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OLG Köln Urteil vom 05.06.2013 - I-16 U 106/11 - Regel- oder Differenzbesteuerung bei fiktiver Schadensberechnung nach Beschädigung eines Luxusfahrzeugs

OLG Köln v. 05.06.2013: Zur Regel- oder Differenzbesteuerung bei fiktiver Schadensberechnung nach Beschädigung eines Luxusfahrzeugs


Das OLG Köln (Urteil vom 05.06.2013 - I-16 U 106/11) hat entschieden:
Will der Geschädigte auf Basis einer fiktiven Ersatzbeschaffung abrechnen, erhält er nur den Netto-Wiederbeschaffungsaufwand. Ist in dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer (Regelumsatzsteuer gem. § 10 UStG oder Differenzsteuer im Sinne des § 25a UStG) enthalten, ist diese abzuziehen, weil der Geschädigte diese nur beanspruchen kann, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB. Für die Frage, ob bei der fiktiven Schadensermittlung von einer Regel- oder Differenzbesteuerung auszugehen ist, ist auf das beschädigte Fahrzeug abzustellen. Fahrzeuge des Luxussegments werden auf dem Markt überwiegend regelbesteuert erworben.


Siehe auch Totalschaden - Wiederbeschaffungswert und Totalschaden und Umsatzsteuerersatz - Differenzbesteuerung


Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 2 ZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 2 ZPO).


II.

A.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) bis 3) aus dem Verkehrsunfall vom 01.12.2004 einen Anspruch auf Zahlung von 1.684,52 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen aus §§ 18 Abs. 1, 17 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG, 3, Nr. 1, 1 PflVG a.F. Demgegenüber steht der Klägerin gegen die Beklagten zu 4) bis 6) kein Anspruch zu.

1. Die Beklagten zu 1) bis 3) sind der Klägerin zum Ersatz von 20% ihrer Unfallschäden aus dem Unfall vom 01.12.2004 verpflichtet.

1.1 Die Fahrzeuge der Klägerin und der Beklagten zu 1) waren an dem Unfall beteiligt, so dass gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG die Verursachungsbeiträge der am Unfall beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen sind und eine Haftungsquote zu ermitteln ist. Dabei ist auf Seiten der Beklagten zu 1) bis 3) die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) zu berücksichtigen, während auf Seiten der Klägerin auch ein erhebliches Verschulden des Widerbeklagten zu 2) vorliegt.

1.1.1 Das Landgericht ist von zutreffenden tatsächlichen Feststellungen über den Unfallhergang ausgegangen. Insbesondere hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) nicht nachgewiesen haben, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist und der Beklagte zu 2) jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Nach den nachvollziehbaren und plausiblen Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U hätte der Beklagte zu 2) den Unfall vermeiden können, wenn er gleichzeitig mit dem Ausweichmanöver, das durch den Beklagten zu 5) verursacht wurde, bis zum Stillstand abgebremst hätte. In diesem Fall hätte er hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 5) bzw. hinter dem diesen nachfolgenden Pkw wieder auf die rechte Fahrspur wechseln können, wodurch die Kollision mit dem Fahrzeug der Klägerin vermieden worden wäre. Darüber hinaus konnte der Sachverständige auch eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2) vor dem Ausweichmanöver nicht ausschließen.

Demgegenüber hat die Klägerin ein bei der Abwägung zu ihren Gunsten zu berücksichtigendes Verschulden des Beklagten zu 2) nicht bewiesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen steht insbesondere nicht fest, dass der Beklagte zu 2) mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Zwar hat der Sachverständige nicht ausschließen können, dass der Beklagte zu 2) vor dem Ausweichen auf die Gegenfahrbahn mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Er konnte dies aber auch nicht positiv feststellen. Demgegenüber hat er ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2) in dem Augenblick, in dem das Fahrzeug der Klägerin für ihn erkennbar wurde, mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Diese Feststellungen des Sachverständigen greift die Klägerin mit der Berufung auch nicht an. Ebenso hat die Klägerin den Beweis nicht führen können, dass der Beklagte zu 2) ohne Licht gefahren ist. Für diese Behauptung ist die Klägerin auch in der Berufung beweisfällig geblieben. Der Widerbeklagte zu 2) konnte nicht als Zeuge vernommen werden, weil er im Rahmen der Anschlussberufung nach wie vor Partei des Rechtsstreits ist. Auch auf andere Weise kann der Beweis nicht geführt werden. Aus dem Umstand, dass mehrere Verkehrsteilnehmer den Wagen nicht bemerkt haben, lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit schließen, dass der Beklagte zu 2) das Licht nicht eingeschaltet hatte, zumal keiner der Unfallbeteiligten dies im Rahmen der Unfallaufnahme durch die Polizei angegeben hat.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen muss zwar davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 2) im Zeitpunkt des Ausweichens auf die Gegenfahrbahn keine Vollbremsung einleitete, sondern zumindest mit gleicher Geschwindigkeit weiterfuhr, obwohl er bis zum Stillstand hätte abbremsen und sich hinter den beiden Fahrzeugen wieder auf die rechte Spur hätte einordnen können. Hierin liegt auch ein Verstoß gegen das an dieser Stelle geltende Überholverbot und damit gegen § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO, weil der Beklagte zu 2) nicht mehr nur den Unfall mit dem Beklagten zu 5) bzw. dem dahinterfahrenden Fahrzeug vermeiden, sondern an beiden Fahrzeugen vorbeifahren wollte. Hierauf kann sich die Klägerin allerdings nicht berufen. Überholverbote nach § 5 Abs. 3 StVO schützen den Gegenverkehr, Vorausfahrende und den nachfolgenden Verkehr, nicht aber den aus einer Grundstücksausfahrt Anfahrenden (BGH VR 68, 578; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 5 StVO Rn. 33).

Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) nicht gleichzeitig mit dem Fahrbahnwechsel eine Vollbremsung einleitete, folgt kein Verschulden des Beklagten zu 2). Zur Zeit des Ausweichens konnte der Beklagte zu 2) nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht erkennen, dass der Widerbeklagte zu 2) auf die Gegenfahrbahn einbiegen wollte, so dass er noch keinen Anlass hatte, für diesen anzuhalten. Es ist auch nicht erwiesen, dass der Beklagte zu 2) anschließend mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) gefahren ist. Der im Geradeausverkehr befindliche, links überholende Verkehrsteilnehmer muss nicht mit Querverkehr aus einer Grundstücksausfahrt rechnen (KG VersR 1999, 1382; OLG Saarbrücken VerkMitt 1980, 39; juris-PK, 6. Aufl. § 823 Rn. 94), so dass er hierauf seine Geschwindigkeit nicht einstellen muss. Dass er nicht zum Stillstand abbremste, sondern weiter fuhr, stellt daher allein ein Verstoß gegen das Überholverbot dar. Schließlich ist nicht erwiesen, dass der Beklagte zu 2) die Notbremsung zu spät einleitete. Zutreffend ist zwar, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. U in seinem Gutachten vom 15.08.2006 nur Feststellungen zur Erkennbarkeit des W der Beklagten zu 1) für den Widerbeklagten zu 2) getroffen hat, nicht dagegen zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Q der Klägerin für den Beklagten zu 2). Allerdings hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten vom 10.10.2007 erläutert, dass sichere Feststellungen zum Reaktions- und Bremsverhalten des Beklagten zu 2) nicht getroffen werden können, weil weder das Verhalten des Beklagten zu 5) noch die Beschleunigung des Widerbeklagten zu 2) sicher rekonstruiert werden können (Bl. 281 BA). In seinem Gutachten vom 23.06.2008 (Bl. 337 BA) hat der Sachverständige zudem ausgeführt, dass bei Unterstellung, dass der Beklagte zu 5) und der Widerbeklagte zu 2) zeitgleich angefahren sind, auch der Beklagte zu 2) den Q der Klägerin frühestens 1,5 Sekunden nach dessen Start wahrnehmen konnte, bei Anfahren des Q 2,1 bis 3 Sekunden vor der Kollision also 0,6 bis 1,5 Sekunden vor der Kollision. Bei einer Erkennbarkeit des Q 0,6 Sekunden vor der Kollision kann unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer verspäteten Bremsreaktion des Beklagten zu 2) nicht ausgegangen werden.

1.1.2 Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin war dagegen durch ein Verschulden des Widerbeklagten zu 2) erhöht. Auch die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Unfall für den Widerbeklagten zu 2) unabwendbar war. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U davon auszugehen, dass der Widerbeklagte zu 2) den Unfall durch einen Verstoß gegen § 10 StVO schuldhaft verursacht hat. Unstreitig ist der Widerbeklagte zu 2) unmittelbar vor dem Unfall von der Grundstückseinfahrt in den Straßenverkehr eingefahren. Nach den auch insoweit überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U hat sich der Unfall im Zusammenhang mit dem Einfahren in den Straßenverkehr ereignet. Denn der Abbiegevorgang des Widerbeklagten zu 2) war danach nicht abgeschlossen, weil sich das linke Hinterrad des Fahrzeugs noch auf dem Mittelstreifen und das Fahrzeug noch nicht parallel zur Straße befand.

Wer aus einem Grundstück in die Fahrbahn einfahren will, hat sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen. Der Beweis des ersten Anscheins spricht gegen den eine Grundstücksausfahrt verlassenden Kraftfahrer, wenn es im Zusammenhang mit einem solchen Verkehrsvorgang zu einem Unfall kommt (vgl. BGH NZV 1991, 187; KG VersR 1999, 1382 mwN). Diesen Anschein hat die Klägerin nicht widerlegt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U nicht, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehme durch das Einfahren in den Straßenverkehr ausgeschlossen war. Auch in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 10.10.2007 hat der Sachverständige Dipl.-Ing. U eine Gefährdung des fließenden Verkehrs durch das Einfahren vom Grundstück nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern lediglich eine Gefährdung des Beklagten zu 5). Eine Gefährdung überholender Fahrzeuge schied dagegen nicht aus.

Die Klägerin hat auch nicht beweisen können, dass der Widerbeklagte zu 2) den W der Beklagten zu 1) vor dem Anfahren auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht hat erkennen können. Ihrer Annahme, der 100 Meter entfernte Lkw sei bereits wegen der Lichtverhältnisse nicht zu erkennen gewesen, liegt die Behauptung zugrunde, dass das Fahrzeug der Beklagten zu 1) unbeleuchtet war, was jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht bewiesen ist.

Auch im Übrigen hat sie den Beweis nicht geführt, dass der W für den Widerbeklagten zu 2) auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht zu erkennen war, bevor er von der Grundstückseinfahrt auf die C auffuhr. Zwar hat der Sachverständige Dipl.-Ing. U festgestellt, dass der W der Beklagten zu 1) wegen einer Sichtüberdeckung durch die beiden aus der Straße V einfahrenden PKW unmittelbar nach dem Einbiegen dieser Fahrzeuge auf die C und während des Anfahrens für den Widerbeklagten zu 2) zeitweise nicht sichtbar war. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht ergeben, dass der Widerbeklagte zu 2) das Fahrzeug nicht zuvor, also vor dem Anfahren, hätte erkennen können. Die Klägerin hat hierzu in der Klageschrift noch vorgetragen, dass der Widerbeklagte zu 2) den Beklagten zu 5) gewahrte, wie dieser parallel zu ihm an der Ausfahrt der Straße V ebenfalls stand. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Widerbeklagte zu 2) freie Sicht auf den weiteren Verlauf der C, so dass er den W-Kastenwagen hätte erkennen können. Die abweichende Behauptung, das Fahrzeug des Beklagten zu 5) habe die Sicht bereits verdeckt, als der Widerbeklagte zu 2) an der Ausfahrt angehalten habe, ist nicht bewiesen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es keine objektiven Anknüpfungspunkte gibt, die eine Rekonstruktion des Fahrverhaltens des Beklagten zu 5) ermöglichen. Im Übrigen haben die Klägerin und der Widerbeklagte zu 2) in der Klageschrift und im Parallelverfahren 261 C 92/05 - AG Köln - selbst behauptet, dass der Widerbeklagte zu 2) nahezu zeitgleich mit dem Beklagten zu 5) angefahren sei. Diese Darstellung hat der Sachverständige seinem letzten Ergänzungsgutachten zu Grunde gelegt.

Selbst wenn aber die Sicht bereits durch das Fahrzeug des Beklagten zu 5) verdeckt war, als der Widerbeklagte zu 2) an der Ausfahrt hielt, handelte er nicht sorgfältig, weil er in eine unklare Verkehrssituation hinein auf die C fuhr. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte der Widerbeklagte zu 2) die C 120 Meter weit einsehen müssen, um eine Gefährdung vorfahrtsberechtigter Pkw auszuschließen. Wenn die Sicht auf den weiteren Verlauf der C hinter der Einmündung der Straße "V" verdeckt war, hätte der Widerbeklagte zu 2) abwarten müssen, bis die Sicht wieder frei war. Der Widerbeklagte zu 2) konnte nämlich erkennen, dass der Beklagte zu 5) eben erst abgebogen war und sich in der Beschleunigungsphase befand, so dass nicht auszuschließen war, dass sich von hinten ein verdecktes Fahrzeug näherte. Aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 5) abbog, durfte er nicht schließen, dass dieser die Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers beachtete.

Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass der Widerbeklagte zu 2) trotz des bestehenden Überholverbotes nicht darauf vertrauen konnte, dass sich hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 5) kein überholendes Fahrzeug befand. Denn mit überholendem Verkehr muss der von der Grundstücksgrenze links Abbiegende immer rechnen (KG VersR 1999, 1382; OLG Koblenz VersR 1981, 1136). Der Widerbeklagte zu 2) durfte sich wie jeder Wartepflichtige, der den bevorrechtigten Verkehr nicht einsehen kann, in die Gegenfahrbahn allenfalls vorsichtig hineintasten (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 StVO). Vortasten bedeutet zentimeterweise Vorrollen bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten (BGH NJW 1985, 2757). Dies hat der Widerbeklagte zu 2) auch nach Vortrag der Klägerin nicht getan.

1.1.3 Bei der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge steht daher der durch das Verschulden des Widerbeklagten zu 2) erhöhten Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) gegenüber. Zwar verdrängt die Betriebsgefahr des schuldhaft aus einem Grundstück ausfahrenden Fahrzeugs die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs regelmäßig vollständig (OLG Celle, NJW-RR 2003, 1536; KG NZV 1998, 376). Anders als in den dort entschiedenen Fällen ist vorliegend allerdings die Betriebsgefahr des entgegenkommenden Fahrzeugs - unabhängig vom Schutzbereich des Überholverbots - dadurch erhöht, dass der Beklagte zu 2) unter Missachtung des Überholverbotes die Gegenfahrbahn befuhr. Nachdem er die Kollision mit den beiden abbiegenden Fahrzeugen vermieden hatte, hat sich der Beklagte zu 2) entschieden, die Fahrt auf der Gegenfahrbahn fortzusetzen und hierdurch die Gefahr eines Unfalls erheblich erhöht. Der Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge steht nicht entgegen, dass das Überholverbot den von der Grundstücksgrenze einfahrenden Verkehr nicht schützt. Denn in erster Linie ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Abwägung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH NJW-RR 2012, 157; VersR 1998, 474, 475 mwN). Daher ist aufgrund der Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten eine Haftungsquote der Beklagten zu 1) bis 3) in Höhe von 20% angemessen.

1.2 Der Klägerin ist ein Schaden von insgesamt 16.470,78 € entstanden. Der Schaden kann allerdings nicht wie in der Klageschrift auf der Grundlage der vom Privatgutachter C2 ermittelten fiktiven Reparaturkosten ermittelt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte seinen Schaden nur dann auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten auf Gutachtenbasis abrechnen, wenn das Fahrzeug repariert oder mindestens 6 Monate in fahrtüchtigem Zustand unrepariert weiter genutzt wird (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 249 Rn. 24). Die Klägerin hat auf Hinweis des Senats mitgeteilt, dass sie den Unfallwagen am 26.01.2005, also innerhalb von 6 Monaten nach dem Unfall unrepariert verkauft hat.

Sieht der Geschädigte von einer ihm schadensersatzrechtlich möglichen Reparatur ab, weil er das Unfallfahrzeug nicht weiternutzen möchte und wählt er den Weg der Ersatzbeschaffung, kann er nur den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) verlangen. Dabei ist vorliegend vom Netto-Wiederbeschaffungswert auszugehen. Zwar stellt im Fall der Ersatzbeschaffung der Brutto-Wiederbeschaffungsaufwand die Obergrenze des ersatzpflichtigen Schadens dar. Beläuft sich der für das ersatzbeschaffte Fahrzeug aufgewendete Kaufpreis mindestens auf den Brutto-Wiederbeschaffungswert des Unfallwagens, ist der Brutto-Wiederbeschaffungsaufwand zu ersetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist (BGH NJW 2005, 2220; OLG Schleswig, Urt. v. 09.01.2013 - 7 U 109/12, zitiert nach juris.de). Dies setzt indes eine konkrete Schadensberechnung auf der Grundlage der Kosten der Ersatzbeschaffung voraus. Die Klägerin macht jedoch geltend, sie habe ein Ersatzfahrzeug N zum Preis von "ca. 33.000,00 € bis 35.000,00 € brutto" erworben. Abgesehen davon, dass der Vortrag mangels Angabe, wann und von wem das Fahrzeug erworben wurde, schon nicht hinreichend substantiiert ist, liegt der Preis des Ersatzfahrzeuges unter dem Nettowiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin. Sofern die Klägerin daher den Schaden auf der Grundlage der konkreten Wiederbeschaffung abrechnen wollte, wäre die Klage daher unschlüssig, weil der Klägerin unter Berücksichtigung der Zahlung der Widerbeklagten zu 3) kein Schaden entstanden wäre.

Die Klägerin rechnet aber zulässigerweise weiterhin auf Grundlage des vom Privatgutachter ermittelten Wiederbeschaffungswerts fiktiv ab. Will der Geschädigte auf Basis einer fiktiven Ersatzbeschaffung abrechnen, erhält er nur den Netto-Wiederbeschaffungsaufwand. Ist in dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer (Regelumsatzsteuer gem. § 10 UStG oder Differenzsteuer im Sinne des § 25a UStG) enthalten, ist diese abzuziehen, weil der Geschädigte diese nur beanspruchen kann, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGH, Urteil v. 9.5.2006 - VI ZR 225/05 - NJW 2006, 2181 ff; Urteil v. 18.05.2004 - VI ZR 267/03 - NJW 2004, 2086; OLG Schleswig, Urt. v. 09.01.2013 - 7 U 109/12).

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist im vorliegenden Fall nicht von dem vom Sachverständigen ermittelten Bruttowiederbeschaffungswert auszugehen und hiervon ein Differenzsteuerbetrag von 2-3% abzuziehen. Der Sachverständige hat den Nettowiederbeschaffungswert ermittelt und angegeben. Diesen Wert hat auch die Widerbeklagte zu 3) ihrer Abrechnung zugrunde gelegt. Dass der Sachverständige den Wert falsch ermittelt hat, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Für die Frage, ob bei der fiktiven Schadensermittlung von einer Regel- oder Differenzbesteuerung auszugehen ist, ist auf das beschädigte Fahrzeug abzustellen. Hierbei handelte es sich um einen Q, bei dem es sich um ein Fahrzeug des Luxussegments handelt. Fahrzeuge des Luxussegments werden - wie auch die Klägerin vorträgt - auf dem Markt überwiegend regelbesteuert erworben (Palandt, aaO, § 249 Rn. 30). Der Senat hat daher auch keine Zweifel an der Richtigkeit der Wertermittlung des Privatgutachters der Klägerin.

Ausweislich der Angaben der Sachverständigen der Klägerin beträgt der Wiederbeschaffungswert 40.948,28 € netto, der Restwert des Fahrzeugs betrug ausweislich der Angaben der Widerbeklagten zu 2) 25.862,02 € netto. Diesen Restwert hat die Klägerin durch den Verkauf des Pkw auch realisiert. Die Klägerin kann ferner anteilige Erstattung einer Unkostenpauschale von 25,- € sowie der Kosten des Schadensgutachtens von 1.359,52 € verlangen. Dieses war nicht unbrauchbar, da es Angaben zu den Reparaturkosten und den Wiederbeschaffungswert enthielt. Das Gutachten war auch nicht erheblich überteuert, so dass der Klägerin kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen ist. Danach ergibt sich folgender Gesamtschaden:

Wiederbeschaffungswert: 40.948,28 €
Restwert - 25.862,02 €
Wiederbeschaffungsaufwand 15.085,86 €
Pauschale 25,00 €
Gutachterkosten     1.359,52 €
Gesamtschaden 16.470,78 €


Hiervon haben die Beklagten zu 1) bis 3) 20% = 3.294,16 € zu erstatten. Dieser Anspruch ist jedoch bis auf einen Betrag von 1.684,52 € auf die Kasko-Versicherung der Klägerin übergangen, nachdem sie auf den Schaden 14.786,26 € an die Klägerin gezahlt hat.

1.3 Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, soweit dieser berechtigterweise Ansprüche der Klägerin geltend gemacht hat. Zur Zeit der vorprozessualen Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Jahr 2006 hatte die Q2 ausweislich des Schreibens vom 07.08.2007 noch keine Zahlung an die Klägerin geleistet, so dass die Klägerin berechtigterweise eine Forderung von 3.294,16 € geltend gemacht hat. Hierauf ergeben sich Gebühren in Höhe von 186,81 €. Eine Erhöhung der Gebühr für mehrere Auftraggeber stand der Klägerin nicht zu. Auftraggeber war allein die Klägerin sein.

1.4 Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3, 291 BGB.

2. Dagegen hat die Klägerin weder aus §§ 7, 17, 18 StrVG, 3 PflVG a.F. noch aus § 823 Abs. 1 BGB Ansprüche gegen die Beklagten zu 4) bis 6). Zweifelhaft ist bereits, ob das Fahrzeug der Beklagten zu 4) an dem Unfall im Sinne des § 7 StVG beteiligt war. Dies setzt voraus, dass der Betrieb des Fahrzeugs den eingetretenen Schaden adäquat verursacht hat. Der Zurechnungszusammenhang scheitert zwar nicht daran, dass es an einer Fahrzeugberührung fehlt (BGH NJW 88, 2802; KG VersR 97, 1292). Ausreichend ist, wenn der Unfall unmittelbar durch das Verhalten des Verletzten oder eines Dritten ausgelöst wird, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kraftfahrzeug des Anspruchsgegners mit veranlasst ist, wobei eine psychisch vermittelte Kausalität ausreicht (vgl. BGH NJW 1988, S. 2802; OLG München, VRR 2012, 302; OLG Celle ZfS 1999, S. 56; Hentschel, aaO, § 7 StVG, Rn. 10). In diesen Fällen besteht Kausalität aber nur, wenn ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang besteht und die Fahrweise des einen Fahrzeugs eine Lenkreaktion des anderen Fahrzeuglenkers ausgelöst hat (vgl. OLG München VersR 1990, 1159). Entsprechendes gilt für die Frage, ob dem Beklagten zu 5) die Beschädigung des Pkw der Klägerin im Sinne des§ 823 BGB zugerechnet werden kann. Ob ein ausreichender Zurechnungszusammenhang hier besteht, ist bereits zweifelhaft. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U hätte der Beklagte zu 2) nach dem Ausweichmanöver 30 Meter vor der Kollisionsstelle anhalten können, so dass die Kollision mit dem PKW der Klägerin nicht mehr unmittelbare Folge des Ausweichens des Beklagten zu 2) gegenüber dem Beklagten zu 5), sondern seiner Entscheidung, statt abzubremsen und sich hinter dem Beklagten zu 5) und dem weiteren Fahrzeug wieder auf der rechten Spur einzuordnen, die beiden Fahrzeuge zu überholen. Ob angesichts dessen den Beklagten zu 4) bis 6) das weitere Unfallgeschehen adäquat kausal zugerechnet werden kann, ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Klärung.

Denn jedenfalls tritt der Verursachungsbeitrag des PKW der Beklagten zu 4) im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung vollständig hinter das Verschulden des Widerbeklagten zu 2) und der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) zurück. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist zwar davon auszugehen, dass der Beklagte zu 5) das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 2) missachtet hat und ihn damit diesem gegenüber gemäß § 8 StVO ein Verschulden trifft. Die Klägerin kann sich aber hinsichtlich ihres eigenen Verschuldens nicht darauf berufen, dass sie auf die Beachtung der Vorfahrt durch den Beklagten zu 5) vertraut hat. Durch das STOP-Zeichen wird der bevorrechtigte Verkehr geschützt, nicht aber der nachfolgend auf die bevorrechtigte Straße einbiegende Verkehr. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung ihren Anspruch auf § 823 BGB stützt. Bei einem Verkehrsunfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen verschmelzen die Verantwortungsbeiträge von Halter und Führer auf der einen wie auf der anderen Seite jeweils zu einem einheitlichen Verantwortungsbeitrag; die Betriebsgefahr ist ggf. zu Lasten beider durch Verschulden des Fahrers erhöht. Für die Haftungsabwägung ist es deshalb auf beiden Seiten ohne Bedeutung, wenn der Halter sein Fahrzeug nicht selbst gefahren hat. Halter und Fahrer bilden auf der Schädigerseite eine Haftungseinheit, auf der Geschädigtenseite eine Zurechnungseinheit. Halter und Fahrer haften, soweit sie für den Unfall nach §§ 823, 831 BGB bzw §§ 7, 18 StVG verantwortlich sind im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG immer auf dieselbe Quote (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVG, 22.Aufl., § 17 Rn. 5). Auch im Rahmen des § 823 BGB kommt es zudem für die Frage des Verschuldens darauf an, ob das verletzte Schutzgesetz gerade dem Schutz des Geschädigten bezweckt. Angesichts des Verschuldens des Widerbeklagte zu 2) und der ebenfalls erhöhten Betriebsgefahr des W tritt die Betriebsgefahr des Pkw der Beklagten zu 4) vollständig hinter die Betriebsgefahr der beiden anderen Fahrzeuge zurück.

B.

Die Anschlussberufung der Beklagten zu 1) ist zulässig, aber unbegründet. Die Widerklage ist aus den vom Landgericht zutreffend angegebenen Gründen zulässig, aber unbegründet. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ist allerdings nicht verjährt. Die Widerklage wurde gegen die Widerbeklagten zu 1) und 2) in nicht rechtsverjährter Zeit erhoben. Die Widerklage vom 22.11.2007 ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der in der Widerklageschrift als Zustellungsbevollmächtigter angegeben war, am 03.12.2007, also vor Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist am 31.12.2007 zugestellt worden,. Mit Schriftsatz vom 11.01.2008 hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für alle drei Widerbeklagten bestellt und Klageabweisung beantragt. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Zustellungsbevollmächtigung wirkt die Hemmung der Verjährung gegen den Versicherungsnehmer auch im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer, § 115 Abs. 2 Satz 4 VVG bzw. § 3 Nr. 3 Satz 4 PflVG a.F.

Der Anspruch ist aber nicht schlüssig dargelegt. Soweit mit der Anschlussberufung geltend gemacht wird, die Widerklägerin begehre Nutzungsausfall für vier Tage steht dies im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen. Danach wird Nutzungsausfall für zwei Tage, nämlich den 9. und 10.12.2004 geltend gemacht. Der Nutzungsausfall wurde mit 50,- € je Tag angegeben, so dass ohnehin nur ein Anspruch auf 100,- € in Betracht kommt. Auch insoweit ist der Anspruch aber nicht ausreichend dargelegt. Auf die zutreffende Begründung des Landgerichts wird Bezug genommen. Aus dem Umstand, dass nur für einen Teil der Reparaturzeit ein Mietwagen angemietet wurde, folgt regelmäßig, dass für den restlichen Zeitraum ein Nutzungswille nicht bestand. Dies gilt umso mehr, wenn eine Schadensersatzklage erhoben wird, bei der ein weiterer Nutzungsausfall nicht geltend gemacht wird. Angesichts dessen hätte die Widerklägerin ihr Nutzungsinteresse konkret darlegen müssen.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 2, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage anerkannter Grundsätze alleine nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden.



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