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OLG Oldenburg Urteil vom 10.09.1999 - 13 U 56/99 - Radfahrerunfall im Bereich einer abknickenden Vorfahrtstraße

OLG Oldenburg v. 10.09.1999: Haftungsverteilung bei Radfahrerunfall im Bereich einer abknickenden Vorfahrtstraße


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 10.09.1999 - 13 U 56/99) hat entschieden:
Will ein Fahrzeugführer eine abknickende Vorfahrtstraße nach schräg rechts geradeaus verlassen, hat er sich durch eine Rückschau nach rechts zu vergewissern, dass nicht ein Radfahrer der Vorfahrtstraße folgen will. - Der Radfahrer, der der Vorfahrtstraße folgen will, hat die Fahrtrichtungsänderung anzukündigen. Unterlässt er dies, trifft ihn bei Kollision mit einem geradeausfahrenden Fahrzeug aber jedenfalls dann nur ein geringes Mitverschulden, das hinter dem Verschulden des Autofahrers zurücktritt, wenn der Autofahrer den Radfahrer nicht einmal bemerkt hat. Der Radfahrer darf darauf vertrauen, dass Fahrzeuge, die die Vorfahrtstraße verlassen, ihm die Vorfahrt lassen.


Siehe auch Abknickende Vorfahrt und Radfahrer-Unfälle


Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadensersatz aufgrund eines Unfalles vom 10.05.1998.

An diesem Tage befuhr er gegen 11.30 Uhr mit seinem Fahrrad die H. Straße in Osnabrück und beabsichtigte, weiter in die Frankenstraße zu fahren. Zur gleichen Zeit befand sich die Beklagte zu 2) mit dem Pkw VW Golf des Beklagten zu 1) hinter dem Kläger und beabsichtigte in die Dammstraße weiter zu fahren. Der Beklagte zu 3) ist Haftpflichtversicherer des Pkw der Beklagten zu 1). Im Bereich der Einmündung der Dammstraße kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Fahrrad und dem von der Beklagten zu 2) geführten Pkw.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit dem am 28.05.1999 verkündeten Grund- und Teilurteil den auf Ersatz des materiellen Schadens geltend gemachten Anspruch gegenüber allen drei Beklagten durchgreifen lassen, hinsichtlich des immateriellen Anspruchs einschließlich des Feststellungsanspruchs hat es die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen und der Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) und 3) dem Grunde nach stattgegeben. Das Landgericht hat angenommen, dass die Beklagte zu 2) den Unfall überwiegend verschuldet hat und ein evtl. Mitverschulden des Klägers dahinter zurücktritt. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung beantragen die Beklagten,
das angefochtene Urteil dahin zu ändern, dass die Klage nur zu 0,5 begründet ist - gegen den Beklagten zu 1) nur in Ansehung eines materiellen Schadens des Klägers.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten meinen, der Kläger habe den Unfall schuldhaft mitverursacht, weil er nicht durch Handzeichen zu erkennen gegeben habe, dass er der abknickenden Vorfahrtsstraße habe folgen wollen. Aufgrund der unübersichtlichen Straßenführung hätte er besonders aufmerksam fahren und sich vergewissern müssen, dass kein Fahrzeug in die Dammstraße einbiegen wolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagten für die Folgen des Unfalles vom 10.5.1998 allein haften.

Die Beklagte zu 2) hat den Unfall schuldhaft verursacht, wie auch die Berufung nicht in Abrede nimmt. Sie war, da sie die abknickende Vorfahrt nach schräg rechts geradeaus verlassen wollte, in jedem Fall wartepflichtig. Sie musste ihr Verhalten darauf einrichten, dass sie keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden konnte.

Sie musste sich, da sie die Vorfahrtstraße verlassen wollte, durch Rückschau nach rechts vergewissern, dass kein Radfahrer der Vorfahrtstraße folgen wollte (vgl. BayObLG StVE § 9 Rdn. 68), zumal der Radweg im Bereich der Einmündung der Dammstraße gesondert gekennzeichnet war. Der Radweg war durch eine rote Pflasterung hervorgehoben, und eine weiße, im Bereich der Einmündung der Dammstraße unterbrochene, jedoch danach durchgehende Linie kennzeichnete den Radweg besonders deutlich.

Den Kläger trifft demgegenüber nur ein geringes Mitverschulden, das hinter das Verschulden der Beklagten zu 2) zurücktritt. Er war aufgrund des sich etwa 3 m vor der Einmündung der Dammstraße angebrachten Zusatzschildes zum Zeichen 306, das die abknickende Vorfahrt auswies, gehalten, die Fahrtrichtungsänderung anzukündigen. Das hat er nicht getan. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass der Unfall darauf beruht. Die Beklagte zu 2), die zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet war, hat den Kläger nicht einmal bemerkt. Das hat sie selbst gegenüber der Polizeikommissarin P., die dies als Zeugin bekundet hat, angegeben. Es gibt keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass sie den Kläger bemerkt hätte, wenn dieser die Fahrtrichtungsänderung angezeigt hätte. Dem Kläger kann auch nicht vorgeworfen werden, er habe sich wegen der Straßenführung besonders vergewissern müssen, dass er der Vorfahrtstraße gefahrlos folgen könnte. Er befuhr die Vorfahrtstraße, während die Beklagte zu 2) abbiegen wollte (vgl. BayObLG StVE § 9 Nr. 68). Er konnte damit rechnen, dass abbiegende Fahrzeuge ihm entsprechend § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO die Vorfahrt ließen. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 ZPO.



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