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Kammergericht Berlin Beschluss vom 10.05.2012 - 3 Ws (B) 261/12 - 162 Ss 71/12 - Bezugnahme auf Tatfoto im Urteil

KG Berlin v. 10.05.2012: Bezugnahme auf Tatfoto im Urteil


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 10.05.2012 - 3 Ws (B) 261/12 - 162 Ss 71/12) hat entschieden:
Macht der Tatrichter wie hier von der gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gegebenen Möglichkeit Gebrauch, in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto des Fahrzeugführers zu verweisen, so sind weitere Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto wie im vorliegenden Fall zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Eines Sachverständigen-Gutachtens zur Frage, ob der Betroffene der auf dem Tatfoto abgebildete Fahrzeuglenker ist, bedarf es in solchen Fällen regelmäßig nicht.


Siehe auch Bezugnahme auf ein Foto im Urteil - Lichtbildnachweis und Urteilsanforderungen im Bußgeldverfahren


Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Betroffenen am 19. Januar 2012 wegen tateinheitlicher Zuwiderhandlung gegen §§ 23 Abs. 1a Satz 1, 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 (Zeichen 274 der StVO), 49 Abs. 1 Nr. 22, Abs. 3 Nr. 4 StVO, 19 OWiG, 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 140,00 Euro. Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom selben Tag legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein und beantragte deren Zulassung. Da nach der am 9.2.2012 erfolgten Zustellung des Urteils an die Verteidigerin keine Begründung der Rechtsbeschwerde bei Gericht einging, verwarf das Amtsgericht Tiergarten durch Beschluss vom 28.3.2012 die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Nach der am 10.4.2012 erfolgten Zustellung des Beschlusses vom 28.3.2012 beantragte die Verteidigerin mit einem bei Gericht am 11.4.2012 eingegangenen (offensichtlich fehlerhaft datierten) Schriftsatz die Entscheidung des Rechtsbeschwerde-Gerichtes über die Rechtzeitigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 StPO und stellte gleichzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dem Antrag legte die Verteidigerin einen Schriftsatz vom 9.2.2012 bei, in dem sie die eingelegte Rechtsbeschwerde begründet. Diesen Schriftsatz habe sie – so die Verteidigerin – bereits am 9.2.2012 an das Gericht geschickt.

Der fristgerecht eingelegte Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen ist unzulässig, da er nicht behauptet, eine Frist versäumt zu haben. Eine solcher Vortrag wäre aber notwendig für eine zulässige Antragsbegründung gemäß §§ 46 OWiG, 45 Abs. 2 StPO (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 1997 – 3 Ws (B) 552/96).

Allerdings ist dem Betroffenen von Amts wegen gemäß § 46 OWiG, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass alle anderen Voraussetzungen des § 45 StPO vorliegen, insbesondere die versäumte Handlung frist- und formgerecht nachgeholt worden ist (BGH, MDR 88, bei Holtz, 456; OLG Düsseldorf, VRS 67, 53), was hier der Fall ist. Insbesondere kommt eine Wiedereinsetzung von Amts wegen dann in Betracht, wenn das fehlende Verschulden des Betroffenen an der Fristversäumung offensichtlich und ein Glaubhaftmachung wegen Offensichtlichkeit oder Aktenkundigkeit überflüssig ist (Senat, a.a.O.).

Dies ist hier der Fall: Nach dem Vortrag der Verteidigerin, der durch die Vorlage des Schriftsatzes zur Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 9.2.2012 glaubhaft gemacht worden ist, ist davon auszugehen, dass ein Verschulden Dritter vorliegt, und zwar entweder ein Verschulden der Verteidigerin bzw. ihres Kanzleibetriebes, des Postdienstleisters oder des Gerichts. In allen hier denkbaren Konstellationen wäre ein solches Verschulden dem Angeklagten nicht zuzurechnen (vgl. nur Meyer-Goßner, § 44, Rn. 15 – 18, 20 m.w.N.).

Mit der erfolgten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat sich eine Entscheidung des Antrages des Betroffenen gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 StPO erledigt.

Doch auch nach erfolgter Wiedereinsetzung ist der Zulassungsantrag unbegründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen. Nach § 80 Abs. 1 OWiG lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG auf Antrag nur zu, wenn es erforderlich ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder wenn es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Da der Betroffene die –ebenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichende- Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht rügt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und hierfür im Übrigen auch keine Anhaltspunkte bestehen, käme eine Zulassung hier nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht.

Zulassungsbedürftige Gesichtspunkte in dieser Hinsicht weist die Sache nicht auf.

Die Prüfung des Urteils auf die allein in zulässiger Form erhobene Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler auf. Es gilt der Grundsatz, dass die Frage, ob der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, der Tatrichter zu entscheiden hat. Grundsätzlich ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die so gewonnene Überzeugung des Tatrichters nicht der Überprüfung durch die Rechtsbeschwerde zugänglich (BGHSt 29, 18, 20; 41, 376, 381).

Macht der Tatrichter wie hier von der gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gegebenen Möglichkeit Gebrauch, in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto des Fahrzeugführers zu verweisen, so sind weitere Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto wie im vorliegenden Fall zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (vgl. BGHSt 41, 376, 382 f.). Eines Sachverständigen-Gutachtens zur Frage, ob der Betroffene der auf dem Tatfoto abgebildete Fahrzeuglenker ist, bedarf es in solchen Fällen regelmäßig nicht (Senat, Beschluss vom 17. Januar 2001 – 3 Ws (B) 612/00).

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher zu verwerfen, da die Zulassung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen, § 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.



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