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OLG Jena Urteil vom 27.03.2002 - 4 U 663/01 - Umstellung der Klage als zulässige Klageänderung

OLG Jena v. 27.03.2002: Umstellung der Klage als zulässige Klageänderung


Das OLG Jena (Urteil vom 27.03.2002 - 4 U 663/01) hat entschieden:
  1. Alle Gesellschafter (auch später eintretende) einer trotz Scheitern der Eintragung als GmbH i.G. firmierenden OHG haften gemäß § 128 HGB als Gesamtschuldner.

  2. Wurde ursprünglich die GmbH iG verklagt, so ist die spätere Umstellung der Klage gegen die Gesellschaft (nicht die OHG) keine Berichtigung der Parteibezeichnung, sondern eine sachdienliche und daher zulässige Klageänderung.

  3. Stellen sich eingebaute Fenster als mangelhaft heraus und verweigert der Unternehmer die Nachbesserung, so kann der Besteller den Vertrag wandeln; an die Stelle der durch den Einbau nicht mehr möglichen Herausgabe der Fenster hat der Besteller Wertersatz zu leisten (analog § 346 S. 2 BGB a.F.).

  4. Das Berufungsgericht überprüft die Kostenentscheidung der 1. Instanz von Amts wegen und kann diese auch zum Nachteil des Berufungsführers abändern.

Siehe auch Klageänderung und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Gründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung hat indes nur Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Höhe der seit dem 1.5.2000 zu zahlenden Zinsen richtet; i.Ü. sind die Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil unbegründet.

1. Zutreffend hat das LG Meiningen festgestellt, dass die Beklagten als Gesellschafter einer unter der unrichtigen Bezeichnung „F. GmbH i.G.” firmierenden OHG persönlich für die Verbindlichkeiten der OHG haften (§ 128 HGB): Denn es ist allgemein anerkannt, dass sich eine Gesellschaft, die ursprünglich die Rechtsform der GmbH anstrebte, deren Eintragung in das Handelsregister jedoch endgültig scheiterte, ex lege in eine OHG umwandelt, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt (BGH BGHZ 22, 240 [245]; BGHZ 51, 30 [32] = MDR 1969, 293; v. 9.3.1981 - II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 [142] = MDR 1981, 649 = GmbHR 1981, 114; OLG Jena v. 3.3.1999 - 2 U 540/98, GmbHR 1999, 772; Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., § 11 GmbHG Rz. 11). Da hier die Vor-​GmbH mit Zurückweisung der Handelsregisteranmeldung durch das Kreisgericht Suhl vom 26.11.1992 endgültig gescheitert ist, wurde am 23.10.1993 Vertragspartner der Kläger die jedenfalls von den Beklagten zu 1)-​4) betriebene OHG. Ob der Beklagte zu 5) bereits zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der OHG war, kann dahinstehen. Denn der Beklagte zu 5) ist jedenfalls später in die OHG eingetreten und haftet daher ebenso für alle OHG-​Verbindlichkeiten (§ 130 HGB).

2. Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das LG festgestellt, dass es unschädlich ist, dass die Kläger zunächst die Fa. F. i.G. als ihren vermeintlichen Vertragspartner verklagt und erst nach Aufdeckung des Sachverhalts die Klage gegen die Beklagten zu 1)-​5) umgestellt haben. Allerdings handelt es sich hierbei nicht nur um eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung (dies würde nur zutreffen, wenn statt der GmbH i.G. die OHG gem. § 124 HGB verklagt worden wäre), sondern um eine - sachdienliche und daher - zulässige Klageänderung, da sich die Klage nunmehr gegen die persönlich haftenden Gesellschafter und nicht mehr gegen den Rechtsträger des Unternehmens richtet.

3. Der Senat folgt weiterhin den Ausführungen des LG, dass die Parteien am 23.10.1993 einen Werklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen i.S.v. § 651 Abs. 1 S. 1 2. Hs. a.F. BGB geschlossen haben. Denn die bestellten Fenster sollten für das Haus der Kläger auf Maß angefertigt werden.

4. Mit ihrem Hauptantrag begehren die Kläger die Wandlung des Werklieferungsvertrags. Entgegen der Auffassung des LG ist bereits dieser Antrag und nicht erst der - fälschlich als bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch qualifizierte - Hilfsantrag überwiegend begründet.

a) Die am 4.2.1994 erfolgte Teillieferung, die im Laufe des März 1994 von einem Subunternehmer der OHG eingebaut wurde, war mangelhaft. Dies folgt aus den vorliegenden Gutachten (Privatgutachten Th. v. 8.4.1994 und Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Sch. vom 21.1.2000) sowie der Aussage des Sachverständigen Zeugen W. Die Angriffe der Berufung gegen die Feststellungen des LG gehen daher fehl. Richtig ist allein, dass sich ein behaupteter Mangel, nämlich die Rüge einer generellen Nichteinhaltung der vereinbarten Fenstergröße, als unzutreffend herausgestellt hat. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Werkleistung der OHG zahlreiche weitere, nicht unerhebliche Mängel aufwies. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des LG sowie die vorliegenden Gutachten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2000.

b) Die Kläger haben am 8.7.1994 die Wandlung erklärt.

c) Die Wandlung ist nicht gem. § 640 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Entgegennahme der Teillieferung am 4.2.1994 ist nicht als Abnahme der Leistung gem. § 640 Abs. 1 BGB im Sinne einer Billigung zu verstehen. Denn zum Vertragsumfang gehörte noch der spätere Einbau der Türen und Fenster. Gerade dieser Teil der Vertragsleistung war jedoch mangelhaft. Auch die im Februar 1994 erfolgte Teilzahlung über 32.000 DM ist nicht als rügelose Annahme der mangelhaften Leistung zu qualifizieren.

d) Die Wandlung ist ebenfalls nicht gem. § 634 Abs. 3 a.F. BGB ausgeschlossen, da es sich um keine unerheblichen Mängel handelt (s.o.).

e) Allerdings liegt die als Voraussetzung für die Wandlung einer Werkleistung gem. § 634 Abs. 1 a.F. BGB erforderliche Aufforderung zur Nachbesserung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung nicht vor. Diese Voraussetzung war hier jedoch gem. § 634 Abs. 2 a.F. BGB entbehrlich. Denn die OHG hat - vertreten durch den Beklagten zu 5) - jede Mängelbeseitigung definitiv abgelehnt. Dies ergibt sich aus dem generellen Bestreiten der Mangelhaftigkeit der Werkleistung, und zwar sowohl vor Erklärung der Wandlung (der Senat verweist im Anschluss an das LG insb. auf den gescheiterten Versuch der Zeugin P., den Beklagten zu 5) wegen der Mängel zur Rede zu stellen) als auch während des gesamten Rechtsstreits (dazu BGH v. 8.11.2001 - VII ZR 373/99, MDR 2002, 149 = BGHReport 2002, 148 = NJW 2002, 511 m.w.N.). In diesem Fall wäre das Vorgehen nach § 634 Abs. 1 BGB a.F. eine bloße Förmelei.

Die Angriffe der Beklagten gegen die insoweit zutreffenden Ausführungen des LG sind daher unbegründet.

5. Mit wirksamer Erklärung der Wandlung wird der Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet (§§ 634 Abs. 4, 467 Abs. 1, 346 Abs. 1 a.F. BGB). Dies bedeutet, dass grundsätzlich alle gegenseitig erbrachten Leistungen zurückzugewähren sind, d.h. - wie von den Klägern im Hauptantrag formuliert - Rückzahlung der geleisteten Teilzahlung von 32.000 DM gegen Rückgewähr der gelieferten Fenster und der Tür.

a) Der Anspruch auf Wandlung ist nicht gem. § 351 S. 1 BGB a.F. ausgeschlossen.

Zwar sind die Fenster durch den Einbau fest mit dem Haus der Kläger verbunden und dadurch wesentlicher Bestandteil des Hausgrundstücks geworden (§§ 946, 94 BGB). Diese rechtliche Veränderung haben indes die Kläger nicht verschuldet; sie liegt vielmehr in der Natur der hier vereinbarten Werkleistung. Ebenso wenig war es schuldhaft, dass die Kläger ihr Haus bezugsfertig gemacht und zu diesem Zweck die Fenster mit Fensterbänken versehen und verputzt haben. Es spricht viel dafür, dass die Kläger hierzu aufgrund ihrer Obliegenheit zur Schadensminderung sogar verpflichtet waren (§ 254 BGB). Ein Werkunternehmer, der mangelhafte Fenster liefert bzw. einbaut und die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert, kann sich jedenfalls nicht mit dem Argument gegen die Wandlung des Vertrags berufen, der Besteller habe die Werkleistung nicht in ihrem ursprünglichen mangelhaften Zustand belassen.

b) An die Stelle der nicht mehr möglichen Rückgabe der von der Beklagten erbrachten Werkleistung tritt die Leistung von Wertersatz analog § 346 S. 2 a.F. BGB (Staudinger/Peters, 13. Aufl. 1994, § 634 BGB Rz. 50; Jauernig/Schlechtriem, 9. Aufl. 1999, § 634 BGB Rz. 8; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl. 2002, § 346 BGB Rz. 4).

c) Dass die Kläger anstelle der ursprünglichen Werkleistung nunmehr Wertersatz zu leisten haben, bedeutet allerdings nicht, dass der Anspruch auf Wandlung wegfällt (RGZ 147, 390 [393]; Soergel in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1997, § 634 Rz. 23). Dies hat das LG verkannt und deshalb zu Unrecht den Hauptantrag abgewiesen (vgl. demgegenüber noch den Hinweis im Beweisbeschluss vom 15.10.1998, Bl. 103 d.A.). Aus diesem Grund ist auch die Kostenentscheidung falsch (II.).

d) Als Wertersatz haben die Kläger den Wert des „Arbeitsergebnisses” der Beklagten zu vergüten, d.h. den Wert, den die Werkleistung in ihrem mangelhaften Zustand für die Kläger hat. Unerheblich ist somit eine an den Kosten der Werkleistung (Material, Arbeitszeit) orientierte Bemessung (allg.M.: Erman/Seiler, 10. Aufl. 2000, § 634 BGB Rz. 18; Soergel in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1997, § 634 Rz. 24).

Das LG hat (im Rahmen der Prüfung des Hilfsantrags) den Wert der Werkleistung der Beklagten unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Sch. gem. § 287 ZPO auf 13.000 DM geschätzt und hiervon den Wert der vom Zeugen W. durchgeführten (teilweisen) Mängelbeseitigungskosten von 3.500 DM abgezogen (zur Abzugsfähigkeit von Verwendungen: RGZ 147, 390 [393]; Soergel in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1997, § 634 Rz. 25), so dass i.E. ein an die Beklagten zu leistender Wertausgleich i.H.v. 9.500 DM verbleibt.

Die hiergegen von den Beklagten mit ihrer Berufung erhobenen Einwände sind allesamt unbegründet.

Da die Kläger eine Teilzahlung i.H.v. 32.000 DM erbracht haben, hiervon aber 9.500 DM als Wertersatz in Abzug zu bringen sind, ist die Klage i.H.v. 22.500 DM begründet und die Berufung daher im Wesentlichen zurückzuweisen.

6. Erfolg hat die Berufung allein mit ihrer Rüge, dass das LG der Entscheidung über die Zinsen für den Zeitraum ab 1.5.2000 zu Unrecht die ab diesem Zeitpunkt geltende neue Rechtslage zugrunde gelegt hat. Denn die Regelung des Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB, wonach § 288 n.F. BGB (nur) auf alle Forderungen anzuwenden ist, die ab dem 1.5.2000 fällig werden (dazu nur Palandt/Heinrichs, 61. Aufl. 2002, § 288 BGB Rz. 1), muss konsequenterweise auch für Prozesszinsen i.S.v. § 291 BGB gelten; denn die Vorschrift verweist ausdrücklich auf § 288 BGB (§ 291 S. 2 BGB).

Daraus, dass in Art. 229 § 1 EGBGB keine ausdrückliche Übergangsregelung für Prozesszinsen getroffen wurde, kann nicht im Umkehrschluss das gegenteilige Ergebnis abgeleitet werden. Mangels eines nachgewiesenen höheren Zinsschadens ist daher der Rückzahlungsbetrag von 22.500 DM für den gesamten Zeitraum ab Rechtshängigkeit mit 4 % zu verzinsen.

II. Auch die (unselbstständige) Anschlussberufung ist zulässig. Sie ist insb. nicht deshalb unzulässig, weil sie - wie die Beklagten vortragen - die Gegenpartei des Rechtsmittels nicht eindeutig erkennen lasse. Aus den vorliegenden Schriftsätzen ergibt sich vielmehr zweifelsfrei, dass sich die Anschlussberufung gegen alle Beteiligten der Gegenpartei, mithin gegen die Beklagten zu 1)-​5) richtet.

Die Anschlussberufung ist allerdings nur insoweit begründet, als sie sich gegen die Kostenentscheidung des LG richtet, i.Ü. ist sie unbegründet.

1. Die Kostenentscheidung des LG berücksichtigt nicht, dass die Kläger bereits mit ihrem Hauptantrag i.H.v. 22.500 DM Erfolg haben, nicht erst mit ihrem Hilfsantrag. Bereits aus diesem Grund kann die Kostenquotelung nicht aufrechterhalten bleiben.

Die Kostenentscheidung des LG wäre allerdings auch dann unzutreffend, wenn die Kläger mit ihrem Hauptantrag voll unterlegen wären. Denn entgegen den Ausführungen des LG wird der Streitwert von Haupt- und Hilfsantrag dann nicht zusammengerechnet, wenn die Anträge wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (§ 19 Abs. 1 S. 3 GKG). Dies ist hier aber der Fall.

2. Das Berufungsgericht überprüft die Kostenentscheidung der 1. Instanz von Amts wegen (Zöller/Gummer, 22. Aufl. 2001, § 521 ZPO Rz. 24). Daher gilt insoweit das Verschlechterungsverbot nicht, d.h., es kann auch dann zum Nachteil des Berufungsführers entscheiden, wenn keine Anschlussberufung eingelegt und damit das Urteil 1. Instanz formal nicht zu Lasten des Berufungsführers angegriffen wurde (BGH MDR 1981, 928; OLG Köln NJW 1989, 721; Thomas/Putzo, 23. Aufl. 2000, § 99 ZPO Rz. 7, § 536 ZPO Rz. 9; Zöller/Gummer, 22. Aufl. 2001, § 521 ZPO Rz. 24; Zöller/Herget, § 97 ZPO Rz. 6 m.w.N.).

Dennoch ist es zulässig, eine fehlerhafte Kostenentscheidung (auch allein) mit der Anschlussberufung anzugreifen (BGH BGHZ 17, 392 [396 ff.]; OLG Düsseldorf MDR 1990, 532; Zöller/Gummer, 22. Aufl. 2001, § 521 ZPO Rz. 24; Baumbach/Lauterbach u.a., 59. Aufl. 2001, § 521 ZPO Rz. 10 a.F.).

3. Richtigerweise sind die Kläger in 1. Instanz nicht im Verhältnis von 65,63 % zu 34,37 % unterlegen, sondern haben im Verhältnis von 22,5 : 9,5 obsiegt, so dass sie auch nur 29,6 % der Kosten 1. Instanz zu tragen haben.

4. Soweit die Kläger weiterhin rügen, dass das LG zu Unrecht nur Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 3.500 DM vom Wert der Werkleistung in Abzug gebracht hat (statt 5.640 DM, wie die Kläger meinen), kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Senat tritt vielmehr ausdrücklich der durch tatsächliche Feststellungen belegten Schätzung des LG bei (I.5.).

III. 1. Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung waren in der Hauptsache erfolglos; die Berufung führte lediglich zu einer Abänderung der Zinsentscheidung, die Anschlussberufung zur Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Da Zinsen und Kosten als Nebenforderungen beim Gebührenstreitwert neben dem Streitwert der Hauptsache nach § 22 Abs. 1 GKG grundsätzlich unberücksichtigt bleiben - eine Ausnahme gem. § 22 Abs. 2, Abs. 3 GKG liegt hier nicht vor -, bedeutet dies: Die Beklagten begehrten eine Reduzierung ihrer erstinstanzlichen Verurteilung um 20.380 DM, die Kläger eine Erhöhung der zugesprochenen Forderung um 2.140 DM; insgesamt waren somit im Berufungsverfahren 22.520 DM im Streit. Da beide Rechtsmittel in der Hauptsache erfolglos waren, war gem. § 92 ZPO anteilig zu quoteln, d.h. die Beklagten haben von den Kosten der 2. Instanz 90,5 %, die Kläger 9,5 % zu tragen.

2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 n.F. ZPO) sind nicht ersichtlich.