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OLG Jena Beschluss vom 27.06.2011 - 1 Ss Rs 90/11 - Nichtbehandlung eines Beweisantrages
OLG Jena v. 27.06.2011: Zur unzulässigen Nichtbehandlung eines Beweisantrages
Das OLG Jena (Beschluss vom 27.06.2011 - 1 Ss Rs 90/11) hat entschieden:
Die unterlassene Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten - nicht offensichtlich unzulässigen - Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG); hier: Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Siehe auch Der Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und Rechtliches Gehör
Gründe:
I.
Die Thüringer Polizei – Zentrale Bußgeldstelle – setzte gegen den Betroffen durch Bußgeldbescheid vom 16.07.2010 wegen einer am 10.06.2010 begangenen Ordnungswidrigkeit der Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße von 90 € fest.
Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger frist- und formgerecht Einspruch ein.
In der daraufhin anberaumten Hauptverhandlung vom 01.03.2011 verurteilte das Amtsgericht G den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage in anderen Fällen als des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil zu einer Geldbuße von 90 €.
Am 08.03.2011 legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde ein und beantragte deren Zulassung.
Nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 06.04.2011 begründete dieser mit am 06.05.2011 beim Amtsgericht G eingegangenen Schriftsatz das Rechtsmittel des Betroffenen mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts und beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung rechtlichen Gehörs und zur Fortbildung des Rechts.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 06.06.2011 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 24.06.2011 hat der zuständige Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen und die Sache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages einen vorläufigen Erfolg.
Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 01.03.2011 hat das Amtsgericht den in der Hauptverhandlung von diesem Tage von dem Verteidiger des Betroffenen gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Fehlerhaftigkeit der gemessenen Zeit bei Passieren des Rotlichts nicht beschieden. Das Unterlassen der Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten – nicht offensichtlich unzulässigen – Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG). Da sich das Amtsgericht mit dem in dem Beweisantrag liegenden Verteidigungsvorbringen des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt hat, hat das Gericht das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt. Der Betroffene hatte nämlich so nicht die Möglichkeit, sein Prozessverhalten auf die Ablehnung seines unbedingten Beweisbegehrens durch das Gericht, welches dies erst im Urteil zum Ausdruck gebracht hat, einzustellen und gegebenenfalls weitere Anträge zu stellen.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Nichtbehandlung des Beweisantrages in der Hauptverhandlung vom 01.03.2011 beruht. Davon ist hier nach dem Rügevorbringen, der Betroffene hätte sich sodann umfassend zur bisherigen Beweiserhebung, insbesondere zur Aussage des Messbeamten J eingelassen und einen weiteren Beweisantrag gestellt, auszugehen. Im Übrigen kann ein Urteil selbst dann auf dem durch Nichtverbescheidung eines Beweisantrages gegebenen Verfahrensverstoß beruhen, wenn der Beweisantrag nach Sachlage mit einer rechtsfehlerfreien Begründung hätte abgelehnt werden können, der Antragsteller aber durch die unterbliebene Mitteilung der Ablehnungsgründe in seiner Prozessführung behindert worden ist (vgl. OLG Frankfurt StV 1981, 172).
Das angefochtene Urteil kann deshalb wegen des aufgezeigten Verfahrensfehlers keinen Bestand haben und war aufzuheben.