Das Verkehrslexikon

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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 01.06.2015 - 2 BvR 67/15 - Willkürliche Festsetzung der Tagessatzhöhe

BVerfG v. 01.06.2015: Willkürliche Festsetzung der Tagessatzhöhe


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 01.06.2015 - 2 BvR 67/15) hat entschieden:
Die Annahme des Tatgerichts, bei tatsächlich völlig ungeklärten Einkommensverhältnissen ein monatlichen Nettoeinkommen von 2.400 Euro zugrunde zu legen, kommt einer bloßen "Schätzung ins Blaue hinein" gleich. - Ein Verstoß gegen das Verbot willkürlicher Gerichtsentscheidungen . liegt vor, wenn Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.


Siehe auch Strafzumessung - Strafmaß und Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

I.

1. Die Beschwerdeführerin parkte am Nachmittag des 28. Dezember 2013 auf einem öffentlichen Parkplatz ihren PKW rückwärts aus und stieß dabei gegen das vordere rechte Stoßstangeneck eines dort rückwärtig abgestellten Fahrzeuges. Die Beschwerdeführerin und ihr Beifahrer, der Zeuge K…, stiegen aus, besahen die Anstoßstelle und fuhren sodann weiter. Der Vorgang wurde von Zeugen beobachtet, die später den hinzukommenden Halter des abgestellten PKW verständigten. Dieser machte in der Folgezeit einen "frischen Schaden" im Anstoßbereich geltend und bezifferte den Reparaturaufwand auf 1.765,69 Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Noch am späten Abend des Tattages begab sich ein Polizeibeamter zur Beschwerdeführerin, bei der sich auch der Zeuge K… befand. Die Beschwerdeführerin räumte den Anstoß ein, machte aber geltend, dass kein bleibender Fremdschaden entstanden sei. Als "erlernten Beruf" gab sie "Verkehrspilotin" an, verweigerte aber weitere Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen. Die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin wurden im Nachgang nicht ermittelt.

2. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Achern vom 25. März 2014 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu jeweils 80 Euro verhängt. Ihre Fahrerlaubnis wurde entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von sechs Monaten festgesetzt.

3. Auf Einspruch der Beschwerdeführerin fand am 20. Juni 2014 vor dem Amtsgericht Achern die Hauptverhandlung statt. In deren Verlauf beantragte der Verteidiger der Beschwerdeführerin unter anderem zum Nachweis der Tatsache, dass ein miteinander korrelierendes Schadensmuster an den beiden Fahrzeugen auszuschließen sei, die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens. Der Antrag wurde abgelehnt, "da dies nach dem Ermessen des Gerichts nicht erforderlich ist, § 411 Abs. 2 Satz 2, 420 StPO". Hintergrund des Beweisantrags war das Vorbringen der Beschwerdeführerin, bei dem seinerzeit abgestellten Fahrzeug habe es sich um ein anderes als dasjenige gehandelt, für welches nunmehr der beschriebene Reparaturaufwand geltend gemacht werde.

Mit - vorliegend angegriffenem - Urteil wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von jetzt 45 Tagessätzen zu je 80 Euro verhängt; weiterhin wurden die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperre von (noch) vier Monaten verhängt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin den vorgeworfenen Schaden am unfallgegnerischen Fahrzeug verursacht hatte.

Während im Hauptverhandlungsprotokoll, das vom Strafrichter und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet wurde, die Erklärung der Beschwerdeführerin vermerkt ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin, führte das Urteil im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes aus:
"Nachdem die Angeklagte erklärt hat, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf aber derzeit nicht ausübe, aber auch nicht arbeitslos sei, schätzt das Gericht das monatliche Einkommen auf mindestens 2.400,00 Euro netto und hat, da anrechenbare Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen nicht bekannt sind, die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 80,00 Euro festgesetzt."
4. Gegen das Urteil legte die Beschwerdeführerin zunächst Berufung ein, die sie später auf das Rechtsmittel der (Sprung-​)Revision (§ 335 StPO) umstellte, die mit Verteidigerschriftsatz näher begründet wurde. Erhoben wurden Verfahrensrügen sowie die Sachrüge. Gegenstand der Verfahrensrügen war auch die Ablehnung des genannten Beweisantrages. Im Rahmen der Sachrüge wurden unter anderem die Strafzumessung und die Festsetzung der Tagessatzhöhe beanstandet.

5. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Die Verfahrensrüge sei unbegründet. Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts dringe ebenfalls nicht durch, weil das Amtsgericht seine Feststellungen ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze getroffen habe. Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches lasse keine Rechtsfehler zu Lasten der Beschwerdeführerin erkennen.

6. Mit - vorliegend angegriffenem - Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. November 2014 wurde die Revision "als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO)". Von einer weiteren Begründung wurde abgesehen.

7. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge, die mit - ebenfalls angegriffenem - Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2014 zurückgewiesen wurde.

II.

1. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wird die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG gerügt.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Amtsgericht den Antrag auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht habe ablehnen dürfen. Ein Verstoß gegen die Verfahrensfairness sei darin begründet, dass es der Ablehnung des Beweisantrages an einer hinreichenden Begründung mangele. Das allgemeine Willkürverbot sei verletzt, weil die Verurteilung der Beschwerdeführerin sich so weit von anerkannten Beweiswürdigungsstandards entferne, dass der Verdacht auf sachfremde Gründe naheliege. Sachfremde Erwägungen drängten sich auch insoweit auf, als der Beschwerdeführerin strafschärfend angelastet worden sei, sie habe den Halter des gegnerischen Fahrzeugs "völlig unverhohlen des Versicherungsbetrugs bezichtigt", worin die unzulässige strafschärfende Berücksichtigung einer aus der bloßen Tatleugnung folgenden Konsequenz liege. Zu diesem Punkt verhielten sich die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft und die Revisionsentscheidung überhaupt nicht. Entsprechendes gelte für die Einkommensschätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB, ohne die Schätzgrundlagen (etwa das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft) zu ermitteln und insbesondere ohne zu problematisieren, inwieweit ein angenommenes Monatseinkommen von 2.400 Euro netto mit der unwiderlegten Angabe der Beschwerdeführerin, keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, vereinbar sei. Zusammenfassend liege damit auch eine willkürliche Rechtsfolgenbemessung vor. Schließlich sei die Garantie des gesetzlichen Richters missachtet. Der Strafsenat des Oberlandesgerichts hätte die Sache gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen, weil er von obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Beweiswürdigung abgewichen sei.

2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat eine Stellungnahme abgegeben und erachtet die Verfassungsbeschwerde als jedenfalls unbegründet. Jedoch unterliege bereits deren Zulässigkeit Bedenken. Zu der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rüge willkürlicher Bestimmung der Tagessatzhöhe verhält sich die Stellungnahme nicht. Das Justizministerium des Landes Baden-​Württemberg hatte Gelegenheit zur Äußerung. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.


B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Kammerentscheidung sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes und die Verwerfung der hiergegen erhobenen Revision richtet, ist sie zulässig und offensichtlich begründet.

1. Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in seltenen Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; stRspr.). Gegen dieses allgemeine Willkürverbot wird nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das dazu eingeschlagene Verfahren fehlerhaft sind. Hinzu kommen muss, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (BVerfGE 80, 48 <51>), etwa wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (BVerfGE 87, 273 <278 f.>).

Dieser Maßstab gilt auch für den Bereich der Strafzumessung. Diese ist Sache der Tatgerichte, die zu beachten haben, dass aus dem in Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG und im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" das Gebot schuldangemessenen Strafens im Einzelfall folgt (BVerfGE 95, 96 <140>). Das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist dabei erst geboten, wenn Fehler sichtbar werden, die auf eine grundlegende Verkennung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken hindeuten oder sich die Strafzumessung so sehr davon entfernt, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2001 - 2 BvR 15/01 -, juris, Rn. 5; vgl. auch BVerfGE 95, 96 <141>; BVerfGK 14, 295 <306>).

Bei der Verhängung einer Geldstrafe ist zunächst anhand der allgemeinen Strafzumessungsregeln die Tagessatzanzahl zu bestimmen (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. 2012, Rn. 108). Dieser erste Schritt, bei dem es sich um die Strafzumessung im engeren Sinn handelt (Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 40 Rn. 51), zielt auf gerechten Schuldausgleich (von Heintschel-​Heinegg, in: Beck´scher Online-​Kommentar StGB, § 40 Rn. 4 ). Folglich gewinnt hier die Tatschuld Bedeutung (vgl. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 40 Rn. 1; Bußmann, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 40 Rn. 2 f.; vgl. auch BGHSt 28, 360 <363>).

Die sich daran anschließende Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes ist von der Bestimmung der Tagessatzanzahl zu trennen und richtet sich gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (vgl. Mosbacher, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl. 2014, § 40 Rn. 1). Damit soll eine Opfergleichheit bei denjenigen hergestellt werden, deren Taten im Unrechts- und Schuldgehalt vergleichbar sind (Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 40 Rn. 1). Die Bemessung der Tagessatzhöhe rechnet damit nur in einem weiteren Sinn zur Strafzumessung. Auch diesbezüglich greift das Bundesverfassungsrecht indes nur dann ein, wenn die Vorgehensweise der Fachgerichte objektiv willkürlich gewesen ist.

2. Nach diesem Maßstab verletzen das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Oberlandesgericht bestätigten Ausführungen des Amtsgerichts zur Schätzung des monatlichen Einkommens der Beschwerdeführerin auf 2.400 Euro sind unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich haltbar. Sie verstoßen in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen die gesetzliche Regelung des § 40 Abs. 3 StGB.

a) Weil es nicht möglich ist, in allen Fällen - gerade auch der kleineren und der Verkehrskriminalität - sämtliche Umstände, die für die Festsetzung des Nettoeinkommens von Bedeutung sein können, abschließend aufzuklären und ins Einzelne gehende Ermittlungen regelmäßig unverhältnismäßig wären, kommt der in § 40 Abs. 3 StGB geregelten Schätzung der Bemessungsgrundlagen besondere Bedeutung zu (siehe - auch zum Folgenden - Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 40 Rn. 68 ff.; H.-​J. Albrecht, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 40 Rn. 47 ff.). Eine Schätzung ist immer dann angezeigt, wenn ein Angeklagter - der zu Auskünften nicht verpflichtet ist - keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der zu erwartenden Geldstrafe in einem unangemessenen Verhältnis stünde. Eine volle Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel ist dabei nicht geboten. Jedoch setzt eine Schätzung die konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Die Grundlagen, auf welche sich die Schätzung stützt, müssen festgestellt und erwiesen sein sowie im Urteil überprüfbar mitgeteilt werden.

b) Eine solche Mitteilung der Schätzungsgrundlagen lässt das Urteil des Amtsgerichts in nicht mehr hinzunehmender Weise vermissen. Es beschränkt sich auf die Feststellung, die Angeklagte habe erklärt, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf derzeit nicht ausübe, jedoch auch nicht arbeitslos sei. Daher werde das monatliche Nettoeinkommen auf 2.400 Euro geschätzt. Diese Vorgehensweise ist zwar nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil im Hauptverhandlungsprotokoll die abweichende Erklärung der Beschwerdeführerin festgehalten ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin. Denn bei einem Widerspruch zwischen Protokollinhalten im Sinne des § 273 Abs. 2 Satz 1 StPO und den Urteilsgründen sind allein letztere maßgebend (Gemählich, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, § 273 Rn. 29 [Nov. 2009]). Jedoch kommt die Annahme eines monatlichen Nettoeinkommens von 2.400 Euro - wie sie bereits dem Strafbefehl zugrunde gelegen hatte - aufgrund der tatsächlich völlig ungeklärten Einkommensverhältnisse einer bloßen "Schätzung ins Blaue hinein" gleich. Die Ausübung einer Beschäftigung, die mit einer festen Vergütung verbunden ist, oder eine sonstige Einkommensquelle wurden nicht im Ansatz festgestellt. Der Zeuge K… wurde zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin nicht befragt, obwohl er offensichtlich in einer persönlichen Beziehung zu ihr stand. Denkbar wäre es auch gewesen, die Polizei mit Umfeldermittlungen zu betrauen; auch das ist durch das Amtsgericht unterblieben.

II.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

III.

Im Umfang der Grundrechtsverletzung werden das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben; die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

IV.

1. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.

2. Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 5.000 Euro. Er liegt höher, wenn der Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer stattgegeben wird. Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache und das verhältnismäßig geringfügige Teilobsiegen ist ein Gegenstandswert von 8.000 Euro angemessen.

3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.