Das Verkehrslexikon

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OLG München Urteil vom 24.01.2014 - 10 U 1673/13 - Verletzung rechtlichen Gehörs durch Übergehen eines Beweisantrages

OLG München v. 24.01.2014: Zur Verletzung rechtlichen Gehörs durch Übergehen eines Beweisantrages auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens


Das OLG München (Urteil vom 24.01.2014 - 10 U 1673/13) hat entschieden:
  1. Wird bereits in der Klageschrift die Diagnose eines posttraumatischen pseudoneurasthenischen Syndroms angeführt und beantragt der Geschädigte die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens, so muss das erkennende Gericht im Ersturteil erläutern, weshalb von der Einholung des Gutachtens abgesehen wurde.

  2. Das unberechtigte Übergehen eines Beweisantrags stellt einen Verstoß gegen § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO dar; umfasst ist auch die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel als Ausfluss der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

Siehe auch Der Beweisantrag im Zivilprozess und Rechtliches Gehör


Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schmerzensgeld (weitere 14.827,46 €) und Ersatz seines Erwerbsschadens (17.578,95 €) aus einem Verkehrsunfall vom 01.08.1998 abends in P. in der Bergerstraße (St 2070) in Fahrtrichtung S. in Höhe der ...-​Tankstelle geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 21.03.2013 (Bl. II 483/489 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG München I hat nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 738,71 € sowie 750,- € wegen Erwerbsentgangs zu bezahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 25.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 22.04.2013 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. III 495/496 d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 26.06.2013 eingegangenen Schriftsatz (Bl. III 504/523 d. A.) begründet. Seiner früheren Prozessbevollmächtigten verkündete er wegen behaupteter Falschberatung und -vertretung den Streit.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
  1. an den Kläger über den Betrag von € 750,- hinaus einen Betrag von € 16.828,95 zzgl. 9,26% Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen;

  2. an den Kläger über das zugesprochene Schmerzensgeld von € 781,71 hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches jedoch den Betrag von € 14.088,75 nicht unterschreiten soll, zzgl. 10% seit Klagezustellung zu bezahlen,

    hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG München I.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG München I.
Die Streitverkündete, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG München I.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung der Beklagten vom 02.08.2013 (Bl. III 531/535 d. A.) und der Streitverkündeten vom 19.08.2013 (Bl. III 542/547 d. A.), die Replik vom 24.09.2013 (Bl. III 548/549 d. A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 05.12.2013 (Bl. III 564/566 d. A.), vom 13.01.2014 (Bl. III 567/568 d. A.) und vom 23.01.2014 (Bl. III 569/571 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 24.01.2014 (Bl. III 572/578 d. A.) Bezug genommen.


B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf weiteren Schadensersatz verneint.

1. Dem Erstgericht sind Fehler bei der Tatsachenfeststellung (Beweisaufnahme und Beweiswürdigung) unterlaufen, weshalb der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts gebunden ist.

Der Kläger hat insoweit konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vorgetragen wurden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen sind ein Übergehen von Beweisanträgen, ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 [juris] und zuletzt Urt. v. 21.06.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat a.a.O. ); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH a.a.O. ; Senat a.a.O. ).

a) Im Ergebnis zu Recht rügt der Berufungsführer die Verwertbarkeit des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M.:

aa) Grundsätzlich war die Erholung des Gutachtens veranlasst, da auf Grund des Vortrags des Klägers ein kompetenter Sachverständiger unter Darstellung der derzeitigen medizinischen Forschung zum Thema „Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule“ erläutern musste (etwa Stichwort Upright MRT), inwieweit die Beschwerden des Klägers nach dem heutigen Stand der Medizin als unfallkausal zu bezeichnen sind oder nicht.

bb) Die Verwertbarkeit des Gutachtens scheitert auch nicht am Fehlen von dessen formaler Fachkompetenz:
  • Die medizinische Beurteilung von posttraumatischen Zervikalsyndromen hat nach herrschender Ansicht in der Medizin und in der Rechtsprechung grundsätzlich durch Orthopäden oder Unfallchirurgen zu erfolgen (Senat, Urt. v. 11.3.2011 - 10 U 4677/10 [juris, dort Rz. 10]; v. 15.4.2011 - 10 U 5655/10 [juris, dort Rz. 27]; SP 2012, 111; aus medizinischer Sicht: Moorahrend u. a., Zusammenfassung Konsenspapier zur HWS-​Beschleunigungsverletzung, 1993, abgedruckt in: Landesverband Südwestdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Arbeitsunfall und psychische Gesundheitsschäden, Heidelberg 1999 - http://tinyurl.com/a7sts43 [22.3.2011], S. 73 unter Abschnitt V 3; Feldmann, Das Gutachten des Hals-​Nasen-​Ohren-​Arztes, 6. Aufl. Stuttgart 2006, S. 257; Tegenthoff/Schwenkreis, HWS-​Beschleunigungsverletzungen, in: Widder/Gaidzik [Hrsg.], Begutachtung in der Neurologie, Stuttgart 2007, S. 342 unter 29.4.2; Schelter, Verletzungen und ihre medizinischen Folgen, in: Berz/Burmann [Hrsg.], Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 31. Aufl. München 2013, Kap. 20 D Rz. 6; Schröter, HWS-​„Schleudertrauma“ - faktenorientierte rationale Begutachtung, in: MedSach 107 [2011] 69 [73]; Landesverband Südwestdeutschland a.a.O. S. 26 [unter 4.4.1]; großzügiger Lang/Badke/Grifka/Köllner/Marx/Stoll/Tegenthoff/Weise, Leitlinie: Begutachtung der Halswirbelsäulendistorsion, Akt Neurol 2008, 35, S. 132: auch Neurologen).

  • Vorliegend war im Hinblick auf die vorgetragenen neuronalen Beschwerden eine Begutachtung auch durch Neurochirurgen zulässig und auch geboten (vgl. Senat, Urt. v. 11.3.2011 - 10 U 4677/10 [juris]; SP 2012, 111; aus medizinischer Sicht: Lang/Badke/Grifka/Köllner/Marx/Stoll/Tegenthoff/Weise a.a.O. S. 132; ; ferner der im Verfahren 10 U 2853/06 des Senats angehörte Sachverständige [vgl. das Urt. v. 21.5.2010 ; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v. 20.12.2011 - VI ZR 165/10 zurückgewiesen]; a. A. Moorahrend u. a., a.a.O. ).

cc) Dennoch konnte das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. so nicht verwertet werden.

Der Sachverständige hat nämlich in seinem Gutachten vom 16.05.2012 selbst ausgeführt, dass er eine vorgelegte Disc (Praxis Dr. V.) nicht habe öffnen können (vgl. S. 4 des Gutachtens) und er nur feststellen könne, dass bei der jetzigen Begutachtung wesentliche Untersuchungsbefunde nicht vorgelegt wurden und sich viele fachärztliche Untersuchungen nur in entsprechenden Passagen von Vorgutachten wiederfänden (vgl. S. 10, 14 des Gutachtens). In seiner Zusammenfassung des Gutachtensergebnisses führte der Sachverständige aus: „Der entscheidende Schritt zur gutachterlichen Feststellung der Kausalität ist schlussendlich die Erfassung des primären Gesundheitsschadens. Hier fehlen dem Gutachter wichtige Vordokumente zur entsprechenden Mitbeurteilung und Erfassung in der Beurteilung.“ (S. 15 des Gutachtens). Ausweislich der Akte wurden dem Sachverständigen bis zur Anhörung vor dem Landgericht am 20.12.2012 (Bl. II 475/479 d.A.) keine weiteren Unterlagen zur Verfügung gestellt. Dennoch machte der Sachverständige in seiner Anhörung Angaben zur Unfallkausalität, ohne zu erläutern, weshalb er diese Aussage in Abweichung zu seinem schriftlichen Gutachten auch ohne Nachreichung der erforderlichen Unterlagen treffen kann.

Das Erstgericht hat dadurch, dass es diese Wende des Sachverständigen kommentarlos hinnahm, gegen seine aus § 286 I 1 ZPO folgende Verpflichtung verstoßen, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. BGH VersR 2004, 790; 2008, 1265; NJW-​RR 2011, 428 jew. m. w. N.).

dd) Schließlich und ganz wesentlich krankt das Ersturteil aber auch daran, dass sich die Kammer in den Entscheidungsgründen mit dem Gutachten des Sachverständigen mit keinem Wort auseinandersetzt und dadurch erneut gegen ihre aus § 286 I 1 ZPO folgende Verpflichtung zur umfassenden Verhandlung- und Beweiswürdigung verstoßen hat. Es findet sich lediglich im Tatbestand ein Hinweis, dass ein Gutachten des Prof. Dr. M. erholt worden sei.

b) Weiter hat der Kläger im Schriftsatz vom 22.11.2011 (Bl. II 433 d.A.) die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens beantragt. Im Hinblick auf die bereits in der Klage angesprochenen Diagnose eines posttraumatischen pseudoneurasthenischen Syndroms (vgl. hierzu auch Gutachten von Prof. Dr. M. vom 16.05.2012, S. 4 = Bl. II 441 d.A.) hätte sich das Landgericht mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Es fehlen im Ersturteil jegliche Erläuterungen, weshalb von der Einholung des Gutachtens abgesehen wurde.

Das unberechtigte Übergehen eines Beweisantrags stellt einen Verstoß gegen § 286 I 1 ZPO dar (grdl. RGZ 118, 382 [383 f.]; ferner etwa BGH NJW-​RR 1992, 1392 [1393]; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 286 Rz. 12); diese Vorschrift umfasst auch die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel als Ausfluss der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 I GG (BVerfGE 50, 32 = NJW 1979, 413; BVerfGE 60, 247 [249]; 69, 145 = NJW 1985, 1150; BVerfG NJW 2003, 125 [127]; NJW 2005, 1487; BGH NJW-​RR 2008, 414; Beschl. v. 28.04.2011 - V ZR 220/10 [juris, dort Rz. 11 ff.]; v. 21.07.2011 - IV ZR 216/09 [juris]; OLG München SchiedsVZ 2011, 230 ff.).

2. Die weiteren Berufungsangriffe sind dagegen nicht zielführend.

a) Soweit der Berufungsführer die Feststellungen des Erstgerichts zur Beschaffenheit der Fahrbahn (einspurig oder zweispurig) beanstandet (BB 2 unter II 1), also von einem anderen Tatbestand als dem des Ersturteils ausgeht oder diesen angreift, ist dies fehlsam, weil der Tatbestand des Ersturteils den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt bestimmt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; RGZ 2, 401; BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 140, 335 [339]; NJW 2001, 448; NJW-​RR 2002, 1386 [1388]; NJW 2004, 1381; MDR 2007, 853; NJW-​RR 2009, 981; BAGE 8, 156 = NJW 1960, 166; BFH BFH/NV 1999, 1609; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., zuletzt etwa r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-​RR 2003, 778 (779) und 891 (892); OLG Rostock OLGR 2004, 61; vgl. zu dem Fragenkreis umfass. Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Aufl. 2013, Rz. 128-​132).

Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 122, 297 = NJW 1993, 1851 [1852]; NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1] = NJW-​RR 2010, 975; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 [in MDR 1984, 321 insoweit nicht abgedruckt] und Senat in st. Rspr., zuletzt etwa r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-​RR 2003, 778 [779] und 891 [892]; Eichele/Hirtz/Oberheim, Berufung im Zivilprozess, 3. Aufl. 2011, Kap. IV Rz. 106; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 320 Rz. 1; Doukoff a.a.O. Rz. 137). Wenn der Kläger die erstgerichtliche Feststellung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte er, worauf die Streitverkündete in ihrer Berufungserwiderung vom 19.08.2013 (S. 2 = Bl. 543 d. A.) zutreffend hingewiesen hat, ein - fristgebundenes - Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat in st. Rspr., zuletzt etwa r+s 2010, 434; vgl. dazu ausführlich Doukoff a.a.O. Rz. 135-​137).

Im Übrigen lässt dieser Berufungsangriff eine Verkennung der straßenverkehrstechnischen Zusammenhänge besorgen. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sp. vom 05.08.2002 (S. 20) war die Fahrbahn an der Unfallstelle 6 m breit, ein Fahrsteifen (siehe dazu § 7 I 2 StVO) also - entsprechend der Regelfahrstreifenbreite nach der Querschnittsgruppe D der Richtlinien für die Anlage von Straßen - Querschnittsgestaltung (RAS-​Q, siehe http://www.sichere strassen.de/_VKO.htm) - 3 m breit und damit bei Zugrundelegung einer Fahrzeugbreite einschließlich Bewegungsspielräume von 2,25 m nur eine „einspurige“ Straße gegeben.

b) Mit der Behauptung der Berufung, der Kläger sei nicht am Ende einer längeren Fahrzeugkolonne, sondern „inmitten“ derselben gestanden (BB 2 unter II, noch zu 1) kann der Kläger ebenfalls nicht durchdringen:
  • Die Behauptung ist neu: In der Klageschrift vom 17.08.2001 (S. 2 = Bl. 2 d. A.) findet sich kein diesbezüglicher Vortrag; in der Klageerwiderung vom 16.11.2001 heißt es auf S. 2 (= Bl. 14 d.A.) explizit: „Das klägerische Fahrzeug war das letzte Fahrzeug einer längeren Kolonne.“ Dem wurde in der der Replik vom 10.01.2002 (Bl. 23/24 d.A.) nicht widersprochen. Auch im Rahmen der Anhörung des Klägers am 29.07.2004 (Bl. 222/223 d. A.) findet sich keine dem jetzigen Vortrag entsprechende Darstellung. Die Berufung hat entgegen § 531 II 1 Nr. 3 ZPO nicht dargetan, dass dieser Vortrag und das Beweisangebot ohne Nachlässigkeit in der 1. Instanz unterblieben.

  • Im Übrigen ist nicht erkennbar, wie die Unfallgegnerin mit ihrem Pkw bei Zugrundelegung des jetzigen Vortrags mit einer nahezu 100%-​igen Überdeckung der Karosseriestrukturen (vgl. Gutachten des Sachverständigen Dr. S. S. 37) auf das klägerische Fahrzeug hätte auffahren können, und zwar mit hoher Geschwindigkeit (vgl. BB 7 unter III: Die Unfallgegnerin „knallte“ auf das klägerische Fahrzeug), wenn das klägerische Fahrzeug sich inmitten einer Kolonne befand.

c) Unabhängig davon, dass der Kläger auch hinsichtlich seines Vortrags BB 2 unter II 2 eine Tatbestandsberichtigung verabsäumte, ist die Relevanz dieses Vortrags nicht erkennbar - es ist unerheblich, warum die Unfallgegnerin den klägerischen Pkw (unstreitig) zu spät erkannt hat.

d) Die Berufungsrüge BB 3 unter II 3 beruht darauf, dass der Kläger das Ersturteil missverstanden hat: Dort heißt es nicht „erst nach 2 Jahren“ sondern „auch nach 2 Jahren nach dem Unfall“.

e) Hinsichtlich der Berufungsrüge BB 3 unter II 4 und 5 ist zunächst auf vorstehend c) zu verweisen.

aa) Desweiteren genügt das Beweisangebot „Beweis: wie vor“ nicht den Anforderungen:
  • Beweisanträge sind mit der jeweiligen Tatsachenbehauptung zu verbinden (sog. Beweisverbindung, vgl. dazu Oelkers/Müller, Anwaltliche Strategien im Zivilprozess, 4. Aufl. Neuwied 2001, S. 126, Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, Stuttgart 2009, Rz. 215, Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. München 2010, § 79 Rz. 44, Oberheim, Erfolgreicher Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl. Neuwied 2011, Rz. 954 und eingehend Michel/von der Seipen, Der Schriftsatz des Anwalts im Zivilprozess, 6. Aufl. München 2004, S. 164).

  • Es ist vorliegend weder dargetan noch erkennbar, wie die mit diesem Beweisangebot benannte Zeugin Kraft dazu etwas bekunden kann, womit der Kläger vor der Kollision rechnete.

bb) Die Ausführungen der Berufung zu der angeblichen Bedeutung des behaupteten Umstandes, dass der Kläger „mit verdrehtem Kopf nach links“ in seinem Fahrzeug gesessen sei, lässt weiter eine mangelnde Kenntnis des aktuellen Standes der diesbezüglichen biomechanischen, medizinischen und juristischen Diskussion erkennen.

(1) Während die Rechtsprechung (BGH VersR 2003, 475; NJW-​RR 2008, 1380; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2011 - I-​1 U 151/10 [BeckRS 2011, 11257 m. zust. Anm. Kääb FD-​StrVR 2011, 318316]) und auch das juristische Schrifttum (vgl. Krumbholz DAR 2004, 434 [435]; Eggert VA 2004, 204 [206 unter 4]; a. A. Böhm zfs 2011, 483 [484 unter 4.2]) die Relevanz einer out-​of-​position oder eine Kopfdrehung grundsätzlich bejahen, ist nach verbreiteter Ansicht in der Biomechanik und Medizin eine out-​of-​position ebenso wie eine Kopfdrehung jedenfalls im Niedriggeschwindigkeitsbereich (bis ∆ v = 10 km/h) irrelevant oder sogar geeignet, die Belastung der Halswirbelsäule gegenüber einer „Normalposition“ zu verringern (aus unfallanalytischer Sicht Fürbeth/Großer/Müller, HWS-​Biomechanik 98 - Sonderfälle zum Verletzungsrisiko, in: VKU Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 1999, 32 ff., passim; Meyer/Becke, FIP - Forward Inclined Position, Insassenbelastung infolge vorgebeugter Sitzposition bei leichten Heckkollisionen, in: VKU Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 1999, 214 ff., passim; Weber HAVE 2010, 378 [381 f. unter VI mit umfangreichen Nachw.]; aus medizinischer Sicht Elbel, Kollisionsdynamik der beteiligten Fahrzeuge als Kausalitätskriterium für Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule, Diss. Ulm 2007, S. 48 [unter 4.5.3]; Mazzotti/Castro NZV 2008, 113 [116 unter IV 2, and. noch NZV 2008, 16 [18]); Schelter a.a.O. Kap. 20 C Rz. 14; Schneider a.a.O. 29 f.; a. A. Du Chesne, Begutachtung bei indirekter Kopf-​Hals-​Beschleunigung im Low-​velocity-​Bereich, in: Brinkmann/Madea, Handbuch gerichtliche Medizin, Bd. 1, Berlin - Heidelberg 2004, S. 472 [477]; Oder, Beschleunigungstraumen der Halswirbelsäule - Aktuelle Entwicklungen in Behandlung und Begutachtung, in: neurologisch 04/2009, S. 15; Weber/Badke/Hausotter, Anhaltspunkte für die Begutachtung der Halswirbelsäulenverletzung, in: DGU - Mitteilungen und Nachrichten Suppl/2004, Sup_03, S. 1 [11 unter 7] und Wyrwich/Heyde, Gutachterliche Probleme nach Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule, in: Der Orthopäde 2006, 319 [325]).

(2) Unabhängig davon und ganz entscheidend ist zu bedenken, dass die entsprechenden Angaben der Verletzten regelmäßig rein subjektiv und in der Regel nicht sicher zu rekonstruieren sind und deshalb keine wissenschaftlich belegbare Aussagekraft haben (Elbel a.a.O. S. 48 unter 4.5.4); Berz/Burmann/Weber a.a.O. Kap. 21 F 42; aus juristischer Sicht Bachmeier, Verkehrszivilsachen, 2. Aufl. München 2010, Rz. 842).

(3) Selbst wenn man vorliegend eine Kopfdrehung als gegeben annehmen und ihr eine Bedeutung beimessen würde, sind die vom Berufungsführer gezogenen Schlussfolgerungen unzutreffend.

Eine HWS-​Distorsion Grad III nach Erdmann (hier ist anzumerken, dass der Kläger noch in der erster Instanz in der Replik vom 10.01.2002 [S. 1 = Bl. 23 d. A.] den damals zur Diskussion stehenden Sachverständigen Dr. Sch. mit dem Argument ablehnte, dieser würde „mit der seit Jahrzehnten bekannten Einklassifizierung nach Erdmann I, II und III arbeiten“) liegt nur vor, wenn symptomatisch eine totale Haltungsinsuffizienz der Kopfhaltemuskulatur, Brachialgien, Armparesen, eventuell kurze initiale Bewusstlosigkeit gegeben sind und morphologisch (und bildgebend nachweisbare) Veränderungen wie Gelenkkapseleinrisse, Gefäßverletzungen, Diskusblutung oder -riss, Bandrupturen, Wirbelkörperfraktur, Luxation, Nerv-​, Wurzel-​, Rückenmarkläsion feststellbar sind (Erdmann, Schleuderverletzung der Halswirbelsäule, Stuttgart 1973, S. 21; Keidel, Schleudertrauma der Halswirbelsäule, in: Brandt, T., H. C. Diener, J. Dichgans [Hrsg.], Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen, 3. Aufl. Stuttgart 1998, S. 69-​84).

Derartig schwere und unmittelbar nach dem Unfall auftretende Verletzungen hat die erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht ergeben (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in der mündlichen Anhörung vom 29.07.2004 [Prot. S. 5 = Bl. 225 d. A.]). Der Hinweis auf die Feststellungen der erstbehandelnden Ärzte Dr. F. und Dr. M. genügt nicht, weil auch diese solche Feststellungen nicht getroffen haben.

Inwieweit ein kardiologisches Gutachten geeignet sein soll, eine HWS-​Distorsion Grad III nach Erdmann festzustellen, wird weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Bekanntlich hat eine HWS-​Distorsion nach herrschender Ansicht in der Medizin und in der Rechtsprechung durch Orthopäden oder Unfallchirurgen zu erfolgen (s. oben I 1 a bb)

f) Dem Beweisangebot BB 4 unter II 6 ist aus folgenden Gründen nicht nachzukommen:

(1) Die Feststellungen der behandelnden Ärzte sind zwar eine wichtige Erkenntnisquelle (BGH NJW-​RR 2008, 1380; OLG Köln NJW-​RR 1999, 720; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2002 - I-​1 U 142/01 [juris] und NJW 2011, 3043 = SP 2011, 431 = r+s 2011, 402 m. zust. Anm. Kääb FD-​StrVR 2011, 318316; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, dort Rz. 266] und v. 12.08.2011 - 10 U 3369/10 [juris, dort Rz. 44]; LG Saarbrücken, Urt. v. 04.01.2008 - 13 A S 31/07 [juris]), genügen aber alleine nicht zur Klärung der regelmäßig entscheidenden Frage des Kausalzusammenhangs (BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a. E.; NJW-​RR 2008, 1380; OLG Hamm NZV 2001, 468; Senat SP 2002, 347 f. und NZV 2003, 474; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-​Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann; v. 29.06.2007 - 10 U 4379/01 [juris, dort Rz. 66]; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, dort Rz. 266]; v. 12.08.2011 - 10 U 3369/10 [juris, dort Rz. 45, 46]; OLG Düsseldorf a.a.O. ; KG VRS 110 [2006] 1 [3]; 116 [2009] 421 [426] und Beschl. v. 03.12.2009 - 12 U 232/08 (juris); OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264; OLG Celle SP 2010, 284; LG Wuppertal VersR 2005, 1098). Bei den Diagnosen der behandelnden Ärzte handelt es sich meist um eine sog. Verdachtsdiagnose (OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Auer/Krumbholz NZV 2007, 273 [274]; Staab VersR 2003, 1216 [1219 unter 3 a]; Eschelbach/Geipel NZV 2010, 481 [483 unter III]). Es dürfen nämlich nicht Befund und Befinden verwechselt werden - Aufgabe des behandelnden Arztes ist die Bekämpfung eines bestimmten negativen Befindens und nicht die „Behandlung des Röntgenbildes“ (so trefflich Hontschik; Süddeutschen Zeitung Nr. 183 vom 11.08.2010, S. 16; eingehend zu der spezifischen Sichtweise des behandelnden Arztes Lepsien NZV 2011, 10 f. unter II).

(2) Aus diesem Grund ist auch einem Beweisantrag auf Einvernahme der Ärzte als sachverständige Zeugen in der Regel nicht nachzukommen (BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a. E.; NJW-​RR 2008, 1380; Senat NZV 2003, 474; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; v. 29.06.2007 - 10 U 4379/01 [juris, dort Rz. 66]; Urt. v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, dort Rz. 267]; v. 15.04.2011 - 10 U 5655/10 [juris, dort Rz. 23]; OLG Celle SP 2010, 284; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.04.2011 - I-​1 U 151/10 [BeckRS 2011, 11257 m. zust. Anm. Kääb FD-​StrVR 2011, 318316]).

Der Bundesgerichtshof fasst das Vorstehende in seinem Urteil vom 03.06.2008 (NJW-​RR 2008, 1380) wie folgt zusammen:
„Da der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt, steht für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Deshalb sind zeitnah nach einem Unfall erstellte ärztliche Atteste für den medizinischen Sachverständigen eher von untergeordneter Bedeutung (Mazzotti/Castro, NZV 2008, 113, 114). Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein (so aber OLG Bamberg, aaO). Im Regelfall wird das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall Berücksichtigung finden können (Müller, VersR 2003, 137, 146; ebenso v. Hadeln, NZV 2001, 457, 458 f.). Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (Senatsurteile vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373 und vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - VersR 2008, 235, 237 f.).“
g) Die Berufung verkennt mit ihrer Rüge BB 4 unter II 7, dass die Unfallursächlichkeit der Protrusionen und des Diskusprolaps nicht feststeht (vgl. auch die Ausführungen des vom Kläger in erster Instanz benannten Prof. Dr. H. in der mündlichen Anhörung vom 29.07.2004 [Prot. S. 6 = Bl. 226 d. A.]), so dass es unerheblich ist, ob diese Veränderungen auch 2001 vorhanden waren.

h) Dem Beweisangebot BB 4/5 unter II 8 ist aus folgenden Gründen nicht nachzukommen:

(1) Funktionelle Magnetresonanztomographien (fMRT), wie sie von dem Radiologen Dr. Eckhard V. immer wieder propagiert wurden (vgl. Stellenwert der Neuroradiologie, ihre Möglichkeiten bei „Instabilitäten“ des cervico-​occipitalen Übergangs, in: Moorahrend [Hrsg.], Kontroverses zum HWS-​Schleudertrauma, Darmstadt 2003, S. 33-​38), haben hinsichtlich der zentralen Frage der Unfallursächlichkeit der behaupteten Beschwerden keine hinreichende Aussagekraft und sind deshalb nach ganz herrschender Auffassung im medizinischen Schrifttum (vgl. etwa die Leitlinie „Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule“ 2012 der Deutschen Gesellschaft für Neurologie; Krömer, Stellenwert der Funktions-​Computertomographie in der Begutachtung der Halswirbelsäulen-​Beschleunigungsverletzung, Diss. Bochum 2001, S. 56; ferner Lepsien, S. 12 f. (unter IV 3 m. w. N.); eingehend Oder S. 21 f. und jüngst Thomann/Schomerus/Sebestény/Rauschmann Der Orthopäde 2010, 285 ff., passim; Schröter S. 73; a. A. eingehend Andreas Otte, Langzeitfolgen des HWS-​Schleudertraumas, in: Graf/Grill/Wedig [Hrsg.], Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule, Darmstadt 2009, S. 184 ff., passim) sowie in der Rechtsprechung (KGR 2006, 572 ff.; Senat, Hinweisbeschl. v. 11.07.2006 - 10 U 3622/99, dazu Urt. v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-​Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [juris] zurückgewiesen; a. A. noch OLG Celle [14. ZS9 VersR 2002, 1300 und [5. ZS], Urt. v. 23.10.2003 - 5 U 196/02 [juris]) und juristischer Lehre (etwa Eggert VA 2004, 204 [206 unter 5]; a. A. Kuhn DAR 2001, 344 [349] und Oexmann, Begutachtung der posttraumatischen HWS-​Distorsion, Hamm 2010 - http://tinyurl.com/badc87g [11.11.2012] - S. 5) nicht zu erholen.

(2) Nach Kenntnis des Senats praktiziert Dr. V. seit 2008 nicht mehr, eine ladungsfähige Anschrift ist nicht bekannt (die bei den Akten befindliche aus dem Jahr 2002, vgl. Bl. 181, ist nicht aktuell).

i) Bei den Ausführungen BB 5 unter II 9 und 10 handelt es sich um eine Wiedergabe prozessualer Vorgänge und Ausführungen, denen aber keine selbständige argumentative Bedeutung im Rahmen der Berufung beikommt.

j) Die Angriffe gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. N. unter BB 5/6 unter II 11 bis 13 sind schon von ihrem Ansatz her nicht zielführend, weil wieder mit den angeblich unfallbedingten Protrusionen und einem Diskusprolaps argumentiert wird (siehe dazu oben g).

Weshalb das „einzuholende orthopädisch/chirurgische Obergutachten“ gerade von Prof. Dr. E. H. zu erstatten sei, wird trotz der Regelung des § 404 I 1 ZPO nicht näher erläutert (dass ein „Obergutachten“ der ZPO fremd ist, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt). Die Voraussetzungen für die Erholung eines weiteren Gutachtens i.S.d. § 412 I ZPO sind weder dargetan (vgl. zu den Voraussetzungen Thomas/Putzo/Reichold a.a.O. § 412 Rz. 1) noch ersichtlich.

k) Bei den Ausführungen BB 6 unter II 14 handelt es sich um eine Zusammenfassung der vorausgegangenen Ausführungen, der aber keine selbständige argumentative Bedeutung im Rahmen der Berufung beikommt.

l) Die umfangreichen Ausführungen der Berufung unter BB 6/7 unter III 1 zu den „gegenwärtigen Unfallfolgen“ stehen - jedenfalls, soweit sie einen im Jahr 2003 festgestellten Tinnitus, eine Schlafstörung mit der Notwendigkeit des Tragens einer Atemmaske seit 2011 sowie Herz- und Kreislaufstörungen ab August 2010 betreffen - in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu den Ausführungen BB 10 unten (= Bl. 513 d. A.), wonach nur „eine Entschädigung für die Zeit vom 15.9.1998 bis zum 17.8.2001“ eingeklagt werden kann. Dies gilt auch für den Vortrag auf S. 19 der Berufungsbegründung (unter Nr. 24), wonach der Kläger zwischenzeitlich (seit wann wird in der Berufungsbegründung nicht dargelegt) in Folge der Beeinträchtigungen nach dem Schleudertrauma ein Schlafapnoe-​Syndrom erlitten habe, das zu einer koronaren Herzerkrankung mit Schwindelbeschwerden geführt habe.

m) Ob, wie die Berufung BB 7 unter III 2 meint, die Stoßerwartung (überraschende oder erwartete Kollision) relevant ist, ist umstritten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass der Überraschungseffekt grundsätzlich keinen verletzungsfördernden Faktor darstelle (Mazzotti/Kanndaouroff/Castro NZV 2004, 335; Mazzotti/Castro NZV 2008, 113 [116 unter IV 3]; Schelter a.a.O. Kap. 20 C Rz. 14; Berz/Burmann/Weber a.a.O. Kap. 21 F 42 und Born, Zivilrecht, in: Madea/Mußhoff/Berghaus [Hrsg.], Verkehrsmedizin. Fahrsicherheit, Fahreignung, Unfallrekonstruktion, Köln 2007, S. 87 [93]). Dem wird im medizinischen und juristischen Schrifttum sowie in der Rechtsprechung (vgl. OLG Köln r+s 1991, 374; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2011 - I-​1 U 151/10 (BeckRS 2011, 11257 m. zust. Anm. Kääb FD-​StrVR 2011, 318316); AG Neunkirchen, Urt. v. 29.10.2010 - 5 C 791/08 (http://tinyurl.com/aml 43zv [4.9.2011])) aber generell (etwa v. Meyer, Gesundheitliche Beschwerden im Kopf-​Hals-​Bereich nach Auffahrunfällen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich - eine Feldstudie, Diss. München 2002, S. 81 f. [unter 6.11]; Eggert VA 2004, 204 [206 unter 4]; Eschelbach/Geipel NZV 2010, 481 [484 unter IV]) oder jedenfalls für den Fall der willentlichen Anspannung der Gesamtmuskulatur angesichts einer drohenden Heckkollision (etwa Jakobsson/Norin/Jernstöm et al., Analysis of different head and neck responses in rear-​end car collisions using a new humanlike mathematical model, Paper presented at the 1994 International IRCOBI Conference on the Biomechanics of Impacts, Lyon, Sept. 21-​23, 1994, passim; Großer DAR 2004, 426 [433 unter 5]) widersprochen.

o) Die Klassifikationen nach Erdmann und die nach QTF schließen sich, was der Kläger BB 11 unter III 3 verkennt, nicht gegenseitig aus, sondern haben eine, wenn auch nicht exakte Entsprechung (vgl. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Leitlinie „Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule“, 5. Aufl. Stuttgart 2012 [http://tinyurl.com/mlfe5zy - 30.5.2013]), S. 3), so dass der Vorwurf an den Sachverständigen Dr. Sp. ins Leere geht. Der Sachverständige Dr. Sp. hatte im Übrigen den Verkehrsunfall in biomechanischer Hinsicht zu untersuchen, nicht medizinische Befunde zu begutachten.

p) Die Behauptungen BB 11 unter III 4 und 5 sind nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme beweislos geblieben. Die Auffassung des Klägers, die zahlreich erholten Gutachten seien insgesamt nicht verwertbar, weil bezüglich der Verletzung der HWS neue medizinische Kenntnisse vorlägen, ist unzureichend begründet worden. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, dass andere Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügen, die es erlauben würden, ein posttraumatisches Zervikalsyndrom mit dem hier festgestellten Schweregrad besser zu beurteilen. Die vom Kläger in Bezug genommenen medizinischen Befunde, die vorgelegte Literatur etc. beinhalten keine neuen Erkenntnisse, sondern geben nur von der herrschenden medizinischen Auffassung abweichende Mindermeinungen dar. So wird nicht erläutert, weshalb gerade Prof. Dr. H. über derartige neue Erkenntnisse verfügen soll, die von allen seit Jahren vom Senat erholten medizinischen Fachgutachten und dem daran beschriebenen Stand der Medizin abweichen sollen. Zum Thema „Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule“ werden jährlich eine Vielzahl von Beiträgen veröffentlicht. Es ist nicht erforderlich, jedes Mal die jeweiligen Autoren als sachverständige Zeugen zu vernehmen. Auch spricht es nicht gegen die Fachkompetenz der vom Landgericht eingeschalteten Gutachter, wenn sie eine dieser Publikationen nicht kennen (da es sich insoweit auch nicht um eine Publikation handelt, die in der Fachmedizin anerkannt das Thema Beschleunigungsverletzungen der HWS revolutioniert hätte).

q) Soweit der Kläger BB 11 ff. unter III 5-​18 mehrfach betont, dass seine außergerichtlich erholten und im Verfahren vorgelegten Befunde nicht gewürdigt worden seien, ist dies nur teilweise zutreffend, da die Akten den Sachverständigen jeweils vorlagen und damit auch die Befunde. Diese wurden in den jeweiligen Gutachten gewürdigt (s. aber auch 1). Alleine aus der Tatsache, dass die erholten Gutachten nicht das von den Vorbefunden behauptete Ergebnis in unfallkausaler Hinsicht bestätigt haben, bedeutet nicht, dass die Vorbefunde missachtet wurden. Es bedurfte daher insoweit keiner weiteren Erwähnung mehr in den Entscheidungsgründen des Ersturteils. Nach § 313 III ZPO sollen die Entscheidungsgründe im Übrigen nur eine „kurze Zusammenfassung“ der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Ein Gericht braucht deshalb nicht jedes Parteivorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu behandeln (BVerfG RdL 2004, 68 [unter II 1 a]; BGHZ 3, 162 [175]; 154, 288 [300 unter II 3 b bb (3)] = NJW 2003, 1943 [1947]; NJOZ 2005, 3387 [3388]; NJW 2011, 1442 [1446, Tz. 50]; BAG NZA 2005, 652 [653]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05). Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinander setzen, rechtfertigt daher nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Vielmehr bedarf es hierzu besonderer Umstände (vgl. BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.; BAG a.a.O.; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06 sowie Urt. v. 06.10.2006 - 10 U 1963/06), die hier nicht vorliegen.

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Das erstinstanzliche Verfahren und das Urteil leiden an einer Reihe schwerwiegender Mängel:

(1) Das unberechtigte Übergehen eines Beweisantrags begründet, da es sich bei dem Gebot der Ausschöpfung der angebotenen Beweise um das Kernstück des Zivilprozesses handelt (Senat NJW 1972, 2048 [2049]), einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne § 538 II 1 Nr.1 ZPO (BGH NJW 1951, 481 [482]; VersR 2011, 1392 [1394 unter Tz. 21]; Senat a.a.O. ; Urt. v. 05.02.2008 - 30 U 563/07 [juris, dort Rz. 26]; v. 25.09.2009 - 10 U 5684/08 [juris, dort Rz. 21 mit zustimmender Anmerkung Krämer jurisPR-​VerkR 2/2010 Anm. 5]; v. 17.12.2010 - 10 U 1753/10 [juris, dort Rz. 25]; v. 26.10.2011 - 3 U 1548/11 [juris, dort Rz. 26]; v. 18.11.2011 - 10 U 405/11 [juris, dort Rz. 33]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris, dort Rz. 8]; OLG München, Urt. v. 25.04.2012 - 3 U 4323/11 [juris, dort Rz. 60]; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.04.2010 - 9 U 133/09 [juris, dort Rz. 29]; NJW-​RR 2010, 1689; KG, Urt. v. 14.02.2010 - 12 U 67/10 [juris]; Beschl. v. 02.08.2010 - 12 U 49/10 [Juris, dort Rz. 52]; OLG Zweibrücken NJW-​RR 2011, 496 [498]; NZV 2012, 295 [296 a. E.]; OLG Jena NJW 2012, 2357 f.; OLG Naumburg NJW-​RR 2012, 1535 [1536]; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl. 2004, § 538 Rz. 27; Zöller/Heßler a.a.O. § 538 Rz. 25).

Eine (erheblich) mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (OLG Zweibrücken OLGR 2000, 221; OLG Köln NJW 2004, 521 = VersR 2003, 1587; OLG Bremen OLGR 2009, 352; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11; OLG Frankfurt a. M. MDR 2011, 880 f.; Zöller/Heßler a.a.O. ).

(2) Die teilweise völlig fehlende Beweiswürdigung (hier des - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen in der Anhörung im zentralen Punkt widersprüchlichen - Gutachtens von Prof. Dr. M.) stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher ebenfalls zur Zurückverweisung gem. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (BGH NJW 1957, 714 = ZZP 71 [1957] 470; OLG Köln VersR 1977, 577; 1997, 712; Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]; OLG Bremen OLGR 2009, 352; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl. 1988, § 539 Anm. B III d; Zöller/Heßler a.a.O. § 538 Rz. 28).

2. Diese Mängel begründen erst Recht in der Gesamtschau und auch bei Berücksichtigung anderer, ggf. entgegenstehender Gesichtspunkte vorliegend die Notwendigkeit der Zurückverweisung:

a) Eine Beweisaufnahme in dem vorstehend beschriebenen Umfang wäre umfangreich i. S. d. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO und würde den Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen, teilweise Wiederholung der Beweisaufnahme an Stelle der 1. Instanz (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521; OLG Naumburg NJW-​RR 2012, 1535 [1536]) zwingen.

Hinzu kommt weiter, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls im wesentlichen Bereich erstmalig auch zur Höhe entschieden werden muss (vgl. Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

b) Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil, dass eine gewisse Verzögerung und Verteuerung des Prozesses eintritt, muss hingenommen werden, wenn es darum geht, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und dass den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge voll erhalten bleiben (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-​RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner nun bereits im dritten Jahr bestehenden außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht ansatzweise zu erwarten.

Die Frage der Zurückverweisung wurde auch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteivertretern ausführlich erörtert. Die Parteivertreter sind einer Zurückverweisung nicht entgegengetreten. Auch der Kläger hat trotz seiner schriftlichen Bitte vom 23.01.2014 um eine eigene Sachentscheidung des Senats hilfsweise die Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung beantragt.

III. Nach dem Wortlaut des § 538 II 1 Nr. 1 ZPO ist das erstinstanzliche Verfahren aufzuheben, soweit es durch den Mangel betroffen wird. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, lediglich den von dem Verstoß betroffenen Verfahrensvorgang zu beseitigen, wobei nicht nur die Aufhebung auf mangelbehaftete, eindeutig abtrennbare Verfahrensteile beschränkt werden kann (OLG Saarbrücken NJW-​RR 1999, 719 [720]; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 33]; VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl. 2008, Rz. 670; Eichele/Hirtz/Oberheim, a.a.O. Kap. XVIII Rz. 89), sondern auch die Aufhebung zeitlich begrenzt und ab einem bestimmten Termin angeordnet werden kann (OLG Saarbrücken NJW-​RR 1999, 719 [720]; AK/Ankermann, ZPO, 1987, § 539 Rz. 10; Wieczorek/Rössler a.a.O. § 539 Anm. C II; Eichele/Hirtz/Oberheim a.a.O. ).

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

1. Es ist die Einholung einer ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sp. zur Frage, ob biomechanisch der Umstand eine Rolle spielt, dass das klägerische Fahrzeug eine Anhängerkupplung hatte (vgl. Erstgutachten S. 22/23, 36; Hinweis auf Burg, Beurteilung von Halswirbelsäulenverletzungen aus technischer Sicht [http://tinyurl.com/a92334e <5.2.2011> S. 3 m. w. N.; Otte D./Pohlemann/Blauth, HWS-​Distorsionen im geringen Unfallschwerebereich, in: VKU - Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik - 1998, S. 15).

2. Es ist die Einholung (und späteren Verwertung) eines neurochirurgischen Gutachtens erforderlich.

Dabei ist der Senat der Auffassung, dass eine erneute Beauftragung des Sachverständigen Prof. Dr. M. im Hinblick auf die oben unter I 1 a cc geschilderten Umstände wenig sachdienlich sein dürfte.

Bei diesem zu erstellenden Gutachten ist der Vortrag des Klägers, vor allem auch in der Berufungsinstanz, sämtliche relevanten vorgelegten oder erholten ärztlichen Gutachten, Stellungnahmen, Arztberichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse, deshalb auch die Feststellungen der Ärzte Dr. F., Dr. V. (insoweit ist jedoch auf oben I 2 h hinzuweisen) und Dr. F. zu berücksichtigen und hierzu Stellung zu nehmen.

Gem. § 404 a I ZPO sollte der Sachverständige darauf hingewiesen werden, dass er
  • gem. § 407 a II ZPO nicht befugt ist, den Auftrag ohne vorherige Zustimmung des Gerichts ausdrücklich oder faktisch vollständig auf einen anderen Mitarbeiter zu übertragen, soweit eine Übertragung aus vorab darzulegenden zwingenden Gründen erforderlich sein sollte, sollte er bereits vorher darauf hingewiesen werden, dass eine solche nur auf einen leitenden und habilitierten Mitarbeiter in Betracht kommt;

  • soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, diese namhaft zu machen und der Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben hat, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung (Blutentnahmen, Anfertigung von Röntgenbildern, Schreibarbeiten etc.) handelt;

  • zur Erholung von Zusatzgutachten (zu fachfremden Teilfragen, wie hier ggf. radiologischen Zusatzgutachten) ermächtigt wird, soweit diese nach seiner sachverständigen Ansicht erforderlich sind, und die Zusatzgutachten dem Hauptgutachten beizufügen hat;

  • vor der Abfassung und Vorlegung des Gutachtens bei Gericht nachzufragen hat, wenn ihm nicht alle für das Gutachten erforderlichen Unterlagen vorliegen und von ihm nicht beurteilt werden können;

3. Es ist die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu dem vom Kläger behaupteten posttraumatischen pseudoneurasthenischen Syndrom (ICD-​10 F06.6), wobei die unter Nr. 2 aufgeführten Hinweise an den Sachverständigen in gleicher Weise zu beachten sind.

IV. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-​RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gem. § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel, welcher allein gem. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt; dies gilt jedenfalls bei einem - hier gegebenen - offensichtlichen Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung (BGH NJW 1962, 2107; BGHZ 98, 318 [320]; BGH, Beschl. v. 27.01.1994 - V ZR 7/92 [juris]; NJW-​RR 2003, 1294; OLG Köln NJW 2004, 521; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729).

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277 und OLG Düsseldorf NJW-​RR 2007, 1151 jeweils für ein unzulässige Rechtsgutachten über inländisches Recht; OLG Celle OLGR 2005, 723 für eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Höhe vor Klärung des Anspruchsgrundes; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08 für Gutachten von wegen Befangenheit ausgeschlossenen Sachverständigen, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a.a.O. ).

VI. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.