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OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.07.1998 - 5 Ss (OWi) 236/98 - (OWi) 94/98 - Nur ein Fahrverbot bei tatmehrheitlichen Geschwindigkeitsverstößen
OLG Düsseldorf v. 14.07.1998: Nur ein Fahrverbot bei tatmehrheitlichen Geschwindigkeitsverstößen
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 14.07.1998 - 5 Ss (OWi) 236/98 - (OWi) 94/98) hat entschieden:
Bei der mehrfachen Verwirklichung eines Tatbestands des Bußgeldkatalogs, für den dieser ein Regelfahrverbot vorsieht, kommt im Fall gleichzeitiger Aburteilung die Verhängung lediglich eines einheitlichen Fahrverbots in Betracht.
Siehe auch Fahrverbot und Tatmehrheit - Fahrverbot bei gleichzeitiger Aburteilung und Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Gründe:
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen "wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 41 StVO (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG" eine Geldbuße von 400,– DM und "wegen dreier vorsätzlicher Verstöße gegen §§ 41 StVO (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG" Geldbußen von 300,– DM, 400,– DM und 500,– DM festgesetzt. Außerdem hat es gegen ihn zwei Fahrverbote von einem und zwei Fahrverbote von zwei Monaten angeordnet. Die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
I.
Die formgerecht erhobene Verfahrensrüge dringt durch. Es besteht der Rechtsbeschwerdegrund gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 338 Nr. 7 StPO. Das angefochtene Urteil enthält keine Gründe und entbehrt daher vollständig der Nachprüfungsgrundlage.
Ein Fall des zulässigen Absehens von einer schriftlichen Begründung gemäß § 77 b Abs. 1 OWiG liegt nicht vor. Nachdem der Senat dem Betroffenen auf dessen Antrag am 26. Januar 1998 – 1 Ws (OWi) 52 und 68/98 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der vorab bereits eingegangenen Rechtsbeschwerde gegen das am 10. November 1997 verkündete Urteil bewilligt hatte, mussten die Gründe innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO, die mit dem Erlass des Wiedereinsetzungsbeschlusses zu laufen begann, zu den Akten gebracht werden (§ 77 b Abs. 2 OWiG). Das ist unterblieben. Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen kommt es nicht darauf an, weshalb es zu diesem Versäumnis gekommen ist.
Wegen des aufgezeigten – nunmehr unheilbaren – Mangels, der auch mit der Sachrüge geltend gemacht werden kann, unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO). Der Senat erachtet es für angebracht, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
II.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
1. Sollte das Amtsgericht wieder zu der Feststellung gelangen, dass der Betroffene nacheinander wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat, so handelt es sich – selbst bei Gleichartigkeit der Verstöße – jeweils um eine selbständige Handlung im Sinne des § 20 OWiG, falls nicht ausnahmsweise eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen ist (vgl. Senat, DAR 1984, 326 = VRS 67, 129 = ZfS 1984, 251 = MDR 1984, 778; NZV 1989, 78; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., Einleitung Rdnr. 150 a m.w.N.). Eine solche Handlungseinheit liegt nur dann vor, wenn die Verstöße innerlich so miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden werden könnte.
2. Tatmehrheit als solche ist noch kein Erhöhungsgrund für die einzelne Geldbuße (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 24 StVG Rdnr. 59). Nachdrückliche Ahndung wird in der Regel bereits durch die Kumulation der mehreren Geldbußen wirksam erreicht. Im Unterschied zur Gesamtstrafe im Strafrecht (§ 54 StGB) gibt es keine Gesamtgeldbuße im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 20 OWiG). Der Unrechtsgehalt der vor rechtskräftiger Ahndung wiederholten Verstöße kann allerdings dann schwerer wiegen, wenn der Betroffene vor der Wiederholung auf seinen vorangegangenen Rechtsverstoß aufmerksam geworden oder die wiederholten Tathandlungen von einer noch höheren Intensität geprägt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 18. November 1997 in VRS 94, 470 = NZV 1998, 298 = DAR 1998, 113).
3. Bei der Verwirklichung eines Tatbestandes des Bußgeldkataloges, der ein Regelfahrverbot vorsieht, in mehreren Fällen kommt lediglich die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots in Betracht (vgl. BayObLG, VerkMitt 1976, 57 f.; OLG Celle, NZV 1993, 157; OLG Stuttgart, NZV 1996, 159 = VRS 91, 134 f.; ferner Senatsbeschluss vom 18. November 1997, a.a.O., sowie Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rdnr. 17). Deshalb darf bei Tatmehrheit immer nur ein Fahrverbot angeordnet werden. Entsprechend den Vorschriften der §§ 53 Abs. 4, 52 Abs. 4 Satz 2 StGB, wonach das Fahrverbot gemäß § 44 StGB als Nebenstrafe neben der Gesamtstrafe ausgesprochen wird, gibt es keinen sachlichen Grund, im Ordnungswidrigkeitenrecht abweichend zu verfahren. Die vom Gesetzgeber gewollte spezialpräventive Wirkung des Fahrverbots, die den Betroffenen warnen und ihm nachhaltig seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer bewusst machen soll (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rdnr. 1), verlangt eine Gesamtbetrachtung aller abzuurteilenden Handlungen und rechtfertigt die Anordnung nur einer einheitlichen Nebenfolge (vgl. OLG Celle, OLG Stuttgart und Senat, jeweils a.a.O.).