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VGH Kassel Urteil vom 09.06.2015 - 2 A 732/14 - Fahrerlaubniserwerb für Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung

VGH Kassel v. 09.06.2015: Fahrerlaubniserwerb für Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung


Der VGH Kassel (Urteil vom 09.06.2015 - 2 A 732/14) hat entschieden:
  1. Auch amtliche Dokumente wie eine Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild können zum Nachweis von Tag und Ort der Geburt gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 FeV genügen. Dies gilt auch, wenn in der Aufenthaltsgestattung vermerkt ist, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Asylbewerbers beruhen.

  2. Die Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild genügt dann auch zur Vorstellung bei der theoretischen und praktischen Fahrprüfung.

Siehe auch Fahrerlaubnis - Führerschein und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Tatbestand:

Der nach eigenen Angaben am … 1993 in Kandahar geborene Kläger beantragte unter dem 2. Januar 2013 bei dem Beklagten die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach Klasse B, wobei ihm der Erwerb auch ohne unmittelbaren Nachweis der Abstammung und Herkunft gestattet und dazu auf eine von ihm abzugebende eidesstattliche Versicherung vertraut werden solle. Der Kläger ist nicht im Besitz eines Passes oder Passersatzes, sondern verfügt lediglich über eine mit Lichtbild versehene Aufenthaltsgestattung zur Durchführung seines Asylverfahrens. Auf der Aufenthaltsgestattung findet sich der Hinweis, dass die Angaben zur Person auf den eigenen Angaben des Klägers beruhen und ein Identifikationsnachweis durch Originaldokumente nicht erbracht worden sei.

Unter dem 9. Januar 2013 lehnte der Beklagte dieses Begehren förmlich ab, der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid vom 11. Juli 2013 zurückgewiesen. Der Beklagte stützte sich für seine Ablehnung auf die Vorschrift des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Fahrerlaubnisverordnung - FeV -, wonach dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt beizufügen ist. Die Aufenthaltsgestattung genüge diesen Anforderungen nicht. Eine Versicherung an Eides statt zum Nachweis von Ort und Tag der Geburt gemäß § 27 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - komme nicht in Betracht, weil dies für das Fahrerlaubnisverfahren weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung vorgesehen sei.

Mit seiner am 9. August 2013 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beschaffung von Identitätsnachweisen über die afghanische Botschaft sei ihm nicht zumutbar, weil er politisch verfolgt werde. Selbst wenn er persönlich unbeschadet bei der Botschaft vorsprechen könne, so könnte dies bei der Ausländerbehörde als Indiz gewertet werden, dass er entgegen seines Vortrags nicht politisch verfolgt werde. Einem Führerschein komme keine Beweiskraft hinsichtlich der Identität des Inhabers zu, deshalb sei ein Missbrauch als Ausweisdokument ausgeschlossen. Seine Aufenthaltsgestattung in Verbindung mit einer eidesstattlichen Versicherung über Tag und Ort der Geburt müsse in seinem Fall ausreichen. Ansonsten könne er in Deutschland keine Fahrerlaubnis erwerben.

Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einem Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnisklasse B auf der Grundlage der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung als Identitätsnachweis stattzugeben, sofern die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat darauf abgestellt, dass nur dann, wenn wesentliche Personaldaten eines Fahrerlaubnisbewerbers zuverlässig feststünden, ausreichend sichergestellt sei, dass relevante Datenbanken wie das Verkehrszentralregister, das zentrale und das örtliche Fahrerlaubnisregister aussagekräftig abgefragt werden könnten, um festzustellen, ob die betreffende Person bereits eine Fahrerlaubnis besitze oder ob gegen sie eignungsrelevante Bedenken bestünden. Den erforderlichen amtlichen Nachweis über Ort und Tag seiner Geburt könne der Kläger mit der Aufenthaltsgestattung nicht erbringen, weil es dort ausdrücklich heiße, dass die Personenangaben auf eigenen Angaben beruhten.

Durch Urteil vom 28. Februar 2014 hat das Verwaltungsgericht dem Klageantrag stattgegeben. Im vorliegenden Einzelfall reiche die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zum Nachweis der Identität des Klägers aus. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV solle die Behörde in die Lage versetzen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis entscheidungserheblichen Informationen zutreffend und vollständig zu ermitteln. Durch die Beibringung eines entsprechenden Nachweises solle verhindert werden, dass die Fahrerlaubnis einer Person erteilt werde, die bereits eine solche Berechtigung besitze oder deren Fahreignung Bedenken begegne. Die Erreichung dieser Gesetzesziele wäre nicht gewährleistet, wenn das Fahrerlaubnisverfahren unter anderen Personalien als denjenigen betrieben werden könnte, unter denen der Bewerber sonst im Bundesgebiet lebe oder gelebt habe. Neben dem Namen stellten Geburtstag und Geburtsort die wichtigsten Personenordnungsmerkmale dar. Stünden sie zuverlässig fest, sei ausreichend sichergestellt, dass sich auf die Person beziehende Eintragungen in behördlichen Akten und einschlägigen Datenbanken wie dem Bundeszentralregister und dem Verkehrszentralregister sowie den örtlichen und zentralen Fahrerlaubnisregistern aufgefunden werden könnten. Bei der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung handele es sich jedenfalls um einen amtlichen Nachweis, weil die Bescheinigung von einer deutschen Behörde ausgestellt worden sei. Allerdings sei die Aufenthaltsgestattung im Fall des Klägers mit dem Zusatz versehen worden, dass seine Angaben zur Person auf den eigenen Angaben beruhten und ein Identifikationsnachweis durch Originaldokumente nicht erbracht worden sei. Das sei aber hier unschädlich. Es sei zu berücksichtigen, dass der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zwar keine Ausweisfunktion zukomme, der Ausländer für die Dauer des Asylverfahrens aber mit der Gestattung seiner Ausweispflicht nachkomme. Außerdem stelle die Bescheinigung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch hinsichtlich der Personalangaben eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 des Strafgesetzbuches - StGB - dar. Bei der Erteilung der Fahrerlaubnis stünde die Eignungsprüfung im Vordergrund, während in anderen Verwaltungsverfahren entsprechend anderen gesetzlichen Zielen weitergehende Anforderungen an den Identitätsnachweis zu stellen seien. Der Führerschein stelle keinen Identitätsnachweis dar, sondern bescheinige lediglich die Inhaberschaft über die erteilte Fahrerlaubnis.

Im Fall des Klägers bestünden an den grundsätzlichen Eignungs- und Altersvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis keine Zweifel. Ebenso seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger während seines Aufenthalts ins Bundesgebiet wechselnde Identitäten verwendet habe. Die Aufenthaltsgestattung werde auch ausreichen, um den gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 und 17 Abs. 5 Satz 2 FeV im Verfahren der theoretischen und praktischen Prüfung erforderlichen Identitätsnachweis zu führen. Denn mit diesen Vorschriften solle sichergestellt werden, dass der Fahrerlaubnisbewerber selbst und nicht ein anderer die Prüfung ablege. Ein Asylbewerber genüge daher gemäß § 64 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - mit der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung seiner Ausweispflicht.

Gegen das am 24. März 2014 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 2. April 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese mit am 23. Mai 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Er vertritt die Auffassung, dass im Fahrerlaubnisrecht hinsichtlich der Identitätsnachweise keine Einzelfallbetrachtung, wie sie das Verwaltungsgericht vorgenommen habe, zulässig sei. Vielmehr sei Sinn und Zweck des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV, dass objektiv ein Nachweis über die Identität geführt werden müsse. Ausländerrechtliche Fragestellungen wie diejenige, ob eine Identitätstäuschung vorliege und ob sonstige Zweifel an den Angaben eines Fahrerlaubnisbewerbers bestünden, dürften nicht auf die Fahrerlaubnisbehörde verlagert werden. Es komme allenfalls über § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV im konkreten Einzelfall die Erteilung einer Ausnahme in Betracht. Diese Beurteilung hätte aber anderen Gesichtspunkten zu folgen als denjenigen, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt habe. Eine solche Entscheidung nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV setze auf der Tatbestandsseite voraus, dass eine Ausnahme, also eine atypische Situation vorliege, die von der mit der Vorschrift für den Regelfall normierten Fallgestaltung abweiche. Der Kläger habe bisher noch keine Bemühungen unternommen, zum Beispiel eine Geburtsurkunde über die afghanische Botschaft zu erlangen. Ihm wäre es möglich und zumutbar gewesen wäre, sich auf geeignetem Weg (ggfs. zunächst schriftlich) oder durch einen Bevollmächtigten mit der afghanischen Botschaft in Verbindung zu setzen. Daher komme derzeit eine Ausnahmeentscheidung gemäß § 74 FeV nach Ermessen nicht in Betracht. Die vom Kläger angebotene eidesstattliche Versicherung über Tag und Ort seiner Geburt könne nicht genügen. Der erkennende Senat habe bereits entschieden, dass eine Duldungsbescheinigung nicht als amtlicher Nachweis im Sinne von § 21 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 FeV genüge. Die vom Kläger vorgelegte Aufenthaltsgestattung genüge auch nicht den Anforderungen von § 16 Abs. 3 Satz 3 und § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV für die Vorstellung zur theoretischen und praktischen Führerscheinprüfung.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Er habe in der Vergangenheit Vieles versucht, um an seine Geburtsurkunde zu kommen; dies sei aber ohne erhebliche Gefahr für ihn nicht möglich. Die Vorlage einer Geburtsurkunde erscheine ohnehin inzwischen obsolet, da auch aufgrund der langen Verfahrensdauer nunmehr kein Zweifel mehr daran bestehen könne, dass er bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das für den Fahrerlaubniserwerb notwendige Mindestalter erreicht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Führerscheinakte und Ausländerakte des Klägers) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte ist verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der Fahrerlaubnis Klasse B unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Sache ist noch nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil der Kläger noch nicht die theoretische und praktische Fahrerlaubnisprüfung (§§ 15 bis 17 FeV) absolviert hat. Zwar sind die Verwaltungsgerichte grundsätzlich zur Spruchreifmachung verpflichtet. Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - das Gericht die gebotenen Prüfungen weder selbst noch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen durchführen und damit keine Spruchreife herbeiführen kann (s. BVerwG, Urteil vom 08.12.1992 - 1 C 5/92 -, juris Rdnr. 16).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, die Aufenthaltsgestattung des Klägers mit Lichtbild gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als hinreichenden amtlichen Nachweis über Ort und Tag der Geburt gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV anzusehen.

Es bedarf keiner Entscheidung zu der Frage, ob dem Kläger zugemutet werden kann, sich weiter um den Erhalt einer vom Beklagten gewünschten Geburtsurkunde zu bemühen, insbesondere ob ihm als Asylbewerber zugemutet werden kann, dazu in Kontakt mit Behörden seines Herkunftsstaates zu treten. Denn der erforderliche Nachweis über Tag und Ort der Geburt kann hier in einer jedenfalls für das Fahrerlaubnisverfahren hinreichenden Weise auch anders geführt werden.

Das Verlangen des Beklagten, dass dieser Nachweis allein durch Urkunden wie eine Geburtsurkunde, eine beglaubigte Abschrift des Familienstammbuchs, einen Personalausweis oder Reisepass geführt werden müsse, ist bereits vom Wortlaut der Norm nicht gedeckt. Der Wortlaut des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV lässt auch andere „amtliche Nachweise“ zu (siehe sinngemäß so auch: Bay. VGH, Beschluss vom 05.11.2009, 11 C 08.3165 -, juris Rdnr. 30). Das Merkmal „amtlich“ ist dann erfüllt, wenn ein von einem Träger öffentlicher Gewalt ausgestelltes Dokument vorgelegt wird (Bay. VGH, a.a.O.). Ein „Nachweis“ im Sinne des Wortlauts von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV kann im Ansatz auch durch ein amtliches Dokument geführt werden, in dem eigene Angaben der betreffenden Person zugrunde gelegt und in das Dokument eingetragen werden. Durch die Eintragung amtlicherseits werden die Angaben festgehalten und es wird verhindert, dass die betreffende Person später unbemerkt unter anderen Angaben, etwa über Tag und Ort ihrer Geburt, auftreten kann. Die Vorlage des einmal ausgestellten amtlichen Dokuments kann immer wieder verlangt werden und damit kann Kontinuität der darin niedergelegten Angaben - etwa über Tag und Geburt - gewährleistet werden.

So kann nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV durch die dem Kläger zur Verfügung stehende Aufenthaltsgestattung, mit der er auch seiner Ausweispflicht gemäß § 64 Abs. 1 AsylVfG genügt, grundsätzlich ein „Nachweis“ über Tag und Ort seiner Geburt geführt werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 02.09.2009 - 5 StR 266/09 -, juris), wonach für die Personalangaben in einer Aufenthaltsgestattung dann kein öffentlicher Glaube besteht, wenn die zuständige Behörde nach Maßgabe des § 78a Abs. 4 Satz 1 Nr. 10 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - den Hinweis aufgenommen hat, dass die Personalangaben auf den Angaben des Ausländers beruhen. Mit dem öffentlichen Glauben einer Urkunde im Sinne des § 271 StGB wird zunächst ausgesagt, dass die davon erfassten Angaben einer Urkunde beweiskräftig feststehen (s. BGH, a.a.O., juris Rdnr. 14). Diese Beweiskraft wird durch den Vermerk in der Urkunde, dass die darin festgestellten Personalien auf eigenen Angaben des Ausländers beruhen, zwar wieder beseitigt. Der Wegfall der allgemein gültigen Beweiskraft schließt indes nicht aus, dass im Einzelfall die auf eigenen Angaben beruhenden Personalien gleichwohl als zutreffend zugrunde gelegt werden können.

Auch durch eine systematische Auslegung lässt sich die Richtigkeit der vom Beklagten vertretenen Auffassung nicht belegen. In der Grundregelung über die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis in § 2 Abs. 2 StVG ist der Nachweis von Tag und Ort der Geburt durch ein amtliches Dokument nicht genannt. Vielmehr finden sich dort die Voraussetzungen des Wohnsitzerfordernisses, des Mindestalters, der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, des Nachweises der Befähigung durch eine theoretische und praktische Prüfung sowie des Nachweises über die Befähigung zur Erste-​Hilfe-​Leistung. Dabei handelt es sich erkennbar um die wesentlichen Voraussetzungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis. In § 2 Abs. 6 StVG findet sich dann die Verordnungsermächtigung für nähere Bestimmungen hinsichtlich Mitteilung und Nachweis von Namen und - unter anderem - Tag und Ort der Geburt sowie über die Abgabe eines Lichtbildes. Diese Verordnungsermächtigung wird zunächst durch § 21 Abs. 1 Satz 3 FeV ausgefüllt, wo Bezug nehmend auf die in § 2 Abs. 6 StVG genannten Daten geregelt wird, dass der Führerscheinbewerber diese Daten „mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen“ hat. Insoweit enthält § 2 Abs. 6 Satz 1 StVG die Voraussetzung, dass unter anderem Tag und Ort der Geburt der Fahrerlaubnisbehörde „mitzuteilen und nachzuweisen“ sind. Durch die weitere Regelung zur Ausführung der Verordnungsermächtigung in § 21 Abs. 3 Satz 1 FeV wird schließlich normiert, dass dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ein amtlicher Nachweis über Tag und Ort der Geburt beizufügen ist (§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV).

Diesem Regelungsgefüge lässt sich entnehmen, dass der „amtliche Nachweis“ von Tag und Ort der Geburt dem Gesetzgeber jedenfalls nicht so zentral wichtig war, dass er ihn bei den wesentlichen Anforderungen in der Aufzählung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 StVG geregelt hätte. Die Erforderlichkeit eines „amtlichen Nachweises“ über Tag und Ort der Geburt wird auch nicht in der Grundvorschrift des § 21 Abs. 1 FeV über die Ausfüllung der Erteilungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 6 StVG geregelt, sondern erst in der Regelung des § 21 Abs. 3 FeV, in der Vorgaben normiert sind, welche Unterlagen dem Fahrerlaubnisantrag beizufügen sind.

Entscheidend ergibt sich letztlich aus Sinn und Zweck des § 2 Abs. 6 Satz 1 StVG i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten keine abschließende Aufzählung von Urkunden gibt, durch die der Nachweis von Tag und Ort der Geburt geführt werden kann. Vielmehr können im Einzelfall auch amtliche Dokumente wie eine Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genügen (im Ergebnis so jetzt auch Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 21 FeV Rdnr. 12, anders noch die Vorauflagen).

Im Zusammenhang mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis dient die Angabe und der Nachweis von Tag und Ort der Geburt zunächst der Einhaltung des Mindestaltererfordernisses (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG, s. a. Bay. VGH, Beschluss vom 05.11.2009, a.a.O., Rdnr. 37; VG Hannover, Urteil vom 14.09.2011 - 9 A 1640/11 -, juris Rdnr. 32). Darüber hinaus soll die Angabe von Tag und Ort der Geburt eine hinreichend sichere Identifizierung in Datenbanken wie dem Bundeszentralregister, dem Fahreignungsregister und dem Fahrerlaubnisregister ermöglichen. Da Vor- und Zunamen mehrerer Personen identisch seien können, werden Geburtstag und Geburtsort zur weiteren Identifizierung herangezogen. Durch die Abfrage der Register wiederum soll überprüft werden können, ob die betreffende Person bereits Inhaber einer Fahrerlaubnis ist oder ob sich aus den Registern Anhaltpunkte für fehlende Fahreignung ergeben.

Diesen Zwecken kann auch genügt werden, wenn die Angaben über Tag und Ort der Geburt aus einem Dokument wie der Aufenthaltsgestattung übernommen werden, das auf den eigenen Angaben der betreffenden Person beruht. An seiner gegenteiligen früheren Auffassung (etwa: Hess. VGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - 2 D 219/11 -) hält der Senat nicht fest. Was die Einhaltung des Mindestalters betrifft, sind bei Zweifeln weitere Nachforschungen möglich. In der Mehrzahl der Fälle, in denen aufgrund der Umstände des Einzelfalls (etwa Aufenthaltsdauer des Führerscheinbewerbers im Bundesgebiet, Führung des Asylverfahrens oder der Schulausbildung unter einem bestimmten Geburtsdatum) keine Zweifel an der Richtigkeit des angegebenen Tags und Orts der Geburt bestehen, ist jedoch die Übernahme der Daten aus der Aufenthaltsgestattung in das Führerscheindokument keinen Bedenken ausgesetzt. Durch die Übernahme bestehen dann zwei Einträge mit denselben Daten, deren Übereinstimmung jederzeit nachvollzogen werden kann.

Die Übernahme der Daten über Tag und Ort der Geburt aus der Aufenthaltsgestattung in die oben genannten Register bewirkt, dass die betreffende Person nunmehr aufgrund der Registereintragungen eindeutig identifiziert werden kann und eine spätere Veränderung der dort stehenden Daten grundsätzlich ausgeschlossen ist. Damit wird dem Zweck der Register genügt, den Fahrerlaubnisinhaber eindeutig identifizieren und später auftretende etwaige Eignungsbedenken dieser Person zuordnen zu können.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Nachweis von Tag und Ort der Geburt des Klägers hier durch die Aufenthaltsgestattung geführt werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die eigenen Angaben des Klägers zu Tag und Ort seiner Geburt unzutreffend sind. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er über seine Identität im Asylverfahren getäuscht hat. Der vom Senat beigezogenen Ausländerakte des Klägers ist zu entnehmen, dass er durchgängig das gleiche Datum von Tag und Ort der Geburt angegeben hat. Berücksichtigt werden kann auch, dass der Kläger jetzt bereits seit sechs Jahren in Deutschland lebt, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt Zweifel an seiner Identität aufgetaucht sind. Insbesondere das Erreichen des Mindestalters für die Fahrerlaubnisklasse B kann jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr zweifelhaft sein.

Darüber hinaus kann der Ausländerakte des Klägers entnommen werden, dass der Kläger zwischenzeitlich etwa auch für sein Studium an der Hochschule Fulda unter den von ihm angegebenen Daten (Geburtstag ..., Geburtsort L.) geführt wird (siehe Studienbescheinigung, Bl. 87 Ausländerakte) und unter denselben Identitätsdaten beim Gemeindevorstand der Gemeinde K. ein Praktikum absolviert hat. Insgesamt kann zum heutigen Zeitpunkt noch weniger als zum Zeitpunkt der Beantragung der Fahrerlaubnis die Befürchtung bestehen, dass der Kläger unter verschiedenen Identitäten auftritt, um sich zu Unrecht rechtliche Vorteile zu verschaffen. Vielmehr haben sich die von ihm angegebenen Identitätsdaten immer weiter verfestigt und sind immer weiteren Stellen bekannt, dort gespeichert und für die jeweiligen Zwecke zugrunde gelegt worden, so dass die Identität des Klägers jedenfalls aus heutiger Sicht hinreichend zuverlässig geklärt ist.

Die Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genügt auch zur Vorstellung des Klägers bei der theoretischen Prüfung (§ 16 Abs. 3 Satz 3 FeV) und der praktischen Prüfung (§ 17 Abs. 5 Satz 2 FeV). Zwar verlangen diese beiden Vorschriften des Verordnungsrechts, dass der Prüfer sich „durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass“ von der Identität des Bewerbers vor der Prüfung überzeugen muss. Da jedoch die zu dieser Verordnung ermächtigende Vorschrift des § 2 Abs. 6 StVG für die Erlangung des Führerscheins nicht die Innehabung eines „Personalausweises oder Reisepasses“ verlangt, sondern sich auf Nachweise über Namen, Tag und Ort der Geburt sowie Anschrift bezieht, muss die alleinige Nennung von Personalausweis oder Reisepass in § 16 Abs. 3 Satz 3 und § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV als Redaktionsversehen des Verordnungsgebers angesehen werden. Es kann nicht angenommen werden, dass der Verordnungsgeber alle Personen nicht-​deutscher Staatsangehörigkeit, die nicht über einen Personalausweis im Sinne des § 2 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes oder über einen Reisepass im Sinne des § 1 Abs. 2 des Passgesetzes verfügen, also insbesondere alle Ausländer, die ihrer Ausweispflicht gemäß § 48 Abs. 1 oder Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes genügen, von vornherein von der Ablegung der theoretischen und praktischen Fahrprüfung ausschließen wollte. Da auch nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV andere Dokumente wie etwa Geburtsurkunden vorgesehen sind, sind die betreffenden Vorschriften in den §§ 16, 17 FeV so zu lesen, dass als Ausweisdokumente solche in Betracht kommen, die als Identitätsnachweis im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zulässig sind (sinngemäß so auch Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 17 FeV Rdnr. 5a; Bay. VGH, Beschluss vom 26.02.2002 - 11 CE 02.225 -, juris; VG Hannover, Urteil vom 14.09.2011, a.a.O., Rdnr. 39; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.06.2011 - 7 K 4343/10 -, juris Rdnr. 40). Für dieses Verständnis spricht auch die Gesetzesbegründung (Bundesratsdrucksache 443/98, S. 220 zu § 16 Abs. 3 FeV). Dort heißt es, der Sachverständige oder Prüfer werde ausdrücklich verpflichtet, sich vor der Prüfung „von der Identität des Bewerbers zu überzeugen“, um Täuschungsversuche zu verhindern. Dass dies ausschließlich durch Personalausweis oder Reisepass geschehen könne, wollte der Verordnungsgeber nicht regeln. Das für die Aufenthaltsgestattung vorgesehene Lichtbild (§ 63 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) wird im Regelfall genügen, um die Prüfer von der Identität des Bewerbers zu überzeugen.

Nach alledem bedarf es nicht mehr der Anwendung des § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV im Hinblick auf eine Ausnahme von den Anforderungen des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV. Falls diese Vorschrift jedoch mit den vom Beklagten zugrunde gelegten Maßstäben für die Ermessensausübung angewendet werden sollte, müsste wohl eine Ausnahmegenehmigung in Betracht gezogen werden. Denn der Kläger hat nach Auffassung des Senats alles Zumutbare unternommen, um weitere Dokumente über Tag und Ort seiner Geburt zu erhalten. Hierzu wird auf die Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen, weil er unterlegen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Angesichts divergierender erstinstanzlicher Auffassungen (- einerseits: VG Gelsenkirchen, a.a.O.; VG Braunschweig, UA. v. 18.06.2013 - 6 A 305/12 -, juris; VG Hannover, a.a.O.; andererseits: VG Stade, Urteil vom 28.01.2013 - 1 A 1845/12 -, juris; VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 22.08.2011 - 3 K 613/11.NW -, juris -) und bislang fehlender obergerichtlicher Rechtsprechung bedarf die Frage höchstrichterlicher Klärung, ob die Vorschriften in § 2 Abs. 2, Abs. 6 StVG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 FeV dahin ausgelegt werden können, dass auch amtliche Dokumente wie eine Aufenthaltsgestattung mit Lichtbild (§§ 63, 64 AsylVfG) zum Nachweis von Tag und Ort der Geburt genügen können, insbesondere wenn in der Aufenthaltsgestattung vermerkt ist, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Asylbewerbers beruhen.