangeklagte R. war Gesamtverkaufsleiter und Vorgesetzter des Angeklagten I.
1. Am 30. Mai 1992 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen umfassende Sanktionen gegen Serbien und Montenegro verhängt, die durch Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung mit Wirkung vom 13. Juni 1992 in deutsches Recht umgesetzt wurden und bis zum 22. November 1995 aufrechterhalten blieben.
Schon vor dem Embargo hatte die S. GmbH Tabakpapier an die serbische Firma geliefert. Diese Geschäftsbeziehung war im Gegensatz zu anderen Absatzmärkten relativ profitabel (die Preise lagen 30 bis 40 % über den sonstigen Durchschnittspreisen) und für das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis der Abteilung "Tabakpapiere" von großer Bedeutung. Die Angeklagten befürchteten infolge des Embargos einen erheblichen Umsatzverlust, eine unzureichende Auslastung der Maschinen und Kurzarbeit. Sie entschlossen sich deshalb, das Embargo durch Einschaltung anderer Firmen zu umgehen. Die darüber unterrichteten Geschäftsführer der S. GmbH billigten diese Umgehungsgeschäfte ausdrücklich.
Bis zum Ende des Embargos wurde dem Konto der S. GmbH ein Verkaufserlös von 7.916.855,06 DM (4.047.823,72 €) gutgeschrieben; hinsichtlich dieses Betrages wurde der Verfall von Wertersatz angeordnet. Nach Aufhebung des Embargos ging auf dem Konto ein weiterer Betrag von 818.280,50 DM (418.380,18 €) ein; dieser wurde jedoch nicht für verfallen erklärt.
2. Die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als Drittbegünstigte nach § 73 Abs. 3 StGB hat das Landgericht damit begründet, dass ihr das Handeln der Angeklagten zuzurechnen sei, da diese im Interesse des Unternehmens und mit Billigung der Geschäftsführer gehandelt hätten. Die spätere Veräußerung der S. GmbH an ein anderes Unternehmen und die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft habe an ihrer Stellung als Verfallsadressatin nichts geändert.
Das nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte bestehe in dem gesamten während der Embargozeit vereinnahmten Verkaufserlös. Die Höhe des Verfallsbetrages bemesse sich nach dem Bruttoprinzip, so dass keine Kosten in Abzug zu bringen seien. Die Voraussetzungen der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht verneint. Die Geschäftsführer der S. GmbH hätten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewusst Kapital in strafbare Handlungen investiert. Zudem sei das Unternehmen durch die Verfallsanordnung keinesfalls in seiner Existenz gefährdet. Auch eine Entreicherung im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB liege nicht vor.
3. Die Verfallsbeteiligte macht mit ihrer Revision geltend, sie könne infolge des nach der Tatzeit erfolgten Unternehmensverkaufs und wegen der Unternehmensumwandlung nicht Verfallsadressatin sein. Ferner habe das Landgericht bei der Höhe des Verfalls zu Unrecht das Bruttoprinzip angewendet. Jedenfalls aber hätte wegen des Schuldprinzips nur der Nettoerlös abgeschöpft werden dürfen.
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Revision eine höhere Verfallsanordnung. Auch hinsichtlich der nach Ende des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM - die aus Lieferungen während der Embargozeit herrührten - hätte der Verfall angeordnet werden müssen.
II.
Die Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Höhe des verfallenen Wertersatzes nach § 73a Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zu Recht nach dem Bruttoprinzip ermittelt und rechtsfehlerfrei eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB verneint.
1. Der Verfall (des Wertersatzes) ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips anzuordnen, soweit nicht die gleichfalls zwingende Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegensteht.
a) Die Höhe des Verfalls (und des Verfalls des Wertersatzes) richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Bruttoprinzip bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Entscheidend ist, was dem Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist oder was er durch diese erspart hat. Bei der Berechnung des - wie hier - durch einen Kauf Erlangten ist vom gesamten Verkaufserlös ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen (BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 389; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01).
b) Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat. Während der Verfall nach der alten Fassung des § 73 StGB nur den "Vermögensvorteil" (Nettoprinzip) erfasste, ist nunmehr der Verfall des "Erlangten" (Bruttoprinzip) anzuordnen.
Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Vorschlag des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989 (BT-Drucks. 11/6623 S. 11), der in seiner Stellungnahme die Umstellung des Nettoprinzips auf das Bruttoprinzip vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung hatte den Vorschlag in ihrer Gegenäußerung aufgegriffen (S. 13); das Gesetz kam jedoch in der 11. Wahlperiode nicht mehr zustande.
In der 12. Wahlperiode griff der Bundesrat in seinem Entwurf des OrgKG (BT-Drucks. 12/989) diesen Änderungsvorschlag zu § 73 StGB wieder auf und die Bundesregierung stimmte dem zu (S. 52). Die Notwendigkeit der Gesetzesänderung begründete der Bundesrat unter anderem mit der restriktiven Anwendung des Verfalls in der Praxis aufgrund der Kompliziertheit der Regelung. Der Rechtsausschuss des Bundestages führte in seinem Bericht (BT-Drucks. 12/2720, S. 42) aus, "es gehe bei den Verfallsvorschriften nicht um eine Strafe, sondern um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes, der durch eine Straftat ausgelöst worden sei."
Parallel dazu war der Änderungsvorschlag zu den Verfallsvorschriften im Zuge der Ausschussberatungen (BT-Drucks. 12/289) in den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (BT-Drucks. 12/104) aufgenommen worden. Zwar scheiterte dieser Gesetzentwurf zunächst im Vermittlungsverfahren; die Koalitionsfraktionen (BT-Drucks. 12/899) und die Bundesregierung (BT-Drucks. 12/1134) brachten den Entwurf aber erneut ein. Das daraufhin verabschiedete Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze führte schließlich zur Änderung des § 73 StGB, so dass der entsprechende Änderungsvorschlag im OrgKG entfiel. In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 12/899, S. 11) wurde die Umstellung auf das Bruttoprinzip damit begründet, dass das Nettoprinzip die Ermittlung der Verfallsvoraussetzungen erschwere. Auch führe die Saldierungspflicht bei der Nettogewinnabschöpfung nach der Gesamtsystematik der Rechtsordnung zu Wertungswidersprüchen. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren ist, sollte deshalb auch beim Verfall Anwendung finden. Der Verfall sollte sich deshalb auf "die Gesamtheit des Erlangten" beziehen.
c) Das Bruttoprinzip ist auch auf Fälle der vorliegenden Art (Embargoverstoß) anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1999 - 2 StR 511/98).
Zwar wird das Bruttoprinzip zumeist bei Betäubungsmitteldelikten zur Anwendung kommen (vgl. BGH NStZ 1994, 123; NStZ 1995, 491; NStZ 1995, 495; NStZ 2000, 480; NStZ 2001, 312; NStZ-RR 2000, 57; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01; BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00 und vom 25. Juli 2001 - 5 StR 300/01). Insbesondere hier besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGH NStZ 2001, 312). Nicht abzugsfähig sind damit auch Transportkosten oder der Kurierlohn (BGH NStZ-RR 2000, 57) und selbstverständlich auch die "Anschaffungskosten" für eine Schusswaffe.
Aus der umfassenden Beschränkung des Umgangs mit Betäubungsmitteln ergibt sich indes keine Begrenzung des Saldierungsverbots nur auf diese Deliktsgruppe; das Bruttoprinzip gilt vielmehr für alle Fälle des Verfalls (zu Bestechungsdelikten vgl. BGH wistra 2001, 389; BGH NJW 2002, 2257, 2259; zu geheimdienstlicher Agententätigkeit vgl. BGH NJW 1998, 1723, 1728).
2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Umgestaltung des Verfallsrechts durch die Einführung des Bruttoprinzips in § 73 StGB mit der den Umfang des Verfalls begrenzenden Funktion des § 73c StGB (BGH NStZ 2001, 312; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000, 57 und den hierzu ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - Kammer - vom 3. September 1999 - 2 BvR 1637/99).
a) Der Verfall ist keine Strafe und auch keine - in Bezug auf das Schuldprinzip - strafähnliche Maßnahme. Er ist vielmehr eine Maßnahme eigener Art. Das folgt aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung sowie dem Wortlaut der Vorschrift und den zugehörigen verfahrensrechtlichen Vorschriften.
aa) Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung setzt der Verfall Schuld nicht voraus. Anders als bei der Einziehung (§ 74 Abs. 1 StGB) genügt für den Verfall eine rechtswidrige Tat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Er muss unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 StGB auch gegen einen Dritten und sogar gegen eine juristische Person angeordnet werden. Gegen den Drittbegünstigten ist der Verfall anzuordnen, auch wenn der Dritte bzw. das Organ einer juristischen Person keine Straftat begangen hat (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 54). Auch insoweit unterscheidet er sich von der Einziehung, die eine vorsätzliche oder sonst individuell vorwerfbare Straftat voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1, § 74a, § 75 StGB). Nach § 76a StGB kann auf Verfall auch selbständig in dem objektiven Verfahren nach § 442 i.V.m. § 440 StPO erkannt werden. Der Verfall ist im Strafgesetzbuch auch nicht in den Titel "Strafen" eingeordnet, sondern bildet zusammen mit der Einziehung einen eigenen Titel.
bb) Die Einführung des Bruttoprinzips hat an der Rechtsnatur des Verfalls als eine Maßnahme eigener Art nichts geändert; jedenfalls wird er auch dadurch nicht zu einer Strafe oder strafähnlichen Maßnahme (BGH NStZ 1995, 491; NJW 1998, 1723, 1728; NStZ 2001, 312 m.w.N.; ebenso Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.; a.A. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 3; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 73 Rdn. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 Rdn. 4b).
Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos waren, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung hingegen lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog, wenn er darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll.
Dieser Normzweck gilt auch für die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB, insbesondere dann, wenn dieser Nutznießer der rechtswidrigen Tat ist. Die Ratio des Zugriffs auf den Drittbegünstigten beschreibt Schmidt (in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 50) zutreffend so: "Ohne diese Regelung wäre eine Gewinnabschöpfung gerade in Bereichen wie z. B. der Wirtschafts- oder Verbandskriminalität sowie des organisierten Verbrechens, in denen die Vermögensvorteile aus Straftaten bei Unternehmen anfallen oder auf Scheinfirmen übertragen werden, kaum möglich." Ebenso sieht es Eser (in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 34; vgl. aber auch Rdn. 37a), wenn er begründet, weshalb die Verfallsanordnung nicht auf den Täter beschränkt sein darf: "Damit aber wäre eine Gewinnabschöpfung gerade dort erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen, wo das größte Bedürfnis dafür besteht, nämlich im Bereich der Wirtschafts- und Verbandskriminalität ...".
Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun können. Die den Dritten treffende Folge, dass auch seine Aufwendungen nutzlos waren, kann und soll bewirken, dass der Dritte - namentlich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen - Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten errichtet und auf deren Einhaltung achtet. Darin liegt der Präventionszweck des Verfalls gegen den Drittbegünstigten. Würde bei ihm lediglich der aus der Straftat gezogene Gewinn abgeschöpft, so würde sich die bewusst aus finanziellen Interessen begangene Tat im Ergebnis als wirtschaftlich risikolos auswirken. Ein derart risikolos zu erzielender Gewinn müsste geradezu als Tatanreiz für die Straftat wirken; das würde dem mit dem Bruttoprinzip verfolgten Präventionszweck zuwiderlaufen.
Hinzu kommt gerade mit Blick auf die Natur der hier in Rede stehenden rechtswidrigen Tat (Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz, Embargoverstoß), an die der Verfall anknüpft, dass sich die Maßnahme als Teil eines Systems erweist, welches die Wirksamkeit der Handelsbeschränkungen sicherstellen und diese durchsetzen soll (vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1990, 1229).
cc) Der Senat verkennt nicht, dass mit dem Bruttoprinzip dem Verfallsbetroffenen ein - mitunter erheblicher - wirtschaftlicher Nachteil zugefügt werden kann. Dies findet seine Rechtfertigung jedoch darin, dass nicht auf wohlerworbenes, sondern auf Vermögen zugegriffen wird, das durch vorausgegangene rechtswidrige Taten bemakelt ist. Um Repression oder Vergeltung geht es dabei nicht. Weil der Verfall keine schuldbezogene individuelle Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem (individuellen) Schuldausgleich dienen.
b) Das Schuldprinzip ist daher auf den Verfall nicht anwendbar. Das gilt auch, soweit dieser nach dem Bruttoprinzip über den Vermögensvorteil hinaus angeordnet wird (BGH NStZ 1995, 491).
Das Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG hat, besagt, dass jede Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen muss. Die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht übersteigen. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (BVerfGE 45, 187, 228; 54, 100, 108; 86, 288, 313; BVerfG NJW 2002, 1779). Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein; Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfG NJW 1994, 1577 und - Kammer - NJW 1997, 1910).
Eine Strafe, für die das Schuldprinzip gilt, ist im Gegensatz zu einer reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit voraus (BVerfGE 95, 96, 140 und - Kammer - NJW 1998, 2585). Das Schuldprinzip gilt nicht für Rechtsfolgen ohne Strafzwecke (BVerfGE 91, 1, 27).
c) Der Verfall greift auch bei Anwendung des Bruttoprinzips nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein. In Fällen der vorliegenden Art dürften die in Rede stehenden Vermögenspositionen schon nicht in den Schutzbereich des Grundrechts fallen. Die Kaufpreisforderungen der Verfallsbeteiligten stammen aus rechtswidrigen, sich als Verbrechen erweisenden Embargogeschäften. An deren Stelle ist in Folge der Erfüllung ein entsprechender Geldbetrag (Wertersatz) getreten. Es handelt sich also nicht um wohlerworbene, sondern um von vornherein bemakelte Positionen. Unter diesen Umständen ergibt sich jedenfalls aus der Befugnis des Gesetzgebers zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) im Blick auf Zweck und Bedeutung der Regelung auch insoweit eine verfassungsrechtlich hinreichend tragfähige Grundlage (vgl. auch BT-Drucks. 11/6623, S. 5 unter Bezugnahme auf BVerfGE 22, 387, 422).
d) Soweit der Verfall den Betroffenen übermäßig belasten würde (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) sieht die Härteklausel des § 73c StGB eine hinreichend bestimmte Begrenzung vor. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 darf der Verfall nicht angeordnet werden, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (vgl. BGH NStZ 1995, 495; NStZ-RR 2000, 365; wistra 2001, 389; BGHR StGB § 73c Härte 6; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 StR 410/01). Zudem kann die Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere dann unterbleiben, wenn der Betroffene entreichert ist. Sind beim Verfall gegen den Drittbegünstigten der Dritte bzw. die Organe einer juristischen Person gutgläubig, so wird in der Regel zu prüfen sein, ob eine unbillige Härte nach § 73c StGB vorliegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 22; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 37a). Entsprechendes gilt, wenn der Anteil des Vermögensvorteils marginal ist.
4. Der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 7.916.855,06 DM und die Verneinung einer unbilligen Härte erweisen sich danach als rechtsfehlerfrei.
a) Die S. GmbH war Drittbegünstigte im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB. Hier liegt ein sog. Vertretungsfall im weiteren Sinne vor (BGHSt 45, 235, 245) vor, denn die Angeklagten handelten als Angestellte der S. GmbH zugunsten des Unternehmens, noch dazu mit ausdrücklicher Billigung der Geschäftsführer. Für die rechtswidrigen Taten der Angeklagten hatte die S. GmbH die Kaufpreisforderungen als Tatentgelte (§ 11 Nr. 9 StGB) unmittelbar "erlangt". Nachdem diese - unbeschadet der Frage ihrer Wirksamkeit - geltend gemacht und erfüllt wurden, war der Verfall des Wertersatzes nach § 73a Satz 1 StGB in Form eines Geldbetrags, der dem Wert der Forderungen entspricht, anzuordnen.
b) Die Geschäftsführer der S. GmbH hatten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewusst Kapital in strafbare Handlungen investiert. Bei dieser Fallgestaltung erfordert der Präventionszweck des Bruttoprinzips die Abschöpfung der gesamten bemakelten Kaufpreisforderung.
c) Das Übermaßverbot ist nicht verletzt. Die Verfallsbeteiligte ist durch die Verfallsanordnung keinesfalls in ihrer Existenz gefährdet; die Geschäftsführung hatte die Begehung der Embargoverstöße und damit der rechtswidrigen Taten (Verbrechen) gebilligt. Schon deswegen liegt keine unbillige Härte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB vor. Auch eine Entreicherung (§ 73 Abs. 1 Satz 2) StGB ist nach den Feststellungen ausgeschlossen.
5. Die S. GmbH & Co. KG ist die richtige Verfallsadressatin.
a) An der Stellung der Kommanditgesellschaft als Verfallsadressatin hat auch der Verkauf und die Umwandlung des Unternehmens nichts geändert. Im November 1997, zwei Jahre nach Tatende, kaufte die amerikanische Firma G. die S. GmbH. 1998 wurde die S. GmbH in die S. GmbH & Co. KG umgewandelt; als neue Komplementärin beteiligte sich die Firma Ra. 209 Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.
b) Die Umwandlung erfolgte durch Formwechsel gemäß § 1 Nr. 4 UmwG, für welche die §§ 190 ff. UmwG gelten. Wesentliches Merkmal des Formwechsels ist die wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers (vgl. Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG 3. Aufl. § 190 Rdn. 5). Da dieser identisch bleibt (Identitätsgrundsatz), findet auch kein Vermögensübergang statt (Kallmeyer, UmwG 2. Aufl. § 190 Rdn. 6). Der bisherige Rechtsträger besteht nach Durchführung des Formwechsels in seiner neuen Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Das führt dazu, dass Rechte und Pflichten, die während der Zeit der ursprünglichen Rechtsform entstanden sind, weiterbestehen, nunmehr allerdings in der Person des Rechtsträgers in seiner neuen Form. Der Verfall war daher gegenüber der Kommanditgesellschaft anzuordnen, denn diese hat - Identitätsgrundsatz - die Tatentgelte für die Embargoverstöße in ihrer früheren Rechtsform erlangt. Daran ändert auch der Gesellschafterwechsel infolge des Unternehmensverkaufs nichts, denn die Verfallsbeteiligte ist als juristische Person selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Auch hinsichtlich der nach Aufhebung des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM war der Verfall des Wertersatzes anzuordnen. Die Forderungen sind ersichtlich aus Geschäften während der Embargozeit "erlangt" worden. Sie hatten - auch wenn sie nichtig (§§ 134, 138 BGB) waren - schon zu diesem Zeitpunkt einen wirtschaftlichen Wert, weil die konkrete Aussicht auf Bezahlung bestand. Im übrigen handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Strafbestimmungen um Zeitgesetze (vgl. BGH StV 1999, 26; NJW 2002, 1357), so dass nach § 2 Abs. 5 StGB auch § 2 Abs. 4 Satz 1 StGB zur Anwendung käme.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und den Verfall eines höheren Geldbetrages anordnen, da die Verfallsanordnung auch in dieser Höhe zwingend ist und keine weiteren Feststellungen veranlasst sind (§ 354 Abs. 1 StGB). Damit beträgt der verfallene Geldbetrag insgesamt 4.466.203,89 Euro (8.735.135,56 DM).