Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Dortmund Urteil vom 07.01.2015 - 21 O 342/13 - Bewertung persönlicher Beziehungen beim Unfallbetrug

LG Dortmund v. 07.01.2015: Zur Bewertung persönlicher Beziehungen der Beteiligten beim Unfallbetrug


Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 07.01.2015 - 21 O 342/13) hat entschieden:
Als Zufallsereignisse lassen sich nicht erklären, dass am Fahrbahnrand gerade das frühere Fahrzeug der Schwester des Klägers stand, das nach einem erheblichen Unfallschaden durch den Bruder des Klägers an dessen Bekannte veräußert worden ist.


Siehe auch Unfallmanipulationen - Unfallbetrug - Berliner Modell und Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung


Tatbestand:

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Schadensereignis geltend, das er als Verkehrsunfall verstanden wissen will.

Der Kläger behauptet, er sei am 13.10.2013 Eigentümer eines Pkw BMW 560 mit dem amtlichen Kennzeichen ... gewesen.

Am 13.10.2013 habe er gegen 17:00 Uhr mit dem Pkw die B.- straße in D. in nördlicher Fahrtrichtung befahren. Dabei habe er den rechten Fahrstreifen benutzt. Die B.- straße weist in jeder Fahrtrichtung zwei Fahrstreifen auf.

Zur selben Zeit habe der Beklagte zu 1. mit einem Pkw Seat Ibiza den linken Fahrstreifen der B. Straße benutzt. Als sich der Pkw Ibiza seitlich versetzt vor dem Fahrzeug des Klägers befunden habe, habe der Beklagte zu 1. sein Fahrzeug nach rechts und gegen ein rechts neben der Fahrbahn auf einem Parkstreifen befindliches geparktes Fahrzeug gedrückt.

Das geparkte Fahrzeug war ein BMW Z4 mit dem amtlichen Kennzeichen der Frau N. H.. Der BMW Z4 stand ursprünglich im Eigentum der Schwester des Klägers, Frau A. A. in E., die das Fahrzeug als Neuwagen erworben hatte. Der Bruder des Klägers, Herr E. D., hatte das Fahrzeug sodann an die ihm bekannte Frau N. H. weiter verkauft. Frau H. hat aus dem behaupteten Schadensereignis vom 13.10.2013 Schadensersatzansprüche in dem Verfahren 21 O 370/13 anhängig gemacht. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Der Kläger macht aus dem Schadensereignis vom 13.10.2013 als Schaden den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 12.356,00 €, die Kosten des Gutachtens in Höhe von 1.159,66 €, eine Pauschale von 25,00 € und Abschleppkosten in Höhe von 185,00 € geltend.

Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger
  1. 13.725,66 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2013 und

  2. Nebenkosten in Höhe von 526,58 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2. trägt vor, der Unfall habe entweder gar nicht stattgefunden oder sei einverständlich manipuliert worden. Hierfür sprächen zahlreiche Indizien. Dazu zähle, dass der Kläger über ein hochwertiges Fahrzeug verfüge, während das Beklagtenfahrzeug wirtschaftlich weniger wert gewesen sei und zudem vollkaskoversichert gewesen sei. Die Schadensentstehung an insgesamt drei Fahrzeugen sei nicht plausibel, die Unfalldarstellung der Beteiligten sei vage und könne dem späteren Prozessverlauf angepasst werden. Der Beklagte zu 1. habe jeglichen Versuch unterlassen, eine Kollision zu vermeiden. Darüber hinaus spräche die Häufigkeit von Schadensereignissen gegen ein ungewolltes Unfallgeschehen. So habe das Fahrzeug BMW des Klägers bereits am 16.01.2013 in D. einen Auffahrunfall erlitten. Bei einem Heckanstoß sei ein Schaden von 8.000,00 € brutto entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe das Fahrzeug bereits Vorschäden an der rechten Seite und der Fahrzeugfront aufgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Schumann vom 22.01.2013 Bezug genommen. Am 31.05.2013 habe ein Aufbruchversuch am Fahrzeug des Klägers stattgefunden, bei dem ein Schaden von 6.100,00 € entstanden sei. Ausweislich des danach gefertigten Gutachtens GKK vom 04.06.2013 seien Vorschäden an der rechten Fahrzeugseite, am Frontdeckel, an der Seitenwand links hinten sowie ein Altschaden an der Frontscheibe zu verzeichnen gewesen.

Unstreitig erlitt das Fahrzeug bei einem Unfall auf einem Parkplatz der Kirmes in H. einen Schaden im August 2013.

Soweit die Beklagte einen weiteren Unfall vom 08.11.2013 anführt, hatte der Kläger sein Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits abgegeben. Das neue Fahrzeug des Klägers, ein VW Golf, war aber mit dem ursprünglichen Kennzeichen des BMW ausgestattet worden.

Auch der Pkw BMW Z4 habe bereits im Juli 2013 einen erheblichen Reparaturschaden in Höhe von 7.700,00 € erlitten. Ausweislich des Gutachtens S...... vom 29.07.2013 bestanden weitere Vorschäden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1. angehört und sodann ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-​Ing. Prof. S. eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften und die Anlagen zum mündlich erstatteten Gutachten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG geltend machen.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger als Eigentümer berechtigt ist, etwaige Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Jedenfalls ist das behauptete Unfallgeschehen nicht plausibel, so dass das Gericht nicht davon überzeugt ist, dass das behauptete Geschehen in allen Einzelheiten an der behaupteten Stelle zur behaupteten Zeit sich ereignet hat.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO angegeben, er sei mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h gefahren. Der Beklagte zu 1. habe Gas gegeben, sei am klägerischen Fahrzeug links vorbei und dann nach rechts herübergezogen. Er, der Kläger, habe weder gebremst noch ausgewichen. Er habe gar nicht mehr reagiert. Sein Fahrzeug sei gegen das geparkte Fahrzeug gestoßen und dort in Höhe des linken Hinterrades stehen geblieben.

Der Beklagte zu 1. hat bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO angegeben, er habe ein anderes Fahrzeug im linken Fahrstreifen, das langsam gefahren sei, rechts überholen wollen. Das Fahrzeug des Klägers habe er vorher gar nicht gesehen. Er sei mit einer Geschwindigkeit von unter 50 km/h, er schätze 40 km/h, gefahren. Den Schaden an seinem Fahrzeug Seat habe er bei seiner Vollkaskoversicherung angegeben. Der Versicherer habe aber eine Zahlung verweigert.

Der Sachverständige hat zunächst die Zweitkollision des BMW 5 gegen den BMW Z4 analysiert. Aus den beiderseitigen Schäden ergab sich eine Kollision mit einem Winkel von ca. 10 Grad. Die Höhenzuordnung ergab, dass der BMW des Klägers ungebremst gegen den BMW Z4 gefahren ist, im Übrigen passt die Höhenzuordnung. Die Kollisionsgeschwindigkeit ist, wie aus Vergleichsversuchen zu ermitteln war, mit 20 bis 25 km/h anzunehmen.

Der Sachverständige hat sodann die Erstkollision zwischen dem Ibiza und dem BMW des Klägers analysiert. Die Höhenzuordnung ergab, dass der BMW des Klägers gebremst in die Kollision gegangen ist. Auch das von dem Kläger geschilderte Geschwindigkeitsniveau war durch den Sachverständigen nicht zu bestätigen. Die Fahrzeuge sind mit einer niedrigeren Geschwindigkeit kollidiert, als dies der Kläger bei seiner Anhörung angegeben hat. Darüber hinaus steht fest, dass der Kläger entgegen seiner Angabe reagiert hat. Die weitere Analyse durch den Sachverständigen hat ergeben, dass es grundsätzlich möglich ist, dass der Pkw Seat den BMW nach rechts weg drückt.

Bei diesem Beweisergebnis hält das Gericht den Vorgang für nicht plausibel. Entgegen der Angabe des Klägers hat dieser gebremst, als es zur Erstkollision mit dem Pkw Ibiza gekommen ist. Es lässt sich dann nicht nachvollziehen, warum der Kläger den Bremsvorgang vor der Zweitkollision mit dem rechts am Fahrbahnrand stehenden Fahrzeug abgebrochen haben soll. Dies mag, wie der Sachverständige ausgeführt hat, technisch nicht näher aufklärbar sein. Das Gericht sieht in dem Vorgang jedoch einen Hinweis darauf, dass es sich um zwei unterschiedliche Kollisionen gehandelt hat, die nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies widerspricht den Angaben des Klägers.

Die Bedenken aus der Plausibilität des Geschehens werden durch den Umstand bestärkt, dass am Fahrbahnrand gerade das frühere Fahrzeug der Schwester des Klägers stand, das nach einem erheblichen Unfallschaden im Sommer 2013 durch den Bruder des Klägers an dessen Bekannte veräußert worden ist. Als Zufallsereignisse lassen sich diese Umstände nicht erklären. Das Gericht ist daher nicht davon überzeugt, dass der Unfall, wie angegeben, geschehen ist und es sich um unfreiwillige Ereignisse gehandelt hat.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.