Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 04.04.1978 - VI ZR 238/76 - Zur Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers bei "krankem" Versicherungsverhältnis
BGH v. 04.04.1978: Zur Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers bei "krankem" Versicherungsverhältnis
Der BGH (Urteil vom 04.04.1978 - VI ZR 238/76) hat entschieden:
Der Kfz-Haftpflichtversicherer eines "kranken" Versicherungsverhältnisses ist nicht deshalb, weil er der Zulassungsstelle das Erlöschen des Versicherungsschutzes entgegen StVZO § 29c nicht rechtzeitig angezeigt hatte, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schutzgesetzverletzung (BGB § 823 Abs 2) Ersatzansprüchen des Unfallgeschädigten ausgesetzt, die weitergehen als die diesem durch PflVG § 3 Nr 4 bis 6, VVG § 158c Abs 3 bis 5 eingeräumten Ansprüche.
Siehe auch Nachhaftung bei Beendigung des Versicherungsvertrags
Tatbestand:
Am 16. September 1974 verschuldete I. bei R. mit seinem Pkw beim Einfahren von einem Parkplatz auf die BAB S.-M. einen Auffahrunfall, in den ein Lastzug der Firma W., G. (Österreich) verwickelt wurde. Dabei wurde Ladegut der Klägerin beschädigt, das die Speditionsfirma Dr P., S. in ihrem Auftrag von W. (Österreich) nach S. befördern sollte.
Die Klägerin hat ihren Schaden auf 40.719,10 DM beziffert und mit ihrer Klage die Beklagte als Haftpflichtversicherer des I. auf Ersatz in Anspruch genommen. Diese hat sich auf Fehlen des Versicherungsschutzes berufen und die Klägerin auf Ersatzansprüche gegen den CMR-Versicherer der Firma W., die M. Versicherungsgesellschaft - Direktion für Österreich - verwiesen.
Das Landgericht hat den Anspruch gegen die Beklagte abgewiesen, das Oberlandesgericht ihm stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Das Berufungsgericht ist dem Landgericht darin gefolgt, dass die beklagte Haftpflichtversicherung dem bei ihr versicherten Schädiger I. für den Verkehrsunfall keinen Deckungsschutz zu gewähren brauche. Nach den Feststellungen des Tatrichters war I. mit den seit dem 13. Januar 1974 fälligen Prämien trotz Fristsetzung und Belehrung über die Rechtsfolgen (§ 39 Abs 1 VVG; vgl BGHZ 47, 352, 356, 360ff) in Rückstand. Die pauschal geltend gemachten Zweifel der Klägerin insbesondere an der Ordnungsmäßigkeit von Belehrung und Fristsetzung konnte das Berufungsgericht für unbegründet ansehen: Den vorgelegten Belegen konnte insgesamt mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, dass das Einschreiben vom 24. Mai 1974, das Fristsetzung und Belehrung enthielt, nicht zugestellt werden konnte, weil I. seine Anschrift "M. U" aufgegeben und der Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt hatte, so dass nach § 10 Abs 1 VVG die Erklärungen auch ohne Zugang lange vor dem Unfall wirksam geworden sind. Zusätzlich bekräftigt wird das durch die Vorgänge in dem wegen des Unfalls gegen I. anhängigen Strafverfahren, in dem I. - ersichtlich fälschlich - als Anschrift ebenfalls "M. U" angegeben hat und Fahndungsersuchen gegen ihn ergangen ist. Da demnach Fristen und Säumnisfolgen dem Versicherungsnehmer Ende Mai 1974 wirksam - wenn auch erfolglos - mitgeteilt worden sind, hatte dieser Deckungsschutz für den Unfall vom 16. September 1974 verloren und war das Versicherungsverhältnis am Unfalltag beendet - ob gemäß § 38 VVG durch Rücktritt wegen Nichtzahlung der Erstprämie - so das Berufungsgericht - oder, wie die Revision geltend macht, durch Kündigung wegen Nichtzahlung von Folgebeiträgen (§ 39 VVG), ist im Streitfall ohne rechtliche Bedeutung.
a) Nach § 3 Nr 1, 5 PflVG müsste die Beklagte gleichwohl der Klägerin gegenüber grundsätzlich für den Schaden einstehen, da sie der dafür zuständigen Zulassungsstelle (dazu BGH Urteil vom 13. Februar 1974 - IV ZR 186/72 = VersR 1974, 458) das Erlöschen des Versicherungsschutzes erst nach dem Unfall angezeigt hat (vgl § 29c StVZO). Allerdings besteht die Einstandspflicht des Versicherers bei solchen "kranken" Versicherungsverhältnissen nach dem gemäß § 3 Nr 6 PflVG auch hier anzuwendenden § 158c Abs 4 VVG nur wenn und soweit der Geschädigte nicht Ersatz von einem anderen Schadensversicherer erlangen kann. Ob die Klägerin diese anderweite Ersatzmöglichkeit hat, lässt das Berufungsgericht dahinstehen. Nach seiner Auffassung würde solche Möglichkeit an der Haftung der Beklagten nichts ändern, weil sie aus einem weiteren Haftungsgrund, nämlich wegen einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 29c StVZO für den Schaden der Klägerin einzustehen habe und diese deshalb nicht auf § 158c Abs 4 VVG verweisen könne.
b) Das Berufungsgericht erwägt dazu: § 29c StVZO lege dem Haftpflichtversicherer als Schutzgesetz iS von § 823 Abs 2 BGB zur Bewahrung der Verkehrsopfer vor Schädigung durch unversicherte Kraftfahrer die Pflicht auf, der zuständigen Zulassungsstelle vor dem Erlöschen des Versicherungsschutzes Mitteilung zu machen. Bei rechtzeitiger Erfüllung dieser Pflicht durch die Beklagte habe der Pkw ihres Versicherungsnehmers noch vor dem Unfall stillgelegt werden können; zu Lasten der Beklagten sei davon auszugehen, dass es dann nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Die Beklagte hafte deshalb für die Unfallfolgen der Klägerin nach § 823 Abs 2 BGB. Die Regelung in § 158c Abs 4 VVG könne sie von dieser Haftung nicht entlasten: diese Vorschrift komme dann nicht in Betracht, wenn der Versicherer seine eigenen, ihm gegenüber dem Geschädigten obliegenden Verpflichtungen verletzt habe.
2. Diese Auffassung wird von der Revision mit Recht beanstandet.
a) Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass der durch das Pflichtversicherungsgesetz 1939 in die Straßenverkehrszulassungsordnung eingefügte § 29c ganz im Dienst des Schutzes zivilrechtlicher Interessen der Verkehrsopfer gegenüber dem als Schädiger in Betracht kommenden Kfz-Halter und Kfz-Fahrer steht (vgl BGH Urteil vom 27. September 1956 - II ZR 203/55 = VersR 1956, 706). Mit den übrigen seit Einführung der Pflichtversicherung für Kfz-Halter in die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung aufgenommenen Regeln des Abschnitts II bezweckt § 29c StVZO die Sicherung von Schadensersatzansprüchen der Verkehrsopfer durch Überwachung des ihnen durch jenes Gesetz, das zugleich die §§ 158c ff in das Versicherungsvertragsgesetz eingefügt hatte, garantierten Versicherungsschutzes; er soll die verwaltungsmäßige Durchführung des Pflichtversicherungsgesetzes erleichtern.
b) Es ist jedoch bedenklich, allein bereits deshalb, also ohne Rücksicht auf den Funktionszusammenhang der Vorschrift mit der Regelung der Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherung an sie die Rechtsfolgen eines Schutzgesetzes iS von § 823 Abs 2 BGB zu knüpfen. Um den Schutzgesetzcharakter einer Vorschrift beurteilen zu können, genügt es häufig nicht, den geschützten Interessen in der Unterscheidung zwischen Belangen der Allgemeinheit und Individualinteressen nachzugehen (vgl BGHZ 46, 17, 23; 66, 388, 390). Denn oft ergibt sich die Absicht des Gesetzgebers, an die Verletzung der so geschützten Interessen deliktische Schadensersatzansprüche zu knüpfen, erst aus einer umfassenden Würdigung des Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist (vgl Senatsurteile vom 14. Mai 1974 - VI ZR 48/73 = VersR 1974 977, 979 mwNachw; vom 15. Oktober 1974 - VI ZR 181/73 = VersR 1975, 45, 46; Knöpfle NJW 1967, 697, 700).
Dem Interesse der Geschädigten, vor den Nachteilen eines "kranken" Versicherungsverhältnisses bewahrt zu werden, ist im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflicht schon durch die besondere gesetzliche Einstandspflicht des Versicherers nach Maßgabe der §§ 3 Nr 1, 4 - 6 PflVG iVm § 158c VVG auch bei Fehlen von Leistungspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer (bzw Versicherten) Rechnung getragen. Diese Vorschrift soll auch bei einem "kranken" Versicherungsverhältnis das Verkehrsopfer grundsätzlich so stellen, als genieße der Versicherungsnehmer (Schädiger) noch den Schutz einer voll wirksamen Haftpflichtversicherung; allerdings mit den in § 158c Abs 3 bis 5 VVG näher bezeichneten Einschränkungen für Inhalt und Umfang des Anspruchs und seinem subsidiären Charakter (BGHZ 25, 330, 334). Ob neben solcher eigenständigen Regelung Raum für eine zusätzliche Sicherung derselben Interessen durch deliktische Sanktionen des § 823 Abs 2 BGB sein kann, mag dahinstehen (bejahend für § 29c StVZO: OLG Düsseldorf VersR 1972, 527; einschränkend E. Prölß JZ 1954, 669; verneinend: OLG Celle VersR 1954, 427; OLG Frankfurt JZ 1954, 669 = NJW 1955, 109 = VersR 1954, 351; KG VersR 1960, 889, 892; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 12. Aufl TZ 946 und WI 1972, 126, 127; Fleischmann VersR 1953, 272; J. Prölß/Martin VVG 18. Aufl § 158c aF Anm 6; anders aber 21. Aufl § 158c Anm 10; Geigel, Haftpflichtprozeß, 16. Aufl Kap 15 Rdn 4; vgl auch Beschluss des Senats vom 18. November 1954 - VI ZR 200/54 = JZ 1955, 381 = VersR 1955, 291).
Jedenfalls kann und soll § 29c StVZO dem Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des "kranken" Versicherungsverhältnisses keine weitergehenden Haftungsansprüche vermitteln, als das Versicherungsrecht ihm hier einräumt. Die Anzeige vom Erlöschen des Versicherungsverhältnisses, wie sie dem Haftpflichtversicherer in der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 29c StVZO auferlegt ist (vgl auch § 3 Nr 5 PflVG, früher § 158c Abs 2 VVG), hat das zur Kfz-Pflichtversicherung ergangene Gesetzgebungswerk bereits in die den Geschädigten schützende Regelung der §§ 3 Nr 1, 4 - 6 PflVG, § 158c Abs 3 - 5 VVG einbezogen und zwar auf andere Weise, als dies durch Erhebung der Anzeigepflicht des § 29c StVZO zur Schutzpflicht iS von § 823 Abs 2 BGB bewirkt werden könnte: Gleichgültig, ob der Versicherer seine Anzeigepflicht pünktlich oder verspätet erfüllt, tritt bei Erlöschen des Versicherungsverhältnisses seine "Nachhaftung" ein: ihr Schutz endet nach § 3 Nr 5 PflVG nicht vor Ablauf eines Monats nach dem Bewirken der Anzeige. Aber auch dieser Schutz der Nachhaftung ist belastet mit den Beschränkungen der §§ 158c Abs 3 u 4 VVG; insoweit hat das Gesetz den schutzwürdigen Interessen der Verkehrsopfer an der Sicherung ihrer Schadensersatzansprüche durch Rücksichtnahme auf Belange des Haftpflichtversicherers, der an sich nicht zu leisten brauchte, Grenzen gesetzt. Auch diese Interessenlösung stellt nicht auf Erfüllung oder Nichterfüllung der Anzeigepflicht ab: Ebensowenig wie der Haftpflichtversicherer sich der Nachhaftung schlechthin schon durch den Hinweis auf ordnungsgemäße Erfüllung seiner Anzeigepflicht entziehen kann, vermag das Unterlassen der Anzeige die Beschränkungen der §§ 158c Abs 3 u 4 VVG auszuräumen. Es würde einen Einbruch in dieses Regelungssystem bedeuten, wenn an die Versäumung der Anzeigepflicht des § 29c StVZO zu Lasten des Versicherers Ersatzpflichten des § 823 Abs 2 BGB geknüpft würden. So wären zB die Beschränkungen des § 158c Abs 3 und 4 VVG entgegen der dort getroffenen Regelung in den Fällen aufgehoben, in denen der Versicherer seine Anzeigepflicht versäumt, ohne dass ihm ein entsprechendes Äquivalent für seine Nachhaftung bei rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht gutgebracht wäre. Hätte der Gesetzgeber eine so weitgehende Einschränkung der §§ 158c Abs 3 und 4 VVG, § 3 Nr 6 PflVG beabsichtigt, so hätte er das in der versicherungsrechtlichen Regelung selbst zum Ausdruck gebracht und sie nicht einer Norm überlassen, die letztlich nur die Durchsetzung des Regelwerks der Pflichtversicherung in der Praxis erleichtern und sichern sollte.
II.
Auch mit anderer rechtlicher Begründung kann das Berufungsurteil nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht bestätigt werden. Hatte die Klägerin die Möglichkeit, ihren Schaden von dem Versicherer der Firma W. ersetzt zu erhalten, so wäre nämlich die Beklagte gemäß § 158c Abs 4 VVG, § 3 Nr 6 PflVG von ihrer Einstandspflicht frei.
Als anderweite Ersatzmöglichkeit in diesem Sinne kommen hier Versicherungsansprüche der Firma W. gegen ihren CMR-Versicherer in Betracht, aus denen die Klägerin wegen ihrer Schäden Befriedigung suchen könnte. Wenn neben der Beklagten die Firma W. nach den hier anzuwendenden Vorschriften der Art 3, 17 Abs 2 CMR als Frachtführer für die Beschädigung des Beförderungsgutes der Klägerin - wenn nicht als Partnerin des CMR-Frachtvertrages, so als Empfängerin (vgl dazu BGH Urteile vom 21. Dezember 1973 - I ZR 119/72 = NJW 1974, 412 und vom 10. April 1974 - I ZR 84/73 = NJW 1974, 1614) - Ersatz leisten musste, hatte - fortbestehenden Deckungsschutz vorausgesetzt - als Haftpflichtversicherer hierfür die M.er Versicherungsgesellschaft - Direktion für Österreich - einzutreten.
Im Umfang dieser Einstandspflicht könnte sich die Beklagte auf die haftungsbefreiende Vorschrift des § 158c Abs 4 VVG berufen.
1. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte damit Vorteile aus dem Versicherungsverhältnis eines bei ihr nicht versicherten Zweitschädigers in Anspruch nehmen würde. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 158c Abs 4 VVG in seiner Fassung von 1939 eine Beschränkung der Subsidiaritätsklausel auf solche Fälle nahezulegen scheinen, in denen der Schädiger nicht nur auf ein krankes Versicherungsverhältnis, sondern auf eine für ihn bestehende zweite "gesunde" Versicherung iS einer Doppelversicherung verweisen kann (vgl die Amtl Begründung in DJ 1939, 1774). Jedoch rechtfertigt der Sinn der Vorschrift ihre Anwendung auch auf Schadensfälle, in denen eine Doppelversicherung des einen Schädigers nicht besteht, aber mehrere für denselben Schaden haften, sofern nur einer von ihnen gültigen Deckungsschutz durch einen Schadensversicherer genießt. Auch in diesem Fall greift der Grundgedanke des § 158c Abs 4 VVG ein, dass sich bei Deckung des Schadens durch einen nach dem Versicherungsverhältnis leistungspflichtigen Versicherer eine Haftung des im Grund leistungsfreien Versicherers erübrigen soll. Weder dem ohnehin leistungspflichtigen Versicherer noch dem Geschädigten entstehen Nachteile, wenn sich dieser auch bei solcher Fallgestaltung allein an den Versicherer des Zweitschädigers halten soll (BGHZ 25, 322, 327; BGH Urteil vom 15. Februar 1968 - II Zr 101/65 = VersR 1968, 361, 362). Davon ist der Senat schon in seinem Urteil vom 11. Juli 1972 (VI ZR 79 u 80/71 = VersR 1972, 1072) ausgegangen.
Ebensowenig ist vorausgesetzt, dass der Geschädigte gegen den Versicherer des "gesunden" Versicherungsverhältnisses unmittelbar, vor allem mit der Direktklage vorgehen kann (so aber OLG Düsseldorf VersR 1972, 527; Prölß/Martin VVG 21. Aufl § 158c Anm 10b), noch dass es sich bei diesem um eine Pflichtversicherung handelt (vgl die Amtl Begründung zum Änderungsgesetz vom 5. April 1965 BT-Drucks IV/2252 S 31). Gewiss tritt die Haftungsbefreiung des Versicherers nach § 158c Abs 4 VVG nicht schon deshalb ein, weil und soweit ein weiterer (solventer) Schuldner vorhanden ist (BGHZ 25, 330, 333). Aber es genügt, dass ein anderer Versicherer aufgrund gültigen Versicherungsverhältnisses für den Schaden aufzukommen hat, auch wenn ihn hierauf unmittelbar nur der Schädiger als der Versicherungsnehmer in Anspruch nehmen kann. Auf die Möglichkeit des Geschädigten, aus abgeleitetem Recht des Schädigers bei dem Versicherer Befriedigung zu erlangen, war die Haftungsbefreiung nach § 158c Abs 4 VVG in der Art, wie sie vor Einführung der action directe Gesetz gewesen ist (Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs), zugeschnitten. Hieran ist durch die Einführung der Direktklage selbstverständlich nichts geändert worden (vgl BGHZ 25, 322, 326ff; BGH Urteil vom 15. Februar 1968 = aaO; vom 12. Dezember 1975 - IV ZR 211/74 = NJW 1976, 372, 374; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht aaO Tz 949 und WI 1972, 126ff; 1976, 69).
2. Auch der Umstand, dass die Klägerin auf ein Versicherungsverhältnis im ausländischen Rechtsbereich verwiesen werden soll, steht der Anwendung des § 158c Abs 4 VVG, § 3 Nr 6 PflVG hier nicht entgegen. Es braucht dazu der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob ohne Rücksicht auf die ausländischen Rechtsregeln über das Verhältnis der Schadensversicherer zueinander die durch § 158c Abs 4 VVG bewirkte Lastenverteilung zwischen "krankem" und "gesundem" Versicherungsverhältnis auch bei Beteiligung eines ausländischen Schadensversicherers immer Geltung beanspruchen kann. § 158c des Österreichischen Versicherungsvertragsgesetzes stimmt mit der deutschen Regelung, soweit sie hier berührt ist, überein.
Die Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 1971 - IV ZR 1134/68 = VersR 1971, 333, 334, die einem ausländischen Eigenversicherer (dort: österreichische Bundesbahn) die Eigenschaft eines Schadensversicherers im Sinne von § 158c Abs 4 VVG abgesprochen hat, betrifft eine andere Fallgestaltung. Um einen Eigenversicherer geht es vorliegend nicht.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass die Beklagte ihr die Rechtsverfolgung einer anderweiten Ersatzmöglichkeit im Ausland nicht zumuten könne. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit Zumutbarkeitsgesichtspunkte für § 158c Abs 4 VVG eine Rolle spielen können. Jedenfalls kann allein der Umstand, dass die Ansprüche im Ausland verfolgt werden müssen, nicht schlechthin, sondern allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn hiermit für den Geschädigten besondere Erschwerungen oder Verzögerungen verbunden sind. Das ist auch für die insoweit ähnliche Interessenlage im Rahmen des § 839 Abs 1 Satz 2 BGB anerkannt (BGH Urteil vom 26. April 1976 - III ZR 26/74 = NJW 1976, 2074 = VersR 1976, 1034). Solche besonderen Umstände sind im Streitfall nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Firma W. - wie geschehen - in der Bundesrepublik verklagen kann, und für die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen im Verhältnis der Bundesrepublik zu Österreich Erleichterungen geschaffen sind.
3. Die Frage, ob der Klägerin wegen ihres Schadens Ersatzansprüche gegen die Firma W. zustehen und ob für solche Ansprüche Deckungsschutz eines CMR-Versicherers besteht, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - offengelassen. Der Senat sieht davon ab, diese Frage selbst zu entscheiden, da insoweit die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommen kann. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang zu beachten haben, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Klägerin, sondern die Beklagte im Rahmen des § 158c Abs 4 VVG darlegungsbelastet und beweisbelastet ist (vgl Prölß/Martin VVG 21. Aufl § 158c Anm 10d).