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OLG Köln Beschluss vom 02.07.2013 - I-19 U 59/13 - Haftung des Unfallverursachers für Beschwerden aus einer Vorerkrankung

OLG Köln v. 02.07.2013: Zur Haftung des Unfallverursachers für Beschwerden aus einer Vorerkrankung


Das OLG Köln (Beschluss vom 02.07.2013 - I-19 U 59/13) hat entschieden:
Der Unfallverursacher haftet für die nach dem Unfall auftretenden, auf einer Vorerkrankung oder Vorverletzung beruhenden Beschwerden, wenn die Vorverletzung oder Vorerkrankung vor dem Unfall symptomlos war, also keine Beschwerden bereitet hat, wobei den Schädiger insoweit nur eine Haftung für den auf den Unfall zurückzuführenden verfrühten Eintritt der Beschwerden trifft. Für den entsprechenden Beweis einer aktivierten Erkrankung (hier: Arthrose) gehört daher notwendigerweise auch, dass nach dem Unfall Beschwerden aufgetreten sind, die vor dem Unfall nur angelegt, aber nicht ausgebrochen waren.


Siehe auch Konstitutionelle Veranlagung bzw. Vorschädigung beim Personenschaden und Stichwörter zum Thema Personenschaden


Gründe:

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

1. Soweit der Kläger mit der Berufung noch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines (weiteren) Schmerzensgeldes erstrebt, hat seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage insofern zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger mit der vorgerichtlichen Zahlung in Höhe von Euro 1.500,00 durch die Beklagte zu 2 ausreichend für die erlittenen immateriellen Einbußen aus dem Unfallereignis vom 25.11.2009 kompensiert worden ist. Auf die zutreffenden Erwägungen des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Ein höheres Schmerzensgeld vermögen auch die Ausführungen des Klägers mit der Berufung nicht zu rechtfertigen.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, darzulegen und zu beweisen, dass eine bereits bestehende Arthrose durch den im Zusammenhang mit dem erlittenen Verkehrsunfall erfolgten Aufprall des Pkw des Beklagten zu 1 auf sein, des Klägers, Pkw aktiviert worden ist. Es ist anerkannt (OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.04.2011, -1 U 5/11-; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2007, I-1 U 1/04-, beide zitiert nach juris), dass der Unfallverursacher für nach dem Unfall eintretende auf einer Vorerkrankung oder Vorverletzung beruhende Beschwerden haftet, wenn die Vorverletzung oder Vorerkrankung vor dem Unfall symptomlos war, also keine Beschwerden bereitet hat, wobei den Schädiger insoweit nur eine Haftung für den auf den Unfall zurückzuführenden verfrühten Eintritt der Beschwerden trifft. Für den entsprechenden Beweis einer aktivierten Erkrankung (hier: Arthrose) gehört daher notwendigerweise auch, dass nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis Beschwerden aufgetreten sind, die vor dem Unfall nur angelegt, aber nicht ausgebrochen waren.

a. Davon, dass der Kläger im Anschluss an den Unfall Beschwerden aufgewiesen hat, die zuvor nicht bestanden haben, hat sich das Landgericht mit zutreffenden Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, nicht überzeugen können. Der Kläger hat am 06.11.2009, also nur kurze Zeit vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis am 25.11.2009, den Orthopäden Dr. N aufgesucht, um sich wegen Schmerzen am rechten Schultergelenk behandeln zu lassen, wie sich aus dem durch Dr. N ausgefüllten Fragebogen der Beklagten zu 2, Anlage K18, Bl. 82 ff. GA, ergibt, im Übrigen aber auch nicht streitig ist. Schon aus diesem Grund ist es also möglich, dass die beim Kläger unstreitig bestehende Arthrose schon vor dem Unfallereignis "aktiviert" war, also Beschwerden verursacht hat und nicht symptomlos war. Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang moniert, dass sich der Kläger im Prozess hierzu nicht aufklärend geäußert hat.

Vielmehr hat er zunächst mit der Klageschrift (dort Seite 6, Bl. 6 GA) - fälschlicherweise - behauptet, dass sich durch eine beim Unfall erlittene Verletzung eine "schmerzhafte Gelenkarthrose" ausgebildet habe, obgleich ihm bewusst war, dass eine solche Gelenkarthrose bereits vor dem Unfall bestand, sie schließlich von seinem Orthopäden, Herrn Dr. N, diagnostiziert war und er sich eben wegen dieser in Behandlung befunden hatte. Zudem hat er mit dieser nicht zutreffenden Behauptung - entgegen seinem Vorbringen mit der Berufung - sehr wohl zum Ausdruck gebracht, dass vor dem Unfall Beschwerden nicht bestanden haben. Denn wenn dargelegt wird, dass durch den Unfall ein Schaden eingetreten sei, bedeutet dies, dass ein solcher vor dem Unfall nicht bestanden hat, anderenfalls man schon zur Verhinderung von Missverständnissen (§ 138 ZPO) verpflichtet ist, die zuvor bestehenden Schäden mitzuteilen.

Zudem hat der Kläger mit der Replik vom 15.09.2011 (dort Seite 2, Bl. 76 GA) vorgetragen, dass er den Arm vor dem Unfall vollständig habe bewegen können, nach dem Unfall allerdings nicht mehr. Auch aus diesem Vorbringen lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Kläger vor dem Unfall keinerlei Beschwerden an der rechten Schulter zu beklagen hatte, dies anderenfalls zur Vermeidung von Unklarheiten hätte mitgeteilt werden müssen.

Auch mit den weiteren Schriftsätzen vom 07.11. und 01.12.2011 hat der Kläger keinerlei Ausführungen dazu gemacht, welcher Art Schmerzen ihn dazu veranlasst haben, am 06.11.2009 den Orthopäden Dr. N aufzusuchen, um sich dort die rechte Schulter behandeln zu lassen.

Soweit der Kläger danach mit der Berufung (dort Seite 5, Bl. 287 GA) unter Bezugnahme auf die genannten Ausführungen in der Replik darlegt, nie behauptet zu haben, dass er vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei, trifft das nach Vorhergesagtem gerade nicht zu.

b. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht weiter angenommen, dass auch unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen Dr. T eine Aktivierung der Arthrose nicht als bewiesen angenommen werden kann. Denn unabhängig von dem zuvor Ausgeführten hat der Sachverständige gerade nicht - wie aber vom Kläger erstinstanzlich und auch in der Berufung behauptet - feststellen können, dass aufgrund der unfallbedingten Kollision der Kläger eine (die bestehende Arthrose aktivierende) Schultereckgelenkssprengung bzw. eine Verrenkung der rechten Schulter erlitten hätte. In seinem schriftlichen Gutachten vom 26.10.2012 (Bl. 190 ff. GA) hat der Sachverständige nämlich angegeben, dass sich anhand der Röntgenbefunde das Vorliegen einer Schultergelenksarthrose rechts belegen lasse (dort Seite 9 f., Bl. 198 f. GA). Hingegen lasse sich radiologisch eine Schultereckgelenksprengung/Verrenkung des AC-Gelenks (= Schultergelenks) nicht feststellen (Seite 11 des Gutachtens, Bl. 200 GA). Gleichwohl hat der Sachverständige - nach diesen Feststellungen zweifelhaft - abschießend erklärt, dass "davon auszugehen" sei, "dass es durch den Unfall offenbar zu einer Aktivierung einer bereits vor dem Unfall bestehenden Arthrose" des rechten Schultergelenks gekommen sei.

Hiervon ist allerdings - auch insofern folgt der Senat den Ausführungen des Landgerichts - im Anschluss an die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.02.2013 nicht auszugehen. Denn dort hat der Sachverständige auf entsprechende Nachfrage angegeben, dass er für sich nach Aktenlage den Schluss gezogen habe, dass sich die Beschwerden des Klägers aufgrund des Unfalls intensiviert hätten. Dabei hat der Sachverständige danach aufgrund der Aktenlage und den dortigen Angaben des Klägers unterstellt, dass sich dessen Beschwerden durch den Unfall verschlimmert hätten, ohne dass er selbst entsprechende Feststellungen getroffen hätte. Diese Aktenlage hat ihn danach dazu bewogen, den Schluss auf das Vorliegen einer traumabedingt aktivierten/intensivierten Arthrose zu ziehen.

Danach ist nicht dargelegt und bewiesen, dass die beim Kläger vorhandene Arthrose im rechten Schultergelenk durch den Unfall aktiviert/intensiviert worden ist.

c. Hinsichtlich der übrigen Unfallfolgen ist der Kläger - woran er mit der Berufung auch selbst nicht zweifelt - mit der vorgerichtlich seitens der Beklagten zu 2 erfolgten Zahlung in Höhe von Euro 1.500,00 ausreichend abgefunden. Insofern wird auf die überzeugenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts verwiesen.

2. Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 2 eine Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von Gebührenansprüchen durch Zahlung an seine Bevollmächtigten erstrebt, ist die Berufung schon unzulässig, da sie insofern - entgegen § 520 Abs. 2 ZPO - nicht begründet wird. Zudem wäre der Anspruch aber auch mangels Begründetheit des Hauptanspruchs unbegründet.

3. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der ihm gesetzten Frist. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren wird ausdrücklich hingewiesen.