- Die gesamte Kreuzungsfläche bildet den Vorfahrtbereich, und zwar in ganzer Fahrbahnbreite. Das Vorfahrtsrecht gilt grundsätzlich auf der bevorrechtigten Straße auch bei vorschriftswidrigem Linksfahren. Bei trichterförmig erweiterter, vorfahrtberechtigter Einmündung hat der Linksabbiegende berechtigte Vorfahrt auf der gesamten, bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterten Fahrbahn der Vorrechtsstraße.
- Grundsätzlich muss derjenige, der aus einer trichterförmig erweiterten Einmündung nach links in eine andere Straße einbiegen will, den Mittelpunkt der Trichterbreite rechts umfahren. Der vorfahrtberechtigte Linksabbieger muss einen weiten Bogen fahren, wobei er beim Abbiegen die gerade Linie, die die Mitte der verlassenen Straße am Beginn des Kreuzungsbereichs mit der Mitte der Straße nach dem Kreuzungsbereich, in die abgebogen wird, verbindet, nicht überfährt.
- Ein Landwirt, der seine Umsätze pauschaliert, kann nach einem Verkehrsunfall die Mehrwertsteuerbeträge für die Reparatur- Sachverständigen- und Mietwagenkosten ersetzt verlangen.
Siehe auch Schneiden von Kurven und Stichwörter zum Thema Vorfahrt
Gründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
I.
Die Parteien streiten über die Schadensersatzpflicht der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 27.06.1995 in ... im Einmündungsbereich der ... in den ... Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Opel Omega den ... Im Bereich der Einmündung der ... kam es zur Kollision mit dem von der Ehefrau des Klägers gelenkten Pkw Mercedes.
Wegen weiterer Einzelheiten der Unfallörtlichkeit wird auf die von der Polizei nach dem Unfall gefertigte folgende Verkehrsunfallskizze Bezug genommen.
II.
Der Kläger kann von den Beklagten nach den §§ 7, 18 StVG, 823 BGB in Verbindung mit 3 PflVG als Gesamtschuldnern Ersatz seiner Schäden in Höhe von insgesamt 6.182,13 DM verlangen.
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte zu 1) unter erheblichem Verstoß gegen die im Straßenverkehr geltenden Sorgfaltspflichten die Schäden des klägerischen Fahrzeugs verursacht hat. Der Beklagte hat insbesondere gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen, wonach an Kreuzungen und Einmündungen derjenige die Vorfahrt hat, der von rechts kommt. Die Zeugin ... kam zum Unfallzeitpunkt mit dem Mercedes des Klägers, für den Beklagten zu 1) von rechts, aus der ..., um nach links in den ... also in Gegenrichtung des Beklagten zu 1), einzubiegen. Die Kollision ereignete sich noch im Vorfahrtbereich der Zeugin. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bildet die gesamte Kreuzungsfläche den Vorfahrtbereich (BGH NJW 74, 949; 86, 2651), und zwar in ganzer Fahrbahnbreite (BGH VersR 75, 38). Das Vorfahrtsrecht gilt grundsätzlich auf der bevorrechtigten Straße auch bei vorschriftswidrigem Linksfahren (OLG Düsseldorf NZV 94, 328; OLG Köln NZV 89, 437). Bei trichterförmig erweiterter, vorfahrtberechtigter Einmündung hat der Linksabbiegende berechtigte Vorfahrt auf der gesamten, bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterten Fahrbahn der Vorrechtsstraße (BGH NJW 65, 1772; 71, 843; OLG Hamm VersR 75, 1127).
Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Diplom-Ingenieur ... in seinem schriftlichen Gutachten vom 03.09.1996 und der Erläuterung dieses Gutachtens im Senatstermin vom 21.05.1997 befand sich der Kollisionsort in unmittelbarer Nähe des Einmündungstrichters der ... in den ... Dabei ist entsprechend der Rechtsprechung des BGH (VersR 1963, 279) nicht entscheidend darauf abzustellen, dass die Zeugin ... zum Zeitpunkt der Kollision ihren Einbiegevorgang nahezu beendet hatte. Selbst wenn die Kollision außerhalb eines Trichter- oder Kreuzungsbereichs erfolgt, ist sie auf das Verhalten des Wartepflichtigen, der die Vorfahrt des von rechts Kommenden missachtet, unmittelbar zurückzuführen (vgl. KG VersR 77, 82). Die Zeugin ... hat ihr Vorfahrtsrecht nicht dadurch verloren, dass sie zum Abbiegen nach links verkehrswidrig die linke Fahrbahnseite benutzt hat. Ihr Vorfahrtsrecht ist, wie oben schon festgestellt, grundsätzlich nicht davon abhängig, dass sie sich verkehrsrichtig verhält (vgl. BGH VRS 10, 19; 22, 134; VersR 66, 294). Der Wartepflichtige darf grundsätzlich die Möglichkeit nicht außer Betracht lassen, dass der bevorrechtigte Straßenbenutzer - aus welchen Gründen auch immer - die für ihn linke Fahrbahnseite benutzt und beim Einbiegen nach links die Kurve schneidet (OLG Frankfurt NZV 90, 472). Die Straßenverkehrsordnung verlangt vom Wartepflichtigen insoweit eine gesteigerte Sorgfaltspflicht gegenüber dem Vorfahrtsberechtigten, weil nur so die Vorfahrtsregelung als eine der wesentlichen Grundlagen des Straßenverkehrsrechts ihren Zweck erfüllen kann, besonders an unübersichtlichen Kreuzungen und Straßeneinmündungen bestehende Kollisionsgefahren zu verhindern (BGH a.a.O.).
2. Ein weiterer schuldhafter Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist darin zu sehen, dass er sich nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen dem Einmündungsbereich mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h genähert hat. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVO darf ein Fahrzeugführer nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Aufgrund des Vorfahrtsrechts der von rechts herannahenden Fahrzeuge traf den Beklagten zu 1) eine Verpflichtung zur erhöhten Aufmerksamkeit und damit auch zur Einhaltung einer Geschwindigkeit, die es ihm ermöglichte, einem von rechts herannahenden Fahrzeug die Vorfahrt ohne Behinderung zu gewähren. Hierzu hätte es einer erheblichen Reduzierung der Geschwindigkeit des Opel Omega bedurft.
3. Ob der Beklagte zu 1) den Unfall durch eine verspätete oder falsche Reaktion herbeigeführt hat, ist nicht feststellbar. Zumindest ist ihm eine falsche Reaktion subjektiv nicht vorwerfbar. Auch durch eine Vollbremsung wäre der Unfall nicht vermieden worden.
III.
Nach § 17 Abs. 1 StVG muss sich der Kläger die Mitverursachung der Kollision durch seine Ehefrau als Fahrerin seines Pkw Mercedes anrechnen lassen. Bei der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge kommt der Senat zu einer hälftigen Schadensteilung. Neben der in etwa gleich großen allgemeinen Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge muss der Kläger sich das schuldhafte Verhalten seiner Ehefrau als Betriebsgefahr erhöhenden Umstand zurechnen lassen.
1. Den oben geschilderten schuldhaften Verstößen des Beklagten zu 1) steht das Verhalten der Zeugin ... gegenüber, die nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ... beim Einbiegen in den ... extrem links auf der ... gefahren ist. In diesem Verhalten ist zwar kein Verstoß gegen das in § 2 Abs. 2 StVO normierte ... Rechtsfahrgebot zu sehen, weil diese Vorschrift nicht den Querverkehr schützt. In dem Verhalten der Zeugin liegt jedoch ein erheblicher Verstoß gegen die sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt wird.
Grundsätzlich muss derjenige, der aus einer trichterförmig erweiterten Einmündung nach links in eine andere Straße einbiegen will, den Mittelpunkt der Trichterbreite rechts umfahren (BGH VRS 27, 254; OLG Frankfurt NZV 90, 472). Der vorfahrtberechtigte Linksabbieger muss einen weiten Bogen fahren, wobei er beim Abbiegen die gerade Linie, die die Mitte der verlassenen Straße am Beginn des Kreuzungsbereichs mit der Mitte der Straße nach dem Kreuzungsbereich, in die abgebogen wird, verbindet, nicht überfährt (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 9 StVO Rdnr. 30 m.w.N.).
2. Dass die Zeugin ... zum Unfallzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h und damit zu schnell gefahren ist, kann zu ihren Lasten nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Wie der Sachverständige ... im Senatstermin vom 21.05.1997 ausgeführt hat, ist er bei der Annahme einer Annäherungsgeschwindigkeit von 30 km/h in erster Linie von der für einen Abbiegevorgang normalen Geschwindigkeit ausgegangen. Selbst wenn man mit dem Sachverständigen die Blockierbremsspur dem klägerischen Fahrzeug zuordnet, ist nicht auszuschließen, dass die Geschwindigkeit der Zeugin unterhalb der vom Sachverständigen angenommenen von 30 km/h gelegen hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin zwar grundsätzlich verpflichtet war, wegen der ungeregelten Vorfahrtverhältnisse und der auch für sie nach rechts unübersichtlichen Einmündung ihre Fahrgeschwindigkeit anzupassen (sogenannte "halbe Vorfahrt"). Zwar schützt diese Verpflichtung zu angepasster Fahrgeschwindigkeit nach den §§ 1 und 3 StVO auch den von links kommenden Wartepflichtigen (BGHZ 14, 240; VM 77, 91). Hier ist jedoch zugunsten der Zeugin zu berücksichtigen, dass sie durch ihr nach links versetztes Abbiegemanöver nach rechts eine wesentlich bessere Sicht hatte, so dass eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h ihr nicht gefahrerhöhend vorzuwerfen ist.
Die beiderseitigen erheblichen Verursachungsbeiträge schätzt der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände gleich hoch ein.
IV.
Der Kläger hat einen Sachschaden in Höhe von insgesamt 12.364,27 DM dargelegt. Dieser setzt sich ausgehend von der unstreitigen Schadensaufstellung des Klägers in der Klageschrift wie folgt zusammen:
1. Reparaturkosten 8.350,00 DM 2. Mietwagenkosten 2.892,00 DM 3. An- und Abmeldekosten 86,95 DM 4. Sachverständigenkosten 985,32 DM 5. Unkostenpauschale 50,00 DM 12.364,27 DM
1. Der Kläger hat in der Berufungserwiderung selbst eingeräumt, dass die An- und Abmeldekosten lediglich 86,95 DM betragen haben.
2. Entgegen der Auffassung der Berufung sind Abzüge von den geltend gemachten Mietwagenkosten nicht zu machen. In der Klageerwiderung waren sämtliche Schadenspositionen ausdrücklich nicht bestritten worden. Demgemäß hatte das Landgericht bei seiner Schadensberechnung mit Recht die geltend gemachten Schadenspositionen in vollem Umfang angesetzt, ohne sich entsprechende Belege vorlegen zu lassen. Im Senatstermin vom 21.05.1996 hat der Kläger aufgrund des entsprechenden Bestreitens der Beklagten in der Berufungsinstanz die Rechnung der Firma Autoverleih ... vom 17.07.1995 über die entstandenen Mietwagenkosten vorgelegt. Daraus folgt ein Rechnungsbetrag in Höhe von brutto 3.325,80 DM. Zieht man von diesem Betrag entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats eine fünfzehnprozentige Eigenersparnis des Klägers ab, ergibt sich die vom Kläger in seine Schadensaufstellung eingestellte Summe von 2.892,00 DM (brutto).
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger berechtigt, auch die angesetzten Mehrwertsteuerbeträge hinsichtlich des Fahrzeugschadens, der Sachverständigen- und der Mietwagenkosten ersetzt zu verlangen. Durch eine Bescheinigung seines Steuerberaters vom 21.05.1997 hat der Kläger belegt, dass er gemäß § 24 a UStG seine Umsätze in der Landwirtschaft pauschaliert und damit eine Verrechnung der Vorsteuer mit dem Finanzamt nicht stattfindet. Hiervon gehen auch die Beklagten in der Berufungsbegründung aus. Allerdings ist der Schluss der Beklagten, der Kläger sei deshalb im Endeffekt mit der geltend gemachten Mehrwertsteuer in diesem Verfahren nicht belastet, schlechterdings nicht nachzuvollziehen. Grundsätzlich kann ein Geschädigter vom Schädiger die für die Wiederherstellung des Zustandes aufzuwendenden Kosten einschließlich der Mehrwertsteuer ersetzt verlangen (BGH NJW 85, 1222; 89, 3009; Steffen NJW 95, 2059; Kullmann VersR 93, 385). Steuerliche Nachteile werden grundsätzlich von der Ersatzpflicht miterfasst. Sie sind bei Sachschäden Teil des üblichen Entgelts im Sinne des § 249 Satz 2 BGB. Das gilt nur dann nicht, wenn der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (BGH NJW 72, 1460; OLG Hamm OLGZ 80, 20).
Bei Landwirten ist die Rechtslage genau umgekehrt, wie die Beklagten sie sehen. Macht ein Landwirt nicht von der nach § 24 UStG möglichen Pauschalierung Gebrauch, ist er gemäß § 24 Abs. 4 UStG wie ein vorsteuerabzugsberechtigter Gewerbetreibender anzusehen. Im Falle der Pauschalierung wird jedoch, worauf die Beklagten mit Recht hinweisen, lediglich unterstellt, dass der Landwirt genausoviel Mehrwertsteuer zahlt, wie er einnimmt. Im Endeffekt wird damit im Falle der Pauschalierung vom Landwirt keine Umsatzsteuer an das Finanzamt gezahlt. Andererseits wird vom Finanzamt auch keine Vorsteuer erstattet (vgl. Bolk/Burhoff/Fischer/Hünnekens/Müller, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 5. Aufl. Rdnr. 864 ff.). Damit muss der durch einen Verkehrsunfall geschädigte Landwirt, der von der Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, tatsächlich die in die Schadensaufstellung eingeflossenen Mehrwertsteuerbeträge bezahlen, ohne eine entsprechende Erstattung vom Finanzamt zu erhalten. Demgemäß ist bei Landwirten, die von der Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben, der Bruttowert der jeweiligen Leistungen zugrundezulegen; etwas anderes gilt nur, wenn der Landwirt sich nach § 24 Abs. 4 UStG den allgemeinen Vorschriften der Mehrwertsteuer unterworfen hat (vgl. Wussow/Treitz, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl. Rdnr. 1671; Geigel/Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl., 5. Kap. Rdnr. 16 f.). Das ist hier aber gerade nicht der Fall.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.