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VGH München Beschluss vom 17.12.2015 - 11 ZB 15.2200 - Fahrerlaubnisentziehung bei Alkoholabhängigkeit
VGH München v. 17.12.2015: Fahrerlaubnisentziehung bei Alkoholabhängigkeit
Der VGH München (Beschluss vom 17.12.2015 - 11 ZB 15.2200) hat entschieden:
Das Fahrerlaubnisrecht definiert den Begriff der Alkoholabhängigkeit nicht selbst, sondern setzt ihn voraus. Nach den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung sollte die sichere Diagnose „Abhängigkeit“ nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der dort genannten sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren (starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; Nachweis einer Toleranz; fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums; anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen, die dem Betroffenen bewusst sind). Da die Interessenlage bei einer Untersuchung zur Feststellung der Fahreignung anders sein kann und deshalb eine Verschleierung der Krankheit durch eine falsche Darstellung der Vorgeschichte und eine nicht zutreffende Beantwortung der Fragen zur Feststellung der Kriterien für die Annahme der Krankheit nicht auszuschließen sind, muss schon aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs die Feststellung einer die Fahreignung ausschließenden Krankheit auch ohne (ausreichende) Kooperation des Betroffenen möglich sein. Danach ist z.B. die Tatsache, dass eine Alkoholabhängigkeit bereits extern diagnostiziert wurde, ein Kriterium für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, insbesondere wenn die Diagnose von einer suchtherapeutischen Einrichtung gestellt oder eine Entgiftung durchgeführt wurde.
Siehe auch Alkoholabhängigkeit und Alkohol und Fahrerlaubnisentzug und -erteilung im Verwaltungsverfahren
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen 1, 3 und 4 (alt) wegen Alkoholabhängigkeit.
Laut Bericht der Polizeiinspektion Miltenberg vom 4. Januar 2014 wurde die Polizei am 29. September 2013 zu einem häuslichen Streit zwischen dem Kläger und dessen 18-jährigen Sohn gerufen. Laut Aussage des Sohnes vom 30. September 2013 hat der Kläger mit einem 25 cm langen Kupferrohrstück auf ihn eingeschlagen und seinen Kopf mehrfach gegen einen Holzbalken geschlagen. Sein Vater sei Alkoholiker; er sei das schon, seit er sich erinnern könne. Sein Vater sei auch schon am Vortag betrunken gewesen. Er trinke immer heimlich und gehe dazu in den Keller. Erst habe es mit Wein angefangen, jetzt trinke er Kräuterschnaps. Die Ehefrau des Klägers erklärte in ihrer Zeugenvernehmung ebenfalls vom 30. September 2013, ihr Mann sei Alkoholiker „schon seit ihre Kinder klein gewesen seien“. Früher habe er Bier getrunken, dann Wein und jetzt trinke er Schnaps. Der Kläger erklärte, er räume ein, ein Alkoholproblem zu haben und wolle sich professionelle Hilfe holen. Ein vor Ort am 29. September 2013 durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 1,1 mg/l beim Kläger.
Das auf Veranlassung der Fahrerlaubnisbehörde eingeholte ärztliche Gutachten der TÜV Süd Live Service GmbH (TÜV Süd) vom 26. März 2014 kam zu dem Ergebnis, dass sich die aus den aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Kläger bestätigen lasse. Das Gutachten legte als externe Stellungnahmen zum einen den Kurzarztbrief des Krankenhauses für Psychiatrie, Lohr am Main, über eine stationäre Entgiftungsbehandlung vom 17. bis 30. Oktober 2008 mit der Diagnose eines Alkoholabhängigkeitssyndroms und der Entlassungsempfehlung einer Langzeitentwöhnungstherapie zu Grunde. Zum andern lag dem TÜV Süd ein ärztliches Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27. Februar 2013 (richtig wohl 2014) vor, wonach beim Kläger eine Alkoholkrankheit bestanden habe und es diesbezüglich in den vergangenen Jahren zu gelegentlichen Entgleisungen bei Zusammentreffen mehrerer Stressbelastungsfaktoren gekommen sei; die angegebene Abstinenz seit fünf Monaten sei glaubhaft und durch die Laborwerte gestützt. Die Gutachterin kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger bezüglich seines Alkoholkonsums gemachten Angaben nicht verwertbar seien, sie widersprächen in wesentlichen Punkten dem Akteninhalt, den Zeugenaussagen und den vorliegenden Diagnosen. Der Kläger hatte angegeben, nach der stationären Entgiftung im Jahr 2008 eine ganze Zeit lang nichts mehr getrunken zu haben und ein paar Jahre lang bei der Suchtberatung der Caritas gewesen zu sein. Im letzten Jahr sei er wieder verführt worden, er habe dann wieder mit Wein begonnen; davor habe er auch nur ab und zu mal ein „Bierle“ getrunken, so wie alle anderen auch. Seit dem Vorfall im September 2013 gehe er wieder zur Suchtberatung.
Nach Anhörung entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom 23. Juli 2014 die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Ablieferung des Führerscheins innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids (Nrn. 2 und 4) an.
Die vom Kläger gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 1. Juli 2015 ab. Der Kläger sei wegen Alkoholabhängigkeit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Das ergebe sich nachvollziehbar aus dem zu Recht angeforderten und verwertbaren Gutachten vom 26. März 2014.
Gegen das Urteil beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung, der der Beklagte entgegentritt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen entweder nicht vor oder sind nicht ausreichend im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden.
1. Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009, 515 m.w.N.).
Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - vom 18.12.2010 - BGBl I S. 1980) zum Ausschluss der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit, die die Fahreignung ausschließt, ohne dass es darauf ankommt, ob die betroffene Person strafrechtlich oder verkehrsrechtlich negativ aufgefallen ist. Wer alkoholabhängig ist, hat krankheitsbedingt grundsätzlich nicht die Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen (sog. Trennungsvermögen).
1.1 Entgegen dem Zulassungsvorbringen ergeben sich ernstliche Zweifel nicht daraus, dass der Kläger seit Verfahrensbeginn vor der Verwaltungsbehörde in regelmäßigen Abständen Blutlaborwerte vorgelegt habe, die mit der unterstellten Alkoholabhängigkeit vollkommen unvereinbar seien. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Bescheids. Die seit dem Vorfall vom 29. September 2013 bis zum Erlass des Bescheids am 23. Juli 2014 vergangene Zeit reicht für die Annahme einer dauerhaften Abstinenz nicht aus (in der Regel ein Jahr, vgl. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV); eine Ausnahme ist nicht ersichtlich; im Übrigen wurde auch keine Entwöhnungsbehandlung durchgeführt.
1.2 Der Kläger trägt weiter vor, das Gutachten des TÜV Süd leide an offenkundigen Mängeln. Es stütze sich auf die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit aus dem Jahr 2008. Nach Auffassung des Klägers habe schon seinerzeit die gestellte Diagnose nicht zugetroffen. Die Teilnahme an einer Entgiftungsmaßnahme sei freiwillig erfolgt. Es handle sich hier um ein wissenschaftlich unzulängliches medizinisch-psycho-logisches Gutachten gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Das Gutachten lege auch fälschlicherweise zu Grunde, der Kläger habe vor seiner Entgiftung wieder getrunken. Das mache keinen Sinn. Die Gutachterin sei am Untersuchungstag am frühen Morgen des Rosenmontags unwirsch, unausgeschlafen, misslaunig und offenbar unkonzentriert gewesen. Die Auseinandersetzung mit seinem Sohn im September 2013 werde überbewertet. Die Behauptung einer starken Alkoholisierung des Klägers gehe fehl, da die Polizei bei der Atemalkoholüberprüfung mit einem nicht beweissicheren Taschenautomaten auch nicht die verstärkende Wirkung des eingenommenen alkoholhaltigen Asthmasprays berücksichtigt habe. Die Familie des Klägers habe ihre noch im Belastungseifer abgegebenen Erklärungen über einen übermäßigen Alkoholkonsum des Klägers später revidiert.
Dieser Vortrag begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des ärztlichen Gutachtens des TÜV Süd vom 26. März 2014 in seinem Ergebnis.
Das Fahrerlaubnisrecht definiert den Begriff der Alkoholabhängigkeit nicht selbst, sondern setzt ihn voraus. Nach den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung (Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, gültig ab 1.5. 2014 Abschnitt 3.13.2, insoweit identisch mit den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Stand 2.11.2009 Abschnitt 3.11.2) sollte gemäß den diagnostischen Leitlinien nach ICD 10 (Kapitel V, Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Verlag Hans Huber Bern Göttingen Toronto, 2. Auflage 1993) die sichere Diagnose „Abhängigkeit“ nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der dort genannten sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren (starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; Nachweis einer Toleranz; fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums; anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen, die dem Betroffenen bewusst sind).
Um eine dahingehende Diagnose zu stellen, bedarf es keiner prognostischen Überlegungen, sondern der Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-)medizinischer Gegebenheiten (BayVGH, B.v. 9.12.2014 – 11 CS 14.1868 – juris Rn. 16).
Richtig ist, dass das Gutachten des TÜV Süd vom 26. März 2014 die Alkoholabhängigkeit des Klägers nicht nach den Kriterien der ICD-10 begründet, sondern auf das Ergebnis der Anamnese, den Bericht der Polizei, die Zeugenaussagen und die vorliegenden ärztlichen Berichte abstellt.
Der Senat hat dennoch keinen Anlass, an der Richtigkeit des Gutachtens im Ergebnis zu zweifeln. Da den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung keine rechtsnormative Qualität zukommt, steht der Umstand, dass das Fahreignungsgutachten sich nicht streng an dieser „Sollvorgabe“ orientiert, der Annahme, dass der Kläger alkoholabhängig ist, nicht zwingend entgegen. Daran ändert auch nichts, dass nunmehr Anlage 4a zur FeV (eingeführt durch Verordnung vom 16.4.2014, BGBl I S. 348) die Begutachtungsleitlinien zur Grundlage für die Eignungsbeurteilung erklärt. Auch handelt es sich um eine Sollvorgabe („sollte“), was andere Wege der Feststellung nicht ausschließt.
Grundsätzlich kann die für die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderliche Erkenntnis, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist, auf jedem rechtskonformen Weg gewonnen werden (BayVGH, B.v. 3.7.2013 – 11 CS 13.1149 – juris Rn. 11, B.v. 4.4.2006 – 11 CS 05.2439 – DAR 2006, 413). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die in Abschnitt 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung aufgelisteten Kriterien der ICD-10 für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit maßgeblich an der gesundheitlichen Vorgeschichte orientieren und ihre Erhebung daher eine weitgehende Kooperation des Betroffenen erfordert (Schubert/Schneider/Eisenmen-ger/Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung - a.F. -, 2. Auflage 2005, Kapitel 3.11.2, S. 157 f.). Den Kriterien der ICD-10 zur Feststellung einer Krankheit liegt die Annahme zugrunde, dass ein Patient an der Stellung der zutreffenden Diagnose ein ureigenes Interesse hat, damit er die für seine Krankheit geeignete Therapie erhält. Da die Interessenlage bei einer Untersuchung zur Feststellung der Fahreignung anders sein kann und deshalb eine Verschleierung der Krankheit durch eine falsche Darstellung der Vorgeschichte und eine nicht zutreffende Beantwortung der Fragen zur Feststellung der Kriterien für die Annahme der Krankheit nicht auszuschließen sind, muss schon aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs die Feststellung einer die Fahreignung ausschließenden Krankheit auch ohne (ausreichende) Kooperation des Betroffenen möglich sein.
Die Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie - DGVP - und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin - DGVM -, 3. Aufl. 2013) liefern hierfür Hinweiskriterien. Danach (Kriterium A 1.2 N, S. 97, 119) ist z.B. die Tatsache, dass eine Alkoholabhängigkeit bereits extern diagnostiziert wurde, ein Kriterium für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, insbesondere wenn die Diagnose von einer suchtherapeutischen Einrichtung gestellt oder eine Entgiftung durchgeführt wurde (vgl. Beurteilungskriterien a.a.O. S. 119 f.).
Hier wurde die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit von einem Bezirkskrankenhaus gestellt. Bei den bayerischen Bezirkskliniken handelt es sich um Einrichtungen, die nach Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 Bayer. Bezirksordnung u. a. der Betreuung von Suchtkranken sowie solcher Personen dienen, die einer psychiatrischen Behandlung oder Obsorge bedürfen. Diese Fachkrankenhäuser verfügen deshalb über einen hohen Grad an Spezialisierung auf die vorgenannten Gebiete. Die Feststellung, ob eine Person an einer Suchterkrankung leidet, gehört zu den Aufgaben, die in diesen Einrichtungen täglich in nicht geringer Zahl zu bewältigen sind. Attestiert eine Bezirksklinik einer Person, die sich dort zwei Wochen lang stationär aufgehalten hat, eine Abhängigkeitssymptomatik, so kommt einer solchen Diagnose ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu. Denn eine so lange Befassung mit einem Patienten verschafft den behandelnden Ärzten ein mehr als nur oberflächliches Bild von seinen Lebensgewohnheiten und Lebenseinstellungen, seiner psychischen Verfassung und seinen nutritiven Gewohnheiten und damit von Faktoren, die für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit von Bedeutung sind (BayVGH, B.v. 27.7.2012 – 11 CS 12.1511 – juris Rn. 27 ff.).
Der Kläger hat sich selbst zur zweiwöchigen stationären Entgiftungsbehandlung in das Bezirkskrankenhaus begeben. Seine Einlassung in der Begutachtung, er habe das ohne Notwendigkeit getan, ist angesichts der Aussagen seiner Familienmitglieder zu seinem früheren Trinkverhalten nicht glaubhaft. Bestätigt wird die Einschätzung einer Alkoholabhängigkeit auch durch das Attest des Hausarztes des Klägers vom 27. Februar 2014, der zumindest eine Alkoholabhängigkeit in der Vergangenheit diagnostiziert und lediglich eine Alkoholabstinenz seit September 2013 bestätigt.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 19 f.) das Vorliegen von drei der einzeln aufgezählten Kriterien der ICD-10 aus dem Akteninhalt und dem Gutachten herausgearbeitet. Es hat hierzu ausgeführt, der weitere Konsum von Alkohol nach der Entlassung aus einer Entgiftungsbehandlung im Bezirkskrankenhaus trotz Empfehlung suchttherapeutische Maßnahmen und der vom Sohn des Klägers geschilderte heimliche Konsum von Alkohol könne unschwer als ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychoaktive Substanzen (vorliegend Alkohol) zu konsumieren, gesehen werden; die vom Kläger dargestellten und die vom Hausarzt attestierten gelegentlichen Entgleisungen bei Zusammenkommen mehrerer Stressbelastungsfaktoren und die dabei festgestellte hohe Alkoholisierung zeigten die verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums. Schließlich sei es im Fall des Klägers auch zu einem anhaltenden Substanzkonsum und der Entwicklung einer Toleranz gekommen, was sich in den Trinkgewohnheiten des Klägers laut Schilderung seiner Angehörigen und der hohen Alkoholisierung am 29. September 2013 zeige.
Diesen Ausführungen setzt die Zulassungsbegründung nichts entgegen. Soweit sie darauf verweist, dass die Familie des Klägers sich von ihren Aussagen distanziert habe, ist das nicht richtig. Die Erklärung der Familienangehörigen des Klägers im Schreiben vom 9. Februar 2014 (Bl. 34 d. Behördenakte) bestätigt lediglich eine seit September 2013 bestehende Abstinenz des Klägers und trifft keine Aussage für den Zeitraum vor dem 29. September 2013. Es kann auch offen bleiben, ob der Atemalkoholtest am 29. September 2013 exakt richtig ist, weil die hohe Alkoholisierung des Klägers an diesem Tag aufgrund seiner eigenen Angaben, des Polizeiberichts und der Zeugenaussagen nicht zweifelhaft ist.
Auch hat die Fahrerlaubnisbehörde zutreffend die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV angeordnet und kein medizinisch-psycholo-gisches Gutachten, wie der Kläger meint. Allerdings setzt die Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-) medizinischer Gegebenheiten psychologischen Sachverstand voraus, wie die Kriterien der ICD-10 zeigen. Eine bloß medizinische (körperliche) Untersuchung kann Alkoholabhängigkeit weder belegen noch verneinen. Allerdings ist die Bewertung anamnestischer Gegebenheiten entsprechend schwierig, wenn ein Betroffener - wie hier - uneinsichtig ist und den Alkoholkonsum in der Vergangenheit derartig bagatellisiert, wie der Kläger das hier offensichtlich getan hat.
Nach alledem besteht aufgrund des ärztlichen Gutachtens des TÜV Süd, der vorliegenden ärztlichen Berichte und der Aussagen der Verwandten des Klägers für den Senat kein Zweifel, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids alkoholabhängig war, jedenfalls aber seine frühere Alkoholabhängigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht überwunden hatte. Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung nach Alkoholabhängigkeit erst wieder gegeben, wenn eine Abhängigkeit nicht mehr besteht, was in der Regel eine Entwöhnungsbehandlung und den Nachweis einer Alkoholabstinenz von einem Jahr voraussetzt. Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger bei Erlass des Entziehungsbescheids offensichtlich nicht vor. Die vom Kläger seit Beginn des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Abstinenznachweise können, soweit sie den Anforderungen entsprechen, daher erst in einem etwaigen Wiedererteilungsverfahren berücksichtigt werden.
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) werden durch die Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Zur Streitwertfestsetzung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Juli 2015 Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).