Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil vom 28.01.2003 - 7 K 2559/02 - Zur Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung bei Herzrhythmusstörungen
VG Gelsenkirchen v. 28.01.2003: Zur Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung bei Herzrhythmusstörungen
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 28.01.2003 - 7 K 2559/02) hat entschieden:
Wer an Herzrhythmusstörungen mit anfallsweiser Bewusstseinstrübung leidet, die durch einen Herzschrittmacher und medikamentöse Begleitbehandlung nicht ausgeglichen werden, ist auch dann zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn er sich gesundheitlich wohl fühlt und aktiv am Berufsleben teilnimmt. - Steht fest, dass es sich dabei um eine dauerhafte Erkrankung handelt, bedarf es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das er gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis angestrengt hat, keiner erneuten Begutachtung, wenn die bisherige Therapie beibehalten wird.
Siehe auch Krankheiten und Fahrerlaubnis und Die Fahrerlaubnis im Verwaltungsrecht
Tatbestand:
Der 1923 geborene Kläger war seit 1946 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3. Nachdem das Polizeipräsidium S.. dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass der Kläger im Rahmen einer Überprüfung nach einem Rotlichtverstoß völlig desorientiert gewesen sei und den Gesamteindruck vermittelt habe, nicht mehr andauernd verkehrstüchtig zu sein, forderte der Beklagten diesen wegen daraus resultierender Bedenken an der Kraftfahreignung auf, ein Gutachten eines Arztes des Gesundheitsamtes innerhalb einer gesetzten Frist beizubringen. Da der Kläger dieses nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beibrachte, entzog der Beklagte ihm mit Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2001 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis.
Im Zuge des anschließenden Widerspruchsverfahrens, das zunächst zur Aussetzung der sofortigen Vollziehung führte, ließ sich der Kläger amtsärztlich untersuchen. Der Amtsarzt beim Beklagten gelangte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 24. Januar 2002 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass aus amtsärztlicher Sicht Bedenken gegen das sichere Führen von Kraftfahrzeugen beim Kläger bestünden, da er unter Herzrhythmusstörungen mit unregelmäßigem Herzschlag und langsamen Frequenzen leide und es trotz Therapie (Einsetzen eines Herzschrittmachers und medikamentöse Behandlung) in jüngerer Vergangenheit erneut zu computertomographisch nachweisbaren Veränderungen im Sinne von Durchblutungsstörungen des Gehirns gekommen sei. Daraufhin ordnete der Beklagte erneut die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung an.
Den Widerspruch des Klägers, den er im Wesentlichen darauf stützte, dass die Verkehrslage bei dem Rotlichtverstoß unübersichtlich gewesen sei und die amtsärztlichen Bedenken gegen seine Kraftfahreignung nicht geteilt würden, wies die Bezirksregierung Münster mit Bescheid vom 26. April 2002, zugestellt am 3. Mai 2002, zurück.
Am 29. Mai 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung weist er ergänzend darauf hin, dass er nach wie vor aktiv im Berufsleben stehe und in der Vergangenheit ohne jegliche Verkehrsauffälligkeiten als Unternehmer ständig mit dem Kraftfahrzeug unterwegs gewesen sei. Der Rotlichtverstoß am 7. September 2001 bilde einen einmaligen Vorfall und sei u. a. auch dadurch zu erklären, dass die Verkehrssituation an der fraglichen Stelle wegen verschiedener Baustelleneinrichtungen unübersichtlich gewesen sei. Er bestreite die Angabe im ärztlichen Gutachten des Amtsarztes, dass er einen Schlaganfall erlitten habe. Im Übrigen gehe es ihm mit dem vor Jahren eingesetzten Herzschrittmacher gut. Die vom Amtsarzt verwendeten Befunde spiegelten auch seinen aktuellen Zustand und sein Leistungsvermögen nicht wider. Er sei bereit, sich einer erneuten Untersuchung zu unterziehen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 26. April 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, dass die Kraftfahreignung des Klägers nach der Befundlage des Amtsarztes, die auf vom Kläger vorgelegten ärztlichen Befundberichten beruhten, gemäß Kapitel 4.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ausgeschlossen sei. Die medizinische Befundlage sei eindeutig, so dass eine erneute Begutachtung des Klägers unverhältnismäßig erscheine.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Münster Bezug genommen.
Der Kläger hat im Erörterungstermin am 18. Dezember 2002 die dem Amtsarzt des Beklagten zur Verfügung gestellten ärztlichen Befundberichte sowie einen weiteren Bericht des St. S1. -Hospitals vom 19. Februar 2002 und des praktischen Arztes Dr. med. I2. vom 27. Februar 2002 überreicht, auf deren Inhalt verwiesen wird (BA 3).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 26. April 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Der Beklagte hat dem Kläger die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) im Ergebnis zu Recht entzogen, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV).
Wegen der beim Kläger seit Jahren bestehenden Herzrhythmusstörungen, die durch den eingesetzten Herzschrittmacher und die medikamentöse Begleitbehandlung nicht ausgeglichen werden, liegen diese Voraussetzungen vor. Herzrhythmusstörungen mit anfallsweiser Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit schließen die Kraftfahreignung regelmäßig aus (Ziffer 4.1. der Anlage 4 zur FeV). Derartige Bewusstseinstrübungen sind beim Kläger aktenkundig (vgl. den Bericht des Polizeipräsidiums S. über den Vorfall am 8. September 2001 sowie auch den Entlassungsbericht des St. S1. -Hospitals vom 17. März 2001, Seite 3). Die fehlende Kraftfahreignung des Klägers wird durch die Stellungnahme des Amtsarztes des Beklagten vom 24. Januar 2002 bestätigt, das auf den vom Kläger im Gesundheitsamt ausgehändigten ärztlichen Befundberichten, die er im Erörterungstermin auch der Kammer überreicht hat, beruht. Der dort erwähnte "Schlaganfall", den der Kläger in der Vergangenheit erlitten haben soll, beruht auf dem Bericht des St. S1. -Hospitals vom 18. März 2001, wo es als Diagnose heißt: "Zustand nach apoplektischem Insult".
Dieser zusammenfassenden Bewertung der ärztlichen Unterlagen durch den Amtsarzt hat der Kläger nichts Entscheidendes entgegen gesetzt. Der Umstand, dass er sich nach wie vor gesundheitlich wohl fühlt und aktiv am Berufsleben teilnimmt, beweist seine Kraftfahreignung nicht. Da es sich um eine dauerhafte Erkrankung handelt, die auch durch die im Erörterungstermin weiter vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen aus jüngerer Zeit vom 19. Februar und 27. Februar 2002 bestätigt werden, ist eine erneute Begutachtung des Klägers unter der derzeitigen beibehaltenen Therapie nicht angezeigt. Auch auf die Frage, wie es zu dem Rotlichtverstoß gekommen ist, kommt es nicht an.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen. Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.