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Amtsgericht Stade Urteil vom 10.01.2012 - 61 C 946/11 - Zur Erstattungsfähigkeit der unfallbedingten Abschleppkosten
AG Stade v. 10.01.2012: Zur Erstattungsfähigkeit der unfallbedingten Abschleppkosten
Das Amtsgericht Stade (Urteil vom 10.01.2012 - 61 C 946/11) hat entschieden:
Muss das Fahrzeug des Geschädigten unmittelbar nach dem Unfall abgeschleppt werden, darf er ein Abschleppunternehmen beauftragen, ohne sich vorher zu vergewissern, ob die Abschleppfirma angemessene Preise berechnet, denn in dieser Situation ist es ihm nicht zumutbar, "Marktforschung" im Hinblick darauf zu betreiben, ob die Abschleppkosten angemessen sind.
Siehe auch Ersatz von unfallbedingten Abschleppkosten und Stichwörter zum Thema Abschleppkosten
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 280, 286, 288, 249 BGB begründet.
Die Klägerin verlangt zu Recht insgesamt 598,58 € Abschleppkosten aus der Rechnung Anlage K 5 (Bl. 18 d. A.), wobei die Beklagte nach Anhängigkeit am 24.10.2011 373,06 € gezahlt hat und somit 222,52 € darüber hinaus schuldet.
Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation betr. der Praxisgebühren für Herrn gerügt hat, ist die Aktivlegitimation betr. diese 10,00 € durch Vorlage der Anlage K 6 (Bl. 53 d. A.) belegt.
Im Rahmen von § 249 BGB ist die gesamte Rechnungssumme als Schaden für die Klägerin gegenüber der Beklagten ansatzfähig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Abschleppkosten letztlich überteuert sind. Darauf kann sich die Beklagte gegenüber der Klägerin als Geschädigte jedenfalls nicht berufen. Das Gericht teilt die Rechtsauffassung der Klägerin, dass es nach dem Unfall für die Klägerin nicht zumutbar war, "Marktforschung" im Hinblick darauf zu betreiben, dass die Kosten angemessen sind. Die Klägerin durfte unmittelbar nach dem Unfallgeschehen das entsprechende Abschleppunternehmen beauftragen ohne sich vorher zu vergewissern, ob die Abschleppfirma angemessene Preise berechnet. Die Klägerin weist zu Recht auf ihre erklärte Bereitschaft hin, mögliche Ersatzansprüche gegenüber der Firma ... an die Beklagte abzutreten (Seite 7 des Schriftsatzes vom 08.12.2011).
Die Klägerin darf darüber hinaus die restierenden Mietwagenkosten aus der Rechnung (Anlage K 3, Bl. 16 d. A.) vom 25.08.2011 von 212,29 € als Schadenersatz im Rahmen des § 249 BGB von der Beklagten beanspruchen.
Da die Beklagte nicht etwa den sog. Unfallersatztarif geltend macht, sondern zum "Normaltarif" angemietet hat, musste sie diesbezüglich ebenfalls nicht "Markforschung" betreiben, um möglicherweise ein billigeres Angebot zu erhalten. Nur wenn die Beklagte der Klägerin vor Anmietung ein günstigeres konkretes Angebot nachgewiesen hätte, müsste sich die Klägerin auf ihre Schadenminderungspflicht verweisen lassen bzw. wäre lediglich der niedrigere Mietpreis als erforderlich i. S. des § 249 BGB anzusehen. Eine derartige Konstellation liegt hier aber nicht vor, da die Beklagte selbst vorträgt, die Klägerin erst mit einem Schreiben vom 06.08.2011 auf eine günstigere Möglichkeit hingewiesen zu haben. Abgesehen davon, dass die Klägerin einen Erhalt eines solchen Schreibens bestreitet, hatte sie aber bereits am 06.08.2011 ein Ersatzfahrzeug angemietet, was sie unmittelbar nach dem Unfallgeschehen vom 06.08.2011 auch tun durfte.
Des Weiteren kann die Klägerin 20,00 € für Praxiskosten verlangen. Diese sind durch Vorlage der Anlage K 2 (Bl. 15 d. A.) belegt und der Höhe nach gerechtfertigt (§ 287 ZPO).
Die Kosten des Rechtsstreits fallen insgesamt der Beklagten zur Last gemäß §§ 91 Abs. 1 S. 1, 91 a, 269 Abs. 3 ZPO.
Sämtliche von der Klägerin in der ursprünglichen Klage vom 19.10.2011, eingegangen bei Gericht am 20.10.2011, waren gerechtfertigt.
Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, ihr hätte eine längere Prüffrist eingeräumt werden müssen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass der Unfall bereits vom 06.08.2011 datiert und die Beklagte bereits mit Schreiben vom 19.08.2011 zur Zahlung aufgefordert worden ist. Ein längeres Zuwarten über den 19.10.2011 war der Klägerin nicht zuzumuten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Berufung bestand kein Anlass.