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OLG Köln Urteil vom 26.02.2013 - 3 U 141/12 - Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten
OLG Köln v. 26.02.2013: Zur Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten
Das OLG Köln (Urteil vom 26.02.2013 - 3 U 141/12) hat entschieden:
- Der Schwacke- Mietpreisspiegel stellt ein geeignete Schätzungsgrundlage für die Ermittlung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten dar. Dem steht nicht entgegen, dass der Erstattungspflichtige mehrere Internetangebote vorgelegt hat, aus denen sich niedrigere Preise ergeben, wenn sich diese auf einen vorab vom Kunden zu bestimmenden konkreten Zeitraum der Anmietung beziehen.
- Die Kosten für Zustellung und Abholung des Mietwagens sind regelmäßig erstattungsfähig, ebenso wie die Kosten für einen Zusatzfahrer, wenn sich aus der Unfallanzeige ergibt, dass das Fahrzeug nicht nur durch den Geschädigten genutzt wurde.
- Die Kosten für eine Vollkaskoversicherung sind auch dann regelmäßig erstattungsfähig, wenn das eigene Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war.
Siehe auch Der Unfallersatztarif und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung
Gründe:
I.
(Tatbestand entfällt gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
II.
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers hat in der Sache nur zu einem geringen Teil bezüglich der geltend gemachten Mietwagenkosten Erfolg.
Nachdem der Kläger die Berufung in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der bereits vorprozessual ausgeglichenen Positionen (Sachverständigenkosten i. H. v. 913,33 EUR sowie Kosten für die Reparaturbestätigung i. H. v. 65,00 EUR) zurückgenommen hat, sind streitgegenständlich nur noch der restliche Fahrzeugschaden (1.915,86 EUR), die vom Landgericht nicht in voller Höhe zugesprochene Unkostenpauschale (5,00 EUR), außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren (661,16 EUR + 316,18 EUR) sowie - unter Berücksichtigung des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 680,02 EUR - restliche Mietwagenkosten in Höhe von 3.683,32 EUR.
1. Erfolg hat die Berufung nur in Höhe von 1.114,81 EUR; dieser Betrag steht dem Kläger noch an Mietwagenkosten zu, wobei die Beklagte entsprechend dem vom Kläger im Berufungsverfahren geänderten Antrag zur Zahlung der Mietwagenkosten an die Streithelferin des Klägers zu verurteilen war.
a) Die Mietwagenkosten hat die Kammer in Anlehnung an die Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 30.08.2011, Az. 3 U 183/10) zu Recht auf der Grundlage der Schwacke-Liste berechnet. Der Vortrag der Beklagten dazu, dass die Schwacke Liste vorliegend als Grundlage der Schätzung (§ 287 ZPO) ungeeignet und der Erhebung des Fraunhofer Instituts der Vorzug zu geben ist, reicht nicht aus, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2012 (Az. VI ZR 316/11) gerechtfertigt. Zwar hat die Beklagte auch vorliegend unter Bezugnahme auf Internetangebote verschiedener Anbieter vorgetragen, zu den dort ausgewiesenen Preisen hätte der Geschädigte im Unfallzeitpunkt auch telefonisch bzw. unmittelbar an den Stationen der benannten Vermieter unter Vorlage einer Kreditkarte oder durch Zahlung einer Barkaution ein Fahrzeug erhalten können, dies reicht jedoch nach Auffassung des Senats nicht aus, um die Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage in Frage zu stellen. Kennzeichnend für die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote ist nämlich, dass sich diese auf einen vorab vom Kunden zu bestimmenden konkreten Zeitraum der Anmietung beziehen; eine solche Festlegung aber ist einem Geschädigten im Regelfall nicht möglich. Dass die genannten Preise auch gewährt werden, wenn das Ende der Anmietung offen bleibt, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts hält der Senat die in der Mietwagenrechnung der Streithelferin der Klägerin vom 21.10.2011 (Bl. 32 GA) aufgeführten Zusatzkosten für grundsätzlich erstattungsfähig: Die Kosten für Zustellung und Abholung des Mietwagens zur Werkstatt sind im Hinblick darauf, dass der Kläger in F wohnt und die Streithelferin ihren Firmensitz in B hat, von der Beklagten zu ersetzen; erstattungsfähig sind auch die Kosten für einen Zusatzfahrer, denn bereits aus der Verkehrsunfallanzeige ergibt sich, dass das beschädigte Fahrzeug nicht nur vom Kläger, sondern auch von seiner Ehefrau genutzt wurde; Kosten für eine Vollkaskoversicherung kann der Kläger ebenfalls verlangen, selbst wenn das eigene Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war (vgl. zur Erstattungsfähigkeit von vorstehend aufgeführten Zusatzkosten: Senat, Urteil vom 22.03.2011, Az. 3 U 167/10, m. w. N.).
c) Nicht verlangen kann der Kläger hingegen den geltend gemachten 20%igen Aufschlag auf den Schwacke-Tarif. Allein die Tatsache, dass der Kläger nicht über eine Kreditkarte verfügte und keine Kaution leisten konnte, reicht nicht aus, um den pauschalen Zuschlag von 20% zu rechtfertigen; soweit der Kläger weitere Umstände angeführt hat (z. B. sofortige Anmietung am Unfalltag), waren diese nicht zu berücksichtigen, da sie gerade ein Argument gegen die Frauenhofer-Liste darstellen und in der Schwacke-Liste bereits mit erfasst sind.
d) Anders als das Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten nicht nur für die im Gutachten E vom 22.09.2011 ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen hat, sondern für insgesamt 19 Kalendertage; soweit der Kläger darüber hinaus Ersatz der Mietwagenkosten für weitere 17 Tage (insgesamt also für 36 Tage) verlangt, hat seine Berufung keinen Erfolg, denn er hat nicht nachweisen können, dass ihm von Seiten der Beklagten unmittelbar nach dem Unfall mitgeteilt worden ist, die Beklagte schicke einen Sachverständigen zur Begutachtung des Schadens vorbei. Der vom Kläger zum Beweis für eine derartige Mitteilung benannte Zeuge T hat vielmehr bekundet, dass die Versicherung ihn erst kontaktiert hat, nachdem der vom Kläger beauftragte Sachverständige das Fahrzeug bereits besichtigt hatte. Der Zeuge konnte auch ausschließen, dass es in seinem Beisein ein Gespräch des Klägers mit der Beklagten gegeben hat. Damit aber durfte der Kläger mit der Schadensfeststellung nicht abwarten, bis sich die Beklagte melden würde, er war vielmehr wegen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten, sich nach dem Unfall zeitnah selbst um eine Begutachtung des Fahrzeugs zu kümmern. Hätte der Kläger am Unfalltag (Montag, 12.09.2011) zunächst einen Rechtsanwalt aufgesucht und sodann einen Sachverständigen beauftragt, hätte dieser am Folgetag (13.09.2011) das Fahrzeug besichtigt; geht man - entsprechend dem tatsächlichen Ablauf - davon aus, dass der Sachverständige sein Gutachten zwei Tage später erstellt hätte (15.09.2011) und dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am folgenden Tag (Freitag, 16.09.2011) zugegangen wäre, hätte die 14-Tages-Frist zur Wiederbeschaffung am 17.09.2011 zu laufen begonnen, d. h. der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten für weitere 5 Tage.
e) Ausgehend von der Mietwagenrechnung der Streithelferin vom 21.10.2011 (Bl. 32 GA) errechnet sich unter Einbeziehung der auf die Mietzeit entfallenden Zusatzkosten - aber ohne Berücksichtigung des 20%-Aufschlags - ein Mietzins von 100,70 netto/Tag = 119,83 EUR brutto/Tag (3.625,28 EUR netto : 36 = 100,70 EUR).
Bei einer Mietdauer von 19 Tagen ergibt sich - unter Einbeziehung der Kosten für Zustellung und Abholung des Mietwagens (insgesamt 46,01 EUR brutto) - ein Betrag von 2.322,83 EUR brutto. Ein Abzug unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung ist hiervon nicht zu machen, denn der Kläger hat nach seinem Vorbringen, dem die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, ein Ersatzfahrzeug angemietet, das um eine Gruppe niedriger einzuordnen war, als das verunfallte Fahrzeug des Klägers. Auf den Betrag von 2.322,83 EUR sind vorprozessual 528,00 EUR gezahlt worden, weitere 680,02 EUR hat das Landgericht bereits tituliert. Es verbleibt damit eine Restforderung von 1.114,81 EUR, hinsichtlich derer die Berufung Erfolg hat.
2. Einen Anspruch auf weitere Reparaturkosten in Höhe von 1.915,86 EUR steht dem Kläger aus den vom Landgericht dargelegten Gründen nicht zu. Die Kammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abrechnung auf Totalschadenbasis zu erfolgen hat. Der vom Sachverständigen E ermittelte Wiederbeschaffungswert ist steuerneutral, er stellt damit letztlich auch den Brutto-Wiederbeschaffungswert dar, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Bezug zu den Brutto-Reparaturkosten zu setzen ist (vgl. auch BGH, NJW 2012, 52). Ausgehend hiervon ist die sog. 130%-Grenze überschritten. Da der Kläger auch nicht die Kosten der tatsächlich von ihm durchgeführten Reparatur verlangt, bedarf keiner Vertiefung, ob die Reparatur ordnungsgemäß erfolgt ist und die tatsächlichen Reparaturkosten sich innerhalb der 130%-Grenze bewegen (vgl. dazu BGH, a. a. O.).
3. Dass das Landgericht die Unkostenpauschale nur mit 25,00 EUR und nicht - wie vom Kläger begeht - mit 30,00 EUR bemessen hat, ist nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO).
4. Den Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 EUR hat das Landgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht versagt. Ein eigener Anspruch steht dem Kläger nicht zu, da die entsprechenden Rechtsanwaltsgebühren nach dem eigenen Vorbringen des Klägers von seiner Rechtsschutzversicherung bezahlt worden sind und damit ein etwaiger Anspruch des Klägers bereits vor Klageerhebung nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen ist. Soweit der Kläger hilfsweise Zahlung an die Rechtsschutzversicherung begehrt, fehlt es an der Darlegung, dass die Rechtsschutzversicherung ihn ermächtigt hat, den auf sie übergegangenen Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen. Dies aber wäre Voraussetzung, um den Anspruch im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen zu können (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 25.10.2007, Az. 12 U 131/06).
5. Keinen Erfolg hat die Berufung auch, soweit der Kläger Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung in Höhe von 316,18 EUR nebst Zinsen begehrt. Über diesen, vom Landgericht in seinem Urteil übergangenen Antrag war, obgleich die Rechtshängigkeit des Anspruch mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen ist, zu entscheiden, nachdem der Kläger den Antrag im Berufungsverfahren wiederholt hat und die Voraussetzungen des § 533 ZPO vorliegen. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger allerdings nicht zu, denn die Kosten für die Einholung der Deckungszusage sind - wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.12.11 (NJW 2012, 919) dargelegt hat - nur unter engen, hier erkennbar nicht vorliegenden Voraussetzungen zu erstatten.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
7. Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO), besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
8. Das Vorbringen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.02.2013 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO besteht mangels Glaubhaftmachung eines Wiederaufnahmegrundes nach § 580 Nr. 3 ZPO nicht. Von einer Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 1 ZPO hat der Senat abgesehen, da es sich bei dem jetzigen Vorbringen des Klägers, nach welchem der Zeuge T2 die Telefonate mit der gegnerischen Versicherung geführt haben soll, um neuen Vortrag handelt, der - da streitig - im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen wäre; dafür, dass der neue Vortrag nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht und damit gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausnahmsweise Berücksichtigung finden müsste, ist nichts vorgetragen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
bis zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2013: 6.512,51 EUR , sodann: 5.604,18 EUR.
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