Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Gelnhausen Beschluss vom 08.01.2013 - 44 OWi 1/13 - Ersatz der notwendigen Auslagen bei Schweigen des Betroffenen
AG Gelnhausen v. 08.01.2013: Zum Ersatz der notwendigen Auslagen bei Schweigen des Betroffenen
Das Amtsgericht Gelnhausen (Beschluss vom 08.01.2013 - 44 OWi 1/13) hat entschieden:
Ist das Messfoto zur Fahreridentifizierung erkennbar nicht geeignet und äußert sich der Betroffene zum Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht, so sind nach Erlass und Rücknahme des Bußgeldbescheides dessen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Siehe auch Lichtbildbeweis - Radarfoto - Passfotovergleich und Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten oder Betroffenen im Strafverfahren und im Ordnungswidrigkeitenverfahren
Gründe:
I.
Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, am 26.04.2012 um 08.21 Uhr in X. mit seinem Fahrzeug einen Höchstgeschwindigkeitsverstoß gemäß §§ 41, 49 StVO; 24 StVG; Nr. 11.3.6 BKat begangen zu haben. Nachdem die Firma, welche Halterin des Pkws ist, angeschrieben wurde, teilte sie die Daten des Betroffenen mit, dieser solle das Fahrzeug zur Tatzeit geführt haben.
Mit Anhörungsschreiben vom 23.05.2012 wurde der Betroffene zu dieser Ordnungswidrigkeit angehört. Anders als sonst üblich war auf diesem Schreiben kein Fahrerfoto, sondern lediglich ein Foto, aus welchem das Kennzeichen des Fahrzeugs erkennbar war, abgebildet.
Mit Schreiben vom 08.06.2012 bestellte sich der Verteidiger als solcher und beantragte Akteneinsicht.
Eine Einlassung des Betroffenen erfolgte nicht. Mit Datum vom 24.07.2012 erging gegen den Betroffenen Bußgeldbescheid.
Mit fristgerecht eingelegtem Einspruch vom 07.08.2012 trug der Verteidiger vor, dass sein Mandant bestreite, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gefahren zu sein.
Mit Schreiben vom 29.08,2012 teilte die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen mit, dass das Verfahren eingestellt und der Bußgeldbescheid vom 24.07.2012 zurückgenommen werde.
Mit am 05.11.2012 eingegangenen Antrag beantragte der Verteidiger bei der Verwaltungsbehörde, näher bezeichnete Kosten der Staatskasse aufzuerlegen.
Mit selbständigem Kostenbescheid vom 12.11.2012 wies die Verwaltungsbehörde diesen Antrag zurück. Begründet wurde es damit, dass nach Erlass des Bußgeldbescheides entlastende Umstände vorgebracht worden seien. Die Auslagenerstattung werde gemäß § 109a Abs. 2 OWiG abgelehnt.
II.
Bei dieser Sachlage sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen allerdings zu erstatten. Die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 109a Abs. 2 OWiG greift vorliegend nicht.
Zum einen hat sich der Betroffene zu dem Vorwurf in dem Bußgeldverfahren nicht geäußert. Dies kann als Bestreiten der Fahrereigenschaft angesehen werden. Denn in einem gerichtlichen Verfahren ist bei dieser Sachlage die Fahrereigenschaft durch Beweismittel festzustellen. Ein Schweigen des Betroffenen ist nicht als Geständnis zu sehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsbehörde hier von Anfang an aufgrund des schlechten Messbildes, welches einen Fahrer nicht erkennen lässt, klar sein musste, dass die Identifizierung des Fahrers nicht möglich ist und lediglich im Falle eines Geständnisses mit einer Überführung zu rechnen ist.
Wenn die Verwaltungsbehörde gleichwohl, auch noch in Kenntnis der Tatsache, dass sich zwischenzeitlich ein Verteidiger bestellt hat, einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen erlässt, so dürfte es für diese keinesfalls überraschend sein, wenn eine solche Einlassung im Einspruchsverfahren erfolgt. Indiz für die Fahrereigenschaft des Betroffenen ist die Angabe der Fahrzeughalterin. Allerdings ist eine solche Angabe keinesfalls zwingend. Denn häufig werden auch dienstlich überlassene Fahrzeuge an Familienangehörige weiter überlassen. Auch im Hinblick auf die Unschuldsvermutung erscheint es deshalb bereits kritisch, bei dieser Sachlage einen Bußgeldbescheid zu erlassen.
Jedenfalls liegen im Ergebnis die Voraussetzungen für die Ausnahmevorschrift des § 109a Abs. 2 OWiG nicht vor.
Zwar ist die Angabe des Betroffenen, nicht er, sondern eine andere Person habe die Tat begangen, ein entlastender Umstand im Sinne des § 109a Abs. 2 OWiG (Göhler Ordnungswidrigkeitengesetz, 14.Auflage, § 109a Rn. 10). Dieser Vortrag ist hier allerdings nicht erfolgt, denn es blieb bei dem Bestreiten der Fahrereigenschaft. Im Übrigen kann ein billigenswerter Grund für die Zurückhaltung des entlastenden Umstands sein, dass bei Offenbarung ein naher Angehöriger des Betroffenen der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt worden wäre oder ein Freund oder Betriebsangehöriger (Göhler, OwiG, 14. Auflage § 109a Rn. 13).
Die Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG in Verbindung mit § 467 Abs. 1 StP0 in entsprechender Anwendung.