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OLG Hamm Beschluss vom 23.05.2014 - III-5 RBs 70/14 - Notwendigkeit der Verteidigervollmacht bei einem Entpflichtungsantrag

OLG Hamm v. 23.05.2014: Zur Notwendigkeit der Verteidigervollmacht bei einem Entpflichtungsantrag


Das OLG Hamm (Beschluss vom 23.05.2014 - III-5 RBs 70/14) hat entschieden:
Eine Entpflichtungsentscheidung, die gemäß § 74 Abs. 1 OWiG eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen ermöglicht, kann aus Gründen der Rechtssicherheit nur getroffen werden, wenn gewährleistet ist, dass der antragstellende Verteidiger über eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Vertretungsvollmacht verfügt. Denn die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Betroffenen begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (i.V. mit § 79 Abs. 3 OWiG), wenn der Entpflichtungsantrag von dem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht gestellt worden ist.


Siehe auch Entpflichtungsantrag und Verteidigervollmacht und Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung und Säumnis des Betroffenen


Gründe:

Der Senat weist in Ergänzung der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass in formeller Hinsicht die Entbindung von der Anwesenheitspflicht gemäß § 73 Abs. 2 OWiG davon abhängig ist, dass der Betroffene einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Verteidiger bedarf zur Stellung des Entpflichtungsantrages einer – über die Verteidigervollmacht hinausgehenden – Vertretungsvollmacht (BayObLG NStZ-RR 2000, 247, 248 = DAR 2000, 324 = VRS 98, 376; OLG Rostock VRR 2006, 397). Dies ist für den vergleichbaren Fall des § 233 Abs. 1 Satz 1 StPO allgemein anerkannt (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114,116 m. w. Nachw.). Für den Bereich des § 73 Abs. 2 OWiG kann nichts Anderes gelten (Göhler, OWiG, § 73 Rdnr. 4 m. w. Nachw.).

Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG gerügt werden, dass der Betroffene zu Unrecht nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, so gehört daher zur ordnungsgemäßen Begründung auch der Vortrag, dass dem Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, eine schriftliche Vertretungsvollmacht hat und diese dem Amtsgericht nachgewiesen worden ist (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114,116).

Daran fehlt es in der vorliegenden Beschwerdebegründung. Es ist darin lediglich davon die Rede, dass der Unterzeichner nicht "nur als Verteidiger, sondern auch als Vertreter des Betroffenen mandatiert" ist. Nicht mitgeteilt wird, dass die erforderliche Vertretungsvollmacht dem Gericht nachgewiesen worden war.

Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass eine Entpflichtungsentscheidung, die gemäß § 74 Abs. 1 OWiG eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen ermöglicht, aus Gründen der Rechtssicherheit nur getroffen werden kann, wenn gewährleistet ist, dass der antragstellende Verteidiger über eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Vertretungsvollmacht verfügt. Denn die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Betroffenen begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (i.V. mit § 79 Abs. 3 OWiG), wenn der Entpflichtungsantrag von dem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht gestellt worden ist (vgl. Senge in Karlsruher Kommentar, § 74 Rdnr. 53). Die fehlende Vertretungsvollmacht des Verteidigers bei der Antragstellung lässt deshalb das Erfordernis der Antragsbescheidung vor Erlass des Verwerfungsurteils entfallen (Senge, § 73 Rdnr. 19). Der Anspruch auf eine Entpflichtungsentscheidung des Amtsgerichts besteht demzufolge nur, wenn bei der Antragstellung durch einen Vertreter nachgewiesen wird, dass die zur Vertretung des Betroffenen bzw. Angeklagten in der Hauptverhandlung berechtigende Vollmacht erteilt ist, und zwar in der gesetzlich geforderten Schriftform (vgl. dazu auch Göhler, a.a.O., § 60 Rdnr. 13).

Da dem Beschwerdevorbringen somit die Erfüllung dieser formellen Voraussetzungen einer Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht entnommen werden kann, ist eine Prüfung der Frage, ob die sachlichen Voraussetzungen gegeben waren, nicht veranlasst.

Ferner ist, worauf die Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, nicht dargetan, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. Der Antrag muss wiederholt werden, wenn der Hauptverhandlungstermin verlegt oder ausgesetzt worden ist und zwar vor einem neuen Hauptverhandlungstermin.



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