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Amtsgericht Bremen Urteil vom 16.01.2015 - 7 C 323/14 - Versicherungsschutz für Fahrzeugschaden durch herabfallenden Ast einen Tag nach einem Sturm

AG Bremen v. 16.01.2015: Versicherungsschutz für Fahrzeugschaden durch herabfallenden Ast einen Tag nach einem Sturm


Das Amtsgericht Bremen (Urteil vom 16.01.2015 - 7 C 323/14) hat entschieden:
Die Unmittelbarkeit als Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch aus der Teilkaskoversicherung aus Sturmschaden i.S.d. A.2.2.3 AKB 2008 erfordert eine tatsächliche Zwangsläufigkeit, der sich der Geschädigte nicht mehr entziehen kann. Auch die Erweiterung in Satz 3 dieser Regelung erfordert, dass noch die "Naturgewalt" selbst die unmittelbar und weiterhin treibende Kraft für einen schädigenden Gegenstand gewesen sein muss ("geworfen").


Siehe auch Teilkaskoversicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Teilkaskoversicherung in Anspruch.

Das Fahrzeug OHZ-​... des Klägers war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten u.a. teilkaskoversichert, hierbei mit einer Selbstbeteiligung von Euro 150,00 (H.a. Versicherungsschein vom 2. Juli 2014, Bl. 28 f. d.A.).

Hierbei besteht Versicherungsschutz u.a. für folgende Ereignisse:
Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung

„Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug. Als Sturm gilt eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. ….“ (vgl. A.2.2.3. AKB 2008 bzw. bereits § 12 Abs. 1 I c AKB 2007)
Am 10. Juli 2014 bestand mit dem Sturm „Michaela“ eine Sturmlage in diesem Sinne.

Am Folgetag und zwar am 11. Juli 2014 stellt der Kläger das versicherte Fahrzeug in der Moorhauser Landstraße bei dem Bauern M. in L. ab.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer Beschädigung seines Fahrzeugs auf Zahlung von Euro 2.045,87 in Anspruch (Reparaturkosten lt. Kostenvoranschlag in Höhe von Euro 2.195,87 abzüglich Selbstbeteiligung von Euro 150,00).

Der Kläger behauptet, dass durch den Sturm vom 10. Juli 2014 in einem Baum auf dem Gelände des Bauern M. ein großer Ast abgebrochen bzw. abgerissen sei und sich dort im Baum verfangen habe. Dieser sei dann am 11. Juli 2014 auf sein Fahrzeug gestürzt und habe dieses beschädigt.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 2.045,87 und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von Euro 179,27, jeweils zzgl. 5 %-​Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2014, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Diese ist im Wesentlichen der Ansicht, dass es an einem unmittelbaren Einwirken im Sinne der Versicherungsbedingungen mangele. Angesichts eines Zeitablaufs von ca. 20 Stunden könne hier keine Zurechnung mehr erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klage ist in voller Höhe abzuweisen.

Der Kläger hat aufgrund des streitgegenständlichen Ereignisses vom 11. Juli 2014 gegenüber der Beklagten keinen Anspruch gem. § 1 VVG iVm. den vereinbarten AKB, hierbei insbesondere nicht aus A.2.2.3. AKB 2008.

Das behauptete Schadensereignis, wonach durch den Sturm vom 10. Juli 2014 ein Ast abgebrochen bzw. abgerissen worden sei, sich dort verfangen habe und dieser dann nach ca. 20 Std. auf das erst nachträglich dort abgestellte Klägerfahrzeug gefallen sei, fällt bereits nicht unter den versicherten Risikobereich.

Es kommt daher nicht darauf an, ob dieser Ast tatsächlich durch den Sturm abgerissen wurde und hier durch das nachträgliche Abstellen in einer potentiellen Gefahrenzone nicht ohnehin eine Leistungsfreiheit anzunehmen wäre (vgl. A.3.9.1 AKB 2008).

So mangelt es bereits an einem unmittelbaren Einwirken im Sinne der Vertragsbedingungen.

Danach muss die Naturgewalt die einzige oder letzte Ursache für den Kfz-​Schaden sein (vgl. nur: Knappmann in Prölss/Martin, 28.A., RdNr. 38 zu AKB 2008 A.2.2 mwN).

Dies muss gerade auch in einem direkten zeitlichen Zusammenhang gesehen werden und fordert im Ergebnis eine „Zwangsläufigkeit“, der sich der Geschädigte nicht mehr entziehen kann und er der gerade „tobenden Naturgewalt“ quasi unmittelbar ausgeliefert ist. So bietet „die Teilkaskoversicherung … keinen Schutz gegen Unfälle, die durch Sturm oder die anderen dort aufgezählten Naturgewalten verursacht worden sind, sondern nur gegen solche Folgen dieser Naturgewalten, denen sich der Versicherungsnehmer nicht mehr durch geeignete Gegenmaßnahmen entziehen kann. Dies kommt in dem Merkmal „unmittelbar“ zum Ausdruck. Versicherungsschutz gegen Unfallschäden, die von Naturgewalten mitverursacht worden sind, bietet allein die Vollkaskoversicherung“ (OLG Hamm, Urt.v. 15. Juni 1988, NJW-​RR 1989, S. 26 f.; vgl. auch OLG Köln, Urt.v. 1. Dezember 1998, NJW-​RR 1999, S. 468; AG Krefeld, Urteil vom 25. Juni 2010 - 6 C 456/09 -, juris; LG Rostock, Urteil vom 25. Juli 2003 - 3 O 421/02 -, juris; vgl. aber auch zu den entsprechenden Regelungen in Österreich: OGH, Urt.v. 23.05.2013, VersR 2014, S. 483 f.).

Eine Unmittelbarkeit in diesem Sinne ist im vorliegenden Fall bereits vom Ansatz her nicht ersichtlich.

Soweit in Satz 3 der o.a. Klausel eine Erweiterung der Unmittelbarkeit (so Knappmann, aaO) erfolgt -
„Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden“ -
so muss auch hier ein Anspruch auf einem einheitlichen in sich abgeschlossenen Geschehensablauf beruhen, welcher im vorliegenden Fall ebenfalls nicht ersichtlich ist.

Hierzu hatte das Gericht in der mündlichen Verhandlung bereits auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19. Oktober 1983 hingewiesen (NJW 1984, S. 369 f.). Hier führt der Bundesgerichtshof u.a. aus:
„… AKB spricht jedoch nicht schlechthin von durch Sturm in Bewegung gesetzten Gegenständen, sondern von “geworfenen”. Die Wahl dieses bildhaften Ausdrucks bestätigt, daß nicht jede durch Sturm verursachte Bewegung eines Gegenstands unter den Versicherungsschutz fällt. Die Bestimmung erfaßt lediglich der Naturgewalt wesenseigene Arten der Schadensstiftung. Dabei muß die Bewegung nicht unbedingt dem Bild eines “Wurfs” entsprechen. Der Gegenstand muß keine Flugbahn beschreiben. Anderenfalls wäre der Bezug in Satz 3 auf alle in Satz 1 genannten Elementargewalten sinnlos. Unverzichtbar ist bei dem Wortlaut der Bestimmung jedoch, daß die Naturgewalt selbst sich nach allgemeinem Verständnis als die treibende Kraft erweist. Die Zerstörungskraft des Gegenstandes muß wesentlich bestimmt sein durch die Bewegungsenergie der Naturgewalt, gegen deren Einwirkung der Versicherungsschutz besteht.“ … „Nach allgemeinen Verständnis endet der Versicherungsschutz dort, wo der Sturm andere Naturgewalten lediglich auslöst, ohne selbst die Zerstörung direkt zu bewirken“ (Bundesgerichtshof, aaO; Knappmann, aaO; entsprechend bereits: OLG Celle, Urt.v. 14.07.1978, BeckRS 2009, 18097).
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.



Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.