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BGH Urteil vom 10.10.2013 - IX ZR 319/12 - Zur Passivlegitimation des Mautsystem-Betreibers
BGH v. 10.10.2013: Zur Passivlegitimation des Mautsystem-Betreibers
Der BGH (Urteil vom 10.10.2013 - IX ZR 319/12) hat entschieden:
Zur Frage, wem gegenüber die Deckungsanfechtung von Zahlungen möglich ist, die ein Schuldner an die Betreiberin des Systems zur Erhebung der Lkw-Maut im Guthabenabrechnungsverfahren erbracht hat.
Siehe auch Mautsystem - Mautgebühren - Mautdaten und Güterkraftverkehr
Tatbestand:
Auf Antrag einer Gläubigerin vom 5. Dezember 2005 eröffnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. März 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Schuldner betrieb ein Transportunternehmen. Die Beklagte ist im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland die private Betreiberin des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen gesetzlichen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (LKW-Maut).
Seit Ende 2003 nahm der Schuldner bei der Beklagten zur Abrechnung der Mautgebühren an dem von ihr angebotenen Guthabenabrechnungsverfahren teil. Wählt der Mautschuldner dieses Verfahren, muss er auf einem Konto bei der Beklagten ein Guthaben unterhalten, von dem laufend die aufgrund mautpflichtiger Fahrten angefallenen Beträge durch die Beklagte abgebucht und an das Bundesamt für Güterverkehr ausgekehrt werden.
Schon seit August 2005 führte der Schuldner keine Sozialversicherungsbeiträge mehr ab. Er war fortlaufend Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Sozialversicherungsträger ausgesetzt. Auf seine Weisung zahlten für ihn auf sein Guthabenkonto bei der Beklagten die P. -GmbH am 29. Dezember 2005 5.000 € und C. W. in der Zeit vom 29. September 2005 bis 26. Januar 2006 in 24 Einzelbeträgen insgesamt 51.100,02 €.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die genannten Beträge, also insgesamt 56.100,02 €, im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Die Beklagte meint, nicht sie, sondern das Bundesamt für Güterverkehr, an die sie die Beträge ausgekehrt hat, sei passivlegitimiert.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet, die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, dass die Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 InsO zwar im Übrigen vorlägen, die Beklagte aber nicht die Empfängerin der aus dem Schuldnervermögen weggegebenen Beträge sei (§ 143 Abs. 1 InsO). Die Beklagte wirke zwar bei der Erhebung der Maut mit, die Mauterhebung selbst sei ihr jedoch nicht übertragen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (nachfolgend: AGB) sei zwar eine Zahlungspflicht des Nutzers an die Beklagte vorgesehen. Dabei handele es sich aber nur um einen Vorschuss. Es liege eine Leistung an einen Empfangsberechtigten des Gläubigers vor, die nur gegenüber dem Gläubiger anfechtbar sei. Bei derartigen mittelbaren Zuwendungen an einen Dritten richte sich die Anfechtung in der Regel gegen den Dritten. Die Beklagte sei nicht Anfechtungsgegnerin, weil sie nicht selbst Inhaberin der Mautforderung gewesen sei und lediglich den Einzug organisiert habe. Der Kläger könne folglich nur gegenüber dem Bundesamt für Güterverkehr anfechten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beklagte ist für den geltend gemachten Anspruch aus Deckungsanfechtung passivlegitimiert. Die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO sind ebenfalls gegeben.
1. Die Beklagte war hinsichtlich der angefochtenen Zahlungen Insolvenzgläubigerin des Schuldners. Sie ist demgemäß auch als Empfängerin der angefochtenen Leistung anzusehen, die gemäß § 143 InsO zur Rückgewähr verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 70/03, ZIP 2004, 862, 863).
Hinsichtlich der Einzahlung der streitgegenständlichen Beträge auf das Guthabenkonto war die Beklagte allerdings noch nicht Insolvenzgläubigerin, weil es sich insoweit noch um freiwillige Zahlungen des Schuldners handelte, auf welche die Beklagte keinen Anspruch hatte. Durch die Einzahlungen wurde aber der Beklagten nachfolgend die Befriedigung ihrer Ansprüche ermöglicht. Aus dem durch die Einzahlungen hergestellten Guthaben wurden von ihr die mit der Einbuchung des Schuldners zur Deckung der von ihm zu zahlenden Maut fällig gewordenen Beträge zu ihren Gunsten abgebucht. Die damit vorgenommenen Zahlungen erfolgten zur Deckung einer Entgeltforderung der Beklagten.
a) Die Maut ist eine öffentlich-rechtliche Benutzungsgebühr (vgl. BT-Drucks. 14/7013 S. 10; BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6/09, BVerwGE 137, 325 Rn. 12; vom 4. August 2010 - 9 C 7/09, Rn. 8). Für den hier in Frage stehenden Zeitraum der Jahre 2005 und 2006 ist das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge, künftig: ABMG) in der vom 8. Dezember 2004 bis 31. August 2007 geltenden Fassung maßgebend (vgl. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher und autobahnmautrechtlicher Vorschriften vom 17. August 2007, BGBl. I S. 1985; zur heutigen Rechtslage vgl. das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen vom 12. Juli 2011, BGBl. I S. 1378; Bundesfernstraßenmautgesetz, künftig: BFStrMG). Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 ABMG (heute: § 2 Satz 1 Nr. 1 BFStrMG) ist Mautschuldner unter anderem der Eigentümer oder Halter des gemäß § 1 ABMG (heute: § 1 BFStrMG) mautpflichtigen Fahrzeuges. Dies war der Schuldner. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ABMG (heute: § 4 Abs. 1 Satz 1 BFStrMG) hat der Mautschuldner die Maut spätestens bei Beginn der mautpflichtigen Benutzung oder im Falle einer Stundung zu dem festgesetzten Zeitpunkt an das Bundesamt für Güterverkehr (nachfolgend auch: Bundesamt) zu entrichten. Mautgläubiger ist demgemäß dieses Bundesamt.
b) Der Schuldner war von der Verpflichtung zur Zahlung der Maut an das Bundesamt jedoch gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG (heute: § 4 Abs. 6 Satz 1 BFStrMG) befreit. Die Beklagte war Gläubigerin eines vom Schuldner befriedigten Entgeltanspruchs.
aa) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 ABMG (heute: § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 BFStrMG) kann das Bundesamt für Güterverkehr einem Privaten die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur Erhebung der Maut übertragen oder diesen beauftragen, an der Erhebung der Maut mitzuwirken (Betreiber). Die danach mögliche Beleihung des Privaten mit der hoheitlichen Erhebung der Maut ist allerdings nicht erfolgt. Die Beklagte ist nicht ermächtigt, die Maut in eigenem Namen hoheitlich festzusetzen. Die Beklagte wurde als Betreiber stattdessen beauftragt, an der Erhebung der Maut mitzuwirken (Bekanntmachung des Bundesamtes für Güterverkehr vom 23. Dezember 2004, Bundesanzeiger 2004, S. 24744; BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6/09, aaO Rn. 6). In § 4 Abs. 5 ABMG (heute: § 4 Abs. 6 BFStrMG) ist näher geregelt, wie diese Mitwirkung im Einzelnen erfolgen kann. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Mautschuldner von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut an das Bundesamt für Güterverkehr befreit, wenn der Betreiber sich gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der entstandenen Maut des Mautschuldners verpflichtet, der Mautschuldner nachweist, dass zwischen ihm und dem Betreiber ein Rechtsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Mautschuldner für jede mautpflichtige Benutzung der Bundesautobahn ein Entgelt in Höhe der zu entrichtenden Maut an den Betreiber zahlen muss oder gezahlt hat, und wenn der Mautschuldner schließlich sicherstellt, dass seine Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis erfüllt werden.
Demgemäß konnte die Beklagte mit dem Schuldner einen zivilrechtlichen Vertrag mit einem Inhalt schließen, der zusammen mit einer von ihr gegenüber dem Bundesamt übernommenen unbedingten Zahlungspflicht dazu führte, dass der Mautschuldner von der Entrichtung der Maut an das Bundesamt befreit war.
bb) Ein solcher Vertrag ist zwischen dem Schuldner und der Beklagten geschlossen worden. Die Voraussetzungen einer Befreiung von der Maut lagen vor. Gläubigerin des befriedigten Entgeltanspruchs war die Beklagte.
§ 4 Abs. 5 ABMG eröffnet allerdings lediglich die Möglichkeit für die genannte Konstruktion. Diese ist vom Gesetz nicht zwingend vorgesehen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein erstes Gesetz zur Änderung des ABMG, BT-Drucks. 15/3678 S. 8 zu Buchst. d). Maßgebend ist, ob die genannten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. Es kann nicht angenommen werden, dass bereits die Nutzung des Erhebungssystems der Beklagten den Vertragsschluss mit dem Inhalt des § 4 Abs. 5 ABMG bewirkt und der Mautpflichtige gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines Entgeltes in der Höhe verpflichtet ist, die das Erhebungssystem auf der Grundlage der maßgeblichen Tatsachen ermittelt hat (unklar BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6/09, aaO Rn. 6).
Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 4 Abs. 5 ABMG waren aber nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend gegeben.
(1) Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der zu Lasten des Schuldners entstandenen Maut festgestellt (Berufungsurteil S. 5 Abs. 3). Diese Feststellung ist von den Parteien im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO).
(2) Der Kläger hat nachgewiesen, dass zwischen dem Schuldner und der Beklagten ein Rechtsverhältnis bestand, aufgrund dessen der Mautschuldner für jede mautpflichtige Benutzung einer Bundesautobahn der Beklagten ein Entgelt in Höhe der zu entrichtenden Maut zahlen musste und gezahlt hat. Dabei handelt es sich um die Zahlung eines Entgelts im Sinne des § 4 Abs. 5 ABMG.
Maßgebend für das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und der Beklagten war zunächst dessen Benutzerregistrierung bei der Beklagten vom 21. Mai 2003. Davon abweichend nahm seit Ende 2003 der Schuldner an der Abrechnung nach dem in den AGB der Beklagten geregelten Guthabenabrechnungsverfahren teil. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war zwischen dem Schuldner und der Beklagten vereinbart. Die von der Beklagten vorgelegten Geschäftsbedingungen stammen zwar vom 17. Januar 2008. Da ihre Anwendbarkeit aber zwischen den Parteien unstreitig ist, hat der Senat davon auszugehen, dass die tatsächlich vereinbarten früher geltenden AGB insoweit inhaltsgleich waren.
Nach dem danach zwischen dem Schuldner und der Beklagten praktizierten Guthabenabrechnungsverfahren gemäß Nr. 18.1.3 AGB galt gemäß Nr. 21.2 AGB, dass der Benutzer rechtzeitig im Voraus ein Guthaben auf sein von der Beklagten angegebenes Konto einzuzahlen oder zu überweisen hatte, welches zum Ausgleich der künftigen Forderungen der Beklagten im Sinne der Nr. 4.1 AGB erforderlich war. War eine ausreichende Deckung durch das vorhandene Guthaben nicht mehr gegeben, sperrte die Beklagte das Fahrzeuggerät, so dass der Benutzer am Guthabenabbuchungsverfahren nicht mehr teilnehmen konnte. Dies entsprach Nr. 37.1 AGB, der diese Möglichkeit der Beklagten einräumt. Nach Nr. 4.1 AGB war der Benutzer verpflichtet, die nach seinen Angaben in dem von ihm gewählten Mauterhebungsverfahren ermittelte Maut im Voraus an die Beklagte zu zahlen. Der (Vorschuss-)Anspruch wurde gemäß Nr. 4.1 Satz 2 AGB mit der Einbuchung zur Zahlung fällig, sofern nichts anderes vereinbart war. Die Beklagte hatte gemäß Nr. 4.1 Satz 3 AGB die vom Benutzer bezahlte Maut an das Bundesamt für Güterverkehr auszukehren.
Nach diesen vom Bundesamt für Güterverkehr gebilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (vgl. Bekanntmachung des Bundesamtes für Güterverkehr vom 23. Dezember 2004, Bundesanzeiger 2004, 24744) schuldet der Benutzer gemäß Nr. 4.1 AGB also ein vertragliches Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 1 ABMG, das der Beklagten zustand. Allerdings war die Beklagte vom Nutzer beauftragt, die von diesem gezahlte Maut an das Bundesamt für Güterverkehr abzuführen. Diese in Nr. 4.1 Satz 3 AGB geregelte Abführungspflicht ist jedoch nicht zusätzlich und unabhängig von der eigenen Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber dem Bundesamt zu erfüllen. Sie wird vielmehr gerade dadurch erfüllt, dass die Beklagte auch ihrer dem Bundesamt gegenüber bestehenden eigenen unbedingten Zahlungspflicht in Höhe der zu Lasten des Schuldners entstandenen Maut nachkommt. Mit der Zahlung erfüllt die Beklagte sowohl ihre selbständige Pflicht gegenüber dem Bundesamt wie die Abführungspflicht gegenüber dem Mautschuldner.
(3) Der Schuldner hat durch seine Teilnahme am Guthabenabrechnungsverfahren auch sichergestellt, dass seine Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis mit der Beklagten erfüllt wurden. Die Gegenleistung der Beklagten bestand darin, dass sie die Voraussetzungen für die Befreiung des Schuldners von der Maut schaffte.
Damit war der Schuldner von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut an das Bundesamt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG befreit. Mit der Abbuchung der geschuldeten Beträge in Höhe der Maut vom Guthabenkonto des Schuldners bei der Beklagten erfüllte er den Entgeltanspruch der Beklagten.
Soweit die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sich in ihrer Wortwahl an einem Auftragsverhältnis orientieren, ist eine Auslegung im Sinne des § 4 Abs. 5 ABMG geboten, dessen Umsetzung die vertraglichen Vereinbarungen dienen. Ist die Beklagte selbst gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der entstandenen Maut des Mautschuldners verpflichtet, können die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG bejaht werden.
Die Beklagte ist folglich nicht lediglich als Zahlstelle tätig geworden. Der Schuldner hatte sich ihrer nicht nur als Leistungsmittlerin bedient. Hätte der Schuldner die Beklagte lediglich als solche Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen (Guthabenkonto) vermindert, hätte sich die Deckungsanfechtung allerdings allein gegen den Dritten als Empfänger gerichtet, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 16. September 1999 - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; vom 16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 35; vom 26. April 2012 - IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 9; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 11).
(4) Das Ergebnis wird bestätigt durch die vergleichbare Rechtslage bei der Anfechtung gegenüber den gesetzlichen und tarifvertraglichen Einzugsstellen für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind diese Einzugsstellen passivlegitimiert auch für eine Anfechtung auf Rückzahlung der an sie gezahlten Sozialversicherungsbeiträge, soweit sie im Innenverhältnis anderen Versicherungsträgern zustehen (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 70/03, ZIP 2004, 862, 863; vom 21. Oktober 2004 - IX ZR 71/02, ZIP 2005, 38 f; vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 Rn. 8; Beschluss vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 87/06, ZIP 2007, 2228 Rn. 4).
Wesentlicher Grund hierfür ist, dass im Außenverhältnis der Einziehungsstelle zum Beitragsschuldner dieser nur an die Einziehungsstelle mit befreiender Wirkung leisten kann. Die Einzugsstelle hat die alleinige Empfangszuständigkeit und ist für die Durchsetzung aller Beitragsforderungen Prozessstandschafter, Titelgläubiger und Klauselberechtigter im Sinne des § 725 ZPO. Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004, aaO S. 863).
Eine ähnliche Situation ist nach den Feststellungen vorliegend gegeben. Da die Beklagte Gläubigerin des an sie zu zahlenden Entgelts in Höhe der einzuziehenden Maut war, konnte der Schuldner mit auch der Beklagten gegenüber befreiender Wirkung nur an diese zahlen. Zwar hätte er mit befreiender Wirkung hinsichtlich der Maut selbst auch an das Bundesamt leisten können. Der Mautschuldner ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 ABMG vorliegen, nicht aus dem Gebührenverhältnis zum Bundesamt entlassen (BT-Drucks. 15/3678 S. 8). Die Beklagte hat demgemäß nicht die alleinige Empfangszuständigkeit. Sie ist auch nicht allein zur Durchsetzung des Anspruchs berufen. Führt etwa der Mautschuldner nicht den Nachweis für die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 ABMG, kann das Bundesamt selbst die Entrichtung der Maut verlangen (BT-Drucks. 15/3678, aaO). Nur durch die Bezahlung des Entgelts an die Beklagte konnte aber der Schuldner gleichzeitig die Verpflichtung gegenüber der Beklagten und zur Zahlung der Maut erfüllen.
2. Die übrigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht im Anschluss an das Landgericht bejaht. Die Beklagte hat sich schon im Berufungsverfahren nicht mehr hiergegen gewandt. Da die Deckung inkongruent war, scheidet ein Bargeschäft nach § 142 InsO aus (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, ZIP 2011, 438 Rn. 18; vom 10. Mai 2007 - IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Rn. 10 mwN).
3. Soweit die angefochtenen Zahlungen, worauf die Revision zusätzlich abhebt, teilweise dazu gedient haben könnten, eigene Forderungen der Beklagten aus einer Tätigkeit für den Schuldner zu erfüllen, wäre die Beklagte ebenfalls Insolvenzgläubigerin, so dass eine Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO auch insoweit in Betracht käme. Solche Forderungen der Beklagten könnten in Form von Entgelten und Auslagenersatz nach Nr. 4.2 AGB in Verbindung mit dem Preisverzeichnis der Beklagten entstanden sein. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, ob und welche der dort genannten Leistungen der Schuldner in Anspruch genommen und bezahlt hat.
Davon abgesehen wurden derartige Entgelte nach Nr. 4.2 f AGB nicht mit dem Mautguthaben verrechnet, sondern gemäß Nr. 27.2 AGB gesondert abgerechnet. Sie sind gemäß Nr. 21.3 AGB nicht Gegenstand der Guthabenabrechnungen und außerhalb des Guthabenabrechnungsverfahrens zu erfüllen. Dass solches in anfechtungsrelevanter Weise geschehen wäre, macht der Kläger nicht geltend. Das angewandte Guthabenabrechnungsverfahren betraf vielmehr das der Beklagten geschuldete Entgelt in Höhe der an das Bundesamt abzuführenden Maut.
III.
Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das von ihm festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen (§ 563 Abs. 3 ZPO).