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BGH Beschluss vom 29.05.2012 - 1 StR 59/12 - Beurteilung der Schuldfähigkeit anhand der Blutalkoholkonzentration
BGH v. 29.05.2012: Zur Beurteilung der Schuldfähigkeit anhand der Blutalkoholkonzentration
Der BGH (Beschluss vom 29.05.2012 - 1 StR 59/12) hat entschieden:
Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit kommt der Blutalkoholkonzentration umso geringere Bedeutung zu, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen zur Verfügung stehen (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 29. April 1997, 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66).
Siehe auch Stichwörter zum Thema Alkohol und Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit und Vollrausch im Verkehrsrecht
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
A.
I.
Auf der Grundlage eines umfassenden und näher überprüften Geständnisses hat das Landgericht folgendes Tatgeschehen festgestellt: Der Angeklagte begab sich am 16. Juli 2010 nach Beendigung seiner Arbeit - er war im Frühdienst in einer Pension tätig, wo er u.a. für Abrechnungen zuständig war - wie nahezu jeden Tag in seine Stammkneipe und trank dort ab 11.30 Uhr, spätestens ab 12.00 Uhr, mindestens sechs, maximal zehn Halbe Bier. Teilweise hielt sich der Angeklagte vor der Kneipe auf einer Bank auf, die neben einem Brunnen stand. An diesem Nachmittag badeten Kinder in dem Brunnen, darunter der dem Angeklagten unbekannte, damals siebenjährige Geschädigte, der sich bis auf die Unterhose entkleidet hatte. Der Geschädigte verließ als letztes der Kinder den Brunnen und ging zu dem auf der Bank sitzenden Angeklagten. Dieser trocknete den Jungen mit einem dort befindlichen Handtuch ab. Als der Junge seine Sorge äußerte, er könne mit seiner Mutter Ärger bekommen, weil er nass und verdreckt sei, bot ihm der Angeklagte an, ihn mit in seine (des Angeklagten) Wohnung zu nehmen, um dort die Wäsche zu trocken.
Der Junge folgte dem Angeklagten in dessen nahegelegene Wohnung, die zu einem nicht ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 17.00 Uhr und kurz nach 18.00 Uhr erreicht wurde. Dort brachte der Angeklagte den Jungen in das Badezimmer, wo dieser sich entkleidete und in die Badewanne stieg. Nachdem der Angeklagte die Unterhose des Jungen zum Wäschetrockner gebracht und diesen angestellt hatte, ging er zu dem Jungen in das Badezimmer „und half diesem beim Duschen, indem er (...) ihn einseifte (...). Hierbei fasste der Angeklagte den Entschluss, sexuelle Handlungen an dem Kind vorzunehmen.“ Er sprach den Jungen auf sichtbare Reste von dessen im April 2010 durchgeführten Phimose-Operation an und äußerte, das werde helfen. Sodann griff er - vor der Badewanne kniend - mit seiner Hand an den Penis des Jungen, nahm diesen in den Mund und „bewegte seinen Mund über etwa fünf bis zehn Sekunden am Geschlechtsteil des Jungen vor und zurück und zog mit dem Mund daran, um sich sexuell zu erregen. Dazu erklärte er dem Kind, er mache das, damit der 'Pipi besser hochkomme'(...) was ihm auch zumindest teilweise gelang“. Der Angeklagte beendete den Oralverkehr, nachdem der Junge äußerte, dass er das eklig finde.
Anschließend trug der Angeklagte Babyöl oder eine Gleitcreme auf den After des Jungen auf und drang dabei mit einem seiner Finger dort ein und bewegte den Finger mehrmals hin und her, um sich dadurch sexuell zu erregen. Dies verursachte bei dem Jungen, wie der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, „nicht unerhebliche Schmerzen“. Als der Junge dies und sein Ekelempfinden gegenüber dem Angeklagten äußerte, beendete der Angeklagte diese sexuelle Handlung und hörte auch auf, den Jungen auf den Mund zu küssen, wie er es im Verlauf des Geschehens getan hatte.
Als der Junge nach etwa 20 Minuten mit der zwischenzeitlich getrockneten Kleidung die Wohnung des Angeklagten verließ, sagte ihm der Angeklagte noch, „dass das Geschehen ein Geheimnis bleiben solle“.
II.
Darüber hinaus hat das durch zwei Sachverständige beratene Landgericht zur Schuldfähigkeit festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit alkoholbedingt enthemmt, jedoch in seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit weder aufgrund des Alkoholkonsums noch aufgrund sonstiger Umstände i.S.v. § 21 StGB erheblich vermindert war.
Die Strafkammer hat unter Zugrundelegung der jeweils dem Angeklagten günstigsten Parameter (z.B. maximale Trinkmenge, kürzestmögliche Trinkdauer, Alkoholgehalt des Bieres) ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,03 ‰ errechnet. Aussagen von Zeugen (u.a. der Wirt der Stammkneipe des Angeklagten) hat die Strafkammer entnommen, dass der Angeklagte an die angegebenen Trinkmengen gewöhnt war und seine dadurch bedingten Ausfallerscheinungen generell und auch am Tattag „nur leicht“ waren. Den Angaben des Angeklagten entnahm sie, dass er nach einem im Mai 2010 erlittenen Schlaganfall und danach erfolgter Reha täglich sechs bis zehn, gelegentlich auch vierzehn Halbe Bier trank, ohne dass es hierdurch zu Beeinträchtigungen in seinem Berufsleben gekommen war. Die Kammer hat sich ferner - nach eigener Prüfung - die Ausführungen des Sachverständigen (der aufgrund eines Rechen-/Schreibfehlers von einer maximalen Blutalkoholkonzentration sogar von 3,46 ‰ ausgegangen war) zu eigen gemacht, wonach das Leistungsvermögen des Angeklagten sowie seine detailscharfe Erinnerung an die Abläufe am Tattag ebenso wie das Vorliegen eines stringenten intentionalen Handlungsbogens mit vielen planerischen Elementen und sinnvollen Reaktionen auf das Verhalten des Kindes gegen die Annahme erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sprechen. Das Verhalten des Angeklagten am Tattag falle auch nicht aus dem Rahmen seines sonstigen Verhaltens.
Beim Angeklagten liege eine homosexuelle Kernpädophilie ohne forensischen Krankheitswert vor. Anhaltspunkte einer forensisch relevanten Leistungsminderung, einer endogenen Psychose, einer schweren Neurose oder einer schweren Persönlichkeitsstörung seien nicht erkennbar. Auch unter dem Aspekt eines Motivationsbündels mit Folgen des Schlaganfalls (zunehmende Ängstlichkeit, depressives Erleben) und der alkoholbedingten Enthemmung ergebe sich keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten.
B.
Die Revision des Angeklagten ist ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
Die Rüge, der gegen die Vorsitzende Richterin angebrachte Ablehnungsantrag sei mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos.
Der Angeklagte hatte sich in der Hauptverhandlung zunächst - entgegen einem vom Verteidiger vor der Hauptverhandlung angekündigten Geständnis - auf Erinnerungslücken berufen, so dass die Strafkammer seine Angaben zutreffend nicht als Geständnis werten konnte. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt und ein Glaubwürdigkeitsgutachten eingeholt. Die Annahme, hieraus könnte sich die Besorgnis einer Befangenheit zu Lasten des Angeklagten ergeben, trifft offensichtlich nicht zu.
II.
Der von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragene, auch von der Revision nicht näher beanstandete Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
III.
Auch der Strafausspruch ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Strafkammer von einem rechtsfehlerfrei gefundenen Strafrahmen ausgegangen; Fehler bei der konkreten Strafbemessung sind nicht ersichtlich.
1. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer ungeachtet einer errechneten Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von über 3 ‰ eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.v. § 21 StGB ausgeschlossen.
a) Auszugehen ist dabei von Folgendem:
(1) Eine Blutalkoholkonzentration in der errechneten Höhe gibt - wie die Strafkammer zutreffend erkannt hat - Anlass zur Prüfung einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch; die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist dann grundsätzlich zu erörtern.
(2) Darüber hinaus war in älterer Rechtsprechung die Auffassung vertreten worden, bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte sei die Steuerungsfähigkeit mit einem kaum widerlegbaren Grad an Wahrscheinlichkeit „in aller Regel“ erheblich vermindert (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. November 1990 - 4 StR 117/90, BGHSt 37, 233 ff.). Dies war aus juristischer Sicht wegen des zu geringen Gewichts der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. Nachweise bei BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 511/95, NStZ 1996, 592; zusammenfassend auch Schild in Kindhäuser/Neumann/Päffgen, StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 81 f.) nie unumstritten, ebenso deshalb, weil Schuldfähigkeit „ein normatives Postulat, aber keine messbare Größe“ ist (zusammenfassend Maatz/Wahl, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 531, 533). In der forensisch-psychiatrischen Wissenschaft war diese schematisierende Auffassung nahezu einhellig abgelehnt worden, weil die Wirkung von Alkohol auf jeden Menschen unterschiedlich sei (z.B. Kröber NStZ 1996, 569; Joachim NStZ 1996, 593).
Diese Rechtsprechung wurde deswegen aufgegeben, nachdem sämtliche Strafsenate des Bundesgerichtshofs auf Anfrage des Senates (§ 132 Abs. 2 GVG; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 511/95) zuvor erklärt hatten, eine gegenteilige Auffassung nicht (mehr) zu vertreten (BGH, Beschluss vom 6. November 1996 - 2 ARs 357/96; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 3 ARs 17/96; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1996 - 4 ARs 6/95; BGH, Beschluss vom 6. November 1996 - 5 ARs 59/96).
Seither ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblich verminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grundlegend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 - 5 StR 358/05; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 1 StR 378/02; BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99).
Allerdings wird in neueren Entscheidungen (Nachweise bei Pfister NStZ-RR 2012, 161, 162 ff.) vereinzelt unter Hinweis auch auf ältere (aufgegebene) Rechtsprechung der Blutalkoholkonzentration wieder stärkere indizielle Bedeutung beigemessen. Hierdurch sollte offenkundig (vgl. § 132 Abs. 2 GVG) den Besonderheiten der zu entscheidenden Einzelfälle (z.B. Möglichkeit einer schockartigen Ernüchterung nach Tatende) Rechnung getragen, keineswegs aber die aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Frage gestellt werden. Hierzu bestünde angesichts der ihr zugrundeliegenden und seither auch nicht angezweifelten medizinischen Erfahrungssätze auch keine Veranlassung.
Es ist prinzipiell unmöglich, „einer bestimmten Blutalkoholkonzentration für jeden Einzelfall gültige psychopathologische, neurologisch-körperliche Symptome oder Verhaltensauffälligkeiten zuzuordnen. Es existiert keine lineare Abhängigkeit der Symptomatik von der Blutalkoholkonzentration. Aus diesen Gründen ist es prinzipiell unmöglich, allein aus der Blutalkoholkonzentration das Ausmaß einer alkoholisierungsbedingten Beeinträchtigung ableiten zu wollen“ (Foerster in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. 2009, S. 246; ebenso Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, S. 124 ff.; vgl. auch Schöch in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 1 S. 111 f.). Es wäre daher auch verfehlt, einem psychodiagnostischen Beweisanzeichen - etwa dem Leistungsverhalten vor, bei oder nach Tatbegehung - von vornherein mit Blick auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration oder mit Blick auf eine zum Erreichen höherer Blutalkoholwerte notwendigerweise bestehende Alkoholgewöhnung eine Aussagekraft zur Beurteilung der Schuldfähigkeit i.S.d. §§ 20, 21 StGB abzusprechen. Zur Problematik der Feststellung einer Blutalkoholkonzentration anhand von Trinkmengenangaben eines Angeklagten verweist der Senat überdies auf die zutreffenden Ausführungen von Wendt und Kröber (in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2 S. 245).
(3) Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit maßgeblich ist demnach eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (grundlegend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; auch BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Urteil vom 22. Januar 1997 - 3 StR 516/96). Dabei kann die - regelmäßig deshalb zu bestimmende (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2012 - 5 StR 49/12; BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 StR 478/97) - Blutalkoholkonzentration ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - 1 StR 14/02; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2002 - 1 StR 378/02; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03; BGH, Urteil vom 22. April 1998 - 3 StR 15/98).
Welcher Beweiswert der Blutalkoholkonzentration (die weniger zur Auswirkung des Alkohols als lediglich zu dessen wirksam aufgenommener Menge aussagt) im Verhältnis zu anderen psychodiagnostischen Beweisanzeichen beizumessen ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Er ist umso geringer, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Kriterien (Überblick hierzu z.B.: Plate, Psyche, Unrecht und Schuld, 2002, S. 194 ff.; Detter, Strafzumessung, 2009, II. Teil Rn. 83) zur Verfügung stehen. So können die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung auch bei einer Blutalkoholkonzentration schon von unter 2 ‰ begründen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99), umgekehrt eine solche selbst bei errechneten Maximalwerten von über 3 ‰ auch ausschließen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - 1 StR 14/02: 3,54 ‰; vgl. auch Foerster in Venzlaff/Foerster, aaO).
b) Dies zugrunde gelegt zeigt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
(1) Die Strafkammer hat den aufgezeigten Maßstab beachtet und ausgehend von der von ihr bestimmten Blutalkoholkonzentration die Frage der Schuldfähigkeit in einer Gesamtschau aller Umstände beurteilt.
Die Strafkammer geht von einer ohne den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ermittelten Blutalkoholkonzentration von 3,03 ‰ aus. Freilich hatte der Sachverständige seinem Gutachten eine Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ zugrunde gelegt. Die Strafkammer legt in den Urteilsgründen näher dar, dass es sich hierbei um einen Schreib- bzw. Rechenfehler des Sachverständigen handelt und sie darüber hinaus zugunsten des Angeklagten von einem früheren Trinkende als der Sachverständige (17.00 Uhr statt 18.00 Uhr) ausgeht.
Die Revision sieht § 261 StPO verletzt, weil die Strafkammer hierauf in der Hauptverhandlung nicht hingewiesen habe. Ob damit im Ergebnis nicht vielmehr eine Verletzung des § 265 StPO (zumindest in entsprechender Anwendung) gerügt sein soll (vgl. § 300 StPO), mag dahinstehen. Nachdem der Sachverständige selbst auf der Grundlage einer Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB verneint hatte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich der Angeklagte anders oder erfolgversprechender hätte verteidigen können als geschehen, wenn er darauf hingewiesen worden wäre, dass nicht von einer Blutalkoholkonzentration von 3,46 ‰ sondern von 3,03 ‰ auszugehen ist; hierzu trägt auch die Revision nichts vor (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09 Rn. 28).
(2) Anhaltspunkte, die Strafkammer könnte bei der ihr obliegenden Gesamtwürdigung der zur Verfügung stehenden Indizien oder bei der Beurteilung der Erheblichkeit i.S.v. § 21 StGB den ihr zustehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum überschritten haben, sind nicht ersichtlich (zur nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung vgl. auch Maatz/Wahl, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 531, 553). Insbesondere obliegt es tatrichterlicher Beurteilung, welches Gewicht der Blutalkoholkonzentration im Einzelfall in Zusammenschau mit anderen zur Verfügung stehenden Beweisanzeichen beigemessen werden kann. Die letzte Verantwortung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit liegt beim Tatrichter (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 StR 698/94). Die Frage der Erheblichkeit ist eine allein vom Richter zu beantwortende Rechtsfrage (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2010 - 4 StR 644/09; BGH, Beschluss vom 23. September 2003 - 1 StR 343/03).
(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine der näher ausgeführten Erwägungen der Strafkammer ungeeignet wäre, zur Stützung des gefundenen Gesamtergebnisses zumal in einer Gesamtschau mit herangezogen zu werden.
Namentlich bei größerer Alkoholaufnahme kommt der - hier näher dargestellten und sachverständig begutachteten - Alkoholgewöhnung eine wichtige Bedeutung zu (Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 17; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 528 mwN). Ohne Rechtsfehler hebt die Strafkammer neben anderen Beweisanzeichen auch auf das isoliert gesehen bei trinkgewohnten Personen freilich nur begrenzt aussagekräftige (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 4 StR 187/07) Fehlen erheblicher Ausfallerscheinungen ab. Sie stützt sich dabei nicht nur auf die Angaben eines Kindes (hierzu BGH, Beschluss vom 26. März 1997 - 3 StR 35/97) oder ebenfalls erheblich alkoholisierter Zechkumpane (hierzu BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11), sondern u.a. auf den im Umgang mit alkoholisierten Personen nicht unerfahrenen Gastwirt der Stammkneipe des Angeklagten. Die Strafkammer durfte hier auch dem Umstand, dass der Angeklagte trotz erheblichen Alkoholkonsums insgesamt „sein Berufsleben ohne Einschränkungen unter Kontrolle“ hatte, Bedeutung beimessen. Ebenfalls ohne Rechtsfehler durfte die Strafkammer das nahezu gleich bleibende Verhalten des Angeklagten an anderen Tagen, an denen der Angeklagte nach eigenen Angaben weniger Alkohol konsumiert hatte, vergleichend zur Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag heranziehen. Aussagekraft konnte die Strafkammer hier auch dem (aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlichen) planvollen und zielgerichteten Agieren des Angeklagten vor und bei Tatbegehung (z.B. die einleitend vorgetäuschte „Phimose-Behandlung“) aber auch nach Tatbegehung beimessen (z.B. der Hinweis auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit). Die hier mit Blick auf das gesamte Tatgeschehen fernliegende Möglichkeit einer nach der Tat eingetretenen plötzlichen Ernüchterung (dazu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11) musste die Strafkammer nicht erörtern.
Soweit die Revision eine Gesamtwürdigung mit anderen die Schuldfähigkeit tangierenden Umständen (Depression aufgrund erlittenen Schlaganfalls; Kernpädophilie) vermisst, übersieht sie zum einen die Bezugnahme der Strafkammer auf die dies in den Blick nehmenden Ausführungen eines Sachverständigen und zum anderen die darauf aufbauende, eigene Würdigung der Strafkammer, dass „auch der Schlaganfall - gegebenenfalls mit Persönlichkeitszügen und Alkoholkonsum - die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht in erheblichem Maß einschränkte“ (UA S. 38).
2. Auch mit dem Vorbringen, die Strafkammer habe einen minderschweren Fall i.S.v. § 176a Abs. 4 StGB rechtsfehlerhaft verneint, kann die Revision nicht durchdringen.
Nachdem das eingeholte Sachverständigengutachten keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des geschädigten Kindes ergeben hatte, hat der Angeklagte sich nicht länger auf Erinnerungslosigkeit berufen, sondern das bereits früher angekündigte Geständnis abgelegt und künftige (abgesicherte) Zahlungen an den Geschädigten versprochen. Die Strafkammer hat dies ohne den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler als Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a Nr. 1 StGB) bewertet, diesen bei der Prüfung eines minder schweren Falles zwar nicht ausdrücklich angesprochen, jedoch sogleich den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 StGB gemildert (zum an sich gebotenen methodischen Vorgehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 588 ff.).
Dies begründet hier keinen, jedenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Der Tatrichter ist in der Entscheidung regelmäßig frei, welchen von mehreren in Betracht kommenden Strafrahmen - hier also der des § 176a Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) oder der gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte des § 176a Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) - er der Strafbemessung zugrunde legt (vgl. schon BGH, Urteil vom 3. Mai 1966 - 5 StR 173/66, BGHSt 21, 57, 59; zusammenfassend, auch zur Gegenansicht, Kett-Straub in Kindhäuser/Neumann/Päffgen, aaO, § 50 Rn. 14). Einen Rechtsfehler, der darin liegen könnte, dass sich die Strafkammer nicht bewusst gewesen wäre, dass ein dem Angeklagten günstigerer Strafrahmen zur Verfügung stehen könnte, kann der Senat hier nach der eingehenden Erörterung der Strafkammer zum Täter-Opfer-Ausgleich ausschließen. Es liegt fern, die Strafkammer könnte bei der zur Prüfung, ob ein minder schwerer Fall i.S.v. § 176a Abs. 4 StGB vorliegt, vorgenommenen „Gesamtschau“ (UA S. 42) nicht auch den zur Strafrahmenmilderung gemäß § 49 StGB herangezogenen Täter-Opfer-Ausgleich in den Blick genommen haben (vgl. auch § 50 StGB). Es kann deshalb hier dahinstehen, welches die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 19 mwN) sein könnten, die den einen oder den anderen Strafrahmen zu einem dem Angeklagten günstigeren machen würden, nachdem sich die Strafe weder an einer möglichen Ober- noch einer möglichen Untergrenze orientiert. Auch deshalb könnte der Senat ausschließen, dass der Angeklagte durch einen etwaigen Rechtsfehler beschwert wäre.