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OLG München Urteil vom 13.09.2013 - 10 U 1919/12 - Zur Haftung beim Überfahren einer durchgezogenen Linie beim Wenden

OLG München v. 13.09.2013: Zur Haftung beim Überfahren einer durchgezogenen Linie beim Wenden


Das OLG München (Urteil vom 13.09.2013 - 10 U 1919/12) hat entschieden:
Kollidiert ein Pkw-Fahrer, der aus einer Kolonne heraus unter Überfahren einer durchgezogenen Linie wendet, mit einem Rollerfahrer, der an der Kolonne links vorbeifährt, so ist eine Haftungsverteilung von 70 zu 30 zu Lasten des Halters des Pkws angemessen.


Siehe auch Fahrstreifenbegrenzung durch Leitlinien oder Fahrbahnbegrenzungslinien und Wenden


Gründe:

A.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 12.09.2008 gegen 18.58 Uhr im gleichgerichteten Verkehr auf der B 388 in Richtung D. bei km 36.500 an der Kreuzung mit der A.-​Straße zwischen dem Roller mit dem amtlichen Kennzeichen: ... des Klägers und dem Pkw, amtliches Kennzeichen: ..., dessen Fahrer und Halter der Beklagte zu 1) war und welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, geltend. Als der Beklagte zu 1), der sich in einem Stau befand, unter Überfahren einer durchgezogenen Linie wendete, kam es zwischen ihm und dem Kläger, der mit seinem Roller an der Wagenkolonne vorbeifuhr, zur Kollision. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 19.04.2012 (Bl. I 241/259 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage teilweise stattgegeben: Dem Kläger stehe unter Zugrundelegung einer Haftungsverteilung von 30:70 zu Lasten der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,- € sowie ein Ersatzanspruch für Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 2.565,82 € zu. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird im übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Verletzung materiellen Rechts rügt und seinen Klageantrag um einen Feststellungsantrag erweitert (Berufungsbegründung vom 17.07.2012 (Bl. II 277/286 d. A.), 24.07.2013 (Bl. II 287/289 d. A.) und 13.08.2012 (Bl. II 299/300 d. A.). Die Beklagten wollen mit ihrer Berufung eine Haftungsverteilung von 50:50 erreichen (Berufungsbegründung vom 11.06.2012, Bl. II 270/273 d. A.).

Der Kläger beantragt zuletzt,
  1. das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 19.04.2012 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde,

  2. die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- € und eine monatliche Rente in Höhe von 500,- € seit September 2008, jeweils zahlbar im Voraus zum Ersten eines Monats zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.07.2009 zu bezahlen,

  3. die Beklagten samtverbindlich und kostenpflichtig zu verurteilen, an den Kläger weitere 4.934,18 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2011 zu bezahlen,

  4. festzustellen, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der diesem bezüglich des Unfalls vom 12.09.2008 noch entstehen wird.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen mit ihrer Berufung,
das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19.04.2012 unter Aufrechterhaltung im übrigen abzuändern wie folgt:

  1. die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.07.2009 zu bezahlen,

  2. die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger 1.832,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.01.2011 zu bezahlen,

  3. im Übrigen die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neuen orthopädischen sowie eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens. Unter dem 29.10.2012 hat die Sachverständige Dr. med. Yvonne C. ihr fachorthopädisches Gutachten (Bl. II 307 a/324 d. A.) erstattet, unter dem 05.12.2012 der Sachverständige Dr. med. Hartmut K. sein nervenärztliches Gutachten (Bl. II 332/346 d. A.). Gemäß Beweisbeschluss vom 20.03.2013 (Bl. II 368/369 d. A.) hat der Senat ferner Beweis erhoben durch schriftliche Einvernahme des Zeugen Jan B. Auf das Schreiben des Zeugen vom 10.04.2013 (zu Bl. II 371 d. A.) wird Bezug genommen. Schließlich hat der Senat gemäß Beweisbeschluss vom 26.07.2013 (Bl. II 376/377 d. A.) am 13.09.2013 die Zeugin Bozana S. vernommen.

Ergänzend wird auf die vorgenannten Berufungsbegründungsschriften, die Berufungserwiderung der Beklagten vom 10.10.2012 (Bl. II 306/307 d. A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 12.02.2013 (Bl. II 354 d. A.), vom 05.03.2013 (Bl. II 363/366 d. A.) und vom 07.03.3013 (Bl. II 367 d. A.) sowie der Beklagten vom 21.02.2013 (Bl. II 357/362 d. A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 11.01. und 13.09.2013 (Bl. II 350/354 d. A. und Bl. II 379/385 d. A.) Bezug genommen.


B.

I.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die vom Erstgericht vorgenommene Haftungsverteilung von 30%:70% zu Lasten der Beklagtenpartei begegnet keinen Bedenken. Der Senat nimmt auf die Gründe des Ersturteils Bezug und macht diese sich zu Eigen.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Wenn man davon ausgeht, dass der Kläger lediglich unter Missachtung des gebotenen Seitenabstandes zu den stehenden Fahrzeugen überholt hat, ist dieser ein Verschulden begründende Fahrfehler im Verhältnis zu dem fehlerhaften Wenden seitens des Erstbeklagten - der erstinstanzlich erklärt hatte, sich in keiner Weise nach hinten orientiert zu haben - und dem hinzutretenden verbotswidrigen Überfahren der durchgezogenen Mittellinie als deutlich geringfügiger anzusehen. Berücksichtigt man weiter, dass der Kläger auch nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist - die nachgewiesene Geschwindigkeit von 20 km/h kann nicht als überhöht angesehen werden -, ist die vom Erstgericht festgesetzte Haftungsverteilung von 30%:70% zu Lasten der Beklagtenseite nicht nur nachvollziehbar, sondern durchaus wohl begründet. Die von den Beklagten im Schriftsatz vom 21.02.2013 angeführten Erwägungen überzeugen den Senat nicht. Dass dem Kläger ein Verstoß gegen § 5 StVO zur Last zu legen ist, hat sowohl das Erstgericht als auch der Senat in die Abwägung mit eingestellt. Eine Geschwindigkeit des Überholenden von 20 km/h vermag der Senat, der als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen mit Verkehrsunfällen dieser Art vertraut ist, nicht als überhöht zu bewerten. Dass der Kläger, wenn er geahnt hätte, dass nach dem Sichtkontakt mit dem Beklagten zu 1) dieser nicht stehen bleiben würde, nicht weitergefahren wäre, bedarf keiner weiteren Erörterung. Im Hinblick auf das Wendemanöver des Beklagten zu 1) über eine durchgezogene Mittellinie konnte der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagte zu 1) dieses abbrechen würde, wenn der Kläger weiterfährt. Ein gleich hohes Verschulden der beiden Verkehrsteilnehmer vermag der Senat nicht anzunehmen.

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,- € zu, §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 116 VVG.

a) Der Senat geht bei der Schmerzensgeldbemessung insbesondere von folgenden Grundsätzen aus:

(1) Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfall ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122, 123; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 13.08.2010 - 10 U 3928/09 [Juris] = NJW-​Spezial 2010, 617; v. 24.09.2010 - 10 U 2671/10 [juris]; vom 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]).

(2) Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt (grundlegend RG, Urteil vom 17.11.1882 - RGZ 8, 117, 118 und BGHZ - GSZ - 18, 149 ff. = VersR 1955, 615 ff. = NJW 1955, 1675 ff. = MDR 1956, 19 ff.; ferner BGH NJW 2006, 1068, 1069; OLG Hamm zfs 2005, 122, 123; Senat a.a.O. ).

(3) Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG Hamm zfs 2005, 122, 123; OLG Brandenburg, Urteil vom 08.03.2007 - 12 U 154/06 [juris]; Senat, a.a.O. ).

b) Nach dem vom Senat eingeholten neuen fachorthopädischen Gutachten der Sachverständigen Dr. med. Yvonne C. vom 29.10.2012 zeigen sich klinisch endphasig Funktionseinschränkungen im rechten Hüftgelenk sowie eine deutliche Beinverkürzung, die derzeit mit etwa 1 cm ausgeglichen wird. Radiologisch finden die vorgetragenen Beschwerden ihr Korrelat in einer Fraktur des lateralen Schenkelhalses, die in Einstauchung verheilt ist und somit nicht nur zu einer Beinverkürzung führt, sondern auch zu veränderten anatomischen Begebenheiten im Bereich der rechten Hüfte. Nach knöcherner Konsolidierung ist der Schenkelhals jetzt verkürzt und varisch eingestellt, so dass die Vorspannung der Glutealmuskulatur nicht zu beiden Seiten gleich ist. Der Kläger zeigt zum einen ein Verkürzungshinken, aber auch ein durch Duchenne-​Hinken bei Schwäche der hüftumgreifenden Muskulatur rechts. Radiologisch zeigen sich auch direkte und indirekte Arthrosezeichen. Hinzukommt eine Knochendichteminderung und eine nicht trabekuläre Ausrichtung der Knochenstrukturen, so dass von einer verminderten Belastbarkeit der Knochenstrukturen ausgegangen werden muss. Durch Fehl- und Minderbelastung der Hüftgelenke finden die Beschwerden im lumbosacralen Übergang ihr Korrelat. Die Sachverständige geht daher unter Berücksichtigung aller Beschwerden von einer MdE von 25% aus mit Zukunftsrisiko einer MdE von 30%. Der Senat folgt diesen Ausführungen der Sachverständigen, die ihm seit vielen Jahren als außerordentlich sorgfältig arbeitend bekannt ist und die in ihrem Gutachten alle Anknüpfungstatsachen berücksichtigt und widerspruchsfrei bewertet hat, was der Senat als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen auch aus eigener Sachkunde beurteilen kann. Auch die Parteien haben gegen die Feststellungen der Sachverständigen keine Einwendungen erhoben.

Der nervenfachärztliche Gutachter, der Sachverständige Dr. med. Hartmut K., der dem Senat ebenfalls seit langem als sachkundig und sorgfältig arbeitender Gutachter bekannt ist, hat in seinem von den Parteien ebenfalls nicht angegriffenen Gutachten vom 05.12.2012 ausgeführt, dass die Angaben des Klägers über die Schlafstörungen und auch die Schmerzen jederzeit plausibel erscheinen. Der Kläger hat Schmerzen im Bereich der rechten Leiste, die eine Erklärung auf chirurgisch-​orthopädischem Fachgebiet finden. Diese werden bedarfsweise medikamentös behandelt.

Unter Berücksichtigung dieser Verletzungen und Folgebeschwerden und im Hinblick darauf, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt erst 43 Jahre alt war und deshalb unter diesen Unfallfolgen noch Jahrzehnte zu leiden hat, hält der Senat ein Schmerzensgeld von 20.000,- € für sachgerecht. Dieser Betrag fügt sich auch in die in der Rechtsprechung für vergleichbare Verletzungen ausgeurteilte Größenordnungen ein:
» OLG Köln vom 23.08.2000 (11 U 29/00; = Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 31. Aufl. 2013, Nr. 479) bei einer medialen Schenkelhalsfraktur mit einer MdE von 20% und einer Beinverkürzung um 0,5 cm: 30.000,- €;

» OLG Stuttgart vom 31.10.2002 (19 U 257/01; = Hacks/Wellner/Häcker, a.a.O. Nr. 480) bei einer distalen Oberschenkelfraktur mit einer MdE von 15% und einem Beckenschiefstand von 1,5 cm: 30.000,- €.

» LG Nürnberg-​Fürth vom 09.03.2012 (8 O 8220/10; = Hacks/Wellner/Häcker a.a.O. Nr. 476) bei einer offenen Femurschaftfraktur mit einer MdE von 10% und einer Beinverlängerung um 1,5 cm: 28.000,- €;
2. Dem Kläger sind Kinderbetreuungskosten für die Zeit seiner stationären Behandlung vom 12.09.2008 bis 24.10.2008 in Höhe von 1.100,- € entstanden, für die Zeit der ambulanten Reha vom 04.11.2008 bis 06.02.2009 von 2.750,- €, somit insgesamt 3.850,- €. Der Kläger hat unter Berücksichtigung der Haftungsverteilung insoweit einen Ersatzanspruch in Höhe von 1.930,60 €.

a) Kinderbetreuungskosten sind schadensersatzrechtlich als Heilbehandlungskosten zu werten und deshalb grundsätzlich ersatzfähig (BGH NZV 1990, 111).

b) Was die Höhe der aufgewandten Heilbehandlungskosten angeht, geht der Senat von den Angaben der Zeugin Bozana S. aus. Der Senat hält die Zeugin S. für glaubwürdig und ihre Angaben für glaubhaft.

Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht nicht, dass sie die Ehefrau des Klägers ist. Es verstieße gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, wenn ein Tatrichter die Glaubwürdigkeit eines Zeugen nur deshalb verneinte, weil der Zeuge einer der Prozessparteien nahesteht (sog. parteinaher Zeuge) und bei seiner Vernehmung keine Umstände zutage getreten sind, welche die von vornherein angenommenen Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit zerstreut hätten (für Ehefrau: RG bei Bolze 3 [1887] Nr. 1218; 7 [1889] Nr. 1059; BGH NJW-​RR 1999, 246; KG VersR 1977, 771 = r+s 1977, 200 [jew. red. Leitsatz]; Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 2009, Rz. 724). Sonstige Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin sind weder behauptet worden noch ersichtlich.

Die Zeugin hat in erster Instanz in der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2012 detailliert die von ihrer Schwester erbrachten Leistungen bei der Kinderbetreuung und im Haushalt während ihrer, der Zeugin unfallbedingten Abwesenheit sowie die erfolgte Bezahlung geschildert (Bl. I 232/233 d. A.). Sie hat diese Angaben in den entscheidenden Punkten vor dem Senat wiederholt (Bl. II 380 d. A.). Die Angaben waren in sich schlüssig und erkennbar nicht von einem Bestreben zum Aufbauschen gekennzeichnet. Soweit das Erstgericht die von der Zeugin geschilderte Vergütung als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet hat (EU 17 = Bl. I 217 d. A.), folgt der Senat dem nicht: Abgesehen davon, dass der Hinweis auf ein durch diese Vergütung angeblich begründetes „sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis“ nicht verständlich ist, wäre dies für die Frage, ob eine Vergütung tatsächlich gezahlt worden ist, irrelevant. Auch das weitere Argument, es handle sich „normalerweise“ um innerfamiliäre Gefälligkeiten, für die „eventuell vorstellbar maximal ein Betrag von 50,- EUR gezahlt“ werden, entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Das Erstgericht hat bei seiner Argumentation nämlich nicht bedacht, dass Kinderbetreuung von Angehörigen auf verschiedener rechtlicher Grundlage erbracht werden kann, nämlich
» auf familiärer Grundlage

» auf der Basis eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses

» oder auf der Grundlage eines Dienstverhältnisses, wobei in diesem Fall die Aufwendungen bei Vorliegen verschiedener Voraussetzungen nach § 10 I Nr. 5 EStG teilweise steuerlich absetzbar sind (vgl. dazu näher Anwendungsschreiben des BMF vom 14.03.2012, Gz. IV C 4 - S 2221/07/0012:012).
c) Der Kläger ist in Höhe von 2.758 - € auch aktivlegitimiert.

aa) Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung von Kinderbetreuungskosten nach § 42 SGB VII i. V. m. § 54 III SGB IX. Die Normierung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer Haushaltshilfe nach § 54 I SGB IX einerseits und der Übernahme der Kinderbetreuungskosten nach § 54 III SGB IX andererseits ist hinsichtlich des Kausalzusammenhangs ersichtlich qualitativ unterschiedlich (LSG Dresden, Urt. v. 20.11.2007, Az. L 4 R 268/05 [juris]). Dass die Kinderbetreuungskosten (nur) wegen der stationären Behandlung und der ambulanten Reha entstanden sind, ist nicht erforderlich. Allein die Unvermeidbarkeit der Kosten stellt eine Begrenzung der Erstattungspflicht der Berufsgenossenschaft dar. Falls der Ehegatte für die Kinderbetreuung tatsächlich zur Verfügung steht, entstehen keine „unvermeidbaren“ Betreuungskosten, wenn das Kind des Leistungsempfängers trotz dieser Möglichkeit entgeltlich von Dritten betreut wird (LSG Dresden a.a.O. ). Dies war vorliegend nicht der Fall, nachdem die Ehefrau während der vom Senat für notwendig erachteten Besuche des Klägers im Krankenhaus und der Fahrten zur ambulanten Reha und wieder zurück gerade nicht für die Betreuung tatsächlich zur Verfügung stand.

Im maßgeblichen Zeitraum kommt grundsätzlich ein Anspruch gem. § 54 III SGB IX in Höhe von 1.092,- € in Betracht (kalendertäglich je Kind 4,33 €, nachdem eine Änderung gem. § 54 III 3 SGB IX erst im Jahr 2012 erfolgte).

bb) Der Anspruch des Klägers ist in Höhe dieser 1.092,- € nach § 116 SGB X auf die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe übergegangen, da diese insoweit kongruente Leistungen zu erbringen hat (§ 42 SGB VII i.V. § 54 III SGB IX; vgl. auch Burmann/Jahnke NZV 2011, 473 [474]):
» Dass es sich bei den Leistungen nach § 42 SGB VII i.V.m. § 54 III SGB IX um sog. Ermessensleistungen handelt, ist für den Anspruchsübergang unerheblich, da § 39 II SGB I anordnet, dass für die Ermessensleistungen die Regeln über Pflichtleistungen gelten (so auch Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 11. Aufl. 2013, Rz. 580).

» Der gesetzliche Forderungsübergang auf den Sozialleistungsträger gem. § 116 SGB X erfolgt bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (BGH in st. Rspr., zuletzt BGHZ 189, 158 = NJW 2011, 2357 = VersR 2011, 775), womit dem Geschädigten insoweit die Aktivlegitimation fehlt. Dass vorliegend noch keine Kinderbetreuungskosten seitens des Sozialleistungsträgers erbracht wurden, ändert hieran nichts (vgl. BGH a.a.O. ). Der Forderungsübergang ist zwar auflösend bedingt, die Bedingung tritt aber nur ein, wenn der Sozialversicherungsträger nicht geleistet hat und bindend feststeht oder es jedenfalls nahezu ausgeschlossen erscheint, dass ihn noch eine Leistungspflicht trifft (vgl. BGH a.a.O. ), was vorliegend mangels bestandskräftigem ablehnendem Bescheid oder Abschluss eines sozialgerichtlichen Verfahrens nicht der Fall ist (vgl. BGH VersR 1960, 709; DAR 2005, 443).
Der Übergang erfolgt aber nur insoweit, als der Sozialversicherungsträger nach den sozialrechtlichen Vorschriften Leistungen überhaupt zu erbringen hat (Kasseler-​Kommentar/Kater, Sozialversicherungsrecht, 77. EL 2013, § 116 SGB X Rz. 26 a; Küppersbusch/Höher Rz. 577), weshalb z. B. kein Übergang bei Aufwendungen für privatärztliche Behandlungskosten (BGH VersR 1965, 161; Küppersbusch/Höher Rz. 584) oder nicht erstattungsfähige Besuchskosten (OLG München VersR 1978, 373; Küppersbusch/Höher Rz. 600) erfolgt. Auf die vom Zeugen Bayer insoweit bestätigte Abtretung der auf die Berufsgenossenschaft übergegangenen Ansprüche an den Kläger kommt es deshalb nicht an.

d) Von den restlichen Kinderbetreuungskosten in Höhe von 2.758,- € trifft die Beklagtenseite nur eine Haftungsquote von 70%, woraus sich ein Anspruch in Höhe von 1.930,60 € errechnet.

3. Zusammen mit den unstreitigen und von keiner Berufung angegriffenen übrigen Kosten ergibt sich damit insgesamt ein Betrag von 3.575,57 €.

4. Dem Kläger war keine monatliche Rente zuzusprechen, da die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung nicht vorliegen. Insoweit macht sich der Senat die Gründe des Ersturteils (S. 17 f. unter 3 c)) zu Eigen und nimmt auf diese Bezug. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst. Die MdE von 25% sowie die Beinverkürzung stellen keinen schweren Dauerschaden im Sinne der Rechtsprechung dar.

5. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Wenn ein Schaden als Folge eines haftungsbegründenden Verhaltens dargelegt ist, ist das Rechtsschutzinteresse für eine Schadensersatzklage ohne weiteres gegeben (BGH NJW 1999, 430 = VersR 1999, 1029). Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses ist immer dann gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 1986, 2507 m. w. N.; 1999, 430 = VersR 1999, 1029; Senat, Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]). Eine solche Gefährdung liegt in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH a.a.O. ; Senat a.a.O.), insbesondere i. V. m. der drohenden - kurzen - Verjährung nach § 195 BGB (BGH NJW 2001, 1431 [1432]; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 jew. zu § 852 BGB a.F.; KG VRS 111 [2006] 16 [28]; Senat a.a.O.).

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Hinsichtlich der Begründetheit eines solchen Anspruchs hat die Rechtsprechung stets nur maßvolle Anforderungen gestellt (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [29]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris]; v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]). Eine Klage auf Feststellung einer (deliktischen) Haftung ist begründet, wenn die sachlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen Schäden führen kann (BGH MDR 2007, 792 = VRS 112 [2007] 442 ff.; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris]; v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]). Ob darüber hinaus eine nicht nur fernliegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden erforderlich ist (so BGH MDR 1990, 42 = DAR 1989, 379; VersR 1991, 779 [780]; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [28]), welche bei schweren Unfallverletzungen in aller Regel zutrifft (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [29]; Senat, Urt. v. 13.02.2004 - 10 U 4186/03; v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; nach der Lebenserfahrung können insbesondere alle Knochenverletzungen zu Komplikationen und Folgeschäden [insbesondere Arthrosen] führen, BGH VersR 1973, 371 [372]; OLG Hamm NZV 1996, 69 [70]; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; Senat, Urt. v. 13.02.2004 - 10 U 4186/03; v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06; v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris]), kann offenbleiben (BGH NJW 2001, 1431 [1432]; MDR 2007, 792 = VRS 112 [2007] 442 ff.).

Der Feststellungsanspruch kann in Fällen dieser Art - auch hinsichtlich des immateriellen Schadens - nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; KG VRS 111 [2006] 16 [28]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris]; v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]); es ist nicht erforderlich, dass der Kläger von dem späteren Schaden eine bestimmte Vorstellung hat (BGH MDR 1990, 42 = DAR 1989, 379; MDR 1997, 1052 = NJW 1998, 160; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452 [455]; Senat a.a.O.). Wie die Sachverständige Dr. C. in ihrem fachorthopädischen Gutachten überzeugend ausgeführt hat, besteht eine MdE von derzeit 25% mit einer Zukunftsprognose von 30%. Damit sind die Voraussetzungen für die Feststellung gegeben.

Allerdings war der Feststellungsausspruch abweichend vom Antrag dahingehend einzuschränken, dass Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind und noch übergehen, nicht erfasst sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I 1, 97 I ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Beklagten haben im Schriftsatz vom 21.02.2013 auch nicht ansatzweise aufgezeigt, inwiefern eine der vorgenannten Voraussetzungen vorliegen soll.

VI.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.