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BGH Urteil vom 14.09.2005 - VIII ZR 363/04 - Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens von Sachmängeln bei Gefahrübergang

BGH v. 14.09.2005: Zur Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens von Sachmängeln bei Gefahrübergang


Der BGH (Urteil vom 14.09.2005 - VIII ZR 363/04) hat entschieden:
  1. Ein Sachmangel der Kaufsache kann sich dem Käufer auch dann erst nach Gefahrübergang "zeigen", wenn er ihn im Falle einer eingehenden Untersuchung schon bei der Übergabe hätte entdecken können.

  2. Die Vermutung, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ist nicht schon dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann und deshalb keinen hinreichend sicheren Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei Gefahrübergang vorhanden war.

  3. Die Vermutung, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, kann auch für äußere Beschädigungen der Kaufsache wie etwa einen Karosserieschaden eines verkauften Kraftfahrzeugs eingreifen. Sie ist jedoch dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen handelt, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssen.

Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Gebrauchtwagenkauf


Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers zum Rücktritt von einem Kraftfahrzeugkaufvertrag.

Die Beklagte betreibt einen Neu- und Gebrauchtwagenhandel sowie eine Werkstatt mit Lackiererei. Am 28. Oktober 2003 kaufte der Kläger, der nicht in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte, von ihr einen als Vorführwagen genutzten Pkw Ford Fiesta Ambiente, Baujahr 2001, Erstzulassung 2002, mit einer Laufleistung von 13.435 Kilometern zum Preis von 11.500 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am selben Tag gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben. Hierbei unterzeichneten der Kläger und der bei der Beklagten beschäftigte Kraftfahrzeugmeister K. ein formularmäßiges Übergabeprotokoll, in dem der Fahrzeugzustand durch Ankreuzen bestimmter Klassifizierungen festgehalten wurde. Bis auf die Reifen und Felgen, für die die Klassifizierung 2 – "Ohne Mängel und funktionstüchtig, Gebrauchsspuren und Verschleiß sind altersgerecht und laufleistungsbedingt, kein Reparaturbedarf" – angekreuzt wurde, sind alle aufgeführten Bauteile, darunter Karosserie, Sitze und Polster, der Klassifizierung 1 – "Einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und Verschleiß, regelmäßig gewartet, voll funktionstüchtig" – zugeordnet. Handschriftlich ist ein leichter Kratzer über der Beifahrertür mit dem Zusatz "Lack ausgebessert" vermerkt. Nach dem Formulartext ist das Übergabeprotokoll "Grundlage für die einjährige Sachmängelhaftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer".

Mit Schreiben vom 26. November 2003 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10. Dezember auf, sich zur Beseitigung folgender Mängel bereit zu erklären:
Schadhafte Felge hinten rechts;
Unebenheit am Rand des vorderen rechten Kotflügels;
Lackbeschädigung am Rand des hinteren linken Kotflügels;
Flecken auf der hinteren Sitzbank und auf dem Beifahrersitz.
Die Beklagte erklärte sich innerhalb der gesetzten Frist bereit, die Felge hinten rechts auszutauschen und die Rückbank zu reinigen. Die vom Kläger weiter behaupteten Mängel bestritt sie. Zu der von der Beklagten angebotenen Nachbesserung kam es nicht.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, das Fahrzeug gegen Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 25. Februar 2004 zurückzunehmen. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger hat daraufhin Klage auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer verminderten Kaufpreises, zuletzt 10.858,83 €, nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs, erhoben. Ferner hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.


Entscheidungsgründe:

A.

Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision nur insoweit zugelassen, als dem Kläger ein Rücktrittsrecht zuerkannt und deshalb zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Sofern in dieser Formulierung eine inhaltliche Beschränkung der Zulassung der Revision zu sehen sein sollte, die über eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Beklagte hinausgeht, wäre diese Beschränkung unwirksam mit der Folge, dass die Revision – für die Beklagte – unbeschränkt zulässig ist (st.Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2004 – XI ZR 255/03, NJW 2005, 664 unter A m.w.Nachw.).


B.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger sei nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Das ihm von der Beklagten verkaufte Fahrzeug sei mangelhaft. Der Zustand der Karosserie entspreche wegen der Verformung des vorderen rechten Kotflügels und der Stoßstange nicht der in dem Übergabeprotokoll vereinbarten Klassifizierung 1. Dasselbe gelte für den Lackschaden am linken hinteren Radlauf. Die hintere rechte Felge erfülle wegen einer Verformung nicht die insoweit vereinbarte Klassifizierung 2. Rückbank und Beifahrersitz seien fleckig.

Gemäß § 476 BGB sei zu vermuten, dass die Verformung des vorderen rechten Kotflügels und der Stoßstange bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs am 28. Oktober 2003 vorhanden gewesen sei. Die Vorschrift finde auf den vorliegenden Verbrauchsgüterkauf einer gebrauchten Sache Anwendung. Sie erfasse auch den hier gegebenen Fall, dass der Käufer einen bei Gefahrübergang erkennbaren Mangel erst nachträglich bemerke.

Die Vermutung, dass die Verformung an Kotflügel und Stoßfänger vorn rechts schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden gewesen sei, sei nicht mit der Art des Mangels unvereinbar. Zwar fehle es für den Zeitpunkt des Eintritts einer durch äußere Krafteinwirkung verursachten Beschädigung an einem allgemeinen Erfahrungssatz, weil eine solche Beschädigung jederzeit, also auch erst nach der Übergabe an den Käufer eingetreten sein könne.

Die Vorschrift des § 476 BGB beruhe aber nicht allein auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass das, was sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeige, schon im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden gewesen sei. Sie bezwecke vielmehr den Schutz der Verbraucher und trage dem Umstand Rechnung, dass einem Gewerbetreibenden der Nachweis, dass ein Mangel bei Gefahrübergang noch nicht vorgelegen habe, im Regelfall leichter falle als dem Verbraucher der Beweis des Gegenteils. Die Vermutung des § 476 BGB sei daher nicht schon dann wegen der Art des Mangels ausgeschlossen, wenn kein Erfahrungssatz dafür bestehe, dass er schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei. Hinzukommen müsse vielmehr, dass der Unternehmer den Mangel – anders als im vorliegenden Fall – bei Gefahrübergang nicht habe erkennen können.

Die Beklagte habe nicht nachzuweisen vermocht, dass der Karosseriemangel vorn rechts bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger noch nicht bestanden habe. Das bei der Übergabe gefertigte Protokoll, auf das sie sich hierfür berufen habe, sei bezüglich der Flecken auf den Sitzen unrichtig; daraus sei zu schließen, dass es insgesamt nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden sei. Außerdem habe es für die nach dem Protokoll vorzunehmende pauschale Beschreibung zum Zwecke der Klassifizierung einer Überprüfung der Karosserie im Einzelnen nicht bedurft; es sei deshalb nicht zu erwarten gewesen, dass der beteiligte Mitarbeiter der Beklagten den Mangel feststellen und im Protokoll vermerken werde.

Die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB seien erfüllt. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei in Anbetracht der Weigerung der Beklagten, den Karosseriemangel vorn rechts zu beseitigen, gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen. Der Rücktritt sei nicht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. In erster Instanz habe die Beklagte die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nicht dargelegt. Anders lautende Behauptungen in der Berufungsbegründungsschrift könnten nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden. Auch habe die Beklagte zu dem für die Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwand nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, sondern erst mit einem wenige Tage vor der Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsatz vorgetragen.

Offen bleiben könne, ob die Beschädigung am Radlauf hinten links und die Verformung der hinteren rechten Felge schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen seien und ob der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene Teilnacherfüllung hätte entgegennehmen müssen. Ob der Beklagten wegen der sonstigen Schäden Wertersatz- oder Schadensersatzansprüche zustehen könnten, bedürfe keiner Entscheidung, weil die Beklagte solche Ansprüche nicht geltend gemacht habe.


II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug insofern mangelhaft ist, als der vordere rechte Kotflügel und der Stoßfänger leicht nach innen verformt sind, und dass zu vermuten ist, dass dieser Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.

a) Die Verformung im Bereich des vorderen rechten Kotflügels und des Stoßfängers stellt, sofern sie bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, einen Sachmangel des Fahrzeugs im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Denn nach der mit der Erstellung des Übergabeprotokolls getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien sollte unter anderem die Karosserie des Fahrzeugs der dort verwendeten (höchsten) Klassifizierung 1 entsprechen, sich also in einwandfreiem Zustand befinden. Daran fehlt es nach den von der Revision nicht angegriffenen, auf der Begutachtung durch einen Sachverständigen in der ersten Instanz beruhenden tatrichterlichen Feststellungen, weil Kotflügel und Stoßfänger vorn rechts durch eine seitliche Krafteinwirkung leicht nach innen verformt sind.

b) Dass diese Verformung bereits bei Gefahrübergang – das heißt bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (§ 446 Satz 1 BGB) – vorhanden war, ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nach § 476 BGB zu vermuten.

aa) § 476 BGB findet gemäß § 474 Abs. 1 BGB auf den hier zu beurteilenden Kauf eines Kraftfahrzeugs, einer beweglichen Sache, durch den Kläger als Verbraucher (§ 13 BGB) von der Beklagten, die als Kraftfahrzeughändlerin Unternehmerin (§ 14 BGB) ist, Anwendung. Auch die Revision zieht dies nicht in Zweifel.

bb) Nach § 476 BGB wird vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

(1) Die Revision vertritt hierzu unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 2. Juni 2004 (VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215 = ZGS 2004, 309 = NJW 2004, 2229) die Auffassung, die Vermutung greife schon deswegen nicht ein, weil die Karosserieverformung auch – nach der Übergabe des Fahrzeugs – durch den Kläger verursacht worden sein könne und der Kläger nicht bewiesen habe, dass die Verformung schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei und damit einen Sachmangel darstelle. Mit diesem Einwand dringt die Revision nicht durch.

Richtig ist allerdings, dass den Käufer, der unter Berufung auf das Vorliegen eines Sachmangels Rechte gemäß § 437 BGB geltend macht, nachdem er die Kaufsache entgegengenommen hat, auch nach neuem Schuldrecht die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen trifft und dass die Beweislastumkehr nach § 476 BGB nicht für die Frage gilt, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Die Vorschrift setzt vielmehr einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und enthält eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war (Senat aaO unter II 2 a m.w.Nachw.).

In dem am 2. Juni 2004 entschiedenen Fall griff die Vermutung deswegen nicht ein, weil in den Tatsacheninstanzen nicht hatte geklärt werden können, ob die durch ein Überspringen des zu lockeren Zahnriemens am Stirnrad der Nockenwelle ausgelöste Fehlsteuerung der Motorventile, die zur Zerstörung des Motors geführt hatte, auf einen Material- oder Montagefehler des Zahnriemens – einen Sachmangel – zurückzuführen oder ob die Lockerung des Zahnriemens durch einen Fahrfehler des Fahrzeugkäufers – Einlegen eines kleineren Gangs bei hoher Motordrehzahl – verursacht worden war. Im vorliegenden Fall steht die Ursache der Karosserieverformung dagegen fest. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Verformung auf eine seitliche Krafteinwirkung zurückzuführen ist. Diese Feststellung greift die Revision nicht an. Bei dieser Ausgangslage hängt die Beantwortung der Frage, ob es sich um einen Sachmangel handelt, folglich allein davon ab, ob die Krafteinwirkung vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger oder erst nach derselben stattgefunden hat. Wollte man auch für diese Konstellation fordern, der Käufer müsse zunächst beweisen, dass es sich bei der Karosserieverformung um einen Sachmangel – und nicht um die Folge einer eigenen unsachgemäßen Behandlung oder, was insoweit keinen Unterschied macht, einer Beschädigung durch Dritte nach Gefahrübergang – handele, so liefe die Beweislastumkehr des § 476 BGB weitgehend leer. Ein solches Ergebnis stünde in Widerspruch zum Willen des nationalen und ebenso des europäischen Gesetzgebers, den Verbraucherschutz im Hinblick auf Sachmängel beim Kauf beweglicher Sachen zu stärken (Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-​Drucks. 14/6040 S. 245; Erwägungsgründe 1 ff. der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. EG Nr. L 171 S. 12).

Der Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen trifft und dass die Beweislastumkehr nach § 476 BGB eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dafür begründet, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war, ist deshalb dahin zu verstehen, dass dem Käufer die Beweislastumkehr nach § 476 BGB dann zugute kommt, wenn die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt, allein davon abhängt, dass eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit, die sich innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe der Sache an den Käufer zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.

(2) Ohne Erfolg bleibt auch der weitere Einwand der Revision, die Beweislastumkehr nach § 476 BGB gelte nur für Sachmängel, die bei Gefahrübergang zwar bereits vorhanden, aber noch nicht erkennbar oder "noch nicht aufgetreten" seien. Für eine dahingehende Einschränkung des Anwendungsbereichs sind dem Wortlaut der Vorschrift keine Anhaltspunkte zu entnehmen; sie wäre auch mit der vom Gesetzgeber angestrebten Verbesserung des Verbraucherschutzes nicht zu vereinbaren. Denn ein Mangel kann sich dem Käufer auch dann erst nach Gefahrübergang "zeigen", wenn er ihn im Falle einer eingehenden Untersuchung schon bei der Übergabe hätte entdecken können. Allerdings kann für Mängel, die dem Käufer bereits bei der Übergabe hätten auffallen müssen, die Beweislastumkehr nach § 476 BGB deswegen ausgeschlossen sein, weil die Vermutung, dass ein solcher Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, mit der Art eines derartigen Mangels unvereinbar ist (dazu unten zu cc).

cc) Die Vermutung, dass die Verformung des vorderen rechten Kotflügels und des Stoßfängers schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden war, ist weder mit der Art der Sache noch mit der Art des Mangels unvereinbar.

(1) Wie der Senat bereits entschieden hat, findet die Vorschrift des § 476 BGB auch auf den Verkauf gebrauchter Sachen Anwendung (Senatsurteil vom 2. Juni 2004 aaO; ebenso MünchKommBGB/S. Lorenz, 4. Aufl., § 476 Rdnr. 16 m.w.Nachw. auch zur Gegenmeinung).

(2) Die Revision vertritt unter Berufung auf eine im Schrifttum verbreitete Ansicht die Auffassung, bei einer äußeren Beschädigung der Kaufsache wie etwa einem Unfallschaden eines Kraftfahrzeugs greife die Vermutung des § 476 BGB nicht ein, weil es sich dabei um einen Mangel handele, der typischerweise jederzeit eintreten könne und daher keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zulasse (so S. Lorenz aaO Rdnr. 17; ders. NJW 2004, 3020, 3022; Bamberger/Roth/Faust, BGB, § 476 Rdnr. 4; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1312; i.E. auch Staudinger/Matusche-​Beckmann, BGB (2004), § 476 Rdnr. 35). Dieser Auffassung ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt.

Schon der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass die Vermutung im Regelfall zugunsten des Käufers eingreifen und nur ausnahmsweise wegen der Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen sein soll. Mit diesem Regel-​Ausnahme-​Verhältnis wäre es nicht zu vereinbaren, die Vermutung immer schon dann scheitern zu lassen, wenn es um einen Mangel geht, der jederzeit auftreten kann, und es demzufolge an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür fehlt, dass er bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Die Vermutungsregelung liefe dann regelmäßig gerade in den Fällen leer, in denen der Entstehungszeitpunkt des Mangels nicht zuverlässig festgestellt werden kann. Durch eine derartige Einengung der Beweislastumkehr würde der mit der Regelung intendierte Verbraucherschutz weitgehend ausgehöhlt.

Ob dem Berufungsgericht auch darin zu folgen ist, dass in den vorstehend erörterten Fällen die Vermutung dann nicht eingreift, wenn der Verkäufer den Mangel, sofern dieser schon bei Gefahrübergang vorhanden war, nicht erkennen konnte (ebenso Wietoska, ZGS 2004, 8, 10), bedarf keiner Entscheidung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Verformung der Karosserie im vorderen rechten Bereich des Fahrzeugs für den Mitarbeiter K. der Beklagten erkennbar. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen.

Die Vermutung, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ist jedoch dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssen. Denn in einem solchen Fall ist zu erwarten, dass der Käufer den Mangel bei der Übergabe beanstandet. Hat er die Sache ohne Beanstandung entgegengenommen, so spricht dies folglich gegen die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen (Staudinger/Matusche-​Beckmann, aaO, § 476 Rdnr. 34; vgl. auch Büdenbender in Anwaltkommentar, § 476 Rdnr. 16; Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kap. 5 Rdnr. 439). Um eine derartige Beschädigung handelt es sich nach den dazu getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen hier indessen nicht. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug nimmt, besteht die Verformung darin, dass Kotflügel und Stoßfänger vorne rechts nicht bündig aneinander anschließen, sondern leicht nach innen verbogen sind. Diese geringfügige Beschädigung musste dem Kläger bei der Übergabe des Fahrzeugs nicht auffallen. Auch das Landgericht hat sie ausweislich der Entscheidungsgründe seines Urteils erst "bei genauer Betrachtung des Fahrzeugs im Termin ... und nach Hinweis des Sachverständigen auf die Schadensstelle auch selbst wahrnehmen (können)".

c) Vergeblich wendet sich die Revision schließlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch die Vorlage des von den Parteien bei der Übergabe gemeinsam erstellten Protokolls über den Fahrzeugzustand nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beschädigung im vorderen rechten Fahrzeugbereich damals noch nicht vorhanden gewesen sei. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob das Übergabeprotokoll bezüglich eines Flecks auf der Rückbank unrichtig ist und ob dies, wie das Berufungsgericht annimmt, den Schluss rechtfertigt, es sei insgesamt nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden. Das Berufungsgericht hält das Übergabeprotokoll in Bezug auf Einzelheiten des Karosseriezustands nämlich auch deshalb für nicht aussagekräftig, weil nach dem Protokoll eine genaue Überprüfung der Karosserie im einzelnen nicht erforderlich gewesen sei, vielmehr eine pauschale Beschreibung durch eine entsprechende Klassifizierung genügt habe. Aus diesem Grund, so folgert das Berufungsgericht, sei auch nicht zu erwarten, dass der Mitarbeiter K. der Beklagten den Mangel, wenn dieser bereits vorhanden gewesen wäre, erkannt und in das Protokoll aufgenommen hätte. Diesen – plausiblen – Erwägungen tritt die Revision nicht entgegen.

Davon abgesehen erstreckt sich die Beweiskraft des Übergabeprotokolls ohnehin nicht auf den Zustand des Fahrzeugs bei dessen Übergabe an den Kläger. Als Privaturkunde erbringt das Protokoll gemäß § 416 ZPO vollen Beweis lediglich dafür, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden sind. Dies ist nicht mehr als ein Indiz für die von der Beklagten zu beweisende (Haupt-​)Tatsache, dass der Karosserieschaden vorne rechts bei der Fahrzeugübergabe noch nicht vorhanden war. Auch diese Indizwirkung ist indessen erheblich abgeschwächt, weil der Schaden, wie bereits ausgeführt wurde, für den Laien nur schwer zu erkennen ist und es deshalb nicht fern liegt, dass er zwar schon vorhanden war, vom Kläger bei der Erstellung des Protokolls aber nicht bemerkt worden ist.

2. Das Berufungsurteil kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht sich verfahrensfehlerhaft über den Vortrag der Beklagten hinweggesetzt hat, die Beschädigung des Kotflügels und des Stoßfängers vorn rechts, deren Beseitigung allenfalls 100 € koste, überschreite die Bagatellgrenze nicht und berechtige den Kläger daher gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die erstmals mit der Berufungsbegründung vorgebrachte, auf die Unerheblichkeit des Mangels hindeutende Behauptung der Beklagten, bei der Beschädigung vorn rechts handele es sich um eine "zwar erkennbare, aber kaum wahrnehmbare" Verformung, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. § 531 Abs. 2 ZPO ist auf solche Tatsachen, die zwar erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen, dort aber unstreitig werden, nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 18. November 2004 – IX ZR 229/03, WM 2005, 99 unter II 2 b). Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nichts dafür zu entnehmen, dass der Kläger diese Behauptung, die sich zudem mit den Feststellungen des Landgerichts deckt, bestritten hat.

Der Einwand ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deswegen unbeachtlich, weil die Beklagte zu dem für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kostenaufwand nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, sondern erst mit einem wenige Tage vor der Berufungsverhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 27. Oktober 2004 vorgetragen hat. Wie sich aus § 530 ZPO ergibt, können Angriffs- und Verteidigungsmittel auch noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgetragen werden. Sie können dann allerdings entsprechend § 296 Abs. 1 und 4 ZPO zurückgewiesen werden, wenn ihre Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Dies setzt voraus, dass der Gegner die verspätet vorgebrachte Behauptung bestritten hat. Auch dazu ist den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts zu entnehmen.

Das vom Berufungsgericht übergangene Vorbringen der Beklagten ist entscheidungserheblich. Falls es zutrifft, dass die Kosten für die Beseitigung der Verformung des Kotflügels und des Stoßfängers vorn rechts bei allenfalls 100 € liegen, handelt es sich bei diesem Mangel um eine unerhebliche Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, aus der der Kläger kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag herleiten kann. Dabei kann offen bleiben, ob für die Frage der Erheblichkeit eines – wie hier – behebbaren Mangels im Sinne dieser Bestimmung stets auf die Kosten der Mangelbeseitigung abzustellen ist und bei welchem Prozentsatz vom Kaufpreis oder vom Wert der Sache in mangelfreiem Zustand die Grenze zur Erheblichkeit zu ziehen ist. Nach der Behauptung der Beklagten liegt der Mangelbeseitigungsaufwand hier bei nur knapp 1 % des Kaufpreises und damit ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze.

Die vom Kläger darüber hinaus beanstandeten Mängel des Fahrzeugs sind zumindest nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand für die Frage, ob das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen ist, nicht zu berücksichtigen. Wegen der Schadhaftigkeit der rechten hinteren Felge und des Flecks auf der Rückbank des Fahrzeugs besteht schon deswegen kein Rücktrittsrecht des Klägers, weil die Beklagte sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist zur Nachbesserung bereit erklärt hat (§ 323 Abs. 1 BGB). Ob das Berufungsgericht die vom Kläger weiter beanstandeten Flecken auf dem Beifahrersitz als Sachmangel ansieht, geht aus dem Berufungsurteil nicht hervor. Nach der Beurteilung des vom Landgericht angehörten Sachverständigen handelt es sich um übliche Gebrauchsspuren und damit auch nach der Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien nicht ohne weiteres um Mängel. Ob der Lackschaden am hinteren linken Radlauf bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden war, was die Beklagte bestreitet, hat das Berufungsgericht offen gelassen; für das Revisionsverfahren ist daher zu unterstellen, dass es sich hierbei nicht um einen der Beklagten anzulastenden Mangel handelt.


III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es dazu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).