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Landgericht Berlin Urteil vom 17.10.2013 - 41 S 23/13 - Einziehung abgetretener Mietwagenforderungen als erlaubnisfreie Rechtsdienstleistung
LG Berlin v. 17.10.2013: Zur Einziehung abgetretener Mietwagenforderungen als erlaubnisfreie Rechtsdienstleistung des Mietwagenunternehmers
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 17.10.2013 - 41 S 23/13) hat entschieden:
- Die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten ist grundsätzlich erlaubt, wenn nur die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist.
- Da der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf, bedeutet dies für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann, der auf verschiedene Arten ermittelt werden kann.
- Der Abzug für ersparte Aufwendungen ist nicht mehr mit 15%, sondern mit 10% oder 3-5% anzusetzen (vergleiche BGH, 2. Februar 2010, VI ZR 139/08, NJW 2010, 1445).
Siehe auch Die Abtretung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall an die Autovermietung und Erlaubte und nicht erlaubte Rechtsdienstleistungen von Unternehmen in der Unfallschadenregulierung
Gründe:
I.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet worden (§ 520 ZPO). Sie ist teilweise erfolgreich. Denn der Klägerin stehen aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 2 S. 1, 257 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG lediglich (restliche) Ansprüche in der tenorierten Höhe zu.
Gemäß § 513 ZPO ist das angefochtene Urteil durch das Berufungsgericht darauf zu überprüfen, ob dem Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist oder ob auf Rechtsfehlern beruhende Irrtümer in der Tatsachenfeststellung die Entscheidungsfindung beeinflusst haben. Dies war vorliegend schon deshalb der Fall, da das angefochtene Urteil eine nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mehr haltbare Rechtsansicht zur Reichweite des § 5 Abs. 1 S. 1 RDG vertritt. Die Abtretungen sind nicht wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig. Denn der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11 (NZV 2012, 220) ausdrücklich ausgesprochen, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten grundsätzlich erlaubt ist, wenn die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Etwas anderes gilt zwar, wenn die Haftung dem Grunde nach oder die Haftungsquote streitig ist oder Schäden geltend gemacht werden, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehen, jedoch liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor.
In der Berufungsinstanz war damit über die in den jeweiligen drei Einzelfällen angemessenen Mietwagenkosten zu entscheiden. Dem Tatrichter stehen dabei verschiedene Möglichkeiten der Schätzung nach § 287 ZPO zur Verfügung (vgl. nur KG, Urteil vom 2. September 2010 - 22 U 146/09, NJOZ 2011, 929 ff.). Dass es für die Geschädigten hier ausnahmsweise angemessen gewesen sein könnte, Fahrzeuge zu einem so genannten Unfallersatztarif anzumieten, ist für das Gericht nicht zu erkennen.
Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, NJW 2009, 58, und Urteil vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07, NJW 2008, 2910). Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Der insoweit erstattungsfähige „Normaltarif“ kann auf verschiedene Weise ermittelt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2008, a.a.O.; KG, a.a.O.).
Die Schwacke-Liste Automietpreisspiegel 2009 enthält folgende hier relevante Vergleichswerte:
PLZ-Gebiet 145 (die Geschädigte ... wohnte in Kleinmachnow), Fahrzeugklasse 6: 916,27 € (Woche 569,98 € + Tag 104,87 € + CDW Woche 167,08 € + CDW Tag 25,42 € + Zust./Abh. 48,92 €).
PLZ-Gebiet 136 (die Geschädigte ...), Fahrzeugklasse 2: 268,67 € (3 Tage 200,75 € + Tag 67,92 €).
PLZ-Gebiet 133 (Geschädigter ...), Fahrzeugklasse 6: 953,82 € netto = 1.135,04 € brutto (Woche 563,22 € + 3 Tage 280,22 € + CDW Woche 167,08 € + CDW 3 Tage 75,60 € + Zust./Abh. 48,92 €).
Der Fraunhofer-Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2009 enthält, nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten, folgende hier relevante Vergleichswerte:
PLZ-Gebiet 14, telefonische Erhebung, Fahrzeugklasse 6: Woche inkl. CDW 364,25 € + Tag inkl. CDW 104,85 €.
PLZ-Gebiet 13, telefonische Erhebung, Fahrzeugklasse 2: Tag inkl. CDW 77,43 €.
PLZ-Gebiet 13, telefonische Erhebung, Fahrzeugklasse 6: Woche inkl. CDW 364,25 € + Tag inkl. CDW 185,- €.
Das Berufungsgericht sieht vorliegend folgende Werte als grundsätzlich ersatzfähig an: Bei der Geschädigten ... 717,15 € (das arithmetische Mittel zwischen den einschlägigen Werten der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Marktpreisspiegels (letzterer erhöht um Kosten für Zustellung und Abholung)).
Bei der Geschädigten ... 268,67 € gemäß Schwacke-Liste, da der höhere Wert des Fraunhofer- Marktpreisspiegels eine Kaskoversicherung umfasst, die der Geschädigte für das Fahrzeug der Klägerin nicht vereinbart hatte.
Bei dem Geschädigten ... die von der Klägerin abgerechneten Kosten, soweit diese nicht den Zuschlag (144,60 €) für Unfallersatz betreffen, also 764,40 €. Weder die Schwacke-Liste noch der Fraunhofer-Marktpreisspiegel haben hier günstigere Preise ermittelt, so dass auf sie nicht zurückgegriffen werden muss.
Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen ist zu berücksichtigen. Dieser ist nach der jüngeren Rechtsprechung allerdings eher nicht mehr mit 15 % (vgl. dazu z.B. KG, Urteil vom 2. September 2010, a.a.O.), sondern mit 10 % oder 3-5 % anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - VI ZR 139/08, NJW 2010, 1445, 1446 m.w.N.). Das Berufungsgericht setzt im vorliegenden Fall einen Abzug von 5 % für ersparte Eigenaufwendungen an, also 35,85 € bei der Geschädigten ..., 13,43 € bei der Geschädigten ... und 38,22 € bei dem Geschädigten ...
Von der Beklagten zu erstatten waren daher folgende Mietwagenkosten:
Bei der Geschädigten ... 681,29 €, von denen die Beklagte 425,19 € gezahlt hat, so dass ein restlicher Anspruch in Höhe von 256,10 € verbleibt.
Bei der Geschädigten ... 255,24 €, von denen die Beklagte 182,07 € gezahlt hat, so dass ein restlicher Anspruch in Höhe von 73,17 € verbleibt.
Bei dem Geschädigten ... 726,18 €, von denen die Beklagte 423,- € gezahlt hat, so dass ein restlicher Anspruch in Höhe von 303,18 € verbleibt.
Die Gesamtsumme in Höhe von 632,45 € ist gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB wie beantragt zu verzinsen.
Einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin nicht, da die Beklagte zulässig mit Nichtwissen bestritten hat, dass diese vorgerichtlich gegenüber der Klägerin abgerechnet und von dieser bezahlt worden sind. Die Klägerin hat daher für die - nicht bestrittene - vorgerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter in den drei Schadensfällen nur Freistellungsansprüche in Höhe von 148,20 € (zweimal 39,- € (1,3 x 25,- € + 20 % Pauschale), einmal 70,20 € (1,3 x 45,- € + 20 % Pauschale)). Diese sind gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB wie beantragt zu verzinsen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 S. 1, 713 und 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.