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OLG Saarbrücken Urteil vom 20.03.2014 - 4 U 64/13 - Sterbegeld nach SGB

OLG Saarbrücken v. 20.03.2014: Zum sozialrechtlichen Anspruch auf Sterbegeld


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 20.03.2014 - 4 U 64/13) hat entschieden:
Der sozialrechtliche Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld steht den in § 64 Abs. 1 SGB VII bezeichneten Angehörigen nur dann zu, wenn diese auch die Beerdigungskosten tragen.


Siehe auch Forderungsübergang auf die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger und Forderungsübergang im Schadensfall


Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten nach einem Verkehrsunfallereignis, anlässlich dessen die Lebenspartnerin des Klägers tödlich verletzt wurde, auf anteilige Erstattung der Beerdigungskosten in Anspruch.

Am 27.6.2011 befuhr die Lebenspartnerin des Klägers mit ihrem Fahrrad den Gehweg entlang der in. Bei dieser Straße handelt es sich um eine enge, in einem reinen Wohngebiet gelegene Straße. Im Gegenverkehr näherte sich der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Lkw, der einen Anhänger zog. Aus ungeklärter Ursache stürzte die Lebenspartnerin des Klägers unmittelbar vor den vorderen Reifen des Anhängers und wurde von dem Anhänger erfasst. Sie erlag ihren schweren Verletzungen. Der Kläger ist ihr Alleinerbe.

Der Kläger hat die Beklagten im ersten Rechtszug u.a. auf Erstattung der anteiligen Beerdigungskosten in Anspruch genommen. Der Kläger hat behauptet, er habe die Beerdigungskosten in unstreitiger Höhe von 3.590,30 EUR beglichen. Es steht außer Streit, dass die Beklagte zu 2) 1.436,12 EUR zum Ausgleich der Beerdigungskosten an den Kläger zahlte. Die Differenz bildet - soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - den Gegenstand der Klage.

Die gesetzliche Unfallversicherung leistete an die Eltern der Verstorbenen ein Sterbegeld in Höhe von 4.380 EUR, welches sie nunmehr von der Beklagten zu 2) unter Hinweis auf den sozialrechtlichen Forderungsübergang regressiert.

Der Kläger hat beantragt,
  1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.154,18 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 1.647,44 EUR zu zahlen;

  2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen aus dem Unfallereignis seiner früheren Lebenspartnerin resultierenden Zukunftsschaden zu erstatten.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht vermeidbar gewesen sei. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der anteiligen Beerdigungskosten haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der hierauf gerichtete Schadensersatzanspruch mit der 40-​prozentigen Zahlung vollständig abgegolten sei, da die Getötete auf jeden Fall ein 60-​prozentiges Mitverschulden treffe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hinsichtlich der Beerdigungskosten die Auffassung vertreten, dass die Klage jedenfalls deshalb der Abweisung unterliege, weil keinesfalls von einer höheren Haftungsquote der Beklagten als 40 % auszugehen sei. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger lediglich den Klageantrag zu 1) weiter.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Haftung der Beklagten selbst dann nicht ausgeschlossen sei, wenn der Unfall für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen sei. Ebenso wenig könne ein Mitverschulden der Getöteten unterstellt werden. Der Hinweis auf § 828 BGB verkenne, dass der Schädiger ein Mitverschulden des Opfers zu beweisen habe. Dies gelte auch gegenüber erwachsenen Personen.

Der Anspruch stehe dem Kläger unabhängig davon zu, dass die Berufsgenossenschaft Sterbegeld an die Eltern der Getöteten gezahlt habe. Ein Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger erfolge nur dann, wenn dieser demjenigen, der die Beerdigungskosten von Gesetzes wegen zu tragen habe, auf die entstandenen Beerdigungskosten Erstattung leiste. Vorliegend habe die Berufsgenossenschaft nicht an den Kläger, sondern an die Angehörigen der Getöteten ein Sterbegeld geleistet. Dieses Sterbegeld verfolge offensichtlich andere Zwecke und solle nicht zum Bestreiten der Beerdigungskosten dienen.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 20.3.2013 die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.154,18 EUR nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit nebst vorgerichtlich entstandener Anwaltsgebühren in Höhe von 311,19 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach der Auffassung der Beklagten sei der Unfall für den Beklagten zu 1) unvermeidbar gewesen. Insbesondere sei auch ein Idealfahrer nicht verpflichtet gewesen, den Lkw auf der Straße anzuhalten, um der erwachsenen Radfahrerin das gefahrlose Passieren auf einem 1,8 m breiten Gehweg zu ermöglichen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass an der Unfallstelle für die Radfahrerin zusätzlich die Möglichkeit bestanden habe, nach rechts auf einen mehrere Meter breiten gepflasterten Gebäudevorplatz auszuweichen. Demgegenüber sei der Radfahrerin vorzuwerfen, dass sie auf dem Gehweg aus Unachtsamkeit mit ihrem Fahrrad nach links in den Fahrbahnbereich umgekippt sei. Wenn sie sich nicht sicher gefühlt hätte, um den langsam vorbeifahrenden Lkw auf dem Gehweg zu passieren, hätte sie anhalten müssen. Die Betriebsgefahr des LKWs trete hinter dem schweren Verschulden der Radfahrerin vollständig zurück.

Dessen ungeachtet bestreiten die Beklagten die Aktivlegitimation des Klägers. So habe der Kläger bis heute nicht den Nachweis geführt, dass die Bestattungskosten von ihm bezahlt worden seien. Selbst wenn der Kläger die Bestattungskosten gezahlt hätte, seien die Schadensersatzforderungen der verstorbenen Radfahrerin - soweit die Verwaltungsberufsgenossenschaft einstandspflichtig gewesen sei - bereits zum Unfallzeitpunkt auf diese gemäß § 116 SGB X übergegangen. Zu den übergegangenen Forderungen gehöre auch das Sterbegeld nach § 58 f., § 63 SGB VII. Beim Sterbegeld handele es sich um eine sachlich und zeitlich kongruente Leistung zu den Beerdigungskosten. Selbst wenn die Berufsgenossenschaft versehentlich an die Eltern der verstorbenen Radfahrerin geleistet hätte, ändere dies nicht daran, dass die Berufsgenossenschaft bezüglich der Beerdigungskosten gegenüber der Schädigerseite aktivlegitimiert bleibe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 21.5.2013 (Bl. 118 f. d. A.), der Berufungserwiderung vom 21.6.2013 (Bl. 127 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 29.7.2013 (Bl. 134 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 27.2.2014 (Bl. 141 f. d. A.) verwiesen.


II.

A.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler beruht und auch die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen kein für den Kläger günstigeres Ergebnis rechtfertigen (§ 513 ZPO): Der Kläger ist für die Geltendmachung des Anspruchs nicht aktivlegitimiert, da der Anspruch auf Erstattung der Beerdigungskosten gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die gesetzliche Unfallversicherung übergegangen ist:

1. Allerdings kann die Entscheidung mit der vom Landgericht vorgetragenen Begründung nicht aufrechterhalten werden:

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts entfällt die Haftung des Kraftfahrers aus § 7 Abs. 1 StVG nicht bereits deshalb, weil der Unfall für ihn unvermeidbar war: Seit der zum 1.8.2002 in Kraft getretenen Reform des § 7 StVG entfällt die Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters statt zuvor im Fall eines unabwendbaren Ereignisses nur noch dann, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist (§ 7 Abs. 2 StVG). Da sich auch in Fällen eines unabwendbaren Ereignisses die Betriebsgefahr verwirklicht, erschien es dem Gesetzgeber für systemwidrig, die Gefährdungshaftung, die zur Kompensation der von Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren eingeführt wurde, von Sorgfalts- und Verschuldensgesichtspunkten abhängig zu machen. Der Gesetzgeber hat es daher explizit zum Schutz der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer für erforderlich erachtet, lediglich die höhere Gewalt als Befreiungsgrund von der Gefährdungshaftung anzuerkennen (BT-​Drucksache 14/7752, S. 30). Angesichts dieser gesetzgeberischen Vorgabe tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Gefährdungshaftung des Halters in der Haftungsabwägung nach § 9 StVG, § 254 BGB regelmäßig erst dann vollständig hinter ein - festgestelltes - Mitverschulden zurück, wenn sich lediglich die einfache Betriebsgefahr des Kraftfahrzeughalters und ein grobes Mitverschulden des nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers gegenüberstehen (Senat, Urt. v. 13.2.2014 - 4 U 59/13; Urt. v. 4.7.2013 - 4 U 65/12-​19; NJW 2012, 3245, 3247; Schaden-​Praxis 2012, 209; MDR 2011, 517, vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2013 - VI ZR 255/12, MDR 2014, 27).

b) Auch soweit das Landgericht unter der Prämisse, dass die Beklagten den Beweis für ein unabwendbares Ereignis nicht führten könnten, dem Unfallopfer ein Mitverschulden von 40% anlastet, hält die Entscheidung einer Rechtskontrolle nicht stand: Es steht nicht fest, weshalb das Unfallopfer auf die Straße fiel. Mithin ist nicht bewiesen, dass dem Unfallopfer ein objektiver Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden kann. Erst recht fehlen Feststellungen zur Schwere eines subjektiv fahrlässigen Verhaltens. Dieses Beweisdefizit kann nicht unter Rückgriff auf §§ 827, 828 BGB überwunden werden: Dass die subjektive Schuldfähigkeit eines Volljährigen zu vermuten ist, streitet nicht zugleich dafür, dass der Volljährige im Schadensfall in einer den Fahrlässigkeitsvorwurf begründenden Weise gegen die objektive Sorgfalt verstoßen hat.

2. Eine weitere tatrichterliche Aufklärung kann jedoch unterbleiben, da der Kläger aufgrund Anspruchsübergangs seine Sachbefugnis verloren hat:

a) Es steht außer Streit, dass der Kläger vorbehaltlich des Anspruchsübergangs gemäß § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Beerdigungskosten besaß. Denn der Kläger war i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG dazu verpflichtet, die Kosten der Beerdigung zu übernehmen: Gemäß § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung. Unstreitig ist der Kläger der Alleinerbe seiner verstorbenen Lebensgefährtin.

b) Allerdings ist dieser Anspruch bereits zum Zeitpunkt des Unfalls auf den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übergegangen:

Gemäß § 116 Abs. 1 SGB X geht ein auf anderen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dieses Kriterium der so genannten Kongruenz ist zwischen dem Anspruch auf Erstattung der Beerdigungskosten und der Sozialleistung des Sterbegeldes nach wohl allgemeiner Auffassung (MünchKomm(BGB)/Wagner, 6. Aufl., § 844 Rdnr. 23; Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 844 Rdnr. 4) erfüllt.

aa) Die Kongruenz ist in Wortlaut und Systematik der Anspruchsgrundlage angelegt: Gemäß § 64 Abs. 1 SGB VII steht den dort genannten Angehörigen ein Anspruch auf Sterbegeld zu, welches sich zunächst nicht nach der Höhe der entstandenen Beerdigungskosten, sondern an einer rechnerischen Bezugsgröße orientiert. Der inhaltliche Zusammenhang zwischen Sterbegeld und Beerdigungskosten tritt jedoch in § 64 Abs. 3 SGB VII deutlich zu Tage. Diese Vorschrift bestimmt, dass das Sterbegeld an denjenigen Berechtigten ausgezahlt wird, der die Bestattungskosten trägt. Noch deutlicher wird der inhaltliche Zusammenhang in § 64 Abs. 4 SGB VII hergestellt, wonach die Bestattungskosten bis zur Höhe des Sterbegeldes nach Abs. 1 an denjenigen gezahlt werden, der diese Kosten trägt, sofern ein Anspruchsberechtigter nach § 64 Abs. 1 SGB VII nicht vorhanden ist.

bb) Die Berufung zieht die Kongruenz im vorliegenden Fall mit dem Argument in Zweifel, dass Sinn und Zweck des § 116 Abs. 1 SGB X einem Anspruchsübergang jedenfalls dann entgegenstehe, wenn der Gläubiger des übergeleiteten Anspruchs (hier des Anspruchs aus § 10 Abs. 1 StVG) nicht zugleich Gläubiger des Anspruchs auf die korrespondierende Sozialleistung sei.

aaa) Dieses Argument ist in seinem rechtlichen Gehalt nicht von der Hand zu weisen: Korrelat des gesetzlichen Forderungsübergangs ist es, dass der Gläubiger des übergeleiteten Haftungsanspruchs von der Sozialleistung profitiert. Der Verlust des übergeleiteten Anspruchs wird bei dieser Sichtweise durch die Sozialleistung kompensiert. Diese Wertung versagt, wenn der Gläubiger des übergegangenen Anspruchs nicht zugleich Gläubiger des Sozialleistungsträgers ist. Anders gewendet: Der Anspruchsübergang darf nicht auf Kosten des Gläubigers erfolgen; es widerspräche der Billigkeit, wenn der Gläubiger seinen Haftungsanspruch deshalb verliert, weil der Sozialleistungsträger einem Dritten gegenüber zur Leistung verpflichtet ist.

bbb) Indessen liegen die tatsächlichen Voraussetzungen, die eine Auseinandersetzung mit dem von der Berufung aufgezeigten Wertungswiderspruch erfordern würden, im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vor. Bei richtigem Verständnis der sozialrechtlichen Vorschriften stand der Anspruch auf Zahlung des Sterbegeldes in Wahrheit dem Kläger selber, nicht den Eltern der Verstorbenen zu. Bei dieser Sachlage fällt die Gläubigerstellung von Haftungsanspruch und sozialrechtlichem Anspruch nicht auseinander, weshalb dem Kläger durch den Übergang des Haftungsanspruchs auf den Sozialleistungsträger kein Nachteil entstand:

aaaa) Zwar gehört der Kläger nicht zum Kreis der in § 64 Abs. 1 SGB VII bezeichneten anspruchsberechtigten Angehörigen der Verstorbenen. Allerdings sind die in § 64 Abs. 1 SGB VII bezeichneten Angehörigen nach der Systematik des Gesetzes nur dann Gläubiger des Anspruchs auf Zahlung von Sterbegeld, wenn diese Angehörigen die Bestattungs- und Überführungskosten tatsächlich tragen müssen. In diesem Sinne ist § 64 Abs. 3 SGB VII zu verstehen, wonach Sterbegeld und Überführungskosten an denjenigen Berechtigten gezahlt werden, der die Bestattungs- und Überführungskosten trägt. Da die Eltern der Verstorbenen rechtlich zur Zahlung der Bestattungskosten nicht verpflichtet waren, ist nunmehr die Regelung des § 64 Abs. 4 SGB VII einschlägig. Nach dieser Vorschrift werden die Bestattungskosten bis zur Höhe des Sterbegeldes an denjenigen gezahlt, der diese Kosten trägt, sofern ein Anspruchsberechtigter nach Abs. 1 nicht vorhanden ist. Die Vorschrift betrifft die Fälle, in denen entweder eine Person nach § 64 Abs. 1 SGB VII nicht existiert oder aber diese Personen keine Bestattungskosten zu tragen haben. Die Vorschrift ist explizit deshalb geschaffen worden, um Dritten - insbesondere einem Erben - einen Anspruch zu verschaffen, wenn der Dritte zwar Kostenschuldner der Beerdigungskosten, jedoch kein rentenberechtigter Hinterbliebener ist (Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII).

bbbb) So liegen die Dinge hier: Die Eltern sind zwar Hinterbliebene i.S.v. § 64 Abs. 1 SGB VII, nicht aber Schuldner der Beerdigungskosten. Mithin stand der Anspruch auf Auszahlung des Sterbegeldes dem Kläger, nicht den Eltern zu.

ccc) Bei dieser Sachlage hat die Sozialversicherung mit der Leistung an die Eltern an den falschen Gläubiger gezahlt, weshalb der sozialrechtliche Anspruch in der Person des Klägers noch fortbesteht. Auf den übergegangenen Haftungsanspruch wirkt sich indessen die Zahlung an die Scheingläubiger nicht aus:

aaaa) Der Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld ist unmittelbar mit dem Unfallereignis entstanden. Dies ist der maßgebliche Zeitpunkt, in dem die Kongruenz von deliktischem und sozialrechtlichem Anspruch zu beurteilen ist. Liegt die Kongruenz in diesem Zeitpunkt vor, wird der Anspruchsübergang schon jetzt vollzogen. In diesem rechtlichen Bezugsrahmen besitzt der Umstand, dass der Sozialleistungsträger zu einem späteren Zeitpunkt an den falschen Gläubiger leistete, keine Relevanz.

bbbb) Auch der Rechtsgedanke von § 116 Abs. 4 SGB X verhilft der Berufung nicht zum Erfolg:

Nach dieser Vorschrift hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach § 116 Abs. 1 SGB X, wenn der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegenstehen. Die Vorschrift regelt den Fall, dass die Sozialversicherung - etwa deshalb, weil der Schaden eine Haftungshöchstgrenze übersteigt - nicht den vollen Anspruch abdeckt. Dann darf der Geschädigte zunächst versuchen, den überschießenden Anteil vom Schädiger einzutreiben. Erst danach kommt der Sozialversicherungsträger mit den übergeleiteten Ansprüchen zum Zuge.

Die Normsituation ist mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar: Der Kläger besitzt keine die Sozialleistung überschießenden Ansprüche gegen die Beklagte zu 2). Weder im Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 2) noch zum Sozialversicherungsträger bestehen tatsächliche Hindernisse, die einer Durchsetzung der Ansprüche entgegenstehen.

cccc) Schließlich führt der Anspruchsübergang des Haftungsanspruchs unter Aufrechterhaltung der sozialrechtlichen Gläubigerstellung des Klägers durchaus zu interessengerechten Ergebnissen: In der Konsequenz der vorliegenden Lösung steht es dem Kläger frei, den Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld gegenüber der Sozialversicherung geltend zu machen. Diesem Unterfangen dürfte auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung und nach Maßgabe des derzeitigen Sach- und Streitstandes Erfolg beschieden sein. Da ein messbares Insolvenzrisiko nicht besteht, muss der Kläger nur das allgemeine Rechtsverfolgungsrisiko tragen.

Sofern die Beklagte zu 2) die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Beerdigungskosten auf den übergegangenen Anspruch an die Sozialversicherung leistet, ist eine Benachteiligung der Beklagten zu 2) nicht ersichtlich. Dass sie eventuell das Insolvenzrisiko des Klägers trägt, sofern sie den Kläger auf Rückzahlung der bereits anteilig erstatteten Beerdigungskosten in Anspruch nimmt, erscheint nicht unbillig.

Letztlich ist es dem Sozialversicherungsträger nicht verwehrt, die rechtsgrundlose Leistung gegenüber den Eltern des Unfallopfers zu regressieren. Bei vollständiger Rückabwicklung wäre der wirtschaftliche Schaden im Ergebnis bei der Beklagten zu 2) entstanden. Dies stimmt mit der materiellrechtlichen Rechtslage überein.

Nach alldem bleibt die Berufung ohne Erfolg.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).