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OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 12.04.2013 - 2 Ss OWi 173/13 - Beiziehung der Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts
OLG Frankfurt am Main v. 12.04.2013: Zur Beiziehung der Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts
Das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 12.04.2013 - 2 Ss OWi 173/13) hat entschieden:
Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geratenen standardisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen.
Siehe auch Einhaltung der Bedienungsanleitung bei Messgeräten und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren
Gründe:
Ausführungen bedarf es nur zu Folgendem:
Der Betroffene rügt über seinen Verteidiger mit der Verfahrensrüge, dass das Amtsgericht die Bedienungsanleitung des verwendeten standardisierten Messgerätes, mit dem vorliegend der Geschwindigkeitsverstoß des Betroffenen ermittelt worden war, nicht beigezogen und dem Verteidiger zur Verfügung gestellt hat.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, genügt diese Verfahrensrüge nicht den formalen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG.
Eine Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO i. V. m. § 79 OWiG ist ebenso wie ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 244 StPO i. V. m. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil besteht. Bereits daran fehlt es.
Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geraten standardisierten Messverfahrens bei der Gerichtsakte hat das Tatgericht auf entsprechendes Akteneinsichtsgesuchs diese dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Unterlagen, die das Tatgericht dem von ihm beauftragten Sachverständigen für sein Gutachten zur Verfügung stellt, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Unterlagen Teil der Gerichtsakte sind und damit von dem umfassenden Akteneinsichtsrecht (§§ 46 Abs.1 OWiG, 147 StPO) erfasst sind (vgl. für die st. Rspr. der OLGs nur KG Berlin Beschluss v. 07.01.2013 – 3 Ws (B) 596/12 m.w.N. zit. nach juris).
Anders verhält es sich hingegen, wenn die Bedienungsanleitung des standardisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte ist. In diesem Fall ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Lehnt das Tatgericht wie hier einen derartigen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, noch einen nach § 244 StPO.
Hält der Tatrichter eine Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts für seine Überzeugungsbildung für notwendig und macht damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Anleitungen abhängig, dann muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann. Hält der Tatrichter hingegen die Kenntnisnahme oder Einsicht in die Bedienungsanleitung für seine Überzeugungsbildung nicht für notwendig, weil in aller Regel das Beweismittel für den ordnungsgemäßen Aufbau des konkreten Messgeräts der Messbeamte ist der die angegriffene Messung vorgenommen hat und das Tatgericht seine Überzeugungsbildung alleine auf dessen Zeugenaussage stützt, muss er die Bedienungsanleitung auch nicht beiziehen wenn sich aus der Aussage keine begründeten Zweifel ergeben, die die Beiziehung zu Beweiszwecken notwendig erscheinen lässt.
Entgegen der Ansicht der Verteidigung ergibt sich dies auch nicht daraus, dass für die Überprüfung des ordnungsgemäßen Aufbaus der Messstelle durch den Messbeamten die Kenntnis der Bedienungsanleitung notwendig ist. Bereits dieser Ansatz ist in seiner Pauschalität unzutreffend. Der Tatrichter hat nach dem Gesetz ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verpflichtet, verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (BGHSt 10, 208, 209; 29, 18, 19). Insoweit darf er seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, den Gesetzen der Logik und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, erschöpfend würdigen (BGHSt 29, 18, 20). Er ist allerdings weder verpflichtet in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets im einzelnen darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat (BGHSt 39, 291, 296 m.w.N.).
Die Schilderung der Beweiswürdigung muss nur so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden (BGHSt 39, 291, 299).
Hat das Tatgericht deswegen nach den Angaben des Messbeamten keine Zweifel daran, dass dieser das Messgerät ordnungsgemäß aufgebaut hat, reicht diese bloße Feststellung in den Urteilsgründen grundsätzlich aus. Nur wenn sich tatsachenfundierte begründete Zweifel ergeben, dass der Aufbau der Messstelle nicht ordnungsgemäß war und dieser Fehler sich ebenfalls tatsachenfundiert begründet generell auf die Messung auswirkt und im konkreten Fall tatsachenfundiert begründet auch ausgewirkt hat und zwar dergestalt, dass sich die konkrete Messung gegenüber dem Betroffenen nicht mehr durch die technisch eingebauten Toleranzen kompensiert als unverwertbar herausstellt, ist das Tatgericht verpflichtet dazu nähere Ausführungen zu machen. Tut es das nicht, besteht die Möglichkeit, dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde zu rügen.
Abstrakten Anträgen, wie vorliegend, die erst auf die Ermittlung möglicher Fehler gerichtet sind, ohne dass dafür konkrete tatsachenbelegte Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat der Tatrichter hingegen nicht nachzugehen. Derartige einem Beweisantrag vorgelagerte Ermittlungen sind ureigene Aufgabe desjenigen, der diese Ermittlungen für notwendig hält.
Entgegen dem Vortrag der Verteidigung ergibt sich aus den zitierten OLG Entscheidungen auch nichts anderes. Den genannten Entscheidungen ist mit den tragenden Ausführungen gemein, dass die Bedienungsanleitungen bereits Teil der Gerichtsakte waren und aus anderen Gründen nicht an die Verteidigung herausgegeben worden waren.