Das Verkehrslexikon
OLG Hamburg Beschluss vom 24.04.2013 - 1 - 78/12 (REV) - 1 Ss 202/12 - Falscher TÜV-Bericht und Falschbeurkundung
OLG Hamburg v. 24.04.2013: Keine Falschbeurkundung durch Erstellung eines falschen TÜV-Berichts
Das OLG Hamburg (Beschluss vom 24.04.2013 - 1 - 78/12 (REV) - 1 Ss 202/12) hat entschieden:
Die Erstellung unrichtiger TÜV-Untersuchungsberichte im Rahmen von Kraftfahrzeughauptuntersuchungen erfüllt auch unter Berücksichtigung der aktuellen Fassung des § 29 StVZO nach wie vor nicht den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt nach § 348 Abs. 1 StGB (offen bleibt, ob etwas anderes für eine im selben Zusammenhang erfolgende Erteilung der TÜV-Plakette gilt).
Siehe auch Urkundenfälschung und sonstige Verfälschungsdelikte
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 5. September 2011 wegen Falschbeurkundung im Amt in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt.
Das Landgericht Hamburg hat die dagegen vom Angeklagten eingelegte Berufung verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft auf eine höhere Gesamtgeldstrafe erkannt.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und Freispruch begehrt wird.
II.
Die Revision ist begründet. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bescheinigte der Angeklagte in seiner Funktion als TÜV-Sachverständiger einem Klein-LKW, der im Zeitraum vom 15. September 2008 bis 22. April 2010 ausweislich fünf unabhängiger Sachverständigenbegutachtungen aufgrund seiner erheblichen, durchgehend bestehenden technischen Mängel insgesamt verkehrsunsicher war, bei drei in diesem Zeitraum durchgeführten Haupt- bzw. Nachuntersuchungen in den betreffenden Untersuchungsberichten lediglich „geringe Mängel“, „erhebliche Mängel“ sowie „ohne erkennbare Mängel“, wobei er jeweils damit rechnete und es billigend in Kauf nahm, dass das Fahrzeug Mängel hatte, die zur Verkehrsunsicherheit führten. Im Einzelnen habe der Angeklagte, so das Landgericht, in dem am 23. Oktober 2008 von ihm erstellten und unterzeichneten Hauptuntersuchungsbericht dem tatsächlich verkehrsunsicheren Fahrzeug „geringe Mängel“ attestiert, als nächsten Hauptuntersuchungstermin „10-2010“ vermerkt und im Untersuchungsbericht weiterhin „HU-Plakette: nein“ sowie „Eine Prüfplakette wurde nicht zugeteilt“ vermerkt (UA S. 11). In dem am 16. März 2010 vom Angeklagten gefertigten und unterzeichneten Hauptuntersuchungsbericht habe der Angeklagte dem auch zu diesem Zeitpunkt verkehrsunsicheren Fahrzeug neben der Auflistung einiger konkreter Mängel insgesamt „erhebliche Mängel“ bescheinigt und eine Nachprüfung innerhalb eines Monats unter Vorlage des Untersuchungsberichts angeordnet. Ferner habe er auf dem Bericht „HU-Plakette: nein“ vermerkt (UA S. 18). Aufgrund der daraufhin am 17. März 2010 erfolgten Nachuntersuchung des Fahrzeugs habe der Angeklagte im unterzeichneten Hauptuntersuchungsbericht trotz Fortbestandes der mängelbedingten Verkehrsunsicherheit dem Klein-LKW als Ergebnis „ohne erkennbare Mängel“ bescheinigt, als nächsten Hauptuntersuchungstermin „03-2012“ festgehalten sowie „HU-Plakette: nein“ und „Eine Prüfplakette wurde nicht zugeteilt“ vermerkt. Der Untersuchungsbericht enthalte ferner den Hinweis, die HU-Plakette werde vom Straßenverkehrsamt zugeteilt (UA S. 19).
Die Urteilsgründe ergeben die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte in allen drei angeklagten Fällen dem Fahrzeug weder eine HU-Prüfplakette erteilte noch eine solche an einem Kennzeichen anbrachte. Dies gilt – abweichend von den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg in ihrem Antrag vom 19. Oktober 2012 – auch für das Tatgeschehen vom 23. Oktober 2008 (Fall 1). Denn nach den Urteilsgründen ist nach einer am 13. Februar 2008 durchgeführten Hauptuntersuchung, bei welcher dem Fahrzeug geringe Mängel bescheinigt worden sind und die Fälligkeit der nächsten Hauptuntersuchung auf Februar 2010 festgesetzt worden ist, die HU-Plakette durch den Prüfingenieur erteilt worden (UA S. 25). Diese Plakette habe durch die Zulassungsbehörde auch angebracht werden können (UA S. 6). Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfplakette bis zum etwa acht Monate später liegenden Zeitpunkt der ersten durch den Angeklagten am 23. Oktober 2008 vorgenommenen Hauptuntersuchung vom Fahrzeug entfernt oder das Fahrzeug stillgelegt worden wäre, finden sich nicht. Ferner heißt es, der Angeklagte habe sich im Rahmen der Hauptverhandlung zu den konkreten Tatvorwürfen dahingehend eingelassen, eine Prüfplakette nicht erteilt zu haben (UA S. 24). Die Kammer hat dem Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe auch diesbezüglich geglaubt.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfüllt die Erstellung unrichtiger TÜV-Untersuchungsberichte im Rahmen von Kraftfahrzeughauptuntersuchungen – wie die Generalstaatsanwaltschaft und die Verteidigung zutreffend und in Übereinstimmung mit der bisher einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung und herrschenden Meinung (vgl. etwa OLG Hamm, MDR 1974, 857; BayObLG, NStZ 1999, 575, 576 mit zust. Anm. Puppe; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 348 Rn. 6a; Cramer/Sternberg-Lieben/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 348 Rn. 8; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 29 StVZO Rn. 27; Klinger, DS 2007, 219, 221 – beck-online; a. A. nur Köhler, SVR 2008, 372 ff.) ausgeführt haben – nach wie vor nicht den Straftatbestand der Falschbeurkundung im Amt nach § 348 Abs. 1 StGB.
a. Als TÜV-Sachverständiger ist der Angeklagte zwar ein zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Zudem hat er die Hauptuntersuchungsberichte innerhalb seiner Zuständigkeit im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB angefertigt.
b. Jedoch hat der Angeklagte mit der Erstellung der TÜV-Untersuchungsberichte, einschließlich der Nichtauflistung vorhandener technischer Mängel des untersuchten Fahrzeugs, der jeweiligen Einordnung als „geringe Mängel“ (Fall 1), „erhebliche Mängel“ (Fall 2), „ohne erkennbare Mängel“ (Fall 3) sowie der Vermerke „HU Plakette: nein“ und der Erfassung der Fälligkeit des nächsten Hauptuntersuchungstermins (Fälle 1 und 3) nicht, wie von § 348 Abs. 1 StGB vorausgesetzt, rechtlich erhebliche Tatsachen falsch beurkundet.
aa. Denn nicht jede durch einen Amtsträger innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches abgegebene urkundliche Erklärung, die den äußeren Erfordernissen einer öffentlichen Urkunde entspricht, kann Gegenstand eines Vergehens nach § 348 Abs. 1 StGB sein (BGHSt 5, 95, 96 m.w.N.). Tatbestandlich erforderlich ist eine für den Verkehr nach außen bestimmte Urkunde, die nach gesetzlicher Vorschrift die Wahrheit der dort bezeugten Erklärungen zu öffentlichem Glauben für und gegen jedermann beweist (RGSt 52, 268; 59, 13, 19; BGH a.a.O. sowie in BGHSt 6, 380, 381; 22, 201, 203). Diese erhöhte Beweiswirkung kann nur angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass die erhöhte öffentliche Beweiswirkung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, wobei auch die Anschauungen des Rechtsverkehrs zu berücksichtigen sind (BGHSt 22, 201, 203; OLG Thüringen, wistra 2010, 111, 116). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH a.a.O.). Andernfalls fehlte es an der nach Art. 103 Abs. 2 GG erforderlichen Bestimmtheit des Straftatbestandes des § 348 Abs. 1 StGB (vgl. Puppe in Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl., § 348 Rn. 2 und 4). Auch wenn eine öffentliche Urkunde für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt ist, folgt daraus noch nicht, dass alle Bestandteile an der erhöhten Beweiskraft teilnehmen; beurkundet sind lediglich die Erklärungen, Vorgänge und Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube der jeweiligen Urkunde erstreckt (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 12, 88; 22, 201, 203; 44, 186, 187; 47, 39, 41 f.; vgl. auch Zieschang in Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl., § 271 Rn. 38; Freund in Münchner Kommentar StGB, § 348 Rn. 13; Wittig in Satzger/Schmidt/Widmaier, StGB, § 348 Rn. 10; Maier in Matt/Renzikowski, StGB, § 348 Rn. 8 und § 271 Rn. 12 ff.). Darunter fallen nicht Werturteile oder solche Tatsachen, die sich erst durch gedankliche Schlussfolgerung aus einer anderen Tatsache ergeben (HansOLG, Beschl. v. 17.05.2010, 2 Ws 160/09, BeckRS 2010, 14203 – beck-online – m.w.N.). Umfang und Reichweite der Beweiskraft ergeben sich aus den für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, wobei auch die Anschauungen des Rechtsverkehrs zu beachten sind (BGHSt 44, 186, 188).
bb. Danach kann eine Erstreckung des öffentlichen Glaubens auf die vorliegenden in den Hauptuntersuchungsberichten angeführten Informationen nicht angenommen werden. Es mangelt bereits an einer hinreichenden Rechtsgrundlage, aus der sich zweifelsfrei eine Beweiswirkung für und gegenüber jedermann ableiten ließe.
aaa. Der Senat hat vorliegend nicht über die – vom Landgericht und Teilen des Schrifttums (vgl. Puppe, NStZ 1999, 576 f.; Köhler, SVR 2008, 372 ff.; Vock NJ 2012, 276, 279) bejahte – Frage zu entscheiden, ob der Prüfplakette als öffentlicher Urkunde im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB über die Beurkundung der Fälligkeit des nächsten Hauptuntersuchungstermins (so OLG Hamm, MDR 1974, 857; OLG Köln, JR 1979, 255, 256; BayObLG, NStZ 1999, 575, 576; so auch zum grundsätzlichen Gedankeninhalt einer Prüfplakette OLG Karlsruhe, DAR 2002, 229; OLG Celle, NJW 2011, 2983 f.) hinaus auch öffentlicher Glaube hinsichtlich der technischen Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs im Sinne der Anlagen VIII, VIIIa zu § 29 Abs. 3 StVZO (in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung) zukommt. Denn nach den Feststellungen hat der Angeklagte in allen drei angeklagten Fällen weder eine Prüfplakette zugeteilt noch eine solche am Kennzeichen des untersuchten Fahrzeugs angebracht. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob – wie das Landgericht annimmt – bereits die mit Wirkung zum 1. Dezember 1999 geänderte Fassung des § 29 Abs. 3 S. 2 StVZO („Durch die nach durchgeführter Hauptuntersuchung zugeteilte und angebrachte Prüfplakette wird bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt dieser Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII ist“) zu einer Erweiterung des öffentlichen Glaubens der Prüfplakette auch auf die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs im Sinne der Prüfvorgaben geführt hat (ausdrücklich ablehnend für den bis 30. November 1999 gültigen § 29 Abs. 2a StVZO [„Durch die Prüfplakette wird bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner letzten Hauptuntersuchung bis auf etwaige Mängel für vorschriftsmäßig befunden worden ist“]: BayObLG a.a.O.).
bbb. Maßgeblich für die Beurteilung, ob bestimmten im Untersuchungsbericht niedergelegten Informationen erhöhte Beweiskraft mit Wirkung für und gegenüber jedermann zukommt, sind allein die rechtlichen Grundlagen für den Untersuchungsbericht in ihrer zur Tatzeit gültigen Fassung. Dem Landgericht kann nicht in der Annahme gefolgt werden, aus einer etwaigen erhöhten Beweiswirkung der Prüfplakette betreffend die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs lasse sich gleichsam auf das Vorliegen einer öffentlichen Beurkundung bezüglich aller im Untersuchungsbericht niedergelegten Informationen schließen.
(1) Weder die durch § 29 Abs. 9 StVZO statuierte Pflicht zur Fertigung und Aushändigung des Untersuchungsberichts noch die gemäß § 29 Abs. 10 S. 1, 2 StVZO vorausgesetzte Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht treffen eine hinreichend konkrete Aussage über Beweisfunktion und Adressatenkreis des Untersuchungsberichtes, erst recht nicht mit Blick auf die jeweiligen in diesem Dokument niedergelegten und zu unterscheidenden Informationen.
(2) Soweit der Verordnungsgeber in Anlage VIII Nr. 3.1.5 Regelungen zur Ausführung eines Untersuchungsberichts getroffen hat, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Denn die Vorschrift erfasst lediglich standardisierte Mindestinhalte eines Hauptuntersuchungsberichtes. Aus einer solchen eher als formelle Vorschrift zu begreifenden Regelung ergibt sich indes nicht zweifelsfrei, ob und ggf. auf welche konkreten Inhalte sich ein etwaiger erhöhter Glauben erstrecken soll. So hat ein Untersuchungsbericht nach Anlage VIII gemäß deren Nr. 3.1.5 (in der zu Tatzeit geltenden Fassung) neben Angaben zur Fälligkeit der nächsten Hauptuntersuchung, zu festgestellten Mängeln und zur Entscheidung über die Zuteilung der Prüfplakette u.a. auch Angaben zum aktuellen amtlichen Kennzeichen, zum Monat und Jahr der letzten Hauptuntersuchung, zum Stand des Wegstreckenzählers sowie zu Datum, Uhrzeit und Ort der Sicherheitsprüfung (vgl. in der jetzt gültigen Fassung Nrn. 3.1.5.1.13, 3.1.5.1.14, 3.1.5.1.16, 3.2.5.1.2, 3.2.5.1.7, 3.2.5.1.8, 3.2.5.1.9 und 3.2.5.1.10) zu enthalten, ohne dass der Vorschrift im Hinblick auf die jeweilige Funktion oder Beweiswirkung eine hinreichende Differenzierung entnommen werden könnte.
(3) Systematische Erwägungen stützen vielmehr die Annahme, der Untersuchungsbericht stelle als Begleitdokumentation der Fahrzeugprüfung eine rein innerdienstliche Vorbereitungsmaßnahme zu der für den Betrieb des Fahrzeugs maßgeblichen Plakettenerteilung dar. So regelt § 29 Abs. 3 S. 1, 2 StVZO in der zur Tatzeit gültigen Fassung, dass eine Prüfplakette nur dann zugeteilt und angebracht werden darf, wenn keine Bedenken gegen die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs bestehen, und dass durch die nach durchgeführter Hauptuntersuchung zugeteilte und angebrachte Prüfplakette die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs nach Maßgabe der Anlage VIII Nr. 1.2 zum Zeitpunkt der Untersuchung bescheinigt wird. Unabhängig davon, ob sich hieraus hinsichtlich der Prüfplakette ein für § 348 Abs. 1 StGB relevanter Erklärungsgehalt ableiten lässt, findet sich jedenfalls eine entsprechende Regelung für den Untersuchungsbericht nicht. Obgleich es dem Verordnungsgeber ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine vergleichbare Regelung für den Untersuchungsbericht auszugestalten, ist dies nicht geschehen. Ferner bestimmt § 29 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 6 Nr. 1 a), Abs. 7 S. 1, 2, Abs. 8 StVZO, wer die in ihrer begrenzten Gültigkeitsdauer genau geregelte Plakette in welcher Form anzubringen hat, dass der Halter mit der Prüfplakette den Monat der nächsten fälligen Hauptuntersuchung nachzuweisen hat und dieses Datum von demjenigen, der die Prüfplakette erteilt, in der Zulassungsbescheinigung Teil I zu vermerken ist, sowie die Verpflichtung, die Plakette in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten.
Aus dem vom Verordnungsgeber hergestellten graduellen Unterschied zwischen dem in § 29 Abs. 9 und 10 StVZO vorgeschriebenen und durch Anlage VIII durch Mindestinhalte konkretisierten Untersuchungsbericht einerseits und der in Gültigkeit, Funktion und Beweisrichtung ausdrücklich normierten – für den Fahrzeugbetrieb ausschließlich entscheidenden – Prüfplakette andererseits folgt der innerdienstlich vorbereitende Charakter des Untersuchungsberichts (so i.E. auch Puppe a.a.O. Rn. 16). Folgerichtig ist die Plakettenerteilung gemäß Anlage VIII Nr. 3.1.4.1-4 zu § 29 StVZO an die technische Untersuchung und die daraufhin erfolgende – insofern vorbestimmende – Einstufung des Fahrzeugs in eine Mängelklasse durch den Prüfer geknüpft. Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber mit der Einführung des § 29 Abs. 10 S. 4 StVZO, der der Vereinfachung der Verwaltungspraxis durch Beseitigung einer Doppelregelung sowie dem Schutz des Bürgers vor unnötiger Bürokratie dienen sollte (VkBl. 2004 S. 318), von der Entbehrlichkeit der Vorlage des Untersuchungsberichts gegenüber den Zulassungsstellen ausgeht, soweit der für diese Stellen überhaupt erkennbar relevante Inhalt – die Fälligkeit der nächsten Hauptuntersuchung – bereits aus einem anderen amtlichen Dokument hervorgeht, wie es gemäß § 29 Abs. 6 Nr. 1a StVZO durch den Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I der Regelfall ist. Kein anderer Schluss ist mit Blick auf §§ 7 Abs. 1, 14 Abs. 2 FZV möglich. Denn auch diese Normen, welche die (Wieder-) Zulassung gebrauchter (Import-) Fahrzeuge betreffen, statuieren gerade nicht die Pflicht zur Vorlage eines Hauptuntersuchungsberichtes. Entsprechend sollte nach Auffassung des Verordnungsgebers die sich aus § 29 Abs. 10 StVZO ergebende Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht ein mögliches Kontrollinstrument vor dem Hintergrund der Zunahme von Plakettenfälschungen eröffnen (VkBl. 1998 S. 509). Insofern kann aber dem § 29 Abs. 10 StVZO unter Berücksichtigung seines Satzes 4 nicht mit der für eine Anwendung des § 348 Abs. 1 StGB gebotenen Zweifelsfreiheit entnommen werden, dass die Wahrhaftigkeit konkreter Informationen aus dem Untersuchungsbericht zu öffentlichem Glauben beurkundet sein soll.
(4) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus der amtlichen Begründung zur Novellierung des § 29 Abs. 3 StVZO mit Wirkung vom 1. Dezember 1999. Diese lässt einen Willen des Verordnungsgebers zur Aufwertung des Untersuchungsberichtes nicht erkennen. Das folgt zunächst einmal daraus, dass der Untersuchungsbericht in der amtlichen Begründung überhaupt keine Erwähnung gefunden hat. Ziel der Neufassung des – ausschließlich die Prüfplakette regelnden – § 29 Abs. 3 StVZO sowie der Neugliederung der Anlagen zu § 29 StVZO war es, eine verbesserte Lesbarkeit der Verordnung, die Einführung von einheitlichen Untersuchungs- und Beurteilungsstandards bei Fahrzeugprüfungen, die Erhöhung der Qualität und Verbesserung der Aussagequalität der Hauptuntersuchung sowie die Gleichbehandlung aller Fahrzeughalter bei der Durchführung der Hauptuntersuchung zu erreichen (VkBl. 1998 S. 503, 505). Weder eine Anpassung der Untersuchungskriterien noch die vom Landgericht angenommene Erweiterung des Beweisumfangs der Prüfplakette besagen jedoch etwas über eine Aufwertung der im Untersuchungsbericht niedergelegten Informationen zu öffentlichem Glauben.
bb. Selbst wenn man die dargestellte Regelungsgrundlage entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung zur Begründung des öffentlichen Glaubens genügen lassen wollte, fehlt es aber an einer für eine Strafbarkeit gemäß § 348 Abs. 1 StGB erforderlichen falschen Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache im Untersuchungsbericht.
aaa. Obgleich einem sachverständigen Prüfer stets ein gewisser Einschätzungsspielraum beim Erkennen von technischen Mängeln verbleibt, handelt es sich bei den erfassten Mängeln eines Fahrzeugs sowohl nach der Regelungskonzeption der Anlage VIII Nr. 3.1.4 als auch in der Sache um einen dem Beweis zugänglichen gegenwärtigen Zustand und mithin um eine im Untersuchungsbericht dokumentierte Tatsache. Dies gilt jedoch nicht für die vom Prüfer vorgenommene Klassifizierung gemäß Nr. 3 der Anlage VIIIa zu § 29 StVZO und den Nrn. 3 und 4 der dazu ergangenen HU-Richtlinie. Denn danach hat der Prüfer die erkannten Mängel und das Fahrzeug insgesamt zu bewerten. Die Einstufung des Fahrzeugs in eine Mängelklasse, welche gemäß den vorgenannten Regelungen die Entscheidung über die Plakettenzuteilung maßgeblich vorbestimmt, steht im pflichtgemäßen Ermessen der prüfenden Person. Dabei statuiert die HU-Richtlinie in der zur Tatzeit gültigen Fassung nicht nur die pflichtgemäße Entscheidung des Prüfers über die etwaige Einstufung des Fahrzeugs in eine höhere Mängelklasse bei Vorliegen mehrerer Mängel, sondern ausweislich der Anlage zu Nr. 4 der HU-Richtlinie auch die Kompetenz des Prüfers, ein und denselben Mangel in verschiedene Mängelkategorien einzustufen. Dem Prüfer steht folglich entgegen anders lautender Annahme (Köhler, SVR 2008, S. 372 ff.) bei dem Beurteilungsvorgang trotz eines anzuwendenden strengen Maßstabs ausweislich Wortlaut und Regelungsgehalt der Anlage VIIIa i.V.m. der HU-Richtlinie weiterhin ein nicht unerheblicher Bewertungsspielraum zu. Die im Hauptuntersuchungsbericht vermerkte Kategorisierung des Fahrzeugs (ohne erkennbare Mängel/ geringe Mängel/ erhebliche Mängel/ verkehrsunsicher) stellt folglich gerade keine Tatsache dar, sondern vielmehr ein der (Falsch-)Beurkundung nicht zugängliches Werturteil. Denn hierbei teilt der Prüfer auf der Grundlage seiner Erkenntnisse eine aus einer anderen Tatsache hergeleitete gedankliche, wertende Schlussfolgerung mit.
bbb. Auch der Vermerk „HU-Plakette: nein“ sowie die Mitteilung der Festsetzung des Fälligkeitszeitpunktes der nächsten Hauptuntersuchung im Untersuchungsbericht können nach Auffassung des Senats vorliegend nicht zu einer Strafbarkeit wegen Falschbeurkundung im Amt führen. Eine denkbare Interpretation dieser Vermerke, das Fahrzeug habe sich zum Zeitpunkt der Prüfung in vorschriftsmäßigem Zustand befunden, würde einen gedanklichen Schluss aus einem anderen Umstand darstellen, der zudem aus dem Wortlaut des Vermerks nicht klar erkennbar wird. Der Charakter einer Tatsachenbeurkundung kann den genannten Vermerken nur dahingehend zukommen, dass der Prüfer mit Datum des Untersuchungsberichtes (k)eine Plakette erteilt hat bzw. die Fälligkeit der nächsten Hauptuntersuchung auf ein bestimmtes Datum festgesetzt hat. Diese Vorgänge mögen zwar mit Blick auf das Fahrzeug als Folge eines fehlerhaften Prüf- oder Bewertungsvorgangs inhaltlich nicht gerechtfertigt und folglich pflichtwidrig sein; die betreffenden aufgeführten Tatsachen sind jedoch nicht falsch, soweit die Plaketten-Nicht-Erteilung bzw. Festsetzung der Fälligkeit des nächsten Hauptuntersuchungstermins tatsächlich wie angegeben stattgefunden haben.
ccc. Könnten mithin allein die im Untersuchungsbericht (unvollständig) niedergelegten Mängel eines Fahrzeugs einer Falschbeurkundung zugänglich sein, kommt es auf diese nicht rechtserheblich mit Außenwirkung für und gegenüber jedermann an. Denn selbst wenn man entgegen der bisher einhelligen Rechtsprechung den Untersuchungsbericht nicht bloß als Dokumentation einer der maßgeblichen Plakettenerteilung vorausgehenden Vorbereitungsmaßnahme ansehen wollte, käme es gegenüber der für eine Mängelbewertung nicht sachverständigen Zulassungsstelle bei der (Wieder-)Zulassung eines Fahrzeugs oder der dort vorgenommenen Plakettenerteilung nicht auf einzelne Mängel an, sondern, wie sich auch aus der Regelung des § 29 Abs. 10 StVZO, insbesondere dessen Satz 4 ergibt, nur auf einen Erteilungsvermerk über die Prüfplakette oder die niedergelegte Fälligkeit des nächsten HU-Termins.
ddd. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein öffentlicher Glaube betreffend die Mängelfeststellung des Prüfers auch nicht aus dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs, ein amtliches Dokument über den Fahrzeugzustand zur Erleichterung von privaten KFZ-Veräußerungsgeschäften zur Verfügung zu haben, hergeleitet werden. Denn zum einen ist bereits der Rückschluss von einem (bestreitbaren) allgemeinen Bedürfnis nach einem Qualitätsnachweis auf die Beweiskraft eines amtlichen Dokumentes zu öffentlichem Glauben nicht tragfähig. Zum anderen ist der insoweit maßgebliche Sinn und Zweck der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO in der Erhöhung der Verkehrssicherheit, nicht aber in der Erhöhung der wirtschaftlichen Verkehrsfähigkeit gebrauchter Fahrzeuge zu sehen. Ferner dürfte mit Blick auf die Natur der Hauptuntersuchung als grundlegende Sicht-, Wirkungs- und Funktionsprüfung (vgl. Anlage VIII Nr. 4) schon zweifelhaft sein, ob darauf ein berechtigtes Vertrauen der Allgemeinheit in den technischen Zustand eines Fahrzeugs überhaupt gegründet werden kann (insoweit eine Drittwirkung der TÜV-Prüfung ablehnend BGH, NJW 1988, 1378, 1379 und NJW 1973, 458).
3. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, §§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 StPO.
In Anbetracht der umfänglichen und vollständigen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat selbst in der Sache entscheiden und den Angeklagten – mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO – freisprechen. Denn es erscheint ausgeschlossen, dass in einer erneuten Verhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 348 Abs. 1 StGB oder einer anderen Vorschrift ergeben könnten.