Alkohol und Fahrerlaubnisentzug und -erteilung im Verwaltungsverfahren - Führerscheinstelle - Verwaltungsbehörde - Alkoholproblematik - Führerscheinentzug
Alkohol und Fahrerlaubnisentzug und -erteilung im Verwaltungsverfahren
OVG Saarlouis v. 03.05.2007:
Für den Entzug der Fahrerlaubnis muss die Fahrerlaubnisbehörde durch Anordnung von ärztlichen bzw. psychologischen Gutachten bestehende Eignungszweifel aufklären. Ein Schreiben des Gemeindeamtsrats, in dem ihm ein "geröteter bzw. hochroter Kopf” und "eine nicht verwechselbare Alkoholfahne” des Betroffenen aufgefallen ist, stellt keinen hinreichenden Anlass für die Annahme des Bestehens einer ausgeprägten Alkoholproblematik mit erkennbaren Auswirkungen auf die Teilnahme am Straßenverkehr dar.
VG Gelsenkirchen v. 15.05.2007:
Nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Alkoholforschung ist nämlich davon auszugehen, dass Personen, die Blutalkoholkonzentrationen von über 1,6 oder sogar über 2,0 ‰ erreichen können, deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören und regelmäßig an einer dauerhaft ausgeprägten Alkoholproblematik leiden.
OVG Berlin-Brandenburg v. 07.08.2008:
Eine Trunkenheitsfahrt, und zwar auch eine solche mit dem Fahrrad, ist hiernach Anlass für die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde; erst die Begutachtung ergibt, ob ein die Kraftfahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch vorliegt. Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann; dass es auch in der Vergangenheit bereits zu einer Trunkenheitsfahrt gerade mit einem Kraftfahrzeug gekommen ist, ist danach für eine negative Prognose nicht erforderlich. Die Eignung für das Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs ist zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und ihren Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird.
OVG Lüneburg v. 24.07.2014:
Wird bei einem Fahrerlaubnisinhaber, bei dem Gammaalkoholismus diagnostiziert worden und der bereits mehrfach rückfällig geworden ist, erneut Alkoholkonsum nachgewiesen, entfällt in der Regel die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
OVG Saarlouis v. 14.11.2017:
Keine Kraftfahreignung, wenn kurz nach überstanden geglaubter Alkoholabhängigkeit zum Kontrollverlust führende Mengen Alkohol konsumiert werden.
"Wahlfeststellung" bei mehreren zwingenden Gründen:
OVG Lüneburg v. 17.01.2023:
Der Fall eines vormals "trockenen" Alkoholikers, der die Voraussetzungen der Nr. 8.4 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV erfüllt hatte, nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis aber wieder Alkohol konsumierte, eröffnet - in Abhängigkeit von den weiteren Umständen - vier verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Einordnung. Bei einem gerechtfertigten Ausschluss aller Sachverhaltsvarianten, die zu einer Kraftfahreignung des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers führen würden, kann die Fahrerlaubnisbehörde unaufgeklärt lassen, welche von mehreren verbleibenden Sachverhaltsvarianten der alkoholkonsumbedingten Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegt. Denn insoweit ist sie zu einer Art "Wahlfeststellung" berechtigt.
OVG Greifswald v. 27.03.2008:
Wird der deutschen Fahrerlaubnisbehörde lediglich ein Schriftstück einer ausländischen Behörde in ausländischer Sprache über die Beschlagnahme des Führerscheins vorgelegt, das lediglich die Angabe einer Atemalkoholkonzentration enthält, aber kein Messprotokoll und keinerlei Angaben über den Vorgang der Messung, die Art des Messgerätes, die Einhaltung von Warte- und Kontrollzeiten oder über die an der Messung beteiligten Polizeibediensteten, dann ist dies - auch nach Übersetzung und jedenfalls im Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz - keine ausreichende Grundlage für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach verweigerter MPU.