Das Verkehrslexikon
OLG Hamburg Urteil vom 08.04.2015 - 14 U 112/14 - Einhaltung der 6-Monatsfrist bei fiktiver Schadensabrechnung
OLG Hamburg v. 08.04.2015: Einhaltung der 6-Monatsfrist bei fiktiver Schadensabrechnung
Das OLG Hamburg (Urteil vom 08.04.2015 - 14 U 112/14) hat entschieden:
Im Rahmen einer fiktiven Abrechnung eines Verkehrsunfallschadens ist nicht nur das Behalten des verunfallten Fahrzeugs für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erforderlich, sondern zudem auch die Herbeiführung der Verkehrssicherheit des Unfallwagens.
Siehe auch Die 6-Monatsfrist bei der fiktiven Schadensabrechnung und Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung
Gründe:
I.
Auf die tatbestandlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Im Übrigen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO von der Darstellung gem. § 540 Abs.1 Ziff. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Entscheidung ergeht auf Grund des Senatsbeschlusses vom 22.12.2014 durch den Einzelrichter, § 526 Abs. 1 ZPO.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Zwar ist die Haftung aus §§ 7, 17 StVG dem Grunde nach unstreitig. Indes kann der Kläger keinen Schadenersatz gem. § 249 ff. BGB auf Basis der Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten einschließlich Minderwert des Fahrzeugs verlangen.
Das folgt aus der Tatsache, dass der Kläger unstreitig das Lenkgetriebe nach dem Unfall nicht ersetzen ließ, obwohl das nach dem von ihm selbst vorgelegten Gutachten (Anlage K 2) erforderlich war. Dies hat seinen Grund unstreitig darin, dass bei dem erlittenen Schaden vom Hersteller der Austausch vorgeschrieben oder empfohlen wird. Eine solche Vorschrift oder Empfehlung erklärt sich zur Überzeugung des Senats nur daraus, dass eben eine Beschädigung des Lenkgetriebes auch ohne äußerlich sichtbare Mängel nicht ausgeschlossen werden kann. Dem entspricht das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 09.03.2015, nach dem mögliche unfallbedingte Haarrisse grundsätzlich äußerlich ohne Zerlegung des Lenkgetriebes nicht zu erkennen sind. Dass dabei ein beschädigtes Lenkgetriebe im Verlauf der weiteren Nutzung später zu anderen Unfallschäden führen kann, bei denen sich die Gefahr eines nicht erkannten Schaden des Lenkgetriebes zu einem unbestimmten Zeitpunkt realisiert, liegt auf der Hand. Daraus ergäbe sich in tatsächlicher Hinsicht die mangelnde Verkehrssicherheit des Fahrzeugs.
Zwar hat der Kläger erstinstanzlich vortragen lassen bzw. bei seiner persönlichen Anhörung zu Protokoll gegeben, das Fahrzeug sei weiter genutzt worden, ohne dass Beeinträchtigungen an der Lenkung festgestellt worden seien. Das schließt aber einen Schaden am Lenkgetriebe, dessen Austausch schon der eigene Sachverständige des Klägers für erforderlich erachtete, wegen äußerlich nicht erkennbarer Beschädigung nicht aus. Die Beklagte hat erstinstanzlich schon aus diesem Grund die verkehrssichere Reparatur des klägerischen Fahrzeugs bestritten. Von daher hat der Kläger letztlich den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass er das Fahrzeug verkehrssicher reparieren ließ. Die sog. Reparaturbestätigung ist insoweit nichtssagend, weil sie sich zu der Frage, ob das Lenkgetriebe verdeckte Schäden aufwies, überhaupt nicht verhält.
Grundsätzlich kommt zwar bei der Regulierung von Fahrzeugschäden nach Verkehrsunfall je nach Höhe und Verhalten des Geschädigten die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis oder auf Totalschadenbasis in Betracht. Dabei ist der Geschädigte, somit also der Kläger, indes nicht frei, Ersatz auf Basis der einen oder anderen Abrechnungsart zu verlangen. Bekanntlich steht die zutreffende Abrechnungsart unter der Prämisse, dass sich der Geschädigte nicht „bereichern“ darf. Vor diesem Hintergrund hat der BGH in seiner Rechtsprechung Abrechnungskriterien entwickelt, die einerseits dem „Bereicherungsverbot“ und andererseits dem Integritätsinteresse des Geschädigten Rechnung tragen, und die auch dieser Senat für zutreffend erachtet und in ständiger Rechtsprechung anwendet. Danach ist es dem Kläger in dieser Konstellation verwehrt, die begehrte Schadenabrechnung auf Basis der fiktiven Reparaturkosten zu verlangen. Zwar nutzte er das Fahrzeug unstreitig über die Dauer eines Zeitraums von 6 Monaten weiter, ehe er es veräußerte. Allerdings kann aus den oben dargestellten Gründen nicht festgestellt werden, dass er das Fahrzeug nach dem Unfall zu diesem Zweck auch verkehrssicher reparieren ließ. Das ist aber grundsätzlich erforderlich, um überhaupt jedenfalls bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts die Reparaturkosten fiktiv ersetzt verlangen zu können (BGH RuS 2011, 137).
Da die Beklagte unstreitig bereits auf Totalschadenbasis regulierte, eine Abrechnung auf Basis der fiktiv verlangten Reparaturkosten aus den oben dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt, stehen dem Kläger weitere Zahlungsansprüche nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO besteht keine Veranlassung.