Das Verkehrslexikon
OVG Bautzen Beschluss vom 28.04.2014 - 3 A 427/12 - Zur Frage des Beweiswerts eines Protokolls über die Einrichtung einer Halteverbotsstrecke
OVG Bautzen v. 28.04.2014: Zur Frage des Beweiswerts eines Protokolls über die Einrichtung einer Halteverbotsstrecke
Das OVG Bautzen (Beschluss vom 28.04.2014 - 3 A 427/12) hat entschieden:
Ist durch ein Protokoll über die Einrichtung einer Halteverbotsstrecke nachgewiesen, dass deren Beschilderung auf Grundlage einer entsprechenden Anordnung der Straßenverkehrsbehörde mit Verkehrszeichenplan rechtzeitig durchgeführt wurde und ist - wie hier durch Fotos - zudem belegt, dass sich das abgeschleppte Fahrzeug im Zeitpunkt, als es abgeschleppt wurde, innerhalb der so ausgeschilderten Halteverbotsstrecke befand, so kommt diesen Tatsachen zusammen betrachtet zwar kein voller Beweiswert zu. Jedoch begründen sie einen indiziellen Beweiswert und damit eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass das Fahrzeug, wenn es nachweislich - wie hier ausweislich des Protokolls - im Zeitpunkt der Schilderaufstellung dort nicht abgestellt war, danach in der ordnungsgemäß errichteten und ausgeschilderten Halteverbotsstrecke abgestellt worden war. Eine solche Vermutung kann nicht durch unsubstantiiertes Bestreiten erschüttert werden. Hierzu müssen vielmehr konkrete Tatsachen angeführt werden, die geeignet sind, die Vermutung in Frage zu stellen.
Siehe auch Abschleppkosten bei Halt- und Parkverstößen und Verkehrsrechtliche Anordnungen von Halt- und Parkeinschränkungen
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, lässt nicht erkennen, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) sowie des Vorliegens eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (2.) gegeben sind.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn der Antragsteller innerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss erscheint (SächsOVG, Beschl. v. 8. Januar 2010 - 3 B 197/07 -, juris; BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 2000, DVBl. 2000, 1458; Beschl. v. 10. September 2009, NJW 2009, 3642).
Dies vorangestellt lässt das Vorbringen des Klägers nicht auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils schließen, mit welchem das Verwaltungsgericht seine Klage gegen den Leistungsbescheid der Beklagten vom 8. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesdirektion Leipzig vom 11. Februar 2011 abgewiesen hat. Mit diesem Bescheid zieht die Beklagte den Kläger als Fahrzeugführer zu - im Wege der Ersatzvornahme (§ 24 Abs. 3 Satz 1 SächsVwVG) - verauslagten Kosten eines Abschleppunternehmens in Höhe von 200,00 € zuzüglich Verwaltungsgebühren (51,13 €) und Auslagen (3,45 €) heran, weil sich das von ihm am 13. Juni 2010 geführte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... im absoluten Halteverbot befunden habe.
1.1 Soweit das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass der Kläger als Fahrzeugführer - und damit als Verhaltensstörer gemäß § 4 Abs. 1 SächsPolG - in Anspruch genommen werden könne, zeigt sein Vorbringen keine ernstlichen Zweifel auf.
Selbst wenn man davon ausginge, so das Verwaltungsgericht, dass der Kläger bei Abholung des Fahrzeugs vom Abschleppunternehmen durch seine Unterschrift unter den Abschleppauftrag nur erklärt haben wolle, Fahrzeugführer des abzuholenden Fahrzeugs zu sein, sei im Rahmen einer Gesamtschau ohne Zweifel davon auszugehen, dass er das Fahrzeug im Halteverbotsbereich abgestellt habe. Denn er habe im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 zunächst nur allgemein die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme bestritten, ohne darauf hinzuweisen, nicht als Fahrzeugführer verantwortlich gewesen zu sein. Aus seiner Formulierung, es werde bestritten, dass „das Fahrzeug des Widerspruchsführers im vorliegenden Fall ordnungswidrig geparkt sein soll“, sei zu folgern, dass er sich als Verantwortlicher des geparkten Fahrzeugs gesehen habe. Dies folge schließlich auch aus dem Schreiben seines im Widerspruchsverfahren Bevollmächtigten vom 11. Dezember 2010. Dieser habe dort unter Nr. 2 ausdrücklich erklärt: „Richtig ist - wie bereits ausgeführt - dass der Widerspruchsführer, der ausdrücklich als Zeuge benannt wird, zum Zeitpunkt der Fahrzeugabstellung nirgendwo ordnungsgemäß aufgestellte Halteverbotsschilder an der vorliegenden Stelle gesichtet hat oder hätte sichten“ können. Dass er nicht Fahrzeugführer gewesen sei, habe er erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug im unmittelbaren Wohnbereich des Klägers abgestellt gewesen sei. Auch sei seine Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen darzulegen, wer das Fahrzeug ansonsten hätte abgestellt haben können.
Dagegen trägt der Kläger zur Begründung ernstlicher Zweifel vor, er habe sich gegenüber dem Abschleppunternehmen irrtümlich als Fahrzeugführer ausgegeben. Jedenfalls habe er mit seiner Unterschrift unter den ihm vom Abschleppunternehmen vorgelegten Abschleppauftrag der Beklagten nur erklären wollen, Fahrzeugführer des abzuholenden Fahrzeugs zu sein. Zum Fahrzeugführer werde er auch nicht schon deshalb, weil er angegeben habe, keine Halteverbotsschilder gesehen zu haben. Nicht er, sondern die Beklagte trage schließlich die Beweislast dafür, dass er das Fahrzeug geführt habe, als es abgestellt worden sei.
Allein die Wiederholung dieser schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Gründe reicht nicht aus, die obigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ernstlich in Zweifel zu ziehen. Zur Begründung ernstlicher Zweifel muss sich der Antragsteller im Zulassungsverfahren mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsdarstellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (SächsOVG, Beschl. v. 28. November 2012 - 3 A 937/10 -, juris m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt sein Vorbringen nicht. Denn das Verwaltungsgericht ist im Rahmen einer Gesamtbewertung des Sachverhalts davon ausgegangen, dass der Kläger ungeachtet seines im Zulassungsverfahren wiederholten Vorbringens Fahrzeugführer war, als das Fahrzeug abgestellt wurde. Mit dieser - im Übrigen überzeugenden - Gesamtbewertung setzt sich der Kläger nicht auseinander. Weder trägt er vor, wer das Fahrzeug geführt haben soll, noch gibt er andere Tatsachen an, die geeignet sein könnten, den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss zu erschüttern, dass er das Fahrzeug im Halteverbotsbereich abgestellt hat.
1.2 Auch soweit der Kläger ernstliche Zweifel damit begründet, dass die Voraussetzungen einer Ersatzvornahme schon mangels nachweislicher Beschilderung nicht vorgelegen hätten, sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils veranlasst.
Hierzu führt das Verwaltungsgericht aus, die Beklagte habe als Straßenverkehrsbehörde am 31. Mai 2010 die nach der Straßenverkehrsordnung erforderlichen Anordnungen unter Bezugnahme auf den Verkehrszeichenplan getroffen. Nach dem Protokoll des beauftragten verkehrstechnischen Unternehmens vom 8. Juni 2010 über die Ausschilderung der Halteverbotsstrecke habe der Standort des neben dem Fahrzeug aufgestellten Halteverbotsschildes auch dem Verkehrszeichenplan entsprochen. Die Halteverbotsschilder seien ausweislich des Protokolls an diesem Tag gegen 9:30 Uhr in beiden Richtungen der Straße B.... entsprechend dem Verkehrszeichenplan aufgestellt worden. Die zu dieser Zeit im Halteverbotsbereich geparkten Fahrzeuge seien im Protokoll notiert worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sei durch die vorgelegte Dokumentation über die zum Zeitpunkt der Schilderaufstellung in der Halteverbotsstrecke geparkten Fahrzeuge im Regelfall auch die entsprechende Durchführung der Beschilderung belegt. Das in Rede stehende Fahrzeug sei ausweislich des Fotos vor dem Grundstück B....... im Halteverbotsbereich geparkt gewesen. Der Kläger könne diese Regelwirkung nicht mit Hinweis auf den mobilen Charakter der Schilder unsubstantiiert dadurch bestreiten, es sei damit nicht erwiesen, dass im Zeitpunkt, als das Fahrzeug abgestellt worden sei, dort ebenfalls Halteverbotsschilder gestanden hätten.
Hieran hält der Kläger mit seinem Zulassungsantrag jedoch fest und rügt, der Sachverhalt hätte vom Verwaltungsgericht angesichts seines Bestreitens im Wege der Amtsermittlung weiter aufgeklärt werden müssen.
Dieses Vorbringen verhilft dem Antrag ebenfalls nicht zur Berufungszulassung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger durch sein unsubstantiiertes Bestreiten die Annahme, dass das Fahrzeug im ordnungsgemäß ausgeschilderten Halteverbotsbereich abgestellt wurde, nicht zu widerlegen vermag. Ist durch ein Protokoll über die Einrichtung einer Halteverbotsstrecke nachgewiesen, dass deren Beschilderung auf Grundlage einer entsprechenden Anordnung der Straßenverkehrsbehörde mit Verkehrszeichenplan rechtzeitig durchgeführt wurde und ist - wie hier durch Fotos - zudem belegt, dass sich das abgeschleppte Fahrzeug im Zeitpunkt, als es abgeschleppt wurde, innerhalb der so ausgeschilderten Halteverbotsstrecke befand, so kommt diesen Tatsachen zusammen betrachtet zwar kein voller Beweiswert zu. Jedoch begründen sie einen indiziellen Beweiswert und damit eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass das Fahrzeug, wenn es nachweislich - wie hier ausweislich des Protokolls - im Zeitpunkt der Schilderaufstellung dort nicht abgestellt war, danach in der ordnungsgemäß errichteten und ausgeschilderten Halteverbotsstrecke abgestellt worden war. Eine solche Vermutung kann nicht durch unsubstantiiertes Bestreiten erschüttert werden. Hierzu müssen vielmehr konkrete Tatsachen angeführt werden, die geeignet sind, die Vermutung in Frage zu stellen. Solche Tatsachen hat der Kläger weder vor dem Verwaltungsgericht noch im Zulassungsverfahren vorgebracht.
2. Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht in Betracht, soweit sich der Kläger mit diesem Vorbringen zugleich sinngemäß auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruft.
Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann grundsätzlich nicht angenommen werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter von einem förmlichen Beweisantrag abgesehen hat. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in erster Instanz, vor allem ein Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25. Januar 2005, NVwZ 2005, 447; SächsOVG, Beschl. v. 28. November 2012 - 3 A 937/10 -, juris Rn. 16; Beschl. v. 20. November 2000, SächsVBl. 2001, 94; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 13).
Diese Voraussetzungen einer Aufklärungsrüge liegen hier nicht vor, weil es an einem förmlichen Beweisantrag des Klägers fehlte und sich eine weitere Aufklärung angesichts seines unsubstantiierten Bestreitens auch nicht aufdrängte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG und folgt der Fest-setzung der ersten Instanz, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).