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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 03.03.1993 - 19 U 222/91 - Forderungsübergang von Lohnfortzahlungsansprüchen

OLG Frankfurt am Main v. 03.03.1993: Forderungsübergang von Lohnfortzahlungsansprüchen


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.03.1993 - 19 U 222/91) hat entschieden:
  1. Einigen sich der Geschädigte und der Schädiger (bzw dessen Haftpflichtversicherung) in einem formularmäßigen Abfindungsvergleich dahin, dass "Ansprüche gleich welcher Art für Vergangenheit und Zukunft, auch Ansprüche Dritter, die im Wege des Regresses auf den Schädiger zukommen können", abgefunden sein sollen, so ist danach die Geltendmachung einer weiteren Schadensposition allenfalls dann noch möglich, wenn der Geschädigte nachweist, dass der Abfindungsvergleich entgegen seinem Wortlaut nur eine beschränkte Wirkung haben sollte.

    2. Im Gegensatz zu Ansprüchen, deren Übergang in SGB X § 116 geregelt ist, gehen Ansprüche, die unter § 4 Abs 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes fallen, erst dann über, wenn der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung geleistet hat.

Siehe auch Forderungsübergang im Schadensfall und Arbeitsrecht und Verkehrsrecht


Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob der Arbeitnehmer der Firma H. begrifflich als Arbeiter oder als Angestellter einzuordnen ist. Auf die Kl. ist nämlich auch dann kein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen die Versicherungsnehmerin (VN) der Bekl. nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz - LFZG -) übergegangen, wenn der Geschädigte Arbeiter ist. Einem Forderungsübergang nach dem genannten Gesetz steht der zwischen dem Geschädigten und der Bekl. geschlossene Abfindungsvergleich vom Juni 1989 entgegen. Demgemäß hat die Firma H. der Kl. auch keinen übergegangenen Anspruch auf Schadensersatz wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit abtreten können.

Dem landgerichtlichen Urteil ist darin zu folgen, dass der Text der von dem Geschädigten nach anwaltlicher Beratung unterzeichneten Formular-​Abfindungserklärung vom Juni 1989 die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche jedweder Art aus dem Unfallereignis vom 11.12.1986 gegen die Bekl. oder ihre VN ausschließt. Dabei ist im Text der Abfindungserklärung durch Unterstreichung grafisch hervorgehoben ausgeführt, dass insb. auch Ansprüche abgefunden sein sollen, die im Wege des Regresses Dritter auf die Bekl. zukommen könnten. Unter Schadensersatzansprüchen des Geschädigten, die zu einer Regressforderung i.S.d. Abfindungserklärung gegen die Bekl. und ihre VN führen könnten, fällt auch die Schadensersatzforderung des Geschädigten wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit, die gem. § 4 I LFZG unter den dort genannten Voraussetzungen auf die Firma H. als seine Arbeitgeberin übergeht.

Wie das LG auch in weiterem zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Rspr. des BGH dann, wenn ein Abfindungsvergleich klar und deutlich ausspricht, dass die Parteien die Sache endgültig haben erledigen und auch Unvorhergesehenes mitbereinigen wollen, i.d.R. jede Nachforderung ausgeschlossen. Will der Verletzte in einem solchen Falle dennoch weitere Ansprüche geltend machen, muss er nachweisen, dass die Beteiligten dem Abfindungsvergleich entgegen seinem Wortlaut nur eine beschränkte Wirkung geben wollten. Dieser Nachweis, an den besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (so z.B. BGH NJW 1957, 1395), ist der Kl. nicht gelungen. (Wird ausgeführt.)

Der in dem Vergleich vom Geschädigten ausgesprochene Verzicht auf weitere Schadensersatzansprüche, auch soweit sie durch etwaige unfallbedingte Spätfolgen entstehen und auch soweit solche Ansprüche auf Dritte übergehen, ist auch wirksam. Zwar ist in Lit. und Rspr. allgemein anerkannt, dass Schadensersatzansprüche des Geschädigten, die kraft Gesetzes gem. § 116 SGB X auf den Träger der Sozialhilfe übergehen, durch etwaige Verzichtserklärungen des Geschädigten, der Sozialleistungen erhält, nicht berührt werden. Der vom Geschädigten ausgesprochene Verzicht auf solche Ansprüche wird dem Schädiger ggü. nicht wirksam, weil der gesetzliche Übergang solcher Ansprüche gem. § 116 SGB X - entsprechend früher § 1542 RVO - bereits auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zurückwirkt (vgl. dazu z.B.: BGHZ 48, 181 f).

Die Regelung in § 4 I LFZG ist jedoch eine andere als die in den genannten §§ 116 SGB X oder 1542 RVO. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber, der nach dem Lohnfortzahlungsgesetz Arbeitsentgelt an einen Arbeiter zahlt, dem ein Dritter zum Schadensersatz wegen Verdienstausfalls verpflichtet ist, kein Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe ist, hat der Gesetzgeber den § 4 I LFZG auch anders gefasst als die genannten Paragraphen, bei denen der Übergang mit Rückwirkung erfolgt. Während es in § 116 SGB X heißt, der Übergang findet statt, soweit der Träger der Sozialhilfe "aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat", heißt es in § 4 I LFZG, der Anspruch geht insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem "Arbeitsentgelt fortgezahlt ... hat". Ausgehend vom Wortlaut des Lohnfortzahlungsgesetzes ist die Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber keine aufschiebende Bedingung, sondern der Arbeitgeber erlangt den auf ihn kraft Gesetzes übergehenden Entschädigungsanspruch erst dann, wenn er selbst an den Arbeiter Lohnfortzahlung gewährt hat. Insofern liegt auch bereits eine höchstrichterliche Entscheidung vor, dass dem Unterschied im Wortlaut des § 4 I LFZG ggü. den §§ 116 SGB X und 1542 RVO nicht etwa nur ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers zugrunde liegt. Im Gegensatz zu den Trägern der Sozialhilfe soll der Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch nach § 4 LFZG erst erlangen, wenn er selbst Lohnfortzahlung geleistet hat. Das Bundesarbeitsgericht, das über diese Rechtsfrage zu entscheiden hatte, hat demgemäß auch ausgeführt, dass ein Arbeiter den Übergang des Schadensersatzanspruchs auf seinen Arbeitgeber wirksam dadurch verhindern (daher unmöglich machen und unterbinden) kann, dass der Arbeiter mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung einen Abfindungsvergleich schließt, indem er auf seine Forderung ggü. dem Schädiger verzichtet (vgl. BAG in NJW 1989, 1302). Dabei lässt sich - worauf das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) hinweist - für die Wirksamkeit eines solchen Abfindungsvergleichs auch anführen, dass § 5 I Nr. 2 LFZG den Arbeitgeber berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu verweigern, wenn der Arbeiter den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten auf seinen Arbeitgeber (§ 4) verhindert. Diese Bestimmung liefe leer, wenn der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die cessio legis des § 4 LFZG nicht wirksam auf den ihm gegen einen Dritten zustehenden Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalles infolge Arbeitsunfähigkeit verzichten könnte.



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