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OVG Schleswig Urteil vom 03.04.2014 - 2 LB 1/13 - Zur Fahreignung bei nachgewiesener jahrelangen Drogenabstinenz eines regelmäßigen Cannabiskonsumenten

OVG Schleswig v. 03.04.2014: Zur Fahreignung bei nachgewiesener jahrelangen Drogenabstinenz eines regelmäßigen Cannabiskonsumenten


Das OVG Schleswig (Urteil vom 03.04.2014 - 2 LB 1/13) hat entschieden:
  1. Ist ein regelmäßiger Cannabiskonsument gutachterlich nachgewiesen über ein Jahr lang abstinent, liegt nur noch gelegentlicher Cannabiskonsum im Sinne der Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis Verordnung vor.

  2. Je länger der letztmalige nachgewiesene regelmäßige Cannabiskonsum zurückliegt, umso unwahrscheinlicher wird die Möglichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis.

  3. Bestehen aber nach der Vorgeschichte insoweit immer noch Eignungszweifel, kann die Behörde zwar die Beibringung eines ärztlichen, nicht aber eines medizinisch psychologischen Gutachtens anordnen.

Siehe auch Abstinenznachweis zur Wiederherstellung der Fahreignung nach Alkohol- und Drogenkonsum und Stichwörter zum Thema Cannabis


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis nach vormaligem Cannabiskonsum.

Die am ... geborene Klägerin sagte im Rahmen ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 21. Mai 2008 aus, sie habe über ein Jahr lang, ca. drei- bis viermal die Woche Drogen gekauft. Anfangs habe sie nur ab und zu mal mitgeraucht, dann sei es etwas öfters geworden, „so ein- bis zweimal Werktags und dann noch am Wochenende“. Seit Februar 2008 habe sie nicht mehr konsumiert. Das seinerzeit gegen die Klägerin eingeleitete Strafverfahren wurde eingestellt.

Die Klägerin begehrte erstmals im Juli 2008 die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich der Einschlussklassen. Der Anordnung des Beklagten vom 12. September 2008, ein ärztliches Gutachten beizubringen, kam die Klägerin nicht nach, so dass der Beklagte ihren Antrag im März 2009 ablehnte. Im Juli 2010 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Auf erneute Anordnung legte die Klägerin ein medizinisch-psychologisches Gutachten des TÜV Nord vom 25. Oktober 2010 vor. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durch Haarprobe nachgewiesen ca. zwölf Monate lang drogenabstintent gewesen sei und sich auch in leistungspsychologischer Hinsicht keine Befunde ergäben, die ihre Fahreignung in Frage stellten. Allerdings sei eine Wiederaufnahme alter Verhaltensmuster nicht auszuschließen, da sie sich noch nicht selbstkritisch mit ihrem früheren Konsumverhalten auseinander gesetzt habe und der Drogenverzicht von ihr primär mit äußeren Umständen begründet werde. Es bestehe jedoch die begründete Aussicht, dass die Klägerin diese Defizite durch Teilnahme an einem anerkannten Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung für drogenauffällige Kraftfahrer beheben könne. Die Klägerin war nicht bereit, an einem solchen Kurs teilzunehmen, so dass der Beklagte die Erteilung einer Fahrerlaubnis erneut ablehnte.

Im April 2011 beantragte die Klägerin abermals die Erteilung der Fahrerlaubnis. Der Beklagte forderte sie auf, die im Gutachten vom 25. Oktober 2010 empfohlene Kursteilnahme zu belegen. Dies lehnte die Klägerin ab, weil nach ihrer Auffassung die vorherigen Verfahren abgeschlossen seien und damit nicht mehr herangezogen werden dürften. Die seinerzeitige Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens sei zudem rechtswidrig gewesen. Außerdem habe sie über zwei Jahre kein Cannabis mehr konsumiert. Daraufhin kündigte der Beklagte an, dass er erneut die Beibringung eines Gutachtens anordnen wolle. Nachdem die Klägerin dies ebenfalls ablehnte, versagte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Juni 2011 abermals die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2011 zurück.

Die Klage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid verwiesen und weiter ausgeführt, dass Bedenken gegen die Kraftfahreignung der Klägerin aufgrund des zurückliegenden regelmäßigen Cannabiskonsums bestünden. Nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbar begründeten medizinisch-psychologischen Gutachten vom 25. Oktober 2010 lasse sich zwar die Annahme eines bestehenden Konsums von Betäubungsmitteln nicht bestätigen, jedoch sei eine Wiederaufnahme alter Verhaltensmuster nicht auszuschließen. Der in der Vergangenheit liegende Cannabiskonsum der Klägerin und das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Begutachtung begründeten weiterhin Zweifel an ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie in Ergänzung ihres bisherigen Vortrags behauptet, sie habe bei ihrer Aussage gegenüber der Polizei gemeint, ein- bis zweimal unter der Woche und dann noch einmal am Wochenende, also höchstens dreimal in der Woche Cannabis konsumiert zu haben. Dies - so ihre Auffassung - entspreche auch dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes "Werktags".

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 10. September 2012 den Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. September 2011 aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in Bezug auf die begehrte Fahrerlaubnis zu verpflichten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zu, so dass sich der Bescheid vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. September 2011 als rechtswidrig erweist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit abzuändern. Allerdings ist weder von einer Kraftfahreignung der Klägerin auszugehen noch hätte sie, selbst wenn die Kraftfahreignung vorläge, einen Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, so dass insoweit die Berufung zurückzuweisen war.

Die Klägerin konnte das ursprünglich mit der Klage verfolgte Ziel der Erteilung einer Fahrerlaubnis von vornherein nicht erreichen. Diese ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG nur dann zu erteilen, wenn sämtliche der dort enumerativ aufgezählten Voraussetzungen vorliegen. Hierzu zählen neben der Eignung (Nr. 3), u.a. die Ausbildung in einer Fahrschule (Nr. 4) und das Ablegen der Führerscheinprüfung (Nr. 5). Fehlt bereits eine der genannten Voraussetzungen, ist die Erteilung einer Fahrerlaubnis abzulehnen. Die Klägerin erfüllt insbesondere die genannten Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 StVG nicht. Dementsprechend hat sie ihren zunächst auch noch in der Berufungsinstanz angekündigten Antrag auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Dies ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis- Verordnung vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen.

Geht es wie im Fall der Klägerin um Cannabiskonsum und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel im Sinne von Nummer 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung, richten sich die von der Fahrerlaubnisbehörde zu treffenden Maßnahmen zur Klärung von Eignungszweifeln wegen des Betäubungsmittelkonsums des Fahrerlaubnisbewerbers in erster Linie nach der Bestimmung des § 14 FeV. Zwingt diese Vorschrift zur Anordnung einer Begutachtung des Fahrerlaubnisbewerbers, so darf die Behörde die Fahrerlaubnis nur dann erteilen, wenn ein positives Gutachten zur Ausräumung der Eignungszweifel vorgelegt wurde (OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 M 123/12 – juris Rn. 5; vgl. zum Ganzen auch VGH Mannheim, Urteil vom 15. Juni 2012 – 10 S 452/10 –, VBlBW 2013, 19 – zitiert nach juris). Solange aber Eignungszweifel vorliegen, aufgrund derer die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens gerechtfertigt ist, besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis (vgl. OVG Greifswald a.a.O. Rn. 6, VGH Mannheim a.a.O.; VGH München, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 11 CE 09.2812 –, juris). So verhält es sich hier.

Da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt und das materielle Recht insoweit nichts Abweichendes regelt, ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung abzustellen. Trotz des mittlerweile verstrichenen Zeitraums bestehen weiterhin Eignungszweifel. Diese ergeben sich vor dem Hintergrund der Vorgeschichte aus dem Gutachten vom 25. Oktober 2010, auf das entgegen der Auffassung der Klägerin abgestellt werden kann, da seine Beibringung zu Recht angeordnet worden war. Nach diesem Gutachten ist nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin wieder regelmäßig Cannabis konsumiert. Aufgrund dessen kann die Behörde nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen - nicht aber eines medizinisch-psychologischen - Gutachtens anordnen. Die hiernach erforderliche Ermessensentscheidung hat der Beklagte nicht getroffen; so dass er zu verpflichten war, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis unter anderem dann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (nach § 11 Absatz 2 Satz 3 FeV) an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Nr. 1) oder eine Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Nr. 2) vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Zwingend vorgesehen ist die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für die Zwecke nach § 14 Abs. 1 FeV unter anderem dann, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FeV).

Danach unterscheidet die Vorschrift aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zwischen dem geringeren Eingriff der Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einerseits und dem schwereren Eingriff der Anordnung der Beibringung eines medizinisch psychologischen Gutachtens andererseits. Die Anordnung der Beibringung der jeweiligen Gutachten ist zudem in bestimmten Fällen zwingend vorgesehen und in anderen Fällen steht sie im Ermessen der Behörde. Insofern ist zum näheren Verständnis der Vorschrift die Nummer 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung heranzuziehen. Danach fehlt es bei regelmäßigem Cannabiskonsum an der Fahreignung (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist eine Kraftfahreignung nur dann gegeben, wenn zwischen dem Fahren und dem Konsum getrennt wird und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen hinzukommt sowie keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2).

Eine Legaldefinition des Begriffs „regelmäßig" im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis enthalten weder die Fahrerlaubnis-Verordnung noch das Straßenverkehrsgesetz. Anders als bei gelegentlichem Konsum nach Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung müssen bei regelmäßiger Einnahme keine zusätzlichen Tatbestandselemente - wie etwa fehlendes Trennungsvermögen - erfüllt sein. Daraus folgt, dass unter regelmäßiger Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 ein Konsum zu verstehen ist, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausschließt (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 – BVerwG 3 C 1.08 – BVerwGE 133, 186 ff., juris Rn. 15). Eine regelmäßige Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung liegt jedenfalls dann vor, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 a.a.O. juris Rn. 14).

Danach musste der Beklagte bei der erstmaligen Anordnung der Beibringung eines (ärztlichen) Gutachtens angesichts der Aussagen der Klägerin in der Beschuldigtenvernehmung vom 21. Mai 2008 von einem über einem Jahr dauernden regelmäßigen Konsum ausgehen. Die von der Klägerin einerseits gegenüber dem Gutachter und andererseits im Berufungsverfahren vertretene Behauptung, sie habe lediglich ein- bis zweimal unter der Woche und am Wochenende konsumiert, ist bei der von ihr seinerseits gewählten Formulierung („ein bis zweimal werktags und am Wochenende“) nicht nur fernliegend, sondern widerspricht auch dem sonstigen Inhalt der Vernehmung, wonach sich der Konsum gesteigert habe und die Klägerin drei- bis viermal in der Woche Drogen gekauft habe. Konnte die Klägerin bei ihrem eigentlichen Dealer nichts bekommen, ist sie zu einem anderen Dealer gegangen. Dementsprechend ging auch das Gutachten von einem regelmäßigen Cannabiskonsum aus.

Weitere Eignungszweifel ergaben sich aus dem jugendlichen Alter der Klägerin zum Zeitpunkt des Konsums, da bei Jugendlichen in der Entwicklungsphase schon ein gelegentlicher Cannabiskonsum zu chronischen Leistungsbeeinträchtigungen führen kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 2062/96 – juris Rn. 44). Entscheidend ist aber, dass die Klägerin bei der Beschuldigtenvernehmung außerdem angab, dass sie seit dem 13. Februar 2008 nicht mehr konsumiere. Nur vor diesem Hintergrund wird überhaupt die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens sinnvoll, denn anderenfalls wäre zum Zeitpunkt des ersten Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis im Juli 2008 von einem die Kraftfahreignung ausschließenden regelmäßigen Cannabiskonsum auszugehen gewesen und eine Gutachtenanforderung entbehrlich gewesen (vgl. § 11 Abs. 7 FeV).

Danach war vom Beklagten zwingend nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, aufgrund dessen Nichtvorlage er nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV davon ausgehen durfte, dass die Klägerin einen ihr bekannten Eignungsmangel verbergen wollte. Dieser gilt zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung – hier also am 12. September 2008 - als nachgewiesen.

Gleichwohl durfte der Beklagte die Klägerin bei deren erneutem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis vom Juli 2010 abermals zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Frage auffordern, ob sie inzwischen ihre Fahreignung wiedererlangt habe. Eine solche Begutachtung wäre nach § 11 Abs. 7 FeV nur dann rechtlich ausgeschlossen gewesen, wenn keine Umstände vorgelegen hätten, welche die Wiedererlangung der Fahreignung möglich erscheinen ließen. Nachdem die Klägerin einerseits in der Beschuldigtenvernehmung angegeben hatte, den Cannabiskonsum im Februar 2008 eingestellt zu haben und andererseits nach dem 12. September 2008 keine neuen Tatsachen hinzukamen, die auf einen Eignungsmangel schließen ließen, durfte der Beklagte jedoch durchaus Zweifel daran haben, ob der Eignungsmangel der Klägerin fortdauerte oder inzwischen beseitigt war, sie also mittlerweile kein oder allenfalls gelegentlich Cannabis konsumierte. Er war daher weiterhin gehalten, diese Eignungszweifel gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FeV medizinisch-psychologisch abklären zu lassen. Selbst wenn man aber diese Umstände nicht für ausreichend hielte, wäre angesichts feststehenden Eignungsmangels ohnehin nur die Ablehnung der Erteilung einer Fahrerlaubnis in Betracht gekommen (vgl. zum Ganzen die ähnliche Argumentation des BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 – BVerwG 3 C 32. 11 – juris Rn. 35).

Das Gutachten vom 25. Oktober 2010 kommt nicht zu einem insgesamt positiven Ergebnis, sondern geht weiterhin von einem Eignungsmangel aus. Danach hat die Klägerin zwar nachgewiesen ungefähr ein Jahr lang kein Cannabis oder sonstige Drogen mehr konsumiert und auch in leistungspsychologischer Hinsicht ergaben sich keine Befunde, die ihre Fahreignung in Frage stellten. Allerdings sei – so das Gutachten - eine Wiederaufnahme alter Verhaltensmuster nicht auszuschließen, da der Drogenverzicht von der Klägerin primär mit äußeren Umständen begründet werde. Dies ist nachvollziehbar, da die Klägerin bei der Befragung durch den Gutachter angab, in den Cannabiskonsum durch neue Bekannte „reingerutscht“ zu sein, aufgrund des Freundeskreises über ein Jahr lang konsumiert zu haben und den Konsum letztlich auch nur deshalb aufgegeben zu haben, weil es sich im Freundeskreis so ergeben habe, dass dort mit der Berufstätigkeit langsam nichts mehr konsumiert worden sei.

Zwar hat sich aufgrund der durch dieses Gutachtens nachgewiesenen Abstinenz von einem Jahr der frühere, im Sinne der Nummer 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung regelmäßige, Cannabiskonsum in einen gelegentlichen Konsum im Sinne der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung gewandelt. Auch lag zwischen diesem Gutachten und dem angegriffenen Bescheid letztlich fast ein Jahr, in dem keine weiteren Tatsachen hinzugekommen sind, die Zweifel an der Fahreignung der Klägerin rechtfertigten. Gleichwohl hat der Beklagte, nachdem die Klägerin sowohl die (erfolgreiche) Teilnahme an einem anerkannten Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung für drogenauffällige Kraftfahrer als auch die Beibringung eines weiteren medizinisch-psychologischen Gutachtens abgelehnt hatte, zu Recht den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis abgelehnt.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet nicht, nur dann die Fahreignung eines gelegentlichen Konsumenten zu verneinen, wenn mit Sicherheit zu erwarten ist, dass der Betroffene früher oder später unter Einwirkung von Rauschmitteln ein Fahrzeug führen wird. Schon der Umstand, dass ein solcher gelegentlicher Konsum die Aufgabe der Trennungsbereitschaft möglich erscheinen lässt, mag die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Kontrollverlustes auch nicht bezifferbar sein, rechtfertigt vor dem Hintergrund der staatlichen Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, grundsätzlich die Annahme mangelnder Fahreignung. Die Interessen des Rauschmittelkonsumenten dürfen insoweit hintangestellt werden, wie es in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geschehen ist. Notwendig ist allerdings unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung der Rauschmittel und daraus folgender Schäden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Fahrerlaubnisrelevanz gelegentlichen Cannabiskonsums (grundlegend; BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 ; Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378, vgl. auch BVerwG, Urteile vom 5. Juli 2001 - BVerwG 3 C 13.01 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 und vom 14. November 2013 – BVerwG 3 C 32.12 – juris Rn. 17) begründet der einmalige oder gelegentliche Cannabiskonsum für sich gesehen nicht den für die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens hinreichenden Verdacht eines Fahreignungsmangels; denn dafür genügt nicht jeder Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines solchen Mangels hindeutet. Regelmäßig ist daher erforderlich, dass der gelegentliche Cannabiskonsum mit der Teilnahme am Straßenverkehr verknüpft ist, um einen „Anfangsverdacht" zu rechtfertigen. Erst recht ist daher die Annahme fehlender Fahreignung allein wegen gelegentlichen Cannabiskonsums unverhältnismäßig (vgl. zum Ganzen BVerwG Urteil vom 14. November 2013 – BVerwG 3 C 32.12 – juris Rn. 16 f. zum Mischkonsum).

Nach diesen Grundsätzen durfte der Beklagte zwar noch im September 2011 nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nur noch als gelegentliche Konsumentin anzusehen war und keine weiteren Tatsachen hinzugekommen waren. Denn zum einen war die Klägerin zuvor regelmäßige Konsumentin gewesen und zum anderen lag die Begutachtung, als deren Ergebnis nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Klägerin erneut regelmäßig oder gelegentlich ohne Trennungsvermögen konsumieren könnte, noch nicht einmal ein Jahr zurück.

Mittlerweile sind aber über drei Jahre seit der Begutachtung verstrichen und - soweit bekannt - keine weiteren Tatsachen hinzugekommen, die Eignungszweifel begründen, sodass der Beklagte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur noch nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachten anordnen kann, um zu klären, ob die Klägerin weiterhin oder wieder Cannabis konsumiert. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gebotene Ermessensentscheidung wird der Beklagte nun nachzuholen haben. Abzuwägen sind einerseits die staatliche Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, und andererseits die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit geforderte hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung der Rauschmittel und daraus folgender Schäden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es aufgrund des Zeitablaufs ohne weitere Anhaltspunkte immer unwahrscheinlicher wird, dass die Klägerin erneut Cannabis konsumiert oder konsumiert haben könnte.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin. Sollte der Beklagte die Einholung eines ärztlichen Gutachtens anordnen und weist die Klägerin in dem Gutachten abermals eine weitere Drogenabstinenz nach (nunmehr seit etwas über vier Jahren), ist, sofern keine weiteren Tatsachen - etwa aufgrund einer aktuellen Auskunft aus dem Bundeszentralregister – hinzukommen, von einer Fahreignung auszugehen.

Nach alledem war auf die Berufung der Kläger hin das angefochtene Urteil zu ihren Gunsten zu ändern und der Klage teilweise mit der Kostenfolge des §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO stattzugeben. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.


Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.