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Landgericht Gießen Beschluss vom 20.05.2015 - 802 Js 38909/14 - Rechtsmitteleinlegung per E-Mail mit PDF-Anhang

LG Gießen v. 20.05.2015: Rechtsmitteleinlegung per E-Mail mit PDF-Anhang


Das Landgericht Gießen (Beschluss vom 20.05.2015 - 802 Js 38909/14) hat entschieden:
Eine einfache Email ersetzt nicht die schriftliche Einlegung des Rechtsmittels. Zwar erlaubt § 41a Abs. 1 StPO, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, Anträge oder deren Begründung, die nach dem Gesetz ausdrücklich schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, auch als elektronisches Dokument eingereicht werden können. Ein solches Dokument erfordert jedoch eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz. Auch die Übersendung einer PDF-Datei mit der Beschwerdeschrift und eingescannter Unterschrift mittels Email genügt für sich genommen ebenfalls nicht der Schriftform.


Siehe auch E-Mail-Verkehr mit Gerichten und Rechtsmittel im Strafverfahren


Gründe:

I.

Der Angeklagte legte gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Friedberg vom 05.03.2015, mit dem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25 € festgesetzt wurde, Einspruch ein, den er auf die Tagessatzhöhe beschränkte. Mit angefochtenem Beschluss vom 27.04.2015 änderte das Amtsgericht Friedberg die Tagessatzhöhe nicht ab, weil der Angeklagte nicht vorgetragen habe, weshalb es ihm nicht möglich sei, ein bereinigtes Monatseinkommen von 750 € zu erzielen. Dieser Beschluss wurde dem Angeklagten am 28.04.2015 zugestellt. Am 05.05.2015 sandte der Angeklagte eine Email an das Amtsgericht Friedberg, in der er auf eine Anlage im PDF-Format verwies. Diese Email wurde am 06.05.2015 von der Poststelle an die Strafabteilung weitergeleitet, dort die angehängte PDF-Datei ausgedruckt und zur Akte genommen. Die PDF-Datei enthielt einen Beschwerdeschriftsatz, der sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts richtet. In diesem führt der Angeklagte aus, aus welchem Grund es ihm nicht möglich sei, ein Einkommen zu erzielen, weshalb eine Herabsetzung der Tagessatzhöhe auf 5 € beantragt werde. Der Schriftsatz enthält eine Unterschrift. Am 07.05.2015 ging der Beschwerdeschriftsatz im Original beim Amtsgericht ein. Die Unterschrift auf diesem Dokument weicht von der Unterschrift auf der PDF-Datei ab.


II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 S. 1 StPO in der erforderlichen Form beim Amtsgericht Friedberg eingegangen ist.

Ausweislich der bei der Akte befindlichen Zustellungsurkunde ist die angefochtene Entscheidung (Beschluss vom 27.04.2015) dem Angeklagten am 28.04.2015 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde endete mithin mit Ablauf des 05.05.2015.

1. Die auf den 05.05.2015 datierte sofortige Beschwerde des Verurteilten ist als Original erst am 07.05.2015 bei Gericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdefrist bereits abgelaufen.

2. Soweit der Angeklagte die Beschwerdeschrift als elektronische Anlage zu einer am 05.05.2015 beim Amtsgericht eingegangen Email übersandte, hat er das Schriftformerfordernis des § 306 StPO nicht fristgerecht eingehalten. Nach § 306 StPO ist die (sofortige) Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich einzulegen.

a) Eine einfache Email ersetzt nicht die schriftliche Einlegung des Rechtsmittels. Zwar erlaubt § 41a Abs. 1 StPO, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, Anträge oder deren Begründung, die nach dem Gesetz ausdrücklich schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, auch als elektronisches Dokument eingereicht werden können. Ein solches Dokument erfordert jedoch eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz. Die vorliegend von dem Angeklagten an das Amtsgericht gesendete Email ist jedoch nicht mit einer solchen elektronischen Signatur versehen.

b) Die Übersendung der PDF-Datei mit der Beschwerdeschrift mittels Email genügt für sich genommen ebenfalls nicht der Schriftform. Zwar reicht ein sogenanntes Computerfax, also die elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts, zur Wahrung der Schriftform aus (vgl. GmS-OGB NJW 2000, 2340). Jedoch hat der Angeklagte kein solches Computerfax gesendet, sondern eine Email mit einer (möglicherweise eingescannten) Bilddatei als Anhang.

c) Soweit das PDF-Dokument beim Amtsgericht ausgedruckt und zur Akte genommen wurde, ändert dies am Ergebnis nichts.

Für den Zivilrechtsbereich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Ausdruck einer an eine elektronische Nachricht angehängten Bilddatei – nicht jedoch die Bilddatei selbst – ein schriftliches Dokument darstellt, sofern bei der Bilddatei die sonstigen Formerfordernisse eingehalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.07.2008 - X ZB 8/08 - Tz. 12 ff; BGH, Beschluss vom 04.12.2008 – IX ZB 41/08 – Tz. 10; BGH, Beschluss vom 18.03.2015 – XII ZB 424/14 – Tz. 10). Erforderlich ist jedoch in diesen Fällen, dass die Bilddatei innerhalb der Frist ausgedruckt wird.

Ob diese Rechtsprechung überhaupt auf den Bereich des Strafrechts übertragen werden kann, muss nicht entscheiden werden. Denn vorliegend erfolgte der Ausdruck der PDF-Datei erst am 06.05.2015 und damit nach Fristablauf. Zwar liegt die Vornahme des Ausdrucks eines Email-Anhangs nicht in der Sphäre des Absenders, sondern des Empfängers. Die damit verbundenen Risiken im Hinblick auf die Fristwahrung gehen aber zulasten des Absenders, der die für ihn risikobehaftete Art der Schriftsatzübermittlung selbst gewählt hat. Vorliegend konnte der Angeklagte im Übrigen schon deshalb nicht auf den Ausdruck der Bilddatei an diesem Tag vertrauen, weil er die Email am 05.05.2015 erst um 15:23 Uhr an das Amtsgericht sendete.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.