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OLG München Urteil vom 13.03.2013 - 7 U 3602/11 - Nebeneinander von Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss
OLG München v. 13.03.2013: Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss im Kfz-Kaufvertrag zwischen Autohändlern
Das OLG München (Urteil vom 13.03.2013 - 7 U 3602/11) hat entschieden:
Sind in einem Kfz-Kaufvertrag zwischen Autohändlern zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache (hier: Laufleistung) und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart, ist dies dahin auszulegen, dass die Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB und der Gewährleistungsausschluss gleichrangig nebeneinander stehen und dass deshalb der Gewährleistungsausschluss nicht die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge hat. Vielmehr erstreckt sich der Gewährleistungsausschluss nur auf Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 2 BGB und nicht auf die vereinbarte Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Gebrauchtwagenkauf
Gründe:
I.
Beide Parteien betreiben Autohäuser. Sie streiten um Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit zwei Gebrauchtwagengeschäften. Am 8.6.2010 kaufte die Beklagte von der Klägerin einen BMW 530d zum Kaufpreis von 56.302,62 €, der von der Beklagten schließlich nie abgenommen wurde. Bereits am 8.4.2010 hatte die Beklagte von der Klägerin einen VW Touareg zum Kaufpreis von 20.700,- € netto erworben. In der Kaufvertragsurkunde ist ein Kilometerstand von 100.000 vermerkt.
Die Klägerin begehrte erstinstanzlich zuletzt die Zahlung eines Nichterfüllungsschadens im Hinblick auf das BMW-Geschäft in Höhe von 9.327,83 € nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 239,70 €. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch in die Klageforderung übersteigender Höhe erklärt, der sich aus einer Minderung des Kaufpreises hinsichtlich des VW-Geschäfts ergeben soll.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte nicht mehr gegen ihre Schadensersatzpflicht aus dem BMW-Geschäft, sondern verfolgt nur noch ihre - nunmehr primär - zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung weiter.
II.
Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Der Beklagten stand nach erklärter Minderung des Kaufpreises hinsichtlich des VW ein Rückzahlungsanspruch wegen Überzahlung in Höhe von 6.652,41 € zu, der die Klageforderung in dieser Höhe nach erklärter Aufrechnung zum Erlöschen gebracht hat (§ 389 BGB), so dass noch der zugesprochene Betrag verbleibt. Wegen der Rückwirkung der Aufrechnung sind auch Prozesszinsen nur aus diesem Betrag geschuldet.
1. Der VW Touareg war bei Gefahrübergang mangelhaft. Denn er wies nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Parteien hatten im Kaufvertrag eine Laufleistung von 100.000 km vereinbart. Tatsächlich wies das Fahrzeug nach den überzeugenden Recherchen des Sachverständigen S. bereits ein Jahr vorher eine Laufleistung von 174.051 km auf. Zwar hat der Sachverständige Ablese- bzw. Eingabefehler abstrakt nicht ausschließen können. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass der dokumentierte Kilometerstand seit 2005 kontinuierlich ansteigt, bevor es zum plötzlichen Abfall kommt. Eine Vielzahl von Ablesefehlern kann nach der Lebenserfahrung mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit ausgeschlossen werden. Die vom Sachverständigen ermittelten Befunde sind nur dadurch erklärbar, dass der Kilometerzähler - durch wen auch immer - manipuliert wurde. Auf der Basis des bisherigen Nutzungsverhaltens des Fahrzeugs rechnet der Sachverständige für den Tag der Übergabe eine Laufleistung von 203.259 km hoch. Da ein gleichmäßiges Benutzungsverhalten jedoch nicht feststeht (insbesondere wegen Standzeiten im Zusammenhang mit mehreren Veräußerungen), schätzt der Senat die tatsächliche Laufleistung bei Übergabe auf 190.000 km (§ 287 ZPO). Insoweit wich die Ist-Beschaffenheit von der kaufvertraglichen Soll-Beschaffenheit deutlich ab.
2. Die geltend gemachte Minderung ist vorliegend nicht durch den Gewährleistungsausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgeschlossen - wobei die umstrittene Frage, ob diese wirksam in den Vertrag einbezogen wurden - dahinstehen kann. Denn ein Gewährleistungsausschluss würde den vorliegenden Mangel nicht erfassen.
Dies folgt zwar nicht schon aus § 444 BGB. Dass die Klägerin den Mangel kannte und ihn arglistig verschwiegen hat, lässt sich nicht feststellen. Auch von einer (stillschweigenden) Beschaffenheitsgarantie im Sinne von § 443 BGB kann nicht ausgegangen werden. Eine solche sieht der BGH bei der Angabe der Laufleistung bei einem Kauf eines Verbrauchers vom Händler als gegeben, nicht hingegen bei einem Geschäft zwischen zwei Verbrauchern (BGH, Urteil vom 29.11.2006 - VIII ZR 92/06). Grund für diese Differenzierung ist die strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers gegenüber dem Händler, was die Möglichkeit zur Überprüfung des Fahrzeugs betrifft. Der vorliegende Fall des Geschäfts zwischen zwei Händlern ist dabei dem Fall des Geschäfts zwischen zwei Verbrauchern vergleichbar, weil sich auch hier die Vertragsparteien hinsichtlich ihrer Überprüfungsmöglichkeiten gleichrangig gegenüber stehen. Eine Beschaffenheitsgarantie hinsichtlich der Laufleistung sieht der Vertrag daher nicht.
Die Auslegung des Vertrages zwischen den Parteien ergibt jedoch, dass sich ein eventueller Gewährleistungsausschluss nicht auf die im Vertrag angegebene Laufleistung erstreckt. Die Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (Laufleistung) und ein Gewährleistungsausschluss stehen aus der Sicht des Käufers gleichrangig nebeneinander. Die Regelung kann daher nicht so verstanden werden, dass der Gewährleistungsausschluss die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge hat. Vielmehr erstreckt sich der Gewährleistungsausschluss nur auf Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 2 BGB und nicht auf die vereinbarte Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. BGH, a.a.O., zitiert nach juris, dort Rz. 31).
3. Der geltend gemachten Minderung steht nicht der Vorrang der Nacherfüllung (§§ 437 Nrn. 1, 2, 323 Abs. 1 BGB) entgegen. Zwar kommt auch beim Kauf gebrauchter Sachen Nacherfüllung grundsätzlich in Betracht, sofern sie möglich ist. Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragspartner bei Vertragsschluss zu beurteilen. Es kommt also darauf an, ob nach der Vorstellung der Parteien die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige oder gleichwertige ersetzt werden kann. Aufgrund des unterschiedlichen Erhaltungszustandes und der daraus resultierenden Schwierigkeit, eine wirklich gleichartige und gleichwertige Sache zu beschaffen, ist insbesondere bei Gebrauchtwägen hinsichtlich der Annahme eines Parteiwillens, es solle Nacherfüllung in Betracht kommen, Zurückhaltung geboten, um häufigen Streit über die Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der zu beschaffenden Ersatzsache zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 7.6.2006 - VIII ZR 209/05, zitiert nach juris, dort Rz. 22 ff.). Vor diesem Hintergrund hat die Klagepartei nicht hinreichend dargetan, dass der Wille der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf den Vorrang der Nacherfüllung gerichtet war. Die Bekundung des erstinstanzlich vernommenen Zeugen C., wonach die Beklagte damals praktisch jeden VW Touareg mit einer guten Ausstattung und zu einem vernünftigen Preis gekauft hätte, genügt hierfür nicht. Denn sie zeigt auch, dass es der Beklagten auf die Ausstattung und auf das Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend ankam. Der vom BGH befürchtete Streit um Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit einer angebotenen Ersatzsache wäre daher vorprogrammiert gewesen. Von daher sieht der Senat anders als das Landgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien bei Vertragsschluss - abweichend vom Regelfall beim Gebrauchtwagenkauf - einen Vorrang der Nacherfüllung wollten.
4. Den Minderungsbetrag hat der Senat ausgehend von den vom Sachverständigen ermittelten Werten nach der Formel des § 441 Abs. 3 BGB berechnet. Bei der Berechnung auf der Basis der Verkaufs- bzw. Einkaufspreise ergeben sich Minderungsbeträge von 6.580,41 € bzw. 6.724,41 €. Der Senat hat diesbezüglich den Mittelwert von 6.641,41 € angesetzt (§§ 441 Abs. 3 S. 2 BGB, 287 ZPO). Dieser abgezogen von der Klageforderung ergibt den zugesprochenen Betrag.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Aufrechnung in erster Instanz hilfsweise und in zweiter Instanz primär geltend gemacht wurde, so dass sich für die erste Instanz ein höherer Streitwert (§ 45 GKG) und damit ein anderes Maß der Obsiegens ergab als in zweiter Instanz. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Streithelfer in erster Instanz nicht beteiligt war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht ersichtlich sind. Der Senat folgt den von den höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgezogenen Grundlinien. Im übrigen waren die Umstände des Einzelfalls zu bewerten.