Das Verkehrslexikon

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OLG Naumburg Beschluss vom 15.01.2014 - 2 RV 2/14 - Strafmaß bei fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung

OLG Naumburg v. 15.01.2014: Kurzfristige Freiheitsstrafe bei fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung


Das OLG Naumburg (Beschluss vom 15.01.2014 - 2 RV 2/14) hat entschieden:
Bei Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe i.S.d. § 47 Abs. 1 StGB muss das Tatgericht die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung unter Beachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung in den Urteilsgründen darstellen.


Siehe auch Strafzumessung - Strafmaß und Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs vereinzelt worden, insoweit hat sie Erfolg, hinsichtlich des Schuldspruchs ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Das Amtsgericht hat kurze Freiheitsstrafen verhängt, die Urteilsbegründung belegt indes nicht, dass deren Verhängung unabdingbar im Sinne des § 47 StGB ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat ausgeführt:
"Die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen begegnet in allen drei Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gemäß § 47 Abs. 1 StGB dürfen Freiheitsstrafen unter 6 Monaten nur verhängt werden, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 StGB ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles festzustellen, wobei die Anzahl, das Gewicht und der zeitliche Abstand der Vorstrafen, die Umstände der Tat und deren Schuldgehalt sowie die Lebensverhältnisses des Täters zu berücksichtigen sind. Die Unerlässlichkeit bedarf einer besonderen und eingehenden Begründung. Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe setzt daher voraus, dass unter Beachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt wird (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 12.03.2012, 2 Ss 157/11, zitiert nach Juris).

Das Amtsgericht hat in allen drei Fällen "aufgrund der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sowie der kurz vor Tatbegehung verbüßten Freiheitsstrafe" eine kurze Freiheitsstrafe für "erforderlich" gehalten. Dabei hat es diese Formulierung gleichlautend für alle drei Fälle gewählt. Nach den Feststellungen des Urteils ist der Angeklagte jedoch nicht wegen Beleidigung oder vergleichbarer Delikte vorbestraft, weshalb einschlägige Vorstrafen im Hinblick auf die Verurteilung wegen zweifacher Beleidigung nicht vorliegen. Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB darf im Übrigen nicht schematisch aus einschlägigen Vorstrafen, Bewährungsbrüchen oder der Wirkungslosigkeit früherer Haftzeiten geschlossen werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls festzustellen [vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.04.2012, 2 (7) Ss 117/12, zitiert nach Juris]. Zudem muss bei Fallgestaltungen mit geringem Unrechtsgehalt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im besonderen Maße Beachtung finden (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O.). Aufgrund des in allen drei Fällen gegebenen geringen Unrechtsgehalts bedarf es zur Einschätzung der Verhältnismäßigkeit der Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen einer genauen auf den Einzelfall bezogenen Darstellung sämtlicher Umstände."
Das sieht der Senat ebenso.

Hinsichtlich der zwischen Generalstaatsanwaltschaft und Verteidigung streitigen Frage, ob dem Beschwerdeführer für die Revisionsbegründung ein Pflichtverteidiger beizuordnen war, bemerkt der Senat: Entgegen der insoweit übereinstimmenden Auffassung von Generalstaatsanwaltschaft und Verteidigung ist für die Entscheidung über die Beiordnung eines Verteidigers für die Revisionsbegründung nicht das Revisionsgericht, sondern der Tatrichter zuständig (vergl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, Rdnr. 6 zu § 141).



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