Das Verkehrslexikon
Kammergericht Berlin Beschluss vom 16.07.2012 - 2 W 106/11 - Entstehung der außergerichtlichen Terminsgebühr
KG Berlin v- 16.07.2012: Zur Entstehung der außergerichtlichen Terminsgebühr durch Verhandeln
Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 16.07.2012 - 2 W 106/11) hat entschieden:
Für den Anfall der außergerichtlichen Terminsgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3104 sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Gebühr entsteht bereits dann, wenn sich der Gegner auf ein der Erledigung des Verfahrens dienendes Gespräch – wobei ein fernmündlicher Kontakt genügt - einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Den Erfolg einer gütlichen Einigung setzt der Gebührentatbestand nicht voraus.
Siehe auch Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltskosten und Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) in den verschiedenen Verfahrensarten
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über das Entstehen einer Terminsgebühr (ohne mündliche Verhandlung).
Die Klägerin nahm die Beklagte – eine Versicherung - auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Nachdem der Klägervertreter mit Schreiben vom 24. Dezember 2009 bei der Beklagten die Forderung angemeldet hatte und diese unter dem 11. Januar 2010 mitgeteilt hatte, dass sie eine Fahrzeuggegenüberstellung in Auftrag gegeben habe, reichte die Klägerin am 4. Februar 2010 Klage beim Landgericht Berlin ein. Am 5. Februar 2010 rief der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Sachbearbeiter der Beklagten an und forderte die Beklagte auf, den ausstehenden Betrag zu bezahlen, um einen unnötigen Rechtsstreit zu vermeiden. Mit Telefaxschreiben vom selben Tage schrieb der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte:
„in vorgenannter Angelegenheit nehme ich Bezug auf unser heutiges Telefonat und übersende Ihnen wunschgemäß die bereits erhobene Klage in Kopie.
Ich fordere Sie nochmals höflich auf, die Ansprüche meines Mandanten vollständig zu begleichen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden.“
Mit Schreiben vom 9. Februar 2010 antwortete die Beklagte wie folgt:
„Ihr Schreiben vom 05. 02. 2010 liegt uns vor und wir teilen Ihnen mit, dass wir die Haftung dem Grunde nach nicht bestreiten.
Es gibt aber Differenzen zwischen den Parteien, die die Schadenshöhe betreffen. …“
Mit Schreiben vom 6. und 27. April 2010 regulierte die Beklagte die Ansprüche der Klägerin weitestgehend. Im Folgenden stritten die Parteien schon im Ausgangsverfahren u. a. darüber, ob durch das Telefongespräch eine Terminsgebühr ausgelöst worden ist. Nachdem das Landgericht schließlich den Kostenantrag der Klägerin zurückgewiesen hatte, auferlegte der 22. Zivilsenat des Kammergerichts mit Beschluss vom 13. Januar 2011 gemäß § 91a Abs. 1 ZPO der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits, ohne sich zu dem Streit der Parteien hinsichtlich des Anfalls einzelner Gebühren zu äußern.
Auf das Gesuch der Klägerin hat das Landgericht (Rechtpflegerin) die Kosten mit dem angegriffenen Beschluss zu deren Gunsten auf insgesamt 1.135,69 € festgesetzt, wobei es auch eine 1,2 Terminsgebühr berücksichtigt hat. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten, mit dem sie geltend macht, dass sie sich auf Gespräche zur Erledigung des Rechtsstreits mit dem Klägervertreter nicht eingelassen habe.
II.
Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 104 Abs. 3 ZPO statthaft und zulässig. In der Sache hat es aber keinen Erfolg, denn der Klägerin steht eine Terminsgebühr zu.
Nach der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nummer 3104 VV kann ein Rechtsanwalt eine 1,2-fache Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts verdienen. Dies setzt voraus, dass nicht nur eine Besprechung stattgefunden hat, sondern dass diese auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet war. Für den Anfall der außergerichtlichen Terminsgebühr sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Gebühr entsteht bereits dann, wenn sich der Gegner auf das Gespräch – wobei ein fernmündlicher Kontakt genügt - einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Den Erfolg einer gütlichen Einigung setzt der Gebührentatbestand nicht voraus (BGH, Beschluss vom 20.11.2006 – II ZB 9/06 - NJW-RR 2007, 286). Einen derartigen Kontakt hat es in Bezug auf das vorliegende Verfahren tatsächlich gegeben. Ein entsprechender Vortrag der Klägerin, der hinreichend glaubhaft gemacht ist (§§ 104 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO), folgt bereits unmittelbar aus der Prozessakte, denn die Klägerin hat durch die Vorlage des dem Telefongespräch folgenden Schriftwechsels hinreichend dokumentiert, dass das am 5. Februar zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und einem Vertreter der Beklagten geführte Telefongespräch auf die Erledigung des gerade anhängig gewordenen Rechtsstreit gerichtet war und die Beklagte sich auf dieses Bemühen auch in der Sache eingelassen hat, wie sich unschwer aus ihrem Antwortschreiben vom 9. Februar 2010 ergibt, in dem sie ihre Haftung dem Grunde nach anerkannt hat und nur noch über die Höhe der Forderung verhandeln wollte. Dabei handelte es sich nicht nur um ein allgemeines Gespräch über die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung. Gegenstand der Besprechung war vielmehr ersichtlich die konkrete Frage, ob der Rechtsstreit durch die Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes ohne Beteiligung des Gerichts beigelegt werden könne (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 21.1.2010 – I ZB 14/09 – Tz. 7 ff., AGS 2010, 164), was im Übrigen in der Folgezeit zumindest hinsichtlich der eingeklagten Hauptforderung auch zum Erfolg führte.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.