Das Verkehrslexikon
VGH München Beschluss vom 28.11.2014 - 11 CS 14.2267 - Zweifel an der Fahreignung bei erhöhtem GGT-Wert
VGH München v. 28.11.2014: Zum Zweifel an der Fahreignung bei erhöhtem GGT-Wert
Der VGH München (Beschluss vom 28.11.2014 - 11 CS 14.2267) hat entschieden:
Ein MPU-Gutachten muss in sich schlüssig und nachvollziehbar sein. Es darf von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ungeprüft übernommen werden, sondern muss einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen werden. Hat der Betroffene in der psychologischen Exploration widersprüchliche Angaben zu seinen Trinkmengen gemacht hat und werden Zweifel an seiner Fahreignung durch einen erhöhten GGT-Wert gestützt, kann der sofortige Vollzug des Entzugs der Fahrerlaubnis gerechtfertigt sein.
Siehe auch Alkohol und Fahrerlaubnisentzug und -erteilung im Verwaltungsverfahren und Die sog. Leberwerte - Gamma-GT (GGT)
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug seiner Fahrerlaubnis (Klassen B, BE, AM, L und T).
Das Amtsgericht Nördlingen verhängte mit Strafbefehl vom 7. Mai 2012, rechtskräftig seit 26. Mai 2012, gegen ihn eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und entzog ihm die Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, M, L und S. Dem lag zu Grunde, dass der Antragsteller am 27. März 2012 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰ ein Kraftfahrzeug geführt hatte.
Am 4. April 2013 erteilte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE, L und T erneut.
Wegen eines Verstoßes nach § 24a StVG wurde am 22. Januar 2014 gegen den Antragsteller ein Bußgeldbescheid, rechtskräftig seit 3. Februar 2014, und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Anlass war, dass er am 1. Januar 2014 mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,42 mg/l ein Kraftfahrzeug geführt hatte.
Das von der Fahrerlaubnisbehörde angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten legte der Antragsteller vor. Aus dem Gutachten der pima-mpu GmbH vom 29. April 2014 ergibt sich, dass zu erwarten ist, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter die Fahrsicherheit beeinträchtigendem Alkoholeinfluss führen wird.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2014 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE, L und T (Nr. I.1), verpflichtete ihn, den Führerschein innerhalb einer Frist von fünf Tagen abzuliefern (Nr. I.2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. I.1 an (Nr. II). Das schlüssige und überzeugende Gutachten belege, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei. Die Fahrerlaubnis sei ihm daher nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen.
Über die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht Augsburg nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. September 2014 abgelehnt.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, der Sofortvollzug sei vom Antragsgegner nur mit allgemeinen Angaben ohne konkreten Bezug auf den Fall begründet worden. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass er seit 40 Jahren im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Die Fragestellung in der Gutachtensanordnung sei unzulässig gewesen, da auch nach Beeinträchtigungen durch einen unkontrollierten Alkoholkonsum gefragt worden sei. Die Schlussfolgerung des Gutachters, dass der Antragsteller seine Kontrollmöglichkeiten bezüglich seines Alkoholkonsums überschätze, sei nicht gerechtfertigt. Die weitere Schlussfolgerung, wegen des auffällig hohen GGT-Wertes bei ansonsten unauffälligen Befunden liege eine alkoholbedingte Leberschädigung vor, werde angezweifelt. Es kämen dafür auch die vom Antragsteller einzunehmenden Schmerzmittel in Betracht.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs den formellen Anforderungen genügt. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Eyermann, a.a.O. Rn. 36). Der Antragsgegner hat unter Nr. IV des Bescheids unter Bezugnahme auf den konkreten Einzelfall zwar knapp, aber ausreichend, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt.
2. Das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer Änderung der Entscheidung, da das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hat.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl S. 3313), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. April 2014 (BGBl S. 348), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderung zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung ausgeschlossen wird. Aus dem vorgelegten Gutachten der pima-mpu GmbH vom 29. April 2014 ergibt sich, dass bei dem Antragsteller ein Mangel nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, da er das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann.
Es kann dahinstehen, ob die Fragestellung in dem nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV angeforderten medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachten rechtmäßig war, denn der Antragsteller hat das Gutachten vorgelegt, aus dem sich seine Fahrungeeignetheit ergibt. Die Verwertbarkeit eines der Fahrerlaubnisbehörde tatsächlich bekanntgewordenen negativen Fahreignungsgutachtens hängt nicht von der Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung ab (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 11 CS 13.1746 – juris; B.v. 15.6.2009 – 11 CS 09.373 – juris). Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. November 2014 vorträgt, das vom Antragsgegner zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1982 (7 C 69/81 – BVerwGE 65, 157) sei nicht auf seinen Fall übertragbar, führt dies zu keiner anderen Einschätzung.
Das Verwaltungsgericht geht auch zutreffend davon aus, dass das Gutachten in sich schlüssig und nachvollziehbar ist. Das Gutachten darf von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ungeprüft übernommen werden, sondern muss einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen werden (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 11 FeV Rn. 18). Der Gutachter stellte zu Recht fest, dass der Antragsteller in der psychologischen Exploration widersprüchliche Angaben zu seinen Trinkmengen gemacht hat. Der Antragsteller gab an, nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2013 habe er eigentlich keinen Alkohol mehr getrunken, dann aber doch wieder bei besonderen Gelegenheiten drei bis vier Halbe Bier. Zuvor hatte er aber im Widerspruch dazu ausgeführt, selbst bei besonderen Gelegenheiten nur maximal zwei Halbe Bier getrunken zu haben. Warum er vor der ersten Alkoholfahrt abweichend von der üblichen Maximalmenge fünf Halbe Bier getrunken hatte und bei der zweiten Alkoholfahrt zwei Halbe Starkbier und zwei Gläser Punsch, konnte er nicht nachvollziehbar erklären. Das Gutachten geht auch überzeugend davon aus, dass der Antragsteller noch kein konkretes und verlässliches Verhaltenskonzept für den Konsum von Alkohol entwickelt hat. Er führt zwar aus, dass er den Vorsatz gefasst habe, gar nichts mehr zu trinken und seinen inneren Sauhund zu bezwingen. Zugleich schmecke ihm aber zum Essen einfach ein Bier und er trinke immer mal wieder eines. Die Schlussfolgerung des Gutachters, dass der Antragsteller seine Kontrollmöglichkeiten bezüglich seines Alkoholkonsums überschätzt, ist ebenfalls schlüssig. Seine Behauptung, er werde in Zukunft sicher nicht mehr alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehmen, findet keine Grundlage in seinen Ausführungen.
Auch die Schlussfolgerungen aus dem erhöhten GGT-Wert sind nachvollziehbar. Im Gutachten wird ausgeführt, dass die Zweifel an der Fahreignung im Bereich der medizinischen Untersuchung angesichts des erhöhten Wertes nicht ausgeräumt werden könnten und die Angaben des Antragstellers zu seinem Alkoholkonsum damit nicht gestützt würden. Diese Feststellungen sind in sich stimmig. Der Antragsteller hatte bei der allgemeinen Anamnese die Einnahme von Medikamenten verneint (S. 4 des Gutachtens). Es bestand daher kein Anlass, sich im Gutachten mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der erhöhte GGT-Wert auch durch Medikamentenkonsum hervorgerufen sein könnte. Er hat auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen, welche Medikamente er in welcher Dosierung vor der Blutuntersuchung regelmäßig eingenommen habe.
Der Gutachter kam aufgrund der Bewertung der psychologischen Untersuchungsbefunde zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter die Fahrsicherheit beeinträchtigendem Alkoholeinfluss führen wird.
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).