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OLG Hamm Beschluss vom 14.05.2013 - III-2 RBs 49/13 - Vollstreckung von EU-Geldbußen

OLG Hamm v. 14.05.2013: Zur Vollstreckung von EU-Geldbußen


Das OLG Hamm (Beschluss vom 14.05.2013 - III-2 RBs 49/13) hat entschieden:
Eine in einem EU-Mitgliedsstaat verhängte Geldbuße ist bei einer Vollstreckung in Deutschland nicht zu reduzieren.


Siehe auch Die Verfallsanordnung im Bußgeldverfahren und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

I.

Die Q & T GmbH mit Sitz in C2 war bzw. ist Halterin eines Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... 196, mit dem am 24. Oktober 2011 in den O auf der Autobahn A 58 im Bereich der Gemeinde Z1 en S die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 25 km/h überschritten wurde. Wegen dieser Zuwiderhandlung setzte das D (Ministerie van Justitie) in M mit dem im Beschlusstenor näher bezeichneten Bescheid vom 19. November 2011, rechtskräftig seit dem 31. Dezember 2011, eine Geldsanktion in Höhe von 161,- EUR (zuzüglich einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 6,- EUR) gegen die zuvor schriftlich angehörte Betroffene fest. Die Geldsanktion ist noch in voller Höhe offen.

Mit Ersuchen vom 28. April 2012, das den Anforderungen des § 87 a IRG entspricht, baten die O das Bundesamt für Justiz um Vollstreckungshilfe. Dieses kam nach Prüfung zu dem Ergebnis, dass ein Bewilligungshindernis i.S.d. § 87 d IRG nicht vorliege, und beantragte nach schriftlicher Anhörung der Betroffenen beim Amtsgericht Beckum als nach § 87 g Absatz 2 Satz 3 IRG zuständigem Gericht, die Entscheidung des D vom 19. November 2011 für vollstreckbar zu erklären "und die darin verhängte Geldsanktion umzuwandeln".

Nach Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht Beckum mit dem angefochtenen Beschluss vom 07. Januar 2013 die im Tenor des Senatsbeschlusses näher bezeichnete Entscheidung des D für vollstreckbar erklärt und daneben bestimmt, dass die darin verhängte Geldsanktion "umgewandelt wird in ein Geldbuße in Höhe von 95,00 Euro". Gegen diesen ihm durch Übersendung der Akten am 04. Februar 2013 zugestellten Beschluss hat das Bundesamt für Justiz mit Schreiben vom 06. Februar 2013, beim Amtsgericht Beckum per Telefax am selben Tage eingegangen, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und diesen Antrag mit weiterem Schreiben vom 22. Februar 2013, beim Amtsgericht Beckum per Telefax am selben Tage eingegangen, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und näheren Ausführungen hierzu begründet. Das Bundesamt für Justiz hält die Umwandlungsentscheidung für rechtsfehlerhaft und beantragt, die in der Entscheidung der niederländischen Behörde verhängte Geldsanktion in eine Geldbuße in Höhe von 161,00 Euro umzuwandeln.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat beantragt, wie erkannt. Die Betroffene hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht geäußert.


II.

1. (Entscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters gemäß § 87 l Absatz 1 und 2 IRG)

6 Die Rechtsbeschwerde war auf den form- und fristgerecht (§ 87 k Absatz 2 Satz 1, § 87 j Absatz 2 IRG, §§ 341 Absatz 2, 345 StPO) gestellten Antrag des Bundesamtes für Justiz als Bewilligungsbehörde nach § 87 k Absatz 1 Nr. 1 IRG zuzulassen, da es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Die in ihrer Umwandlung der Sanktion von 161,00 Euro auf eine Geldbuße in Höhe von 95,00 Euro von der hier einschlägigen gesetzlichen Regelung (§§ 87 i Absatz 3 Satz 3, 87 f Absatz 2, 54 Absatz 2 IRG) abweichende und daher rechtsfehlerhafte Entscheidung des Amtsgerichts stellt die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Frage, da sie - wie sowohl das Bundesamt für Justiz in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als auch die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt haben - geeignet ist, andere Gerichte zu einer unrichtigen Tenorierung der Umwandlungsentscheidung in künftigen vergleichbaren Fällen zu veranlassen. Insbesondere im Falle einer Veröffentlichung der Entscheidung besteht das Risiko eines Nachahmungseffektes, zumal das zugrunde liegende Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses .../.../JI des Rates vom 24. Februar 2005 vom 18. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1408) erst am 28. Oktober 2010 in Kraft getreten ist und demzufolge eine gefestigte Rechtsprechung auf diesem Gebiet noch nicht existiert.


2. (Entscheidung des mit drei Richtern besetzten Senats gemäß § 87 l Absatz 3 Nr. 2 IRG)

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg und führt zur Abänderung und Neufassung der angefochtenen Entscheidung.

a) Die Rechtsbeschwerde des Bundesamtes für Justiz als Bewilligungsbehörde ist, wie sich aus deren Begründung ergibt, auf die eigentliche Umwandlungsentscheidung, d.h. die Art und Höhe der zu vollstreckenden Geldsanktion, beschränkt. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Beschränkung des Rechtsmittels bestehen nicht, abgesehen davon, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung der gegen die Betroffene als im Gebiet der Europäischen Union ansässige juristische Person verhängten Geldsanktion nach § 87 i Absatz 1 Nr. 2, Absatz 3 Satz 1, § 87 Absatz 2 Nr. 3, Absatz 3 Nr. 1 u. 2, § 87 b Absatz 1 u. 3 Nr. 2 IRG erfüllt sind, die Betroffene Einwendungen nach § 87 b Absatz 3 Nr. 9 IRG gegenüber der Bewilligungsbehörde nicht erhoben hatte und somit das Amtsgericht zu Recht die Entscheidung des D in M vom 19. November 2011 nach § 87 i Absatz 3 Satz 1, Absatz 5 IRG für vollstreckbar erklärt hat.

b) Allerdings erweist sich die daneben gleichzeitig getroffene Umwandlungsentscheidung des Amtsgerichts nach materiell-rechtlicher Überprüfung als rechtsfehlerhaft.

§ 87 i Abs. 3 S. 2 IRG bestimmt, dass die im Ausland verhängte Geldsanktion in die ihr im deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion umzuwandeln ist. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 87 i Absatz 3 Satz 3 IRG gilt für die "Anpassung der Höhe einer Geldsanktion" die Vorschrift des § 87 f Absatz 2 IRG entsprechend. § 87 f Absatz 2 IRG wiederum bestimmt, dass für die Umwandlung § 54 Absatz 2 und 4 IRG entsprechend anzuwenden ist und erlaubt in Satz 2 der Bestimmung eine Herabsetzung der Geldsanktion von vornherein - und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - nur in den Fällen, in denen die dem Ersuchen des anderen Mitgliedsstaates zugrundeliegende Tat nicht auf dessen Hoheitsgebiet begangen worden ist. Da in dem hier zu entscheidenden Fall die Ordnungswidrigkeit auf dem Hoheitsgebiet der Niederlande begangen worden ist, ist die Umwandlung der gegen die Betroffene verhängten Sanktion nach der Vorschrift des § 54 Absatz 2 IRG vorzunehmen, die bestimmt, dass bei der Umwandlung einer Geldstrafe oder einer Geldbuße der in ausländischer Währung berechnete Geldbetrag nach dem im Zeitpunkt des ausländischen Erkenntnisses maßgeblichen Kurswert in Euro umzurechnen ist. Da die in den Niederlanden verhängte Geldsanktion bereits in Euro berechnet ist und weder der Anwendungsbereich des § 87 f Absatz 2 Satz 2 IRG eröffnet ist noch eine Verweisung auf die Vorschrift des § 54 Absatz 1 IRG im Gesetz vorgesehen ist, ist eine Rechtsgrundlage für eine Anpassung der Sanktion an inländische Bußgeldvorschriften nicht gegeben (vgl. auch OLG Düsseldorf, DAR 2012, 476; OLG Koblenz, DAR 2012, 219). Demzufolge ist der Betrag von 161,00 Euro zwingend in eine Geldbuße in dieser Höhe, also 161,00 Euro, umzuwandeln.

Der Senat hat daher im Wege der eigenen Sachentscheidung (§ 87 j IRG i.V.m. § 354 Absatz 1 StPO) die rechtsfehlerhafte Umwandlungsentscheidung unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses und dessen Neufassung in der vom Gesetz geforderten Weise korrigiert.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 87 j Absatz 2 IRG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 473 Absatz 2 Satz 2 StPO. Das Bundesamt für Justiz hat das Rechtsmittel in Wahrnehmung seiner Aufgabe eingelegt, im Anwendungsbereich der §§ 87 ff. IRG ergehende Gerichtsentscheidungen ohne Rücksicht darauf, welche Wirkungen damit für den Betroffenen herbeigeführt werden, mit dem Gesetz in Einklang zu bringen.