Das Verkehrslexikon

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Bundesfinanzhof Urteil vom 22.09.1992 - VII R 45/92 - Brieftaubenzucht kennzeichnet sich nicht als landwirtschaftlicher Betrieb

BFH v. 22.09.1992: Eine Brieftaubenzucht oder -haltung kennzeichnet sich nicht als landwirtschaftlicher Betrieb


Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 22.09.1992 - VII R 45/92) hat entschieden:
  1. Der Begriff "landwirtschaftlicher Betrieb" i.S. von § 3 Nr.7 KraftStG 1979 ist in Anknüpfung an bewertungsrechtliche Gesichtspunkte zu bestimmen. Bewertungsrechtliche Festlegungen sind jedoch kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht verbindlich.

  2. Eine Brieftaubenzucht oder -haltung kennzeichnet sich nicht als landwirtschaftlicher Betrieb.

Siehe auch Kraftfahrzeugsteuer - Kfz-Steuer und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Tatbestand:

Dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), der sich selbst als Nebenerwerbslandwirt bezeichnet, und seiner Ehefrau gehören neben anderen Grundstücken (Wohnhaus, Taubenhaus, Wiese) als Stückländereien bewertete Ackerflächen von insgesamt 6 055 qm. Die von ihm für das Halten seines Schleppers begehrte Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3 Nr.7 Buchst.a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 wurde von dem beklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA) abgelehnt. Das FA vertrat die Auffassung, der Kläger betreibe keine Land- oder Forstwirtschaft; die Brieftaubenzucht sei grundsätzlich als Liebhaberei anzusehen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen seien auch ohne Gewinnabsicht geführte Liebhabereibetriebe unter Nutzung von Grund und Boden durch Ackerbau und Viehzucht als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen. Entscheidend sei, ob das betreffende Fahrzeug wie von einem Landwirt genutzt werde. Der Kläger bearbeite mit dem Schlepper eigenen Grund und Boden; er erwirtschafte unter Einsatz eigener Betriebsmittel und seiner Arbeitskraft Getreide und Hackfrüchte, die er durch Eigenverbrauch, als Saatgut und durch Verfütterung an die Tauben verwerte. Dass die Taubenzucht selbst kein landwirtschaftlicher Betrieb sei, sei unerheblich. Für den Einsatz des Schleppers sei nicht die Art der Verwertung der erwirtschafteten Produkte maßgebend, sondern seine Verwendung zur Erwirtschaftung der Produkte selbst.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der gerügt wird, das FG habe den Begriff "landwirtschaftlicher Betrieb" verkannt. Die Annahme eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs setze eine nachhaltige land- oder forstwirtschaftliche Nutzung voraus. Es müsse mit der Bewirtschaftung ein angemessener Rohertrag erzielt werden; auch sei eine mehr als gelegentliche Tätigkeit zur Bewirtschaftung der Flächen erforderlich. Der Kläger sei aber weder Landwirt im Hauptberuf noch Nebenerwerbslandwirt. Die Fahrzeugverwendung erfolge somit nicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Die Vorentscheidung stehe zudem in Widerspruch zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 23.Mai 1989 VII R 110/86 (BFHE 157, 451, BStBl II 1989, 907).


Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Begründung der Vorentscheidung vermag das Ergebnis, zu dem die Vorinstanz gelangt ist, nicht zu tragen. Durcherkennen kann der Senat jedoch nicht, da Feststellungen fehlen, die zu der Beurteilung erforderlich sind, ob die Zugmaschine des Klägers in einem (ihm bzw. auch seiner Ehefrau gehörenden) landwirtschaftlichen Betrieb verwendet worden ist.

Entgegen der Auffassung des FG reicht es für die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3 Nr.7 Buchst.a KraftStG 1979 nicht aus, dass das Fahrzeug "wie von einem Landwirt" verwendet wird. Erforderlich ist vielmehr die tatsächliche - ​ausschließliche - Verwendung "in" einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb (vgl. zu § 3 Nr.7 Buchst.b KraftStG 1979 BFHE 157, 451, 453, BStBl II 1989, 907). Handelt es sich nicht um einen solchen Betrieb, so vermag ein Einsatz des Fahrzeugs "wie von einem Landwirt" den Tatbestand der Befreiungsvorschrift nicht zu erfüllen (missverständlich Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3.Aufl. 1981, Abschn.19 f. = S.200; Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.November 1988 III 9/85, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 312 m.N.).

Ob die erforderliche Fahrzeugverwendung in einem landwirtschaftlichen Betrieb vorliegt, lässt sich nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Vorschriften über Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen sind grundsätzlich aus sich selbst heraus auszulegen und anzuwenden (Senat, Urteile vom 14.November 1989 VII R 111/86, BFH/NV 1990, 457, und vom 3.Mai 1990 VII R 51/89, BFH/NV 1991, 194 m.N.). Da Anhaltspunkte für eine spezifisch kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bestimmung des Begriffs "landwirtschaftlicher Betrieb" fehlen (nur allgemein hierzu Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 19.September 1984 II R 139/82, BFHE 142, 181, 183, BStBl II 1985, 108), sind, wie auch das FG richtig angenommen hat, die Vorschriften des Bewertungsrechts heranzuziehen, wobei die bewertungsrechtliche Behandlung freilich keine Bindungswirkung äußert (vgl. auch Egly/Mößlang, a.a.O.). Ohne unmittelbare Bedeutung ist mithin, dass die dem Kläger bzw. seiner Ehefrau gehörenden Ackerflächen als Stückländereien (§ 34 Abs.7 des Bewertungsgesetzes - ​BewG -) - ​Betrieb der Land- und Forstwirtschaft - bewertet sind. Für die Anknüpfung zu beachten sind indessen die allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung des bewertungsrechtlichen Begriffs eines Betriebes der Landwirtschaft. Dieser setzt weder eine Mindestgröße noch ein Betreiben mit Gewinnabsicht voraus - ​weshalb auch Liebhabereibetriebe bewertungsrechtlich als landwirtschaftliche Betriebe in Betracht kommen -; der Betrieb braucht nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung auch keinen Mindestrohertrag mehr abzuwerfen. Erforderlich ist aber eine tatsächliche nachhaltige Nutzung von Grundstücksflächen und deren Zweckbestimmung durch den Eigentümer (BFH, Urteil vom 4.März 1987 II R 8/86, BFHE 149, 71, 74 f., BStBl II 1987, 370 m.N.; in gleichem Sinne hinsichtlich der Mindestgröße bereits BFH, Urteil vom 18.März 1953 II 219/52 U, BFHE 57, 380, BStBl III 1953, 148, zum früheren Kraftfahrzeugsteuerrecht). Handelt es sich um einen Nebenerwerbsbetrieb wie er hier allenfalls vorliegt, so ist eine nachhaltige Nutzung von Grundstücksflächen zu bejahen, wenn die Flächen hinsichtlich Arbeitseinsatz, Investitionen zur Erhaltung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit sowie erzielbarem Ertrag einem Vergleich mit einem durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb der gleichen Nutzungsart standhalten (vgl. auch BFH, Urteil vom 5.Dezember 1980 III R 56/77, BFHE 133, 212, 216, BStBl II 1981, 498 - ​Grundstücksbewirtschaftung durch einen voll erwerbstätigen Finanzbeamten -).

Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, dass die Brieftaubenzucht (oder auch nur Brieftaubenhaltung zu Sportzwecken) nicht dem landwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen ist (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9.Aufl., § 33 BewG Anm.51.1; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15.Aufl. 1989, § 51 BewG Anm.6; ferner - ​Hundezucht in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht betreffend - BFH, Urteil vom 30.September 1980 VIII R 22/79, BFHE 132, 29, 31, BStBl II 1981, 210), sie allein mithin nicht zur Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebs führen kann; dies muss, wenn nicht schon bewertungsrechtlich (§ 33 Abs.1 BewG), so jedenfalls in kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Hinsicht gelten, da sich eine zu weite Auslegung des Begriffs "landwirtschaftlicher Betrieb" i.S. von § 3 Nr.7 Buchst.a KraftStG 1979 verbietet (vgl. zur Vorgängervorschrift BFHE 142, 181, 183, BStBl II 1985, 108).

Damit ist jedoch noch nicht entschieden, dass die vom Kläger begehrte Steuerbefreiung ausscheidet. Möglich ist, dass es sich im Streitfall unter sonstigen Gesichtspunkten um einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb handelt. Ob dies zutrifft, muss das FG unter Nachholung der dazu noch notwendigen Feststellungen und unter Beachtung der vorstehend dargestellten (bewertungsrechtlichen) Grundsätze neu entscheiden.