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VGH München Beschluss vom 19.05.2014 - 11 ZB 14.62 - Änderung eines Wunschkennzeichens von Amts wegen

VGH München v. 19.05.2014: zur Änderung eines Wunschkennzeichens von Amts wegen


Der VGH München (Beschluss vom 19.05.2014 - 11 ZB 14.62) hat entschieden:
Die Ermessensausübung der Zulassungsstelle wird davon bestimmt, dass im Einklang mit der Reservierungspraxis des Landratsamts ein bestimmtes Kennzeichen nicht zugeteilt wird, wenn es bereits anderweitig reserviert ist, dass der Inhaber einer Reservierung für die zugestandene Dauer die Möglichkeit haben soll, ein Fahrzeug mit dem reservierten Kennzeichen auch tatsächlich zuzulassen und dass wahrheitswidrige Angaben eines Fahrzeughalters in diesem Zusammenhang kein schutzwürdiges Vertrauen begründen können. Die auf Grund falscher Angaben erfolgte Zuteilung eines bereits für einen anderen reservierten Wunschkennzeichens kann von Amts wegen korrigiert werden.


Siehe auch Kfz-Kennzeichen und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich als Halter eines Kraftfahrzeugs gegen eine von Amts wegen angeordnete Änderung eines ihm zugeteilten Kennzeichens und die damit verbundenen Verpflichtungen zur Vorführung des Fahrzeugs und zur Vorlage der Zulassungsbescheinigungen und der Kennzeichenschilder.

Ihm war am 09. Januar 2013 im Rahmen einer Umschreibung seines Kraftfahrzeugs „von außerhalb mit Halterwechsel“ das amtliche Kennzeichen „...“ zugeteilt worden, obwohl das Kennzeichen für den Beigeladenen reserviert war. Der mit der Umschreibung beauftragte Sohn des Klägers hatte wahrheitswidrig angegeben, dass das Kennzeichen von seinem Onkel reserviert worden sei.

Nachdem der Beigeladene auf die bestehende Reservierung hinwies und die näheren Umstände der Zuteilung bekannt wurden, ordnete das Landratsamt Günzburg mit Bescheid vom 14. März 2013 gegenüber dem Kläger an, das Fahrzeug vorzuführen und die Zulassungsbescheinigungen sowie die Fahrzeugschilder vorzulegen, um das zugeteilte Kennzeichen von Amts wegen zu ändern.

Mit Schriftsatz vom 4 April 2014 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamtes Günzburg vom 14. März 2013 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. November 2013 ab. Nach § 8 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr – Fahrzeugzulassungs-Verordnung (FZV) könne die Zulassungsbehörde ein zugeteiltes Kennzeichen von Amts wegen ändern und hierzu die Vorführung des Fahrzeugs anordnen. Die behördliche Anordnung sei rechtmäßig und die Ermessensausübung könne nicht beanstandet werden. Das Kennzeichen sei für die Zeit vom 3. November 2012 bis zum 15. November 2014 für den Beigeladenen reserviert worden und der Sohn des Klägers habe die Zuteilung durch wahrheitswidrige Angaben bewirkt. Angesichts der üblichen Reservierungspraxis sei die Vergabe des Kennzeichens aus Sicht des Landratsamtes nicht korrekt gewesen und hätte so nicht erfolgen dürfen, selbst wenn es rechtliche Vorschriften für die Kennzeichenreservierung nicht gebe. Eine vorsätzliche Täuschungshandlung begründe und verdiene keinen Vertrauensschutz. Vielmehr liege ein redlicher Umgang von Antragstellern mit Behörden im öffentlichen Interesse.

Gegen das Urteil beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung.

Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.


II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war abzulehnen, weil die behaupteten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Bevollmächtigten des Kläger behaupten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Entscheidung des Landratsamtes Günzburg leide an einem Ermessensausfall, weil wesentliche Erwägungen überhaupt nicht eingeflossen seien, und an einem Ermessensfehlgebrauch, weil in die Entscheidung zweck- und sachfremde Erwägungen eingeflossen seien, wodurch die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden sei. Außerdem liege ein Fall der Ermessensdisproportionalität vor, weil die öffentlichen und privaten Belange unzutreffend gewichtet worden seien. Mit ihren Angaben zur Person des Reservierungsinhabers und dem Verzicht auf Vorlage einer ihn betreffenden Vollmacht habe die Sachbearbeiterin die Schwindelei des Sohnes erst ermöglicht. Dieses Schwindeln wiege weniger schwer als das Fehlverhalten der Sachbearbeiterin.

Aus diesem Vortrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit der Entscheidung nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 ff. m.w.N.).

Nachdem das Landratsamt sich seines Entscheidungsspielraums bewusst war und ihn wahrgenommen hat (BayVGH, B. v. 18.05.2010 – 11 CS 10.357 – NJW 2011, 326), liegt ein vollständiger Ermessenausfall nicht vor und es ist auch nicht ersichtlich, dass im Sinn eines Ermessensdefizits wesentliche Erwägungen bei der Entscheidung außen vor geblieben wären. Ferner ist auch nicht erkennbar, dass sich die Behörde im Sinn eines Ermessensfehlgebrauchs von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Die Ermessensausübung im Bescheid vom 14. März 2013 wird von den Überlegungen getragen, dass im Einklang mit der Reservierungspraxis des Landratsamts ein bestimmtes Kennzeichen nicht zugeteilt wird, wenn es bereits anderweitig reserviert ist, dass der Inhaber einer Reservierung für die zugestandene Dauer die Möglichkeit haben soll, ein Fahrzeug mit dem reservierten Kennzeichen auch tatsächlich zuzulassen und dass wahrheitswidrige Angaben eines Fahrzeughalters in diesem Zusammenhang kein schutzwürdiges Vertrauen begründen können. Diese Erwägungen sollen keinem anderen Zweck dienen als der Gewährleistung einer dem Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werdenden Praxis der Kennzeichenvergabe mit Reservierungsmöglichkeit. Vom Kläger wird nicht aufgezeigt, dass das Landratsamt bei der Anwendung von § 8 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Kraftfahrzeugen (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) i.d.F. d. Bek. vom 3. Februar 2011 (BGBl. S. 139) von einem falschen Normverständnis ausgegangen ist oder von seinem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BayVGH, B. v. 15.1.2014 – 3 ZB 11.2766 – Juris Rn. 15).

Die Frage, ob die Sachbearbeiterin dem Sohn des Klägers den Namen des Reservierungsinhabers hätte mitteilen dürfen oder ob sie eine weitere Vollmacht des Reservierungsinhabers hätte verlangen müssen, ist im Rahmen der Ermessensausübung ohne Bedeutung, denn ursächlich für die Zuteilung des Kennzeichens entgegen der bestehenden Reservierung waren allein die unrichtigen Angaben des Sohnes als Bevollmächtigtem nach Art 14 Abs. 1 BayVwVfG, der zunächst wahrheitswidrig behauptet hat, das Kennzeichen sei für den Kläger reserviert, bevor die Mitarbeiterin des Landratsamts sich geäußert hat. Die Unrichtigkeit der Angaben ist dem Kläger nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB uneingeschränkt zuzurechnen. Für in einer wesentlichen Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben bringt Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG den allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass derartige Angaben keinen Vertrauensschutz begründen können.

2. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache) sind nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO). Der Kläger hat keine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert und auch nicht dargelegt, dass der Beantwortung seiner Frage allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. z.B. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, Rn. 211 f. zu § 124a).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).