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OLG Koblenz Beschluss vom 09.01.2006 - 12 U 958/04 - Schadensersatzanspruch des Beifahrers bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers
OLG Koblenz v. 09.01.2006: Zum Schadensersatzanspruch des Beifahrers bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers
Das OLG Koblenz (Beschluss vom 09.01.2006 - 12 U 958/04) hat entschieden:
Hat sich der Beifahrer einem alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrzeugführer anvertraut, ist der Vorwurf des Mitverschuldens gerechtfertigt, wenn er die Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers positiv kannte oder dessen alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können. Den Beifahrer trifft in diesem Fall ein erhebliches Mitverschulden, das mit einer Mithaftungsquote von einem Drittel nicht zu hoch bewertet ist. Bei der Schmerzensgeldbemessung ist auf Grund von dessen Genugtuungsfunktion auch zu berücksichtigen, ob es während einer Gefälligkeitsfahrt zu dem schädigenden Ereignis gekommen ist. Dies führt zur Verringerung des Schmerzensgeldbetrages.
Siehe auch Alkoholisierter oder übermüdeter Kfz-Führer und Selbstgefährdung des Beifahrers als Mitverschulden an eigenen Verletzungen und Stichwörter zum Thema Alkohol
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um restliche Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 8. März 2000 gegen 23.16 Uhr auf der Bundesstraße .. bei N… zugetragen hat. Insbesondere geht es um die Fragen der angemessenen Schmerzensgeldbemessung und eines Mitverschuldens, weil der Kläger sich dem alkoholbedingt absolut fahruntüchtigen Erstbeklagten, der den Unfall verursacht hat, als Beifahrer anvertraut hatte.
Der aus dem Kosovo stammende Kläger, der sich aufgrund einer Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber im Inland aufhält, bis zum Oktober 2002 von Sozialhilfe lebte, vier Kinder hat (Bl. 9 GA) und dessen Ehefrau zwischenzeitlich verstorben ist, hatte nach seinem Vortrag den vom Erstbeklagten zur Zeit des Unfalls geführten Pkw Opel Kadett mit dem amtlichen Kennzeichen … an den Erstbeklagten verkauft, nachdem er dieses Fahrzeug seinerseits von N… S… erworben hatte. Die Übergabe des Fahrzeugs an den Erstbeklagten war nach dem Vorbringen des Klägers zwar schon zwei Tage vor dem Unfalltag erfolgt; an jenem Tage soll aber erst der auch mit dem 8. März 2000 datierte schriftliche Kaufvertrag (Bl. 91 = Bl. 154 GA) geschlossen worden sein (Bl. 4, 145 GA).
Einzelheiten des weiteren Ablaufs sind ebenfalls unklar. Der Kläger hatte sich nach seinem Vortrag später am selben Tage zusammen mit dem Erstbeklagten auf einer Geburtstagsfeier für ein Kind seines Bekannten Q… H… aufgehalten. Danach waren der Erstbeklagte als Fahrzeugführer des bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versicherten Pkws und der Kläger als Beifahrer in Richtung N… gefahren. Auch der Zweck dieser Fahrt, die wiederholt als „Probefahrt“ bezeichnet wurde, bleibt unklar. Der Erstbeklagte sollte den Kläger nach dessen Darstellung nach Hause bringen.
Der Erstbeklagte, der keine gültige Fahrerlaubnis besaß, war bei Fahrtantritt alkoholbedingt absolut fahruntüchtig. Eine gegen 0.35 Uhr entnommene Blutprobe ergab – ohne dass ein Nachtrunk möglich gewesen wäre - eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille. Der Erstbeklagte kam wegen seiner Fahruntüchtigkeit bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 80 km/h (Bl. 23, 29 BA) am Ortseingang von N… in einer leichten Kurve von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug fuhr auf einen Erdwall und wurde anschließend zwanzig Meter weit durch die Luft geschleudert.
Bei diesem Unfall wurde der angegurtete Kläger schwer verletzt. Er erlitt u.a. durch einen Wirbelkörperbruch eine inkomplette Querschnittlähmung (Paraplegie) mit Blasen- und Mastdarmstörung sowie impotentia coeundi, ferner eine Schulterluxation mit einem Abriss des tuberculum maius und einer Läsion des nervus auxiliaris. Er wurde vom 9. März 2000 bis zum 24. Mai 2000 stationär im Krankenhaus E… behandelt. Der Grad seiner andauernden Behinderung wird auf 80 % veranschlagt (Bl. 80 GA), bisweilen auch mit 90 % angegeben. Er kann sich nur mit Hilfe von Unterarmgehstützen über kürzere Strecken selbst fortbewegen.
Der Erstbeklagte wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Linz vom 31. Mai 2000 - 2040 Js 12938/00 - wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt; gegen ihn wurde außerdem eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von 12 Monaten verhängt.
Die Haftung der Beklagten für die Unfallschäden steht dem Grunde nach außer Frage. Die Zweitbeklagte hat vorgerichtlich 79.558,30 DM (40.677,51 Euro) auf den Schmerzensgeldanspruch an den Kläger gezahlt, wobei sie eine Mithaftung des Klägers zu 1/3 angenommen hat. Ansprüche auf Ersatz künftiger immaterieller Schäden hat sie im Umfang dieser Haftungsquote außergerichtlich anerkannt. Weitere 21.524,94 Euro wegen der Schmerzensgeldforderung wurden von der Zweitbeklagten hinterlegt, nachdem das Sozialamt einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich zuviel geleisteter Sozialhilfe geltend gemacht hatte.
Mit seiner Klage hat der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung künftiger immaterieller Schäden, soweit die Ersatzpflicht nicht bereits anerkannt worden war (restliches Drittel), begehrt. Er hat ein Mitverschulden mit der Behauptung bestritten, er habe die Alkoholisierung des Erstbeklagten nicht erkannt (Bl. 82 f., 110, 130 f. GA) und nicht davon gewusst, dass der Erstbeklagte keine gültige Fahrerlaubnis hatte. Bei dem gemeinsamen Aufenthalt im Hause des Q H sei kein Alkohol konsumiert worden. Er und der Erstbeklagte seien auf getrennten Wegen dorthin gelangt, so dass er auch einen vorherigen Alkoholkonsum des Erstbeklagten nicht wahrgenommen habe (Bl. 83 GA). Mit Blick auf seine Verletzungen und deren dauernde Folgen hat der Kläger ein Schmerzensgeld von 153.387,56 Euro (300.000 DM) abzüglich gezahlter und hinterlegter Beträge für angemessen erachtet. Dabei hat er auch angenommen, dass die Zweitbeklagte die Schadensregulierung verschleppt habe (Bl. 10, 150 GA). Dies falle deshalb gravierend ins Gewicht, weil das Sozialamt ihm und seiner Familie die Sozialhilfe entzogen habe und insoweit seit Oktober 2002 keine Leistungen mehr erbracht würden.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben zunächst vorgetragen, es sei schon zweifelhaft, ob der Erstbeklagte zur Unfallzeit überhaupt Halter des Fahrzeuges gewesen sei (Bl. 66 GA). Später hat die Zweitbeklagte aber eine Haftung zu 2/3 anerkannt (Bl. 107 GA). Im Übrigen sei der bezifferte Schmerzensgeldanspruch des Klägers mit Leistungen von insgesamt 62.202,45 Euro ausreichend erfüllt (Bl. 304 GA). Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Ersatzpflicht auch künftiger immaterieller Schäden, soweit diese nicht bereits anerkannt sei (restliches Drittel), treffe den Kläger ein Mitverschulden. Er habe bei Fahrtantritt gewusst, dass der Erstbeklagte, der dann das Fahrzeug führen sollte, erheblich alkoholisiert war. Zudem sei bei der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen, dass der Kläger vom Erstbeklagten im Rahmen einer Gefälligkeitsfahrt als Beifahrer mitgenommen worden sei; auch das wirke sich mindernd auf den Schmerzensgeldanspruch aus (Bl. 303 GA). Schließlich könne nicht unbeachtet bleiben, dass der Kläger im Inland nur geduldet sei und hier keiner beliebigen Berufstätigkeit nachgehen dürfe sowie später in seine Heimat zurückkehren werde, wo ein niedrigeres Lebensniveau herrsche (Bl. 303 GA).
Das Landgericht hat dem Kläger durch Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer vom 24. Mai 2004 ein über die gezahlten und hinterlegten Beträge hinaus gehendes Schmerzensgeld von 17.797,55 Euro nebst Zinsen zuerkannt und die weiter gehende Klage abgewiesen (Bl. 339 ff. GA). Es hat angenommen, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen; denn die Alkoholisierung des Erstbeklagten sei von ihm wahrgenommen worden. Die am Unfallort tätigen Polizeibeamten hätten die Alkoholisierung unschwer am Atemgeruch und an den geröteten Bindehäuten des Erstbeklagten feststellen können. Der Kläger habe sich vor dem Unfall mit dem Beklagten über längere Zeit hinweg im selben Raum aufgehalten. Seine Behauptung sei nicht glaubhaft, dass er die Alkoholisierung des Erstbeklagten nicht wahrgenommen habe. Andererseits falle bei der Schmerzensgeldbemessung nicht ins Gewicht, dass es sich um eine Gefälligkeitsfahrt gehandelt habe. Ebenso führe das Lebensniveau des Klägers auf Sozialhilfebasis nicht zu einer Reduzierung des Schmerzensgeldes. Insgesamt sei ein Schmerzensgeld von 80.000 Euro einschließlich gezahlter und hinterlegter Beträge angemessen.
Gegen dieses Urteil richtet sich, soweit darin die Klage abgewiesen wurde, die Berufung des Klägers, mit der dieser sein Klageziel - gerichtet auf ein weiteres Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden, soweit sie nicht anerkannt wurde (restliches Drittel) - weiterverfolgt (Berufungsantrag Bl. 370 f. GA). Er geht von einer Haftung der Beklagten zu 100 % aus und meint, ein weiteres Schmerzensgeld von 73.387,56 Euro (153.387,56 Euro abzüglich gezahlter, hinterlegter und zugesprochener Beträge) sei angemessen (Bl. 371 GA). Er betont, dass während des gemeinsamen Aufenthalts auf der Feier des Q H kein Alkohol getrunken worden sei; dorthin seien er und der Erstbeklagte auf getrennten Wegen gelangt. Vorher habe weder ein gemeinsames Treffen in der Wohnung des Erstbeklagten noch ein gemeinsamer Gaststättenbesuch in N stattgefunden. Anzeichen einer Alkoholisierung des Erstbeklagten hätten für ihn nicht erkennbar vorgelegen. Deshalb sei er bei Antritt der gemeinsamen Autofahrt, die mit dem Unfall geendet hat, von dessen Fahrtüchtigkeit ausgegangen. Das Landgericht hätte zur Frage des Alkoholkonsums durch den Erstbeklagten und dessen Erkennbarkeit den Zeugen H vernehmen müssen. Die Höhe des vom Landgericht angenommenen Schmerzensgeldbetrages sei unangemessen.
Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung des Klägers. Sie meinen, das Beweisangebot des Klägers auf Vernehmung des Zeugen Q H habe ein untaugliches Beweismittel benannt, weil der Zeuge H zur Frage der Wahrnehmung von Alkoholkonsum des Erstbeklagten durch den Kläger nichts bekunden könne (Bl. 399 f. GA). Der Erstbeklagte und der Kläger müssten sich vor Fahrtantritt verständigt haben, wobei der Kläger, der nach eigenem Bekunden selbst keinen Alkohol konsumiert habe, die erhebliche Alkoholisierung des Erstbeklagten habe wahrnehmen können. Daran sei der Zeuge H auch nicht beteiligt gewesen.
Der Erstbeklagte hat durch Anwaltsschriftsatz (Bl. 462 f. GA) vorgetragen, das Treffen mit dem Kläger habe am Unfalltag zunächst in seiner Wohnung stattgefunden. Dabei habe er Bier getrunken, während der Kläger nicht alkoholische Getränke zu sich genommen habe. Später seien sie gemeinsam nach N zu einer Gaststätte gefahren, wo er wiederum Bier getrunken habe. Dort hätten sie beschlossen, zu Q H zu fahren. Zugleich habe er, der Erstbeklagte, dabei das Fahrzeug ausprobieren wollen. Bei dem Zeugen H seien sie etwa eineinhalb Stunden geblieben, wobei er erneut Bier getrunken habe. Aufgrund des gesamten Verlaufes habe der Kläger gewusst, dass er, der Erstbeklagte, alkoholisiert gewesen sei. Schließlich sei wegen der Überleitung von Ansprüchen durch das Sozialamt (Bl: 485 GA) die Aktivlegitimation des Klägers insoweit nicht mehr gegeben.
Die Beklagten haben Anschlussberufung eingelegt, mit der sie die Klageabweisung, auch soweit das Landgericht der Klage hinsichtlich eines Betrages von 17.797,55 Euro nebst Zinsen stattgegeben hat, erstreben (Bl. 398 ff. GA). Dazu tragen sie vor, das Landgericht habe zu Unrecht dem Aspekt der Gefälligkeitsfahrt keine Bedeutung beigemessen. Es habe auch den Lebensverhältnissen des damals von Sozialhilfe lebenden Klägers als geduldetem Asylbewerber bei der Schmerzensgeldbemessung keine Beachtung geschenkt.
Der Senat hat den Erstbeklagten gemäß § 141 ZPO angehört (Bl. 478 f. GA). Dieser hat dabei angegeben, er habe das Fahrzeug für seinen Bruder im Kosovo gekauft. Der Kläger habe am Nachmittag des Unfalltages vergeblich versucht, ihn in seiner Wohnung aufzusuchen. Dort habe seine Ehefrau dem Kläger mitgeteilt, dass er, der Erstbeklagte, in L… bei Q H sei. Dorthin sei der Kläger ihm nachgefahren. Er habe sich dort aber nur etwa eine halbe Stunde lang aufgehalten. Von dort aus seien sie nach N gefahren. An Einzelheiten des Ablaufs erinnere er sich aber nicht mehr genau. Die Fahrt, die mit dem Unfall geendet hat, sei eine „Probefahrt“ gewesen. Wann der Kauf erfolgt sei, wisse er nicht mehr so genau. Das könne auch einen Tag vor dem Unfalltag gewesen sein. Wo er Alkohol getrunken habe, wisse er nicht mehr genau; er habe aber auch bei H Alkohol getrunken. Er wisse nicht mehr, ob er dem Kläger Geld für das Auto gegeben habe.
Wegen der Einzelheiten der Angaben des Erstbeklagten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats vom 5. September 2005 Bezug genommen (Bl. 477 ff. GA). Der Erstbeklagte hat durch seinen Prozessbevollmächtigten dazu nachträglich noch schriftsätzlich Erläuterungen angebracht (Bl. 481 ff. GA).
Wegen der Einzelheiten des sonstigen Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Dagegen hat die Anschlussberufung der Beklagten Erfolg. Auf das Anschlussrechtsmittel ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage im Ganzen abzuweisen.
1. Die Passivlegitimation der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten ist zweifelhaft. Sie hängt davon ab, ob der Erstbeklagte zur Zeit des Unfalls Halter des Fahrzeuges war. Dagegen bestehen erhebliche Bedenken. Die Frage der Haltereigenschaft ist auch eine Rechtsfrage, die nicht ohne weiteres durch dahin gehende abstrakte Parteibehauptungen geklärt wäre.
Halter des Kraftfahrzeuges ist, wer es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (BGHZ 13, 351, 354; 32, 331, 333; 87, 133, 135; 116, 200, 205 f.). Entscheidend ist nicht das Rechtsverhältnis am Kraftfahrzeug, insbesondere die Frage, wer dessen Eigentümer ist. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen, in erster Linie wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb des Kraftfahrzeuges im Einzelfall ankommt. Wer danach tatsächlich und wirtschaftlich der eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist, schafft die vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren, für die der Halter nach den strengen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes einstehen soll (BGHZ 87, 133, 135). Zwischen dem Halter des Fahrzeugs und dem Eigentümer wie dem Inhaber der Zulassung ist zu unterscheiden. Dem Eigentümer des Fahrzeugs obliegt es, die Zulassung zu beantragen und den Nachweis über das Bestehen der Haftpflichtversicherung zu führen. Inhaber der Zulassung braucht andererseits nicht der Eigentümer zu sein. Ebenso wenig braucht der Halter des Fahrzeugs mit dem Eigentümer personengleich zu sein. Aber auch mit dem Inhaber der Zulassung braucht der Halter nicht identisch zu sein, wenn es im allgemeinen auch ein Anzeichen dafür sein ist, dass Halter des Fahrzeugs ist, auf wessen Namen die Zulassung lautet (BGHZ 13, 351, 357). Maßgebend ist danach, ob dem Erstbeklagten zur Zeit des Unfalls die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug eingeräumt worden war und dieser es für eigene Rechnung in Gebrauch genommen hat.
Das erscheint bedenklich, weil der Kläger das Fahrzeug nach dem vorgelegten schriftlichen Kaufvertrag am 25. November 1999 für 3.100 DM von N S gekauft haben will (Bl. 4, 153 GA). Nach seiner Aussage gegenüber der Polizei im Strafverfahren hat er es aber Ende Januar 2000 oder im Februar 2000 erworben (Bl. 50 BA). Das Auto sei, so hat der Kläger im Strafverfahren gegenüber der Polizei angegeben, zur Unfallzeit noch auf N S zugelassen gewesen, denn er habe „keine Zeit gehabt, das Auto umzumelden“ (Bl. 50 BA). Jene Aussage ist zumindest objektiv falsch, wenn der Kläger, wie er im Haftpflichtprozess unter Vorlage einer Kopie des Kaufvertrages geltend macht, das Fahrzeug am 25. November 1999 gekauft hatte. Dann hätten ihm mehr als drei Monate Zeit zur Ummeldung des Fahrzeugs zur Verfügung gestanden. Dem Erstbeklagten will der Kläger das Fahrzeug am Unfalltag verkauft haben. Der Kaufpreis wurde aber weder im Strafverfahren noch im Zivilprozess erwähnt und auch in dem schriftlichen „Kaufvertrag“ nicht genannt. Der Erstbeklagte hat dementsprechend bekundet: „Ich weiß auch nicht mehr, ob ich Herrn A… Geld für das Auto gegeben habe“ (Bl. 479 a.E. GA). Warum zuvor der damals von Sozialhilfe lebende Kläger für kurze Zeit das Fahrzeug erworben haben soll, ist nicht dargelegt worden. Die Zeitpunkte von Übergabe und Vertragsabschluss divergieren in dem wechselnden Parteivortrag des Klägers und im Vorbringen des Erstbeklagten.
Woraus sich vor diesem Hintergrund die Haltereigenschaft des Erstbeklagten als weiterem Käufer nach einem Zwischenerwerb des Fahrzeugs durch den Kläger ergeben soll, wenn der Erstbeklagte das zur Unfallzeit immer noch auf N S zugelassene Fahrzeug ohne Bestimmung und Bezahlung eines Kaufpreises für seinen Bruder erworben haben will und er selbst auch keine Fahrerlaubnis besaß, ist nicht erkennbar. Dass der Kläger das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt dann bereits für eigene Rechnung in Gebrauch genommen hatte, obwohl die Unfallfahrt zum Teil auch noch als „Probefahrt“ bezeichnet wurde, ist nicht ersichtlich. Am Unfallort hatte der Erstbeklagte zudem selbst noch S N als den Halter des Fahrzeugs bezeichnet (Bl. 28 BA). Bei Gesamtwürdigung dieser Umstände hält der Senat die - unsubstantiierte - Behauptung, der Erstbeklagte sei vor dem Unfall Fahrzeughalter geworden, für konstruiert. Entschieden werden muss diese Frage aber nicht. Die Zweitbeklagte hat sich darauf nach anfänglichen Zweifeln nicht mehr berufen.
2. Der Kläger ist bis zur Höhe der von der Stadtverwaltung K… erbrachten Leistungen nicht mehr aktivlegitimiert, nachdem die Behörde Ansprüche nach § 7 Abs. 3 AsylbLG, § 93 SGB XII auf sich übergeleitet hat (Bl. 485 GA). Dem diesbezüglichen Einwand der Beklagten ist der Kläger nicht entgegen getreten. In welchem Umfang das Sozialamt weitere Leistungen erbracht und Ansprüche auf sich übergeleitet hat, ist nicht mitgeteilt worden. Diese Frage kann aber auch offen bleiben.
3. Die Klage ist jedenfalls aus anderen Gründen unbegründet.
a) Das Landgericht hat zu Recht eine Mithaftung des Klägers im Umfang von einem Drittel angenommen.
Der Schadensersatzanspruch des Beifahrers gegen den wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit verunglückten Fahrzeugführer unterliegt einer Kürzung gemäß § 254 BGB, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er die mangelnde Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers erkannt hat oder hätte erkennen können (BGH NJW 1988, 2365; Senat NZV 1992, 278 f.; OLG Hamm Blutalkohol 40 [2003], 160 f.; OLG Oldenburg VersR 1998, 1390 f.; OLG Saarbrücken MDR 2002, 392 f.). Der Vorwurf des Mitverschuldens kann bei einer Person, die sich einem alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrzeugführer anvertraut, demnach nicht nur dann gerechtfertigt sein, wenn die mitfahrende Person die Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers positiv kannte, sondern schon dann, wenn sie dessen alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können (OLG Hamm OLG-Report Hamm 1997, 243 ff.). Denjenigen, der sich als Beifahrer einem Fahrer anvertraut, der erkennbar fahruntüchtig ist oder an dessen Fahrtüchtigkeit er zumindest begründete Zweifel haben muss, trifft ein erhebliches Mitverschulden, das mit einer Mithaftungsquote von einem Drittel jedenfalls nicht zu hoch bewertet ist (vgl. Senat ZfSch 1989, 119; OLG Celle VersR 1978, 330 f.; OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 2002, 267 f.; OLG Oldenburg ZfSch 1989, 292 f.; für ein hälftiges Mitverschulden im Einzelfall OLG Hamm OLG-Report Hamm 2001, 153 f.; OLG München, VersR 1986, 925). Die nicht unerhebliche Alkoholisierung des Erstbeklagten, der deshalb absolut fahruntüchtig war, war objektiv für den Kläger ohne weiteres erkennbar. Das ergibt sich aus den Feststellungen der unfallaufnehmenden Polizeibeamten und des blutentnehmenden Arztes. Danach hatte der Kläger gerötete Bindehäute. Alkoholgeruch war in seiner Atemluft. Das Gangbild war jedenfalls bei einer Kehrtwendung unsicher (Bl. 6 BA). Ein Atemalkoholtest konnte nicht durchgeführt werden; der diesbezügliche Versuch schlug mehrmals fehl (Bl. 4 BA). Entsprechende Symptome waren auch für den Kläger erkennbar gewesen, weil er sich vor Fahrtantritt geraume Zeit in der Nähe des Klägers aufgehalten hatte, sich mit diesem über die Fahrt verständigt hatte und zusammen mit ihm in das Fahrzeug eingestiegen war. Die Behauptung des Klägers, es seien keine Anzeichen einer Alkoholisierung festzustellen gewesen, trifft nicht zu. Der Senat geht davon aus, dass der - selbst nicht alkoholisierte - Kläger genügend Gelegenheit hatte, die zur absoluten Fahruntüchtigkeit führende Trunkenheit des Erstbeklagten vor Fahrtantritt zu erkennen. Der Erstbeklagte hat nach seiner – beschönigenden – Einlassung gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten jedenfalls bis unmittelbar vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert. In seiner schriftsätzlichen Einlassung im Berufungsverfahren hat er weiter gehende Angaben gemacht, die nachvollziehbar erscheinen und alleine erklären, wie es bis zum Unfallzeitpunkt zum Aufbau einer relativ hohen Blutalkoholkonzentration gekommen ist. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Erstbeklagte dagegen seine eigenen Angaben in einer nicht glaubhaften Weise dementiert. Die Abweichung von dem - als solchem eingeräumten - vorherigen Vorbringen hat er nachträglich mit alkoholbedingten Erinnerungslücken zu erklären versucht. Das ist wiederum nicht glaubhaft, zumal der Erstbeklagte dem Arzt bei der Blutentnahme nach dem Unfall „bewusstseinsklar“ begegnet war. Nur die Einlassung, dass er zu Hause, in der Gaststätte in N und bei dem von Q H ausgerichteten Kindergeburtstag jeweils Bier getrunken habe, erklärt demgegenüber in nachvollziehbarer Weise, warum zur Unfallzeit ein hoher Blutalkoholgehalt, der zur absoluten Fahruntüchtigkeit führte, vorgelegen hat. Die abweichende Sachdarstellung des Klägers lässt dagegen offen, warum überhaupt nur bei Q H und dort nur für die Dauer von etwa einer halben Stunde ein Treffen des Erstbeklagten mit dem Kläger erfolgt sein soll. Auch der nachträgliche Versuch des Erstbeklagten bei seiner Anhörung durch den Senat die Abwesenheit des Klägers bei seinem Alkoholkonsum darzutun, ist fehlgeschlagen. Dabei handelt es sich ersichtlich um einen Versuch, den Kläger zum Nachteil der Zweitbeklagten zu begünstigen. Diese Haltung wird auch dadurch unterstrichen, dass die Angaben zur Frage der Haltereigenschaft und der dafür indiziellen Umstände wechselnd sind (s.o. II.1.). So hat der Erstbeklagte angegeben, die Fahrt, die zum Unfall geführt habe, sei eine „Probefahrt“ gewesen (Bl. 479 GA; Bl. 23 BA). Das macht keinen Sinn, wenn das Fahrzeug schon vorher von ihm gekauft worden war. Es erklärt aber, warum der trunkene Erstbeklagte und nicht der nüchterne Kläger das Fahrzeug geführt hat.
Die Vernehmung des Zeugen H ist nach dem Gesagten nicht erforderlich. Es geht, obwohl schon die Erkennbarkeit der Alkoholisierung des Erstbeklagten zur Begründung der Mithaftung des Klägers ausreicht, bei dem Beweisangebot des Klägers zuvörderst um dessen Wahrnehmungen. Dazu kann der Zeuge H keine aussagekräftigeren Angaben machen als sie sich aus den objektivierbaren Befunden ergeben. Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen H kann aber jedenfalls auch nach der glaubhaften Schilderung des Erstbeklagten in Bl. 462 f. GA abgelehnt werden, weil diese Beweiserhebung für die Entscheidung ohne Bedeutung ist (§ 244 Abs. 3 Satz 2 – 2. Alt. – StPO analog).
b) Die Schmerzensgeldforderung des Klägers ist übersetzt; seine Berufung geht auch in diesem Punkt fehl. Soweit das Landgericht dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld zugesprochen hat, ist diese Entscheidung auf die Anschlussberufung der Beklagten abzuändern. Dem Kläger steht kein über die von der Zweitbeklagten insgesamt bereits geleisteten 62.202,45 Euro (121.657,42 DM) hinausgehendes Schmerzensgeld zu. Das Landgericht hat die Verletzungsfolgen zutreffend festgestellt; darauf wird Bezug genommen. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen nicht und sind auch mit der Berufung des Klägers nicht geltend gemacht worden. Auf dieser Grundlage ist der Schmerzensgeldanspruch des Klägers erfüllt.
Das Schmerzensgeld nach § 847 BGB a.F. ist anhand seiner Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion hinsichtlich der immateriellen Schäden des Klägers bemessen. Dem Schmerzensgeld kommt vor allem eine Ausgleichsfunktion zu. Insoweit soll die billige Entschädigung in Geld in erster Linie dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittene immaterielle Beeinträchtigung bieten (BGHZ 7, 223, 225 ff.; 18, 149, 156 f.; 120, 1, 4 ff.; 128, 117, 119). Das Schmerzensgeld ist daneben aber auch dazu bestimmt, dem Geschädigten Genugtuung für das erlittene Unrecht zu gewähren (BGHZ 18, 149, 154, 157; 120, 4, 5; 128, 117, 120). Das Landgericht hat demnach zu Unrecht angenommen, eine Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes sei nicht zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund hat es auch zu Unrecht ausgeführt, die Eigenschaft der Fahrt als Gefälligkeit sei unbeachtlich. In der Rechtsprechung zu § 847 BGB a.F. ist vielmehr anerkannt, dass dem Schmerzensgeld neben der Ausgleichsfunktion auch eine Genugtuungsfunktion zukommt (BGHZ 35, 363, 368; 128, 117, 122), „die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist“ (BGHZ 18, 149, 157; 26, 349, 358; 80, 384, 386). Im Fall einer Gefälligkeitsfahrt kann es danach geradezu unbillig sein, wenn der Verletzte vom Schädiger ein Schmerzensgeld in gleicher Höhe verlangt, als sei er etwa als Fußgänger von diesem angefahren und verletzt worden (BGHZ 18, 149, 159). Die Tatsache, dass der Kläger vom Erstbeklagten nach dem Autokauf von der Geburtstagsfeier nach Hause gefahren werden sollte – so der Klägervortrag -, oder aber eine Probefahrt zum Autokauf stattfinden sollte – so der Erstbeklagte -, bedarf daher bei der Schmerzensgeldbemessung der Berücksichtigung. Dies führt gleichermaßen zur Verringerung des Schmerzensgeldbetrages. Die Schmerzensgeldvorstellung des Klägers geht auch aus diesem Grunde zu weit.
Die Angemessenheit eines Schmerzensgeldes von 153.387,56 Euro (300.000 DM), wie es der Kläger erstrebt, trifft nur für Fälle noch schwererer Verletzungen, etwa mit der Folge vollständiger Lähmungen, zu (vgl. HansOLG Bremen, VersR 1997, 765; OLG Celle, Urt. vom 1. März 1990 – 14 U 307/88 und VersR 1997, 365; OLG Düsseldorf, VRS 1995, 256 ff.; OLG Frankfurt, NZV 1991, 191 und VersR 1996, 1553; OLG Hamm, VersR 1995, 832; KG, VersR 1987, 487 und Urt. vom 29. Juni 1989 – 12 U 3790/88; OLG Karlsruhe, ZfS 1990, 6; OLG Koblenz, Urt. vom 29. Oktober 1990 – 12 U 724/89; OLG Köln, R&S 1996, 310 f.; OLG Naumburg, VersR 2002, 1569; OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 448; OLG Oldenburg, VersR 1997, 978; OLG Schleswig, VersR 1996, 386). Der Kläger ist nicht vollständig gelähmt. Er kann sich selbst bewegen, wenngleich mühsam und in eingeschränktem Umfang.
Bereits der von der Zweitbeklagten geleistete Betrag liegt bei dieser Sachlage unbeschadet der erheblichen und fortwirkenden Beeinträchtigungen des Klägers im Rahmen dessen, was auch sonst in der Rechtsprechung anerkannt wird. Im Fall des OLG Stuttgart VersR 1987, 515 ff. wurde etwa ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 60.000 DM und ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente in Höhe von 400 DM bei inkompletter Paraplegie eines fünfjährigen Kindes als angemessen angesehen. Im vorliegenden Fall wurde dagegen eine Schmerzensgeldrente vom Kläger nicht geltend gemacht und von der Zweitbeklagten etwa das Doppelte des Schmerzensgeldkapitals im Vergleich mit dem vorgenannten Fall gezahlt. Das genügt. Dabei ist zu beachten, dass der Kläger dem im genannten Fall geschädigten Kind nicht gleichzustellen ist, seine Schädigung im Rahmen einer Gefälligkeitsfahrt erfolgte und ihn an dem haftungsbegründenden Sachverhalt ein nicht unerhebliches Mitverschulden trifft.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 712 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 93.185,11 Euro (Berufung: weitere Schmerzensgeldforderung 73.387,56 Euro, Feststellungsklage: 2.000 Euro, Anschlussberufung: 17.797,55 Euro).