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OLG Hamm Urteil vom 18.06.2013 - I-9 U 1/13 - Begegnungsunfall zwischen Inlineskater und Kraftfahrzeug außerhalb geschlossener Ortschaften

OLG Hamm v. 18.06.2013: Zur Haftungsverteilung bei Begegnungsunfall zwischen Inlineskater und Kraftfahrzeug außerhalb geschlossener Ortschaften


Das OLG Hamm (Urteil vom 18.06.2013 - I-9 U 1/13) hat entschieden:

   Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge bei einem Begegnungsunfall zwischen einer außerhalb geschlossener Ortschaften am linken Fahrbahnrand vor einer Linkskurve fahrenden Inlineskaterin und einem in einer Kurve entgegenkommenden Kraftfahrzeug, für das nur die Betriebsgefahr angesetzt werden kann (75 % zu Lasten der Inlineskaterin).

Siehe auch
Inline-Skates
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Gründe:


I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend und begehrt Feststellung für materielle und zukünftige immaterielle Schäden, die sie anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 27.09.2011 erlitten hat, bei dem sie als Inlineskaterin und der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Beklagte 1) als Fahrzeugführer beteiligt waren. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs.1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Das Landgericht hat die Parteien gem. § 141 ZPO angehört und ein verkehrsanalytischen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-​Ing S eingeholt. Es hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe den Unfall in so überwiegendem Maße selbst verschuldet, dass die auf Seiten der Beklagten allein zu berücksichtigende Betriebsgefahr zurücktrete.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter verfolgt.

Sie ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe gegen das Sichtfahrgebot verstoßen, da die von ihm selbst eingeräumte Geschwindigkeit von 40 km/h angesichts der Örtlichkeiten zu hoch gewesen sei. Die technisch darstellbare Geschwindigkeit von nur 29 km/h habe das Landgericht daher nicht seiner Entscheidung zugrundelegen dürfen. Zudem habe der Beklagte zu 1) falsch reagiert, indem er mit seinem Fahrzeug nach rechts auf sie zugefahren sei.




Ein Verschulden ihrerseits sei nicht nachgewiesen. Die ein solches Verschulden begründenden Ausführungen des Landgerichts, wonach sie im Kurvenbereich mittig auf der Fahrspur des Beklagten zu 1) diesem entgegengekommen sei, entbehrten belastbaren tatsächlichen Feststellungen und beruhten allein auf Vermutungen.

Die Klägerin beantragt,

   das angefochtene Urteil abzuändern, und
  1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 15.11.2011 nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 3.593,80 EUR zu zahlen,

  2.  festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen bereits entstandenen und auch künftig noch entstehenden materiellen Schaden sowie den weiteren künftig noch eintretenden, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 27.09.2011 auf der I Straße in T durch Kollision mit dem PKW des Beklagten zu 1) entstanden ist bzw. entstehen wird, soweit materielle Schäden nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen oder übergegangen sind,

  3.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 1.593,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  4.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 38.400,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO hinsichtlich der Höhe der Zahlungsansprüche an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

   die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den damit überreichten Anlagen verwiesen.

Die Akten 702 Js-​OWi 1115/12 StA Bielefeld lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat die Parteien angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 18.06.2013 verwiesen.




II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Feststellungsantrags in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und hat im Übrigen unter Berücksichtigung eines mit 75 % zu bemessenden Mit- bzw. Eigenverschuldens der Klägerin vorläufig Erfolg.

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche sind dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens bzw. Eigenverschuldens der Klägerin von 75 % gerechtfertigt.

Die Beklagten haften gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für die von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgehende Betriebsgefahr. Der Unfall ereignete sich bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 1). Die Haftung ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil sich das Unfallereignis für den Beklagten zu 1) nicht als ein Ereignis höherer Gewalt darstellt. Die nach § 9 StVG, § 254 BGB vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer Haftungsverteilung von 25% zu 75% zu Lasten der Klägerin.

Ein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhendes schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1) an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.


Ein Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO, wonach der Fahrzeugführer auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden können, so langsam fahren muss, dass er innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke halten kann, scheidet aus Rechtsgründen aus. Die Vorschrift bezweckt den Schutz entgegenkommender Fahrzeuge. Die sich auf Inlineskates fortbewegende Klägerin führte aber kein Fahrzeug, sondern nutzte ein ausdrücklich in § 24 Abs. 1 Satz 1 StVO genanntes besonderes Fortbewegungsmittel, für das die Vorschriften über den Fußgängerverkehr entsprechend gelten, und nahm daher als Fußgängerin am Straßenverkehr teil.

Auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO, wonach der Fahrzeugführer nur so schnell fahren darf, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke halten kann, fällt dem Beklagten zu 1) nicht zur Last. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-​Ing S beträgt die Sichtweite des Beklagten zu 1) an der Unfallstelle bezogen auf den engsten Punkt etwa 25 m. Daraus folgt, dass der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug mit einer Normalbremsung aus 37 km/h (Anhalteweg 24,79 m) und mittels Gefahrenbremsung aus einer Geschwindigkeit von 46 km/h (Anhalteweg 24,38 m) innerhalb der Sichtweite anhalten konnte.

Belastbare Feststellungen zu der von dem Beklagten zu 1) gefahrenen Geschwindigkeit, insbesondere, ob er schneller als 37 km/h gefahren ist, lassen sich nicht treffen. Der Sachverständige S hat eine Differenzgeschwindigkeit von ca. 40 km/h (35 km/h - 45 km/h) als plausibel angesehen, die sich aus der Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) und der von der Klägerin gefahrenen Geschwindigkeit zusammensetzt. Da nach eigenen Angaben der Klägerin diese vergleichbar einem gemütlich fahrenden Radfahrer unterwegs gewesen ist, kann deren Geschwindigkeit jedenfalls mit etwa 10 km/h angesetzt werde. Zu Gunsten des Beklagten zu 1) ist daher davon auszugehen, dass dieser lediglich 25 km/h schnell gewesen ist. Aufgrund der Angaben des Beklagten zu 1) im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bzw. dem gegen die Klägerin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren lassen sich keine der Klägerin günstigeren tatsächlichen Feststellungen treffen. Die Angaben des Beklagten zu 1) am Unfallort, er sei mit etwa 40 km/h unterwegs gewesen, hat der Beklagte zu 1) im Termin vor dem Landgericht auf einen Bereich zwischen 30 km/h und 40 km/h berichtigt. Die Angaben sind mit den üblichen Unsicherheiten behaftet, da der Beklagte zu 1) nicht auf den Tacho geschaut hat und daher auf eine mit den bekannten Ungenauigkeiten behafteten Schätzung beschränkt ist.




+6 Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO ist ebenfalls nicht bewiesen.

Nach der vorgenannten Vorschrift hat der Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßenverhältnissen anzupassen. Ein Verstoß des Beklagten zu 1) ist aus den zuvor genannten Gründen nicht feststellbar. Die Sichtweite betrug 25 m. Dass der Beklagte zu 1) mit einer solchen Geschwindigkeit gefahren ist, die es ihm nicht erlaubt hätte, innerhalb der Sichtstrecke anzuhalten, lässt sich nicht feststellen.

Einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 1 Abs. 2 StVO unter dem Aspekt einer schuldhaft verspäteten Reaktion auf das Auftauchen der Klägerin - im Besonderen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Klägerin mit einer nicht näher bestimmbaren Geschwindigkeit auf den Beklagten zu 1) zubewegt hat - hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Denn das Unfallgeschehen kann sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-​Ing S innerhalb von 1,5 Sekunden abgespielt haben. Das korrespondiert mit den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten, wonach der jeweils andere plötzlich aufgetaucht sei. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung vor dem Senat ergänzend erklärt, sie habe weder durch Ausweichen noch durch Bremsen auf das in ihr Sichtfeld einfahrende Fahrzeug reagieren können.

Dem Beklagten zu 1) kann im Sinne einer schuldhaft falschen Reaktion auch nicht vorgeworfen werden, dass er sein Fahrzeug in Richtung des rechten Fahrbahnrandes gesteuert hat und der Klägerin nicht unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn nach links ausgewichen ist. Nach deren eigenen Angaben hat die Klägerin unmittelbar vor der Kollision gerade nicht den (aus Sicht des Beklagten zu 1)) rechten Fahrbahnrand, sondern die Fahrspur des Beklagten zu 1) im Gegenverkehr mit einem Abstand von bis zu einem Meter vom Fahrbahnrand befahren. Wohin die Klägerin nach Wahrnehmung des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) gegebenenfalls ausweichen würde, war für den Beklagten zu 1) - insbesondere in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit - nicht vorhersehbar.

Die Klägerin trifft ein Verschulden an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls. Sie hat gegen die durch § 1 Abs. 2 StVO statuierten allgemeinen Pflichten bei der Teilnahme im Straßenverkehr verstoßen, weil sie als Inlineskaterin im Gegenverkehr die Fahrspur des Beklagten mittig befahren hat und zudem in einer aus ihrer Sicht langgezogenen und schlecht einsehbaren Linkskurve ihre zuvor eingenommene Fahrlinie unverändert beibehalten hat.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StVO sind auf die Inlineskates fahrende Klägerin die für den Fußgängerverkehr geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. An der außerhalb geschlossener Ortschaften gelegenen Unfallörtlichkeit musste die Klägerin daher gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz StVO den linken Fahrbahnrand benutzen, wenn ihr dies zumutbar war. Das hat K schon nach dem eigenen Sachvortrag nicht beachtet. Zwar ist sie dem Gegenverkehr entgegen gelaufen. Sie hat aber dabei nicht den linken Fahrbahnrand benutzt, sondern sie hat die Mitte der Gegenfahrbahn benutzt. Das durfte sie als Fußgängerin (Inlinerin) nicht. Bei einer lichten, zur Benutzung freistehenden Fahrbahnbreite von 4,15 m bzw. 4,25 m laut Unfallskizze, Bl. 6 BA, war jede Fahrspur 2,08 m bzw. 2,13 m breit. Da die Klägerin, wie sie anlässlich ihrer Anhörung vor dem Senat erneut geschildert hat, sich bis zu einem Meter vom linken Fahrbahnrand aufgehalten hat, befuhr sie die Gegenfahrbahn etwa mittig. Das war ihr im Bereich der aus ihrer Sicht langgezogenen und schlecht einsehbaren Linkskurve mit Blick auf ihre in Bezug auf den entgegenkommenden Verkehr bestehenden Pflichten aus § 1 Abs. 2 StVO nicht erlaubt (vgl. die der Entscheidung BGH BeckRS 2002, 30247598 zugrunde liegende in etwa gleich gelagerte Konstellation). Die Klägerin hätte daher entweder vor der Kurve das Fahren mit den Inlinern einstellen und sich am linken Fahrbahnrand gehend der Kurve nähern müssen, oder sie hätte, wenn sie weiter skaten wollte, rechtzeitig vor der Kurve zum rechten Straßenrand wechseln müssen, um ihre Fahrt dort fortzusetzen.

Dieses Fehlverhalten ist auch unfallursächlich geworden. Hätte die Klägerin rechtzeitig vor dem Kurvenbereich die Straßenseite gewechselt, hätte sie sich außerhalb des Fahrweges des Beklagten zu 1) befunden. Hätte sich die Klägerin tatsächlich eng am linken Fahrbahnrand gehend fortbewegt, ist nichts dafür dargetan, dass sie auch in diesem Fall von dem Beklagten zu 1) angefahren worden wäre. Denn der Beklagte zu 1) hat sein Fahrzeug nur in seinem Bemühen, der Klägerin auszuweichen, zum rechten Fahrbahnrand hin gelenkt, wie es auch durch die in den von den unfallaufnehmenden Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder Nrn. 7 - 10 dokumentierten Spurzeichnungen belegt wird.

Diesem im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB schuldhaften Fehlverhalten nach § 1 Abs. 2 StVO ist die von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgehende Betriebsgefahr gegenüberzustellen. Nach Auffassung des Senats ist das Verschulden der Klägerin nicht so überragend, als dass dies es rechtfertigen kann, die von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgehende Betriebsgefahr zu vernachlässigen. Grundsätzlich hat sich die Klägerin entsprechend § 25 Abs. 1 Satz 2 letzter HS StVO verhalten, als sie sich außerorts zum linken Fahrbahnrand hin orientiert hat. Ihr ist aber jedenfalls vorzuwerfen, dass sie die für sie nicht einsehbare Kurve mit einem Abstand von einem Meter zum linken Fahrbahnrand mit unverminderter Geschwindigkeit befahren hat, was von § 25 Abs. 3 Satz 2, letzter HS StVO nicht mehr gedeckt ist. Soweit der Klägervertreter das Verhalten der Klägerin dadurch zu relativieren versucht hat, dass diese möglicherweise wegen des von der benachbarten A 33 ausgehenden Verkehrslärms das entgegenkommende Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht gehört habe, verfängt ++dies nicht. Denn gerade dann, wenn die Klägerin nicht nur wegen der langgezogenen Linkskurve in ihrer Sicht nach vorne beeinträchtigt war, sondern auch noch wegen Verkehrslärms von der benachbarten Autobahn in ihrer akustischen Wahrnehmung beeinträchtigt war, war die Klägerin in besonderem Maße zur Vorsicht angehalten. Demgegenüber war der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht unvermeidbar. Vorliegend hat sich die typische Gefahr des Betriebs eines Kraftfahrzeugs verwirklicht, durch die Dritte auch bei Beachtung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt zu Schaden kommen können. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats eine Haftungsverteilung von 25% zu 75% zu Lasten der Klägerin.

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Zahlungsansprüche ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif. Insoweit bedarf es ergänzenden Sachvortrags und weiterer Aufklärung insbesondere zu den Bemessungsfaktoren für die Ermittlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und der zeitlichen und graduellen Einschränkung der Klägerin in ihrer Haushaltsführung sowie zu Fragen der Kompensation. Hinsichtlich der Höhe weist der Senat darauf hin, dass bei fiktiver Abrechnung ein Stundensatz von 9,- EUR angemessen ist.



In Bezug auf die Beitragsrückerstattung muss die Klägerin gegebenenfalls Abzüge für in Anspruch genommene Vorsorgeuntersuchungen, Leistungen der Zahnprophylaxe oder sonstige Leistungen hinnehmen, sofern sie diese in Anspruch genommen, mit Blick auf die Beitragsrückerstattung aber nicht gegenüber dem Krankenversicherer geltend gemacht hat. Was den Selbstbehalt von 25,- EUR täglich bei stationärem Aufenthalt und die Kosten der Inanspruchnahme eines Wahlarztes anbetrifft, bedarf es erläuternden Vortrages, aus welchen Gründen diese Kosten einen erstattungsfähigen Schaden darstellen. Sofern nicht bereits geschehen, muss sich die Klägerin einen Verpflegungskostenanteil von kalendertäglich 10,- EUR unter dem Gesichtspunkt ersparter Verpflegungskosten anrechnen lassen. Was die beschädigte Sportkleidung angeht, ist ein Anspruch ebenfalls noch nicht schlüssig dargelegt, weil eine Schätzung nach § 287 ZPO mangels entsprechender Anschaffungsbelege, bzw. entsprechendem Vortrag zu Anschaffungszeit und -kosten nicht möglich ist.

2. Der Feststellungsantrag ist zulässig und unter Berücksichtigung eines Mit- bzw. Eigenverschuldens der Klägerin in Höhe von 75% begründet.

Bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts reicht es für das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) aus, dass künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (Zöller/Greger, 29. Aufl., § 256 ZPO Rn. 9 m. w. N.). Das danach zulässige Feststellungsbegehren ist auch begründet. Die Klägerin hat knöcherne Verletzungen erlitten, aus denen ein in der Beinverkürzung liegender Dauerschaden resultiert. Obwohl die Klägerin bereits einen wesentlichen Teil ihrer materiellen Schäden beziffert hat, ist der Schaden weiterhin in der Entwicklung begriffen, so dass hinsichtlich der bisher nicht benannten und zukünftig entstehenden materiellen Schäden ebenfalls ein entsprechender Vorbehalt auszusprechen ist.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 543 ZPO.

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