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OVG Münster Beschluss vom 27.04.2015 - 16 B 1450/14 - Verwertbarkeit einer Haaranalyse
OVG Münster v. 27.04.2015: Verwertbarkeit einer Haaranalyse
Das OVG Münster (Beschluss vom 27.04.2015 - 16 B 1450/14) hat entschieden:
- Die Zustimmung zur Fortführung eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens durch die aufgrund Zuzugs des Fahrerlaubnisinhabers zuständig gewordenen Fahrerlaubnisbehörde folgt aus dem Zuständigkeitsübergang gemäß § 3 Abs 3 VwVfG NRW und nicht aufgrund des § 73 FeV. Die Zustimmung kann auch rückwirkend erteilt werden.
- Trotz Bestreitens, dass die Haarprobe, in der Kokain, Benzoylecgonin, Amphetamin, THC, Cannabinol und Cannabidiol nachgewiesen wurden, nicht vom Fahrerlaubnisinhaber stamme, fällt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Interessenabwägung zulasten des Fahrerlaubnisinhabers aus. Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass ein nachgewiesener Drogenkonsum an einem anderen Tag als den der Probennahme gegen eine Probenverwechslung spricht.
Siehe auch Drogen im Fahrerlaubnisrecht und Haaranalyse
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sind - dies zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel - die ihm bei summarischer Prüfung beizumessenden Erfolgsaussichten von erheblicher Bedeutung. Ergibt die Prüfung, dass der Widerspruch oder die Klage offensichtlich Erfolg haben wird, ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Im entgegengesetzten Fall der offensichtlich fehlenden Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs bleibt auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erfolglos, sofern ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse besteht.
Ein offensichtlicher Erfolg der Klage ergibt sich nicht aus der vom Antragsteller gerügten fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Antragsgegners nach dem Wohnortwechsel des Antragstellers. Mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe nach § 46 VwVfG NRW wegen der gebundenen Entscheidung kein Aufhebungsanspruch des Antragstellers, obwohl dem Antragsgegner die örtliche Zuständigkeit gefehlt habe, setzt sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht auseinander. Im Übrigen hat der im Laufe des Verwaltungsverfahrens örtlich zuständig gewordene Kreis N. inzwischen seine Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens durch den Antragsgegner gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG NRW erklärt. Dass er seine Zustimmungserklärung unzutreffend auf § 73 FeV gestützt hat,
vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit von § 73 FeV im Entziehungsverfahren: Bay.VGH, Urteil vom 12. März 2012 -; 11 B 10.955 -;, juris, Rn. 50,
ist als bloße Falschbezeichnung unschädlich. Aus der Erklärung des Kreises N. geht eindeutig hervor, dass die Zustimmung zur weiteren Bearbeitung des Entziehungsverfahrens durch den Antragsgegner erteilt wird.
Diese Zustimmung konnte auch erst nach Erlass der angegriffenen Ordnungsverfügung rückwirkend ausgesprochen werden.
Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. Juni 2006
-; 11 S 2299/05 -;, VBl.BW 2007, 109 = juris, Rn. 35; Ziekow, VwVfG, 3. Auflage 2013, § 3 Rn. 30.
Auch die übrigen Voraussetzungen zur Verfahrensfortführung durch den Antragsgegner nach § 3 Abs. 3 VwVfG NRW liegen vor.
Soweit der Antragsteller bestreitet, dass die Haarprobe, in der Kokain, Benzoylecgonin, Amphetamin, THC, Cannabinol und Cannabidiol nachgewiesen wurde, von ihm stamme, verhilft dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, spricht jedenfalls im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nichts für einen Verstoß gegen die im Umgang mit diesen Proben anzuwendende Sorgfalt. Der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte für etwaige Unregelmäßigkeiten aufgezeigt. Allein der zeitliche Ablauf spricht nicht für eine Probenverwechslung. Laut Gutachten über die chemisch-toxikologische Untersuchung der Haarprobe wurde diese dem Antragsteller am 24. April 2014 im Gesundheitsamt des Antragsgegners entnommen und ging am 28. April 2014 (einem Montag) im Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik L. ein. Im Zeitraum vom 28. April bis 4. Juli 2014 wurden verschiedene in dem Gutachten beschriebene Untersuchungen an der Haarprobe vorgenommen. Das Gutachten wurde am 7. Juli 2014 erstellt. Die Behauptung, in den Monaten zwischen der Entnahme der Haarprobe und der Erstellung des Gutachtens habe "alles Mögliche passiert sein"; können, ist rein spekulativ. Zweifel daran, dass die Haarprobe ordnungsgemäß entnommen und versandt wurde, werden auch nicht durch den Vortrag begründet, die Fahrerlaubnisakte enthalte keinerlei nachvollziehbare Unterlagen, wer konkret -; in Person -; die Haarprobe des Antragstellers wann und wo entnommen habe und wie diese verpackt und ins Labor geschickt worden sei. Dieses Vorbringen ist insoweit unzutreffend, als die Tatsache, dass die Haarprobe am 24. April 2014 im Gesundheitsamt entnommen wurde, im Verwaltungsvorgang vermerkt ist (Bl. 13). Im Übrigen ist dem Antragsteller selbst bekannt, wer ihm wann und wo die Haarprobe entnommen hat. Dass dabei die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden sein sollte, legt er ebenso wenig dar wie Anhaltspunkte für eine Probenverwechslung im Zusammenhang mit der Verpackung und Versendung durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes.
Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag, dem Antragsteller sei das Ergebnis des Gutachtens erst am 30. Oktober 2014 mitgeteilt worden. Denn der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 31. Juli 2014 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und teilte ihm in diesem Schreiben auch das Ergebnis des Gutachtens mit. Dass der Antragsgegner dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 11. August 2014 die Fahrerlaubnisakte zur Einsicht übersandte, spricht dafür, dass der Antragsteller dieses Schreiben erhalten hat.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, gegen eine Probenverwechslung spreche auch, dass der Antragsteller am 7. Juli 2013 mit Cannabis und Kokain polizeilich drogenauffällig geworden sei. Denn tatsächlich hatte er an diesem Tag Kontakt mit Drogen. Dass das Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach § 29 BtMG gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, ändert nichts daran, dass den wegen Ruhestörung herbeigerufenen Polizeibeamten laut Polizeibericht am 7. Juli 2013 eine Marihuana-Rauchwolke entgegenschlug, als der Antragsteller seine Wohnungstür öffnete, in der Wohnung frisch gerauchte Joints sowie ca. 4 g Marihuana gefunden wurden und eine weiße, feinpulvrige Substanz (Kokain oder Amphetamin) gerade zum Verkauf portioniert und verpackt wurde.
Auch die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts begegnet keinen Bedenken. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, wie etwa die beruflichen Nachteile, die der Antragsteller geltend macht, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).