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OLG Naumburg Urteil vom 08.08.2013 - 2 U 147/12 - Nutzungsausfall für einen Krankentransportwagen

OLG Naumburg v. 08.08.2013: Zum Nutzungsausfall für einen unfallbeschädigten Krankentransportwagen


Das OLG Naumburg (Urteil vom 08.08.2013 - 2 U 147/12) hat entschieden:
  1. Der - unfallbedingte - Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines als Krankentransportwagen genutzten Kleintransporters eines gemeinnützigen Vereins kann einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn der Geschädigte auf eine kostenintensive Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verzichtet.

  2. Verfügt der als Krankentransportwagen genutzte Kleintransporter nach einem Umbau zu einem Kleinbus nicht oder nur in sehr geringem Maße über Sonderausstattungen zum Zwecke des Kranken- bzw. Behindertentransports, so ist für die Bestimmung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung auf Tabellenwerte für einen entsprechenden Kleinbus zurückzugreifen.

Siehe auch Nutzungsausfall - Ausfallschaden - entgangene Gebrauchsvorteile und Gewerblich und/oder freiberuflich genutzte Fahrzeuge - Umsatzsteuer und Ausfallentschädigung


Gründe:

I.

Von einer Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.


II.

Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg.

Dem Kläger steht wegen der Schäden, die an seinem Ford Transit Kleinbus bei dem Verkehrsunfall am 06.06.2010 in T. entstanden sind, gegen die Beklagte zu 1) als Fahrerin gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG sowie gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG, Artikel 1 Abs. 1 EGGVG - über die zwischenzeitlich geleisteten Zahlungen hinaus - nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe weiterer 770,- EUR zu; hinzu kommt ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 375,92 EUR.

1. Eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach besteht. Die Beklagte zu 1) hat bei dem Betrieb des unfallbeteiligten Pkws schuldhaft einen Schaden an dem Fahrzeug des Klägers verursacht, indem sie die Vorfahrt des Klägers missachtete und mit diesem zusammenstieß. Die 100 %ige Einstandspflicht der Beklagten zu 1) und 2) ist im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens zwischen den Parteien unstreitig geworden.

2. Die Schadensersatzpflicht umfasst, wie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, gemäß § 251 BGB den Ausgleich des merkantilen Minderwerts des Ford Transit Kleinbus. In der mündlichen Verhandlung haben sich die Parteien darauf verständigt, hinsichtlich der Höhe der Wertminderung einen Betrag von 250,- EUR zugrunde zu legen; insoweit bedürfe es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht.

3. Eine Nutzungsausfallentschädigung kann der Kläger lediglich in Höhe von 975,- EUR, abzüglich bereits gezahlter 455,- EUR, mithin in Höhe von 520,- EUR beanspruchen.

a) Der Ausfall eines zwar nicht privat, aber auch nicht gewerblich genutzten Kraftfahrzeuges, wie hier des umgebauten Personentransportes (dazu noch sogleich) eines gemeinnützigen Vereins, kann einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn der Geschädigte - wie im vorliegenden Fall - auf eine kostenintensive Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verzichtet (so OLG Naumburg, Urteil v. 26.01.2009 - Az.: 1 U 76/08 - , NJW-​RR 2009, 1187 ff., Ziff. 3.2.; vgl. auch BGH, Urteil v. 26.03.1985 - Az.: VI ZR 267/83 - , NJW 1985, 2471 ff., sowie Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 249, Rdn. 46 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall bestehen an der nichtgewerblichen Nutzung des beschädigten Kleinbusses keine Zweifel, auch wenn der Kfz.-​Sachverständige W. P. sowohl sein Gutachten als auch seine Rechnung vom 15.06.2010 an die „Autovermietung J.“ adressiert hat. Denn es ist im Verlaufe des Rechtsstreits unstreitig geblieben, dass der Kleinbus von dem Kläger im Rahmen seiner gemeinnützigen Aufgaben - vor allem zum Zwecke des Behindertentransports - eingesetzt worden ist.

Im Übrigen hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht unterstellt, dass - im Sinne einer tatsächlichen Vermutung - die Nachteile des vorübergehenden Ausfalls des Kleinbusses für den Kläger deutlich fühlbar gewesen sind (vgl. dazu OLG Naumburg, a.a.O., Ziff. 3.2.). Das betrifft etwa die Organisation der Einsatzfahrten der verbleibenden Transportfahrzeuge, die zwangsläufig zur Kompensation des Ausfalls häufiger im Einsatz unterwegs sind, die Wartung usw., aber auch Anpassungen der Dienstpläne der Fahrzeugbesatzungen, insbesondere auch im Hinblick auf die jeweiligen Fahrzeugübernahmen. Diese fühlbaren Nachteile wären nicht entstanden, wenn sich der Kläger für die Ausfallzeit des Kleinbusses ein Ersatzfahrzeug gemietet hätte.

b) Die ersatzfähige Dauer des Nutzungsausfallschadens beträgt 15 Tage. Die Reparatur des Fahrzeugs hat ausweislich der Rechnung des Fa. Autoservices H. vom 28.06.2010 diesen Zeitraum in Anspruch genommen. Eine Kürzung der entschädigungspflichtigen Reparaturzeit wegen einer Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger gemäß § 254 BGB kommt nicht in Betracht. Der Kfz.-​Sachverständige P. hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten von 15.06.2010 nur eine Reparaturdauer von ca. 8 Arbeitstagen ohne Samstag, Sonn- und Feiertage veranschlagt (Seite 8 des Gutachtens). Hierbei hat es sich aber lediglich um eine bloße Prognose vor Reparaturbeginn gehandelt, wie bereits der Zusatz „ca.“ zeigt. Weder verfügt der Senat über konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die von der Werkstatt angegebene tatsächliche Reparaturdauer nicht erforderlich gewesen wäre, noch ist ein eigenes (Organisations-​)Verschulden des Klägers im Hinblick auf eine etwaige Überschreitung der Mindestreparaturdauer ersichtlich. Der Kläger muss sich auch nicht eine schuldhafte Verzögerung auf Seiten der Werkstatt gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil die Werkstatt nicht in Erfüllung einer gegenüber dem Schädiger bestehenden Verbindlichkeit tätig wird und daher keine Erfüllungsgehilfin des Geschädigten ist (st. Rspr., etwa BGH, Urteil v. 29.10.1974 - Az.: VI ZR 42/73 - , NJW 1975, 160 ff.; Grüneberg in Palandt, a.a.O., § 254, Rdn. 55 m.w.N.).

c) Für eine - nachträgliche - Anrechnung der Mietwagenkosten in Höhe von 201,11 EUR, die die Beklagte zu 2) für den Zeitraum vom 11.06. bis 13.06.2010, also für die Zeit zwischen Schadenseintritt und Fahrzeugreparatur, erstattet hat, fehlt es an einer Grundlage. Die Beklagte hat am 26.01.2012 auf die damalige Rechnungsaufstellung des Klägers vorbehaltlos - wenn auch nur in einer anteiligen Höhe von 20 % - Zahlung geleistet und damit unter anderem den Ersatz der Mietwagenkosten für drei Tage, neben der Nutzungsausfallentschädigung für die Reparaturdauer, als erstattungsfähige Position anerkannt. Für eine nachträgliche Änderung der Anerkennung der Erstattungsfähigkeit (und der Zweckbestimmung hinsichtlich eines Teils der bereits geleisteten Zahlung), wie sie erstmals in der Klageerwiderung vom 30.01.2012 erfolgt ist, fehlt es an jeder Rechtfertigung, etwa infolge neuer Erkenntnisse.

d) Der zuzuerkennende Nutzungsausfall beträgt entsprechend der Nutzungsausfalltabelle von Schwacke - die Zuordnung als solche ist unstreitig - für jeden Tag 65,00 EUR, bei 15 Tagen insgesamt also 975,00 EUR.

Bei dem beschädigten Fahrzeug des Klägers handelt sich um einen Ford Transit FT 350, der von einem Transporter in einen Kleinbus umgebaut worden ist. Die Zuerkennung einer über die Tabellensätze hinausgehenden Nutzungsentschädigung käme in diesem Fall nur in Betracht, wenn das Fahrzeug als ein Sonderfahrzeug ausgestattet wäre, bei dessen Anmietung auch entsprechend höhere Mietkosten hätten gezahlt werden müssen. Das vermag der Senat hier aber nicht festzustellen.

Zwar setzt der Kläger den Kleinbus nach seinen Angaben für den Transport behinderter Menschen ein. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kleinbus über wesentliche besondere Einrichtungen für diesen Personenkreis, etwa einen Behindertenlift, verfügte. Aus der Rechnung der Fa. A. vom 23.03.2004 lassen sich vorwiegend (allgemeine) Arbeiten zum Um- bzw. Ausbau des Transporters zu einem Kleinbus entnehmen; nur wenige, vergleichsweise geringe Positionen, wie etwa der Einbau einer durchgängigen Bodenplatte mit Sicherheitsfußbodenbelag, weisen einen Bezug zu der Funktion als Fahrzeug für den Behindertentransport auf. Auch aus dem Gutachten des Kfz.-​Sachverständigen P. vom 15.06.2010 lässt sich - mit Ausnahme einer Warnbake auf dem Dach und einem Telefon - keine Sonderausstattung für Zwecke des Behindertentransports entnehmen. Vielmehr ist aus den dem Gutachten beigefügten Lichtbildern zu ersehen, dass das Fahrzeug mit „Schnelle Einsatzgruppe“ und „Katastrophenschutz“ beschriftet ist. Diese Beschriftung legt ebenfalls die Annahme nahe, dass der Kleinbus von dem Kläger für unterschiedliche Funktionen benutzt wird und jedenfalls nicht für einen bestimmten Zweck, etwa denjenigen des Behindertentransports, ausgerüstet ist. Die in dem Schadensgutachten aufgeführte Warnbake und das Telefon rechtfertigen für sich genommen nicht die Zuerkennung einer höheren Nutzungsausfallentschädigung, sie sind für einen vorübergehenden Zeitraum verzichtbar (Warnbake) bzw. durch ein mobiles Gerät ersetzbar (Telefon).

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter Zugrundelegung der Umbaurechnung der Fa. A. vom 23.03.2004 und des Schadensgutachtens des Sachverständigen P. vom 15.06.2010 das Unfallfahrzeug des Klägers über keine wesentliche Sonderausstattung für den Transport von Behinderten verfügt habe, und er hat dem Kläger eine Frist zum ergänzenden Vortrag eingeräumt. Solcher ergänzende Vortrag ist in dem Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2013 jedoch nicht enthalten.

e) Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen erweist sich eine Nutzungsentschädigung entsprechend der Tabellenwerte für Schadensfälle der Schwacke-​Liste ab dem 01.01.2010 in Höhe von 65,00 EUR als angemessen. Hieraus ergibt sich eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von insgesamt 975,00 EUR abzüglich der gezahlten 455,00 EUR, mithin 520,00 EUR.

3. Die Beklagten haben ferner die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 10.469,42 EUR zu ersetzen. Die Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG beträgt bei einem Satz von 0,65 315,90 EUR plus anteiliger Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 60,02 EUR, insgesamt 375,92 EUR.



III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 91 a ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 543, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.