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OVG Münster Beschluss vom 05.11.2014 - 16 B 1128/14 - MPU-Frage nach zukünftigen Fahrten unter unzulässig hoher Alkoholwirkung
OVG Münster v. 05.11.2014: MPU-Frage nach zukünftigen Fahrten unter unzulässig hoher Alkoholwirkung
Das OVG Münster (Beschluss vom 05.11.2014 - 16 B 1128/14) hat entschieden:
- § 13 Nr. 2 Buchst. b) FeV sieht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vor, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die Zuwiderhandlung meint nicht nur Straftaten, also §§ 315c, 316 StGB, sondern auch Ordnungswidrigkeiten gemäß § 24a Abs. 1 StVG.
- Die Fragestellung für den medizinischen Teil der Untersuchung kann sich jedenfalls dann auf etwaige alkoholkonsumbedingte fahreignungsrelevante Leistungsbeeinträchtigungen erstrecken, wenn Anzeichen für einen unkontrollierten Alkoholkonsum vorliegen (hier bejaht bei erneuter Auffälligkeit trotz Verringerung des Alkoholkonsums und der Fahrt mit Restalkohol).
Siehe auch MPU und Alkoholproblematik und Stichwörter zum Thema Alkohol
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers, über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO), hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch das Beschwerdegericht führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
Mit der Beschwerdebegründung wird erneut geltend gemacht, dass die Gutachtenfrage nicht den Vorgaben der Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV entspreche, die Umrechnung einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,45 mg/l in eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,9 ‰ wissenschaftlich nicht möglich sei und zu Unrecht widersprüchliche Angaben des Antragstellers bei der Begutachtung bejaht worden seien. Mit diesem Vorbringen wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen, aber nicht durchgreifend infrage gestellt. Dieses Vorbringen hat das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt. Insoweit kann auf dessen Ausführungen verwiesen werden (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Gutachter von der Frage zukünftiger Fahrten unter unzulässig hoher Alkoholwirkung ausgegangen sind. Der erste Teil der Fragestellung fragt zwar danach, ob es zu erwarten sei, dass die Person auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Diese Fragestellung ist in der Tat überschießend formuliert, weil § 13 Nr. 2 Buchst. b) FeV, worauf der Antragsgegner in der Beibringungsanordnung auch abgehoben hat, die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens vorsieht, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die Zuwiderhandlung meint nicht nur Straftaten, also §§ 315c, 316 StGB, sondern auch Ordnungswidrigkeiten gemäß § 24a Abs. 1 StVG.
Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 13 FeV Rn. 22.
Demgegenüber fordert der Wortsinn der Gutachterfrage auch die Prognose dazu, ob der Antragsteller unterhalb der strafrechtlich und straßenverkehrsrechtlich gezogenen Grenzen unter Alkoholeinfluss stehend ein Kraftfahrzeug führen würde. Dies würde eine 0,0 Promille-Grenze voraussetzen, dies es abgesehen vom Alkoholverbot für Fahranfänger nach § 24c StVG nicht gibt. Allerdings ist die Gutachterfrage im Lichte der Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV zu verstehen.
So auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 10 S 2173/10 -, Blutalkohol 48, 50 = juris, Rn. 12.
Dort heißt es im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Alkoholmissbrauch: Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden. Es geht also um die Gefahr der Beeinträchtigung der Fahrsicherheit aufgrund des Konsums von Alkohol. Dies knüpft unmittelbar an die oben dargestellten strafrechtlich und straßenverkehrsrechtlich gezogenen Grenzen an. Hiervon sind offensichtlich auch die Gutachter im vorliegenden Verfahren ausgegangen. Denn in dem Gutachten heißt es, aus "den aktenkundigen Vorgeschichtsdaten ergibt sich, dass Herr S. wiederholt unter unzulässig hoher Alkoholwirkung ein Fahrzeug geführt hat". Die Anknüpfung an eine unzulässig hohe Alkoholwirkung des Antragstellers zeigt, dass die Gutachter die Gutachtenfrage verständig im Sinne der Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV interpretiert haben und nicht von der Frage einer jedweden Alkoholeinwirkung beim Führen eines Fahrzeugs ausgegangen sind.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt es auch nicht auf eine mathematisch genaue Konversion des bei dem Antragsteller gemessenen AAK-Werts in einen BAK-Wert an. Denn der AAK-Wert von 0,45 mg/l überschreitet den für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG maßgeblichen Mindestwert von 0,25 mg/l.
Schließlich sind die Angaben des Antragstellers während seiner Begutachtung zu Recht als unschlüssig und unstimmig gewertet worden. Die Beurteilung in dem Gutachten, dass die von dem Antragsteller angegebenen Alkoholtrinkmengen vor den beiden Vorfällen am 10. April 2005 und am 1. Dezember 2013 die festgestellten Alkoholkonzentrationen nicht erklären könnten, ist nachvollziehbar. Das gleiche gilt für die Einschätzung in dem Gutachten, es lasse sich das Ausmaß der bei dem Antragsteller vorliegenden Alkoholproblematik nicht sicher beurteilen; es könne nicht ausreichend geklärt werden, ob er noch zu einem kontrollierten Trinken zuverlässig in der Lage sei. Dieses Ergebnis wird mit dem Hinweis auf steigende BAK, erneute Auffälligkeit trotz Verringerung des Alkoholkonsums und der Fahrt mit Restalkohol begründet. Der Antragsteller überschätze seine Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf seinen Alkoholkonsum und sei sich der bestehenden Rückfallgefährdung in frühere Verhaltensgewohnheiten nicht ausreichend bewusst. Diese Beurteilung begründeten die Gutachter u.a. damit, dass die letzte Auffälligkeit nicht im Zusammenhang mit seiner Bundeswehrzeit gestanden habe und der Antragsteller sein persönliches Rückfallrisiko nahezu ausschließe. Ob die Angaben des Antragstellers von dem Antragsgegner zu Recht als "widersprüchlich" gewertet wurden oder ob eine Beurteilung etwa als "unschlüssig" oder "unstimmig" sprachlich geboten ist, kann dahinstehen; jedenfalls ist die Wertung des Antragsgegners in der Sache zutreffend.
Das Gutachtenergebnis, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird, begegnet daher bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken und ist im Übrigen unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen in der Weise zu verstehen, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Fahrzeug unter die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholeinwirkung führen wird und damit gegenwärtig zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist.
Bei dieser Ausgangslage fällt die sonstige Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 16 B 1124/13 -, juris, Rn. 9.
Besondere Umstände, aufgrund derer vorliegend ausnahmsweise eine abweichende Bewertung veranlasst sein könnte, sind weder schlüssig dargetan noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).