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OLG Naumburg Urteil vom 27.10.2011 - 1 U 53/11 - Schadensersatz wegen Unfall auf Grund einer feherlhaften Polleranlage
OLG Naumburg v. 27.10.2011: ZUm Schadensersatz wegen Unfall auf Grund einer feherlhaften Polleranlage
Das OLG Naumburg (Urteil vom 27.10.2011 - 1 U 53/11) hat entschieden:
Im Auftreten eines Fehlers bei einer Polleranlage ist keine rechtswidrige Maßnahme einer Sicherheitsbehörde zu sehen (keine Entsprechung zu den Fällen sog. "feindlichen Grüns" bei einer Lichtzeichenanlage). Ein Verkehrszeichen trifft eine Regelung i.S.v. § 35 VwVfG, während eine Polleranlage, wie eine Bodenwelle oder ein zur Verkehrsberuhigung aufgestellter Blumenkübel einfach einen baulichen Zustand schafft, für den der Pflichtige die Verkehrssicherungspflicht trägt (hier verneint bei regelmäßiger Wartung und Überprüfung).
Siehe auch Verkehrssicherungspflicht und Straßenverhältnisse und Verkehrssicherung
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt Schadensersatz für die Beschädigung an einem in seinem Eigentum stehenden LKW, die durch das Anfahren durch die Zeugin L. an den rechten Teil einer von der Beklagten errichteten Polleranlage entstanden ist. Nach der Aussage der Zeugin L. ist sie ganz langsam an die Polleranlage herangefahren. Der linke Poller - den sie in vollem Umfang habe sehen können - sei ganz eingefahren. Den rechten Poller habe sie nur teilweise einsehen können. Sie habe nicht erkennen können, ob sich dieser Poller gänzlich abgesenkt habe, weil er durch das Armaturenbrett des von ihr geführten LKW verdeckt gewesen sei. Beim Anfahren stieß die Zeugin mit dem LKW gegen den rechten Poller, der sich tatsächlich nicht gänzlich abgesenkt hatte.
Die Beklagte wendet ein, dass sie die Anlage regelmäßig durch eine Fachfirma (= die Streitverkündete) warten lasse (regulär am 16.6.2010), wegen eines Defekts an der Anlage am 4.8.2010. Bis zum Schadenseintritt (am 6.8.2010) seien ihr keine Mitteilungen über einen neuerlichen Defekt der Anlage bekannt geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe nicht gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie habe die Anlage regelmäßig durch eine Fachfirma (= die Streithelferin) warten lassen und im Übrigen auch regelmäßige Sichtprüfungen durchgeführt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie vertritt (unter Hinweis auf OLG Köln Urteil vom 30.10.2003 - 7 U 79/03 - [z.B. OLGR 2004, 19]; hier: zitiert nach juris) den Standpunkt, dass in dem nicht vollständigen Absenken des rechten Teils der Polleranlage eine rechtswidrige Maßnahme i.S.v. § 69 Abs. 1 S. 2 SOG-LSA zu sehen sei, die eine Haftung der Beklagten in jedem Fall nach sich ziehen müsse. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter (wie BB S. 1).
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten und beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Berufung.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Wie vom Landgericht entschieden, ist die Frage nach einer Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht zu prüfen. Entgegen der Ansicht der Berufung (und entgehen der Ansicht des OLG Köln a.a.O. zu § 39 Abs. 1 lit. b OBG-NRW; mit insoweit gleichem Regelungsinhalt wie § 69 Abs. 1 S. 2 SOG-LSA) kann § 69 Abs. 1 S. 2 SOG-LSA auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Anders als das OLG Köln sieht der Senat im Auftreten eines Fehlers bei einer Polleranlage keine rechtswidrige Maßnahme einer Sicherheitsbehörde. Eine Entsprechung zu den Fällen des sog. „feindlichen Grüns“ bei einer Lichtzeichenanlage sieht der Senat nicht. Bei den Zeichen einer Lichtzeichenanlage (oder bei sonstiger Beschilderung) handelt es sich um Verwaltungs-akte in der Form von Allgemeinverfügungen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., StVO § 37, Rn. 2 m.w.N.), die für die Betroffenen verbindlich sind. Ein Verkehrszeichen trifft eine Regelung i.S.v. § 35 VwVfG, während eine Polleranlage, wie eine Bodenwelle oder ein Blumenkübel (aufgestellt zur Verkehrsberuhigung oder zur Einflussnahme auf die Geschwindigkeit) einfach einen baulichen Zustand schafft, für den der Pflichtige - wie für andere Einrichtungen auch - die Verkehrsicherungspflicht trägt. Die Errichtung der Polleranlage war unstreitig rechtmäßig, sodass allein in ihrer Errichtung keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (dazu: LG Dessau-Roßlau Urteil vom 4.2.2011 - 2 O 368/10 - [zitiert nach juris] m.w.N.) oder eine rechtswidrige Maßnahme i.S.v. § 69 SOG-LSA liegen kann. Kann man dies nicht annehmen, dann kann aber auch der Betrieb, selbst wenn eine Störung vorliegt, nicht rechtswidrig sein, jedenfalls dann nicht, wenn die Verkehrssicherungspflicht erfüllt wird. Es ist nicht ersichtlich, worin sich eine Polleranlage von anderen Gegenständen (Treppen, Türen oder Aufzüge in öffentlichen Gebäuden, Winterräumdienst an Straßen) unterscheiden soll, auf die sich die Verkehrssicherungspflicht bezieht. Ist Ausgangspunkt der Prüfung einer Haftung die Verkehrssicherungspflicht, kann die Klage keinen Erfolg haben. Nach den nicht zu beanstandenden - und von der Berufung auch nicht angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts, hat die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht erfüllt. Die Anlage wurde durch eine Fachfirma regelmäßig gewartet (letzte Reparatur unmittelbar vor dem Unfallgeschehen) und von Mitarbeitern der Beklagten einer regelmäßigen Sichtprüfung unterzogen. Hinweise auf einen Fehler lagen der Beklagten zwischen dem Zeitpunkt der letzten Reparatur und dem Unfallzeitpunkt nicht vor. Damit hat die Beklagte im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht alles ihr zumutbare getan. Eine Haftung muss daher ausscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen. Der Senat weicht von der Entscheidung des OLG Köln (a.a.O.) ab (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zwar handelt es sich bei § 69 Abs. 1 S. 2 ZPO um eine landesgesetzliche Regelung, dies schließt die Zulassung der Revision allerdings nach der Änderung von § 545 ZPO durch das FGG-RG nicht mehr aus (Zöller/Heßler ZPO, 28. Aufl., § 545, Rn. 5).
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.723,53 Euro festgesetzt.