Das Verkehrslexikon
VGH München Beschluss vom 17.02.2014 - 11 ZB 13.2532 - Fahrerlaubnisentzug bei Methamphetamingebrauch
VGH München v. 17.02.2014: Zu, Fahrerlaubnisentzug bei Methamphetamingebrauch auch während der Schwangerschaft
Der VGH München (Beschluss vom 17.02.2014 - 11 ZB 13.2532) hat entschieden:
Bei einmaligem Methamphetaminkonsum ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig. Die davon betroffene Fahrerlaubnisinhaberin kann sich jedenfalls auf eine besondere Verhaltensumstellung wegen ihrer Schwangerschaft dann nicht als Ausnahmetatbestand berufen, wenn sie wegen Drogenkonsums bereits wiederholt auffällig geworden ist.
Siehe auch Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde und Amphetamine - Speed - Crystal - Meth - im Fahrerlaubnisrecht
Anmerkung:
Hierzu gibt es eine gleichlautende Parallelentscheidung - dieselbe Antragstellerin betreffend: VGH München - Beschluss vom 30.01.2014 - 11 CS 13.2320.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S mit Bescheid der Beklagten vom 18. September 2013.
Am 21. April 2013 geriet die Klägerin in eine Verkehrskontrolle und fiel dabei wegen mutmaßlichen Drogenkonsums auf. Die toxikologische Analyse der ihr entnommenen Blutprobe ergab, dass sie unter anderem 27 ng/ml Metamphetamin im Blut hatte. Das deshalb eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde eingestellt. Im Rahmen der Anhörung zur Fahrerlaubnisentziehung teilte der Klägerbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 30. August 2013 mit, dass die Klägerin schwanger sei, legte ein entsprechendes ärztliches Attest vom 25. Juli 2013 vor und berief sich auf einen Ausnahmefall im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 4. September 2013, dass sie nicht hiervon ausgehe, zumal eine neue polizeiliche Anzeige gegen die Klägerin vom 1. September 2013 wegen einer Straßenverkehrsteilnahme unter dem Einfluss berauschender Mittel vorliege. Wegen der Straßenverkehrsteilnahme der Klägerin unter dem Einfluss von Cannabis am 31. August 2013 wurde gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat im Sinn des § 316 StGB eingeleitet.
Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die Klage der Klägerin gegen den auf Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gestützten Bescheid vom 18. September 2013 mit Urteil vom 25. Oktober 2013 ebenso ab wie zuvor mit Beschluss vom 18. Oktober 2013 schon den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin habe Metamphetamin und damit eine harte Droge konsumiert, wie die anlässlich der Verkehrskontrolle vom 21. April 2013 entnommene Blutprobe ergeben habe. Ein Fall von § 3 Abs. 3 StVG liege ebenso wenig vor wie ein Ausnahmefall im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 25. Oktober 2013 macht die Klägerin geltend, die vom Verwaltungsgericht zu § 3 Abs. 3 StVG vertretene Auffassung sei unzutreffend. Der Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens sei, dürfe im gesamten Entziehungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass angesichts ihrer Schwangerschaft ein Ausnahmetatbestand vorliege.
Die Beklagte tritt dem entgegen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Sinngemäß beruft die Klägerin sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Einer ausdrücklichen Benennung dieses Zulassungsgrundes bedarf es nicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2012, § 124a Rn. 56 f.). Sie setzt sich mit dem erstinstanzlichen Urteil in einer dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO noch genügenden Weise auseinander.
In der Sache ist das Vorbringen der Klägerin indes nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu wecken.
Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 3 Abs. 3 StVG wurde zu Recht verneint. Der Bescheid vom 18. September 2013, mit dem der Klägerin die Fahrerlaubnis entzogen wurde, knüpft ausdrücklich und unmissverständlich nur an den Konsum von Metamphetamin am 21. April 2013 an, der gemäß der Regelvermutung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahrungeeignetheit zur Folge hat. In Bezug hierauf wurde kein Strafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet, so dass es am Tatbestand von § 3 Abs. 3 StVG fehlt. Aus dem Umstand, dass wegen einer Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis am 31. August 2013 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde und die Beklagte in ihrem Schreiben vom 4. September 2013 u.a. die polizeiliche Anzeige wegen dieser Cannabisfahrt erwähnt hat, kann nicht konstruiert werden, die Fahrerlaubnisbehörde stütze die Fahrerlaubnisentziehung auch auf die Tat vom 31. August 2013, so dass die Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 3 Abs. 3 StVG rechtswidrig sei.
Mit ihrem Schreiben vom 4. September 2013 reagierte die Beklagte auf einen Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30. August 2013, in dem dieser darlegt, der Drogenkonsum sei ein einmaliger Vorfall gewesen, zudem sei die Klägerin schwanger, weshalb ein Abweichen von der Regelvermutung gerechtfertigt sei. Hierauf geht die Beklagte in ihrer Antwort vom 4. September 2013 ein und teilt mit, dass sie eine Ausnahme von der Regelvermutung nicht für gerechtfertigt halte: Es sei nicht von einem einmaligen Fehlverhalten auszugehen, weil die Klägerin bereits mehrfach auffällig geworden sei; hierbei wurde die polizeiliche Anzeige vom 1. September 2013 erwähnt. Es wäre nachgerade abwegig, deshalb entgegen dem Wortlaut des Entziehungsbescheids vom 18. September 2013 anzunehmen, er sei auf die Tat vom 31. August 2013 gestützt. Auch der Sinn und Zweck von § 3 Abs. 3 StVG gebieten es nicht, den Ausgang des Strafverfahrens wegen der Cannabisfahrt vom 31. August 2013 abzuwarten. Denn die Gefahr widersprechender Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis bezogen auf denselben Lebenssachverhalt (Cannabisfahrt vom 31.8.2013) kann nicht entstehen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1987 (7 C 46.87 – BVerwGE 80, 43 ff.) führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage zugunsten der Klägerin. Diese Entscheidung erging nicht zu der dem heutigen § 3 Abs. 3 StVG entsprechenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 StVG in der Fassung vom 2. März 1974 (BGBl I S. 469), sondern zu § 4 Abs. 3 StVG in der Fassung vom 2. März 1974 und betraf eine ganz andere Frage, nämlich, ob die Verwaltungsbehörde in dem Entziehungsverfahren zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers von den Feststellungen eines bereits ergangenen strafgerichtlichen Urteils abweichen darf. Bezogen hierauf hat das Bundesverwaltungsgericht befunden, dass die Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG in der Fassung vom 2. März 1974 nicht nur für die Fahrerlaubnisentziehung selbst, sondern für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen gilt. Dies ist nicht auf den zu entscheidenden Fall übertragbar.
Das Vorbringen der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass ihre Schwangerschaft auch nach Auffassung der Beklagten ein Abweichen von der Regelvermutung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung rechtfertige, verhilft dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 4. September 2013 zwar ausgeführt, die Schwangerschaft stelle „mit Sicherheit eine besondere Verhaltensumstellung“ dar. Aus dem nächsten Satz wird aber ersichtlich, dass sie im Fall der Klägerin hiervon wegen des fortgesetzten Drogenkonsums gerade nicht ausging. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass trotz der etwas verkürzten und daher missverständlichen Formulierung das Richtige gemeint ist, nämlich: Mit einer Schwangerschaft wird in vielen Fällen aus Verantwortungsgefühl für das ungeborene Kind eine besondere Verhaltensumstellung im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung einhergehen. Wie die Umstände des Einzelfalls zeigen, war dies bei der Klägerin aber nicht der Fall. Dass sie nach dem Vorfall vom 21. April 2013 trotz der laut Attest vom 25. Juli 2013 bestehenden Schwangerschaft Ende August 2013 noch einmal Drogen genommen hat, zeigt, dass sie ihr Verhalten nicht umgestellt hat. Bei der Frage, ob bezogen auf den Metamphetaminkonsum am 21. April 2013 ein Fall von Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, durfte das ohne Verstoß gegen § 3 Abs. 3 StVG berücksichtigt werden.
Dass ausweislich des Laborbefundes des MVZ Weiden vom 26. September 2013 in der Urinprobe der Klägerin vom 23. September 2013 keine Betäubungsmittel feststellbar waren, führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal Betäubungsmittel im Urin nur über einen kurzen Zeitraum nach Einnahme nachweisbar bleiben. Im Urin kann der Nachweis gegenüber dem Blut zwar länger geführt werden. Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ist aber bereits nach zwei- bis viertägigem Verzicht auf diese Droge mit einem negativen Befund rechnen (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, S. 179, Tabelle 2). Andere Drogen als Cannabis sind im Urin generell nur während einer Zeitspanne nachweisbar, die sich zwischen einem und vier Tagen nach der Einnahme bewegt (Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, ebenda).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).